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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 28.12.2004
Aktenzeichen: 3 Vollz (Ws) 130/04
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 24
StVollzG § 24 Abs. 3
StVollzG §§ 25 ff
StVollzG § 84
StVollzG § 84 Abs. 1
StVollzG § 84 Abs. 2
StVollzG § 115 Abs. 3
StVollzG § 116 Abs. 1
StVollzG § 119 Abs. 4 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT 3. Strafsenat Beschluss

3 Vollz (Ws) 130/04

In der Strafvollzugssache der

hat der 3. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg am 28.12.04 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Rühle, Richter am Oberlandesgericht Dr. Mohr, Richter am Oberlandesgericht Sakuth

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Beschwerdeführerin vom 05.11.04 wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 13, vom 30.09.04 aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die am 14.02.2004 in der JVA Fuhlsbüttel, Haus II, erfolgte, mit dem Hochziehen des T-Shirts sowie dem Abziehen des BH verbundene körperliche Durchsuchung der Beschwerdeführerin durch die Vollzugsbedienstete der JVA rechtswidrig war.

3. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin werden der Staatskasse auferlegt.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 500,- € festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beschwerdeführerin, die in der JVA Fuhlsbüttel der Beschwerdegegnerin seit 1993 als ehrenamtliche Vollzugshelferin tätig ist, ist mit dem Strafgefangenen S. verlobt, der dort eine Freiheitsstrafe verbüßt.

Am 14.02.04 kam die Beschwerdeführerin als Besucherin ihres Verlobten in die JVA. Dort wurde sie von der Vollzugsbediensteten T. in einer Kabine durchsucht. Die Beschwerdeführerin zog den Mantel aus und legte den Schal ab, um sich abtasten zu lassen. Frau T. durchsuchte den Mantel, tastete die Kleidung ab und erklärte dann, die Beschwerdeführerin müsse auch die Jacke öffnen, unter der die Beschwerdeführerin ein enges T-Shirt trug. Frau T. hob das T-Shirt hoch, griff von unten an den BH und zog dessen unteren Rand ab, damit eventuell versteckte Gegenstände herausfallen könnten.

Mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung begehrte die Beschwerdeführerin die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme. Der Antrag wurde durch die Strafvollstreckungskammer durch den angefochtenen Beschluss abgelehnt.

II. Die gegen diese Entscheidung form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

Eine Überprüfung der landgerichtlichen Entscheidung ist gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG zur Fortbildung des Rechts geboten. Soweit ersichtlich, ist der zulässige Umfang der körperlichen Durchsuchung eines Besuchers eines Strafgefangenen durch die obergerichtliche Rechtsprechung noch nicht entschieden worden.

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 115 Abs. 3 StVollzG zulässig. Die Durchsuchung hat sich mit deren Durchführung erledigt. Ein Feststellungsinteresse der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einer konkreten Wiederholungsgefahr. Der Verlobte der Beschwerdeführerin ist weiterhin Strafgefangener in der Vollzugsanstalt der Beschwerdegegnerin. Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, dass das Verhalten ihrer Bediensteten nicht rechtswidrig war, so dass jederzeit mit der Wiederholung einer entsprechenden Durchsuchung gerechnet werden muss.

2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist auch begründet. Die Sache ist gemäß § 119 Abs. 4 S. 2 StVollzG spruchreif, so dass der Senat an Stelle der Strafvollstreckungskammer entschieden hat.

Die Art und Weise der Durchsuchung ist nicht von § 24 Abs. 3 StVollzG gedeckt. Es fehlt damit an einer erforderlichen Ermächtigungsgrundlage für diese in die Rechte der Beschwerdeführerin eingreifende Maßnahme.

Gemäß § 24 Abs. 3 StVollzG kann ein Besuch zwar aus Gründen der Sicherheit davon abhängig gemacht werden, dass sich der Besucher durchsuchen lässt. Bereits ein Vergleich mit § 84 StVollzG macht aber deutlich, dass damit keine mit einer Entkleidung verbundene Durchsuchung gemeint sein kann. So regelt § 84 Abs. 1 StVollzG ebenso wie § 24 Abs. 3 StVollzG das Recht zur Durchsuchung. Allerdings fehlt es in § 24 StVollzG an einer § 84 Abs. 2 StVollzG entsprechenden Regelung, die ausdrücklich eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung bei Strafgefangenen unter weiteren einschränkenden Voraussetzungen gestattet. Es liegt auf der Hand, dass dem Strafgefangenen aufgrund seiner Stellung im Strafvollzug erheblichere Einschränkungen seiner Rechtsstellung zugemutet werden als dem Besucher (vgl. Müller-Dietz, Möglichkeiten und Grenzen der körperlichen Durchsuchung von Besuchern, ZfStrVo 1995, 114, 217). Insofern ergibt sich bereits aus dem Vergleich dieser beiden Vorschriften ein deutlicher Hinweis darauf, dass eine mit einem Entkleiden verbundene Durchsuchung von Besuchern vom Gesetzgeber generell nicht gewollt war.

Eine mit einer Entkleidung verbundene Durchsuchung eines Besuchers ist danach unzulässig (so auch LG Hamburg, ZfStrVo 2000, 252, 254; Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 9. Aufl., § 24 StVollzG Rdnr. 6; Müller-Dietz, a.a.O. S. 214 ff; AK zum StVollzG-Joester/Wegner, 4. Aufl., § 24 StVollzG Rdnr. Rdnr. 22; Schwind-Böhm, StVollzG, 3. Aufl., § 24 StVollzG Rdnr. 15).

In diesem Zusammenhang ist ferner zu beachten, dass eine mit einer Entkleidung verbundene Durchsuchung einen Eingriff in die durch Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG geschützte Intimsphäre darstellt, der zu seiner Rechtfertigung einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedarf, die die im Widerstreit stehenden Rechtsgüter durch die Formulierung von Eingriffsvoraussetzungen gegeneinander abwägt. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die Oberbekleidung vollständig abgelegt werden soll oder so weit hoch oder heruntergezogen wird, dass dem Vollzugsbediensteten ein freier Blick auf die Unterwäsche oder ein Berühren der nackten Haut des Besuchers gestattet. In allen genannten Konstellationen werden das Schamgefühl des Besuchers und seine Intimsphäre in gleicher Weise betroffen.

Nach allem ist den Vollzugsbediensteten im Rahmen von § 24 Abs. 3 StVollG nicht gestattet, den Besucher bis zur Entkleidung bis auf die Unterwäsche zu veranlassen bzw. diese Entkleidung durch Anheben der Oberbekleidung eigenhändig vorzunehmen. Sie haben sich im Rahmen der Durchsuchung vielmehr darauf zu beschränken, den Körper durch die Oberbekleidung nach verbotenen Gegenständen abzutasten oder/und mit dem Einsatz von Metallsonden abzusonden (so auch LG Hamburg, Callies/Müller-Dietz, Müller-Dietz, AK-Joester/Wegner, Schwind-Boehm jeweils a. a. O.).

Soweit die Beschwerdegegnerin geltend macht, dass die dargestellte Beschränkung ihrer Durchsuchungskompetenzen das Sicherheitsrisiko erhöht, ist dem entgegenzuhalten, dass dies das Erfordernis einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage nicht entbehrlich macht. Im Übrigen stehen der Beschwerdegegnerin unter den in §§ 25 ff und § 84 StVollzG genannten weiteren Voraussetzungen weitere Instrumentarien zur Verfügung, um das Einschmuggeln verbotener Gegenstände zu verhindern.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 121 Abs. 1, 4 StVollzG i. V. m. § 467 Abs. 1 StPO.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf §§ 52 Abs. 1, 60 GKG.

Ende der Entscheidung

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