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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 16.01.2002
Aktenzeichen: 3 Vollz (Ws) 98/01
Rechtsgebiete: StVollzG
Vorschriften:
StVollzG § 50 Abs. 2 |
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT
3. Strafsenat
Beschluss
In der Strafvollzugssache des
hat der 3. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg am 16.01.02 durch die Richter Mentz, v.Selle und Sakuth beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg - Große Strafkammer 13 - vom 9.10.01 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die JVA G. verpflichtet wird, die Haftkostenbeiträge des Beschwerdegegners für die Monate November und Dezember 2000 neu zu berechnen, ohne dass jedwede Kosten für Mahlzeiten in Rechnung gestellt werden, die der Beschwerdegegner wegen seines freien Beschäftigungsverhältnisses als Freigänger nicht in Anspruch genommen hat.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdegegners trägt die Staatskasse (§ 121 StVollzG). Der Gegenstandswert wird auf 200 Euro festgesetzt (§§ 13, 48 a GKG).
Gründe:
Die Verfahrensbeteiligten streiten um die Frage, ob die JVA G. in der der Beschwerdegegner einsaß, berechtigt war, bei der Berechnung der Haftkostenbeiträge im Sinne von § 50 Abs. 2 StVollzG auch sogenannte Bereitstellungskosten für Mahlzeiten zu berücksichtigen, die der Beschwerdegegner wegen seiner Berufstätigkeit nicht einnehmen konnte.
Dem angefochtenen Beschluss ist folgendes zu entnehmen:
Der Beschwerdegegner war seit dem 3. Juli 2000 Freigänger und übte außerhalb der Anstalt eine Tätigkeit in einem freien Beschäftigungsverhältnis aus. An den von der JVA angebotenen Mahlzeiten konnte der Beschwerdegegner nicht teilnehmen, weil er wegen seiner Berufstätigkeit bereits morgens gegen 5.30 Uhr die Vollzugsanstalt verließ und erst gegen 20.00 Uhr zurückkehrte.
Die JVA G. erstellte monatlich Haftkostenbescheide, u.a. für November und Dezember 2000. Sie legte der Berechnung der Haftkostenbeiträge jeweils die gem. § 50 Abs. 2 StVollzG erfolgte Bekanntmachung der Festsetzung der Haftkostenbeiträge im Kalenderjahr 2000 des Bundesministers der Justiz vom 14. Dezember 1999 zugrunde. Von dem dort für Vollverpflegung vorgesehenen Betrag in Höhe von insgesamt 361,- DM monatlich zog die JVA für die Tage, an denen der Beschwerdegegner berufsbedingt nicht an den Mahlzeiten teilnehmen konnte, jeweils 5,60 DM ab. Dieser Betrag stellte nach Auffassung der JVA jeweils die Summe dar, die sie, die JVA, durch die Abwesenheit des Beschwerdegegners an Verpflegungskosten erspart hatte. Die verbleibende Differenz stellte sie dem Beschwerdegegner als sogenannte Bereitstellungskosten in Rechnung.
Der Beschwerdegegner führte gegen diese Art der Berechnung ein erfolgloses Widerspruchsverfahren durch und beantragte im Wege der gerichtlichen Entscheidung, die JVA G. zu verpflichten, die Haftkostenbeiträge erneut zu berechnen, ohne dass die oben zitierten Bereitsstellungskosten in Rechnung zu stellen seien.
Die Strafvollstreckungskammer hat diesem Antrag für die Monate November und Dezember 2000 mit dem angefochtenen Beschluss entsprochen.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beschwerdeführerin. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, den angefochtenen Beschluss der Strafvollstreckungskammer aufzuheben und zu entscheiden, dass die Berechnungen der Haftkostenbeiträge durch die JVA G. für die Monate November und Dezember 2000 rechtmäßig gewesen seien.
Die Beschwerdeführerin trägt vor, dass es im Ermessen der JVA stünde, im Rahmen des § 50 Abs. 2 StVollzG Bereitstellungskosten zu erheben. An dem Betrieb einer eigenen Küche bestünde ein wirtschaftliches und vollzugliches Interesse, das in die Ermessensausübung einfließen dürfe. Der vom Bundesminister der Justiz bestimmte Verpflegungssatz enthalte neben den Lebensmittelkosten auch Bereitstellungskosten. Die Bekanntmachung schränke das Ermessen der JVA nur insoweit ein, dass sie die dort angegebenen Höchstgrenzen nicht überschreiten dürfe.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie genügt den Formerfordernissen des § 118 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 StVollzG. Außerdem sind auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG erfüllt, da die Fortbildung des Rechts eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung geboten erscheinen läßt. Die Frage, ob Bereitstellungskosten für nicht in Anspruch genommene Mahlzeiten bei den Haftkostenbeiträgen in Rechnung gestellt werden dürfen, hat über den Einzelfall hinaus Bedeutung, da die Beschwerdeführerin nach eigenem Vorbringen bezüglich aller ihrer Justizvollzugsanstalten in entsprechender Weise abrechnen lässt. Soweit ersichtlich, ist die streitige Frage noch von keinem Oberlandesgericht entschieden worden.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Inrechnungstellung von Bereitstellungskosten für nicht eingenommene Mahlzeiten als belastende Maßnahme einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, die jedoch nicht vorhanden ist.
§ 50 Abs. 2 StVollzG, der allein als Ermächtigungsgrundlage in Betracht käme, sieht die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Rechtsfolge nicht vor. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift.
§ 50 Abs. 2 StVollzG verweist zur Bestimmung der Höhe der Haftkostenbeiträge auf die Beträge, die gem. § 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB IV durchschnittlich zur Bewertung der Sachbezüge festgesetzt werden, die Arbeitgeber ihren sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern gewähren. Gem. § 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB IV ist für die Ermittlung dieser Beträge der tatsächliche Verkehrswert dieser Sachbezüge maßgebend. Diese Vorschrift knüpft damit an den finanziell messbaren Vorteil an, den der Arbeitnehmer durch den Bezug von Verpflegung und Unterkunft als wichtigste Sachbezüge erhält. Die tatsächlichen Kosten des einzelnen Arbeitgebers für diese Leistungen sind für diese Art der Bemessung also nicht von Bedeutung. Vor dem Hintergrund dieser Berechnungsart wäre es systemwidrig, die von der Anstalt tatsächlich aufgewendeten Kosten für die Bereitstellung der Verpflegungsleistungen in die Berechnung einzubeziehen. Vielmehr müsste auch insofern der Verkehrswert der Bereitstellung maßgebend sein. Ein Verkehrswert für die Bereitstellung von Leistungen, die nicht in Anspruch genommen werden können, ist jedoch nicht erkennbar.
Außerdem machen die Verweisungen auf §17 Abs. 1 Nr. 3 SBG IV und auf die Bekanntachung des Bundesministers der Justiz deutlich, dass eine bundeseinheitliche Handhabung bei der Bestimmung der Verpflegungs- und Unterbringungskosten erfolgen soll, soweit diese im Rahmen von Haftkostenbeiträgen erhoben werden. Zugleich bezweckte der Gesetzgeber mit dieser detaillierten, aber auch gleichzeitig pauschalisierenden Bestimmung der Verpflegungs- und Unterbringungskosten über § 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB IV i.V.m. § 1 Abs. 1 und § 3 Sachbezugsverordnung Unsicherheiten hinsichtlich der Berechnungsart zu vermeiden (BT-Drucks. 7/918, S. 70).
Diese Zwecke würden aber vereitelt, wenn über die individuelle Berechnung von Bereitstellungskosten jede Anstalt die Möglichkeit hätte, unterschiedliche Kosten für Verpflegung wegen unterschiedlicher wirtschaftlicher Gegegebenheiten in den jeweiligen Justizvollzugsanstalten als Bestandteil der Haftkostenbeiträge zu ermitteln. Gerade bei der individuellen Berechnung der Bereitsstellungskosten würden große Unsicherheiten und Unklarheiten hinsichtlich der Angemessenheit der Verpflegungskosten entstehen. Es liegt auf der Hand, dass der Gesetzgeber mit der pauschalisierenden Bestimmung der Verpflegungskosten die Erforderlichkeit derartiger Ermittlungen gerade vermeiden wollte.
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen können Bereitstellungskosten nicht gesondert in Rechnung gestellt werden. Dementsprechend kann die bundeseinheitliche Verwaltungsvorschrift zu § 50 StVollzG, die im Falle der Gestattung der Selbstverpflegung eine entsprechende Reduzierung des Haftkostenbeitrages vorsieht, gesetzeskonform nur dahingehend ausgelegt werden, dass sich in derartigen Fällen der Haftkostenbeitrag um die volle Höhe der Summe zu reduzieren hat, die in der vom Bundesminister der Justiz erlassenen Bekanntmachung für die entsprechende Verpflegung festgelegt wurde.
Den obigen Erwägungen steht nicht entgegen, dass der JVA bei der Frage, ob und gegegenfalls in welcher Höhe sie Haftkostenbeiträge erhebt, ein Ermessensspielraum zusteht. Dieser Ermessensspielraum bezüglich der Höhe der Haftkostenbeiträge wird durch die obige Auslegung der Vorschrift nicht bedeutungslos. Innerhalb des Ermessensspielraums können für einen Verzicht oder eine Reduzierung Behandlungsgesichtspunkte, die persönliche Situation und die individuellen Belange des Gefangenen und demgegenüber auch fiskalische Interessen und die tatsächlichen Verhältnisse der Anstalt relevant sein (Calliess/Müller-Dietz StVollzG, 9. Aufl., § 50 StVollzG Rdnr. 2 m.w.N.). Diese Abwägungsmöglichkeiten werden nicht dadurch aufgehoben, dass die Verpflegungskosten bei Inanspruchnahme der Verpflegung als bundeseinheitlich bestimmte Größe in die Abwägung einzugehen haben oder keine Berücksichtigung finden können, wenn eine Möglichkeit ihrer Inanspruchnahme wegen der Gestattung von Selbstverpflegung nicht gegeben ist.
Ende der Entscheidung
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