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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 21.09.2007
Aktenzeichen: 3 Vollz(Ws) 56/07
Rechtsgebiete: StVollzG, VwGO
Vorschriften:
StVollzG §§ 109ff | |
VwGO § 92 Abs. 1 | |
VwGO § 92 Abs. 3 |
2. Die wirksame Rücknahme des Antrags beendet das Verfahren unmittelbar und grundsätzlich mit Wirkung ex tunc. Der Rechtsstreit ist entsprechend § 173 VwGO iVm § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO als nicht anhängig geworden anzusehen. Im Verfahren bereits ergangene Entscheidungen werden wirkungslos. Diese Rechtsfolgen sind analog § 92 Abs. 3 VwGO durch Beschluss auszusprechen.
Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss
In der Strafvollzugssache des
hat der 3. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg am 21.09.2007 durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Rühle, Richter am Oberlandesgericht Sakuth,Richter am Oberlandesgericht Pesch
beschlossen:
Tenor:
1. Dem Beschwerdeführer wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.
2. Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass der Beschluss des Landgerichts Hamburg - Große Strafkammer 9 als Strafvollstreckungskammer - vom 24.01.2007 durch die Rücknahme des Antrags auf gerichtliche Entscheidung wirkungslos geworden ist. Das Verfahren wird eingestellt.
3. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des landgerichtlichen Verfahrens sowie die der Beschwerdegegnerin insoweit entstandenen notwendigen Auslagen. Die Kosten der Rechtsbeschwerde und die dem Beschwerdeführer insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
4. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 1.000,- € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer, Strafgefangener in der JVA Fuhlsbüttel der Beschwerdegegnerin, erhob am 14.06.2006 Klage mit dem Antrag festzustellen, dass zwei Durchsuchungen seines Zellenraumes rechtswidrig waren. Die Strafvollstreckungskammer wies den Antrag mit Beschluss vom 24.01.2007 zurück. Ob die vom Landgericht am selben Tag verfügte Zustellung des Beschlusses ausgeführt wurde, konnte nicht festgestellt werden. Auf Nachfrage der Strafvollstreckungskammer erklärte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 19.03.2007, dass er den Beschluss nicht erhalten habe und nunmehr den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurücknehme. Daraufhin ließ die Strafvollstreckungskammer dem Beschwerdeführer den Beschluss am 05.07.2007 mit Rechtsmittelbelehrung (erneut) zustellen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die unter dem Vorbehalt der gleichzeitig beantragten Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhobene Rechtsbeschwerde vom 01.08.2007.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, den Prozesskostenhilfeantrag zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsbeschwerde unzulässig sei, denn die Zustellung des Beschlusses trotz Antragsrücknahme sei nach Aktenlage nur versehentlich erfolgt und deshalb kein struktureller Fehler.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht über den Rechtsantragsdienst erhoben worden. Der Senat hält eine Überprüfung der Sache zur Fortbildung des Rechts (§ 116 Abs. 1 StVollzG) für geboten. Denn die prozessuale Behandlung der Rücknahme des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach Erlass des Beschlusses des Landgerichts ist bisher noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung in Strafvollzugssachen gewesen. Ob die Verfahrensweise des Landgerichts, seinen Beschluss trotz der Klagrücknahme förmlich zuzustellen, auch strukturell fehlerhaft war oder nur auf einem Versehen beruht, kann dahinstehen.
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Landgericht durfte, nachdem der Beschwerdeführer seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgenommen hatte, den Beschluss vom 24.01.2007 nicht mehr zustellen, sondern hätte in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO das Verfahren durch Beschluss einstellen und die Unwirksamkeit des Beschlusses entsprechend §§ 173 VwGO, 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO feststellen müssen.
Für das Verfahren nach §§ 109ff StVollzG gilt der Verfügungsgrundsatz. Das bedeutet, dass das Gericht an die Anträge der Verfahrensbeteiligten gebunden bleibt. Demgemäß kann der Antragsteller - entsprechend den Grundsätzen des Verwaltungsgerichtsprozesses - seinen Antrag grundsätzlich zurücknehmen (Calliess/Müller-Dietz, 10. Auflage 2005, § 115 Rn. 2; Kamann/Volckart in: AK-StVollzG, 5. Aufl. 2006, Rdz 1 zu § 115 StVollzG).
Die Verwaltungsgerichtsordnung lässt die Rücknahme einer Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zu, vgl. § 92 Abs. 1 S. 1 VwGO. § 92 VwGO gilt entsprechend auch für selbständige Beschlussverfahren (Kopp/Schenke, 14. Auflage 2005, § 92 Rn. 2).
Folglich kann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 StVollzG bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft der Endentscheidung zurückgenommen werden. Die formelle Rechtskraft tritt erst ein, wenn die Entscheidung mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbar ist. Der Beschluss im Verfahren nach §§ 109ff StVollzG wird daher mit Ablauf der Rechtsbeschwerdefrist des § 118 Abs. 1 StVollzG formell rechtskräftig.
Da im vorliegenden Fall die Rechtsbeschwerdefrist mangels Zustellung des Beschlusses vom 24.01.2007 noch nicht in Lauf gesetzt worden war, konnte der Antragsteller seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung am 19.03.2007 wirksam zurücknehmen.
Die wirksame Rücknahme des Antrags beendet das Verfahren unmittelbar und grundsätzlich mit Wirkung ex tunc. Der Rechtsstreit ist daher entsprechend § 173 VwGO iVm § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO als nicht anhängig geworden anzusehen. Im Verfahren bereits ergangene Entscheidungen werden wirkungslos.
Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass der Beschluss vom 24.01.2007 infolge der Antragsrücknahme wirkungslos ist. Er hätte dem Antragsteller daher nicht mehr zugestellt werden dürfen. Das Gericht hätte nach Erklärung der Antragsrücknahme das Verfahren vielmehr gemäß § 92 Abs. 3 VwGO durch Beschluss einstellen und die sich ergebenden Rechtsfolgen - also auch die Unwirksamkeit des Beschlusses vom 24.01.2007 - in dem Beschluss aussprechen müssen.
3. Der Senat trifft die vorstehend genannten Entscheidungen an Stelle der Strafvollstreckungskammer, weil die Sache spruchreif ist, § 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG.
4. Die Kostenentscheidung für das Verfahren erster Instanz beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz, die für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 60 GKG.
Ende der Entscheidung
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