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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 29.11.2001
Aktenzeichen: 3 W 167/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 93
1) In Ausnahmefällen kann ein nachträgliches Verhalten des Antragsgegners, insbesondere ein Verstoß gegen die einstweilige Verfügung zu der berechtigten Annahme führen, daß eine Abmahnung wahrscheinlich erfolglos gewesen wäre. Das gilt zumindest dann, wenn dieses Verhalten im Zusammenhang mit dem Verhalten des Antragsgegners vor dem Erlaß der einstweiligen Verfügung gesehen werden kann.

2) Ein solcher Ausnahmefall kommt in Betracht, wenn der Antragsgegner vorsätzlich gegen Wettbewerbsrecht verstoßen hat, was allein noch keine Abmahnung entbehrlich macht, und der Verstoß gegen die einstweilige Verfügung als Fortsetzung des früheren Verhaltens unter vorsätzlicher Mißachtung des Verbots erscheint.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluß

3 W 167/01

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, am 29. November 2001 durch die Richter Brüning, v. Franqué, Spannuth

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 6 für Handelssachen, vom 25. März 2001 dahin geändert und neugefaßt, daß die Kosten des Erlaßverfahrens gegeneinander aufgehoben werden und die Antragsgegnerin die Kosten des Widerspruchsverfahrens trägt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Der Beschwerdewert ist gleich den Kosten, die im Erlaßverfahren entstanden sind.

Gründe:

Mit der sofortige Beschwerde wendet sich die Antragsgegnerin lediglich dagegen, daß das Landgericht sie mit den Kosten der drei Verfügungsanträge zu I 2) belastet hat. Insoweit hatte sie - neben dem Teil-Vollwiderspruch zu I 1) - Teil-Kostenwiderspruch erhoben. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden, und begründet.

Zu Gunsten der Antragsgegnerin greift § 93 ZPO ein. Sie ist nicht abgemahnt worden, obwohl eine Abmahnung erforderlich war. Das gilt sowohl hinsichtlich der beiden allgemeinen Werbeaussagen als auch hinsichtlich der Werbung mit dem Test der Stiftung Warentest.

1) Soweit es um die beiden allgemeinen Werbeaussagen zu I 2) ging, war eine - kurzfristige - Abmahnung nicht ausnahmsweise entbehrlich. Nach der Rechtsprechung des Senats ist grundsätzlich abzumahnen.

a) Unerheblich ist, daß die Antragsgegnerin nicht auf eine anderweitige Abmahnung vom 6. Oktober 1999 reagiert hat. Daraus läßt sich nicht herleiten, daß auch im vorliegenden Zusammenhang eine Abmahnung erfolglos gewesen wäre.

Ohne Bedeutung ist auch, daß die Antragsgegnerin zwischen der bloßen Mitteilung von der einstweiligen Verfügung und deren Zustellung sich noch wie beanstandet verhalten hat. Daraus folgt nicht, daß sie auf eine Abmahnung hin keine Unterwerfungserklärung abgegeben und ihre Werbung, soweit ihr noch möglich, nicht schon vorher geändert hätte, wie sie es dann nach der Zustellung getan hat.

Ferner ergibt sich die Entbehrlichkeit einer Abmahnung nicht aus dem Umstand, daß die Antragsgegnerin insoweit erst am 20./ 21. Oktober 1999 eine Abschlußerklärung abgegeben hat, während das wegen der Testwerbung bereits am 19. Oktober 1999 geschehen war.

b) Nach der Rechtsprechung des Senats kann in Ausnahmefällen allerdings ein nachträgliches Verhalten des Antragsgegners, insbesondere auch ein Verstoß gegen die einstweilige Verfügung zu der berechtigten Annahme führen, daß eine Abmahnung wahrscheinlich erfolglos gewesen wäre. Das gilt zumindest dann, wenn dieses Verhalten im Zusammenhang mit dem Verhalten des Antragsgegners vor dem Erlaß der einstweiligen Verfügung gesehen werden kann. Das trifft im vorliegenden Fall jedoch nicht zu. Die Antragsgegnerin hat insoweit nicht gegen die einstweilige Verfügung verstoßen, sondern ihre Werbung so abgewandelt, daß sie nicht mehr in den Kernbereich des Verbots fällt.

2) Eine Abmahnung war auch hinsichtlich der Testwerbung nicht ausnahmsweise entbehrlich. Das Verhalten der Antragsgegnerin nach Zustellung der einstweiligen Verfügung ergibt nicht, daß eine vorherige Abmahnung voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte.

Angesichts der Eindeutigkeit des Verstoßes geht der Senat allerdings davon aus, daß die Antragsgegnerin mit der Testwerbung, die zum Erlaß der einstweiligen Verfügung geführt hat, vorsätzlich gegen § 3 UWG verstoßen hat. Nach der Rechtsprechung des Senats genügt das für sich allein aber noch nicht, um eine Abmahnung als entbehrlich anzusehen. Anders könnte es jedoch sein, wenn der Antragsgegner gegen das gerichtliche Verbot verstößt und dieser Verstoß als Fortsetzung des früheren Verstoßes unter vorsätzlicher Mißachtung des Verbots erscheint, wenn nämlich der Antragsgegner vorsätzlich so weiter wirbt, wie er das vor Erlaß der einstweiligen Verfügung getan hat. Aus sogenannten Auslauffällen, in denen der Antragsgegner entgegen dem gerichtlichen Verbot "nur" fahrlässig seine Pflicht vernachlässigt hat, bereits in Auftrag gegebene Werbung zu ändern oder zu stornieren, ergibt sich noch nicht, daß er sich einer Abmahnung nicht gebeugt hätte.

Bei der Veröffentlichung vom 13. Oktober 1999 handelt es sich um einen solchen Auslauffall. Auch die weiteren, von der Antragstellerin gerügten Werbemaßnahmen der Antragsgegnerin rechtfertigen nicht die Schlußfolgerung, eine vorherige Abmahnung hätte keine Aussicht auf Erfolg gehabt.

Der Antragsgegnerin ist es verboten worden, mit dem Testergebnis der Stiftung Warentest zu werben, ohne darauf hinzuweisen, daß sich das Qualitätsurteil auf "Kundenservice" beschränkt. Bei der späteren Werbung hat sie ihre bisherige Werbung in der Weise geändert, daß sie hinzugefügt hat "Bei Servicequalität". Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die so abgewandelte Werbung überhaupt noch in den Kernbereich des Verbots fällt oder nicht. Immerhin erfordert sie neue Überlegungen dazu, ob trotz des Hinweis noch eine Irreführung vorliegt. Aus etwaigen Verstößen, so wie sie das Landgericht angenommen hat, folgt jedenfalls nicht, daß sie als vorsätzliche Fortsetzung des ursprünglichen Verstoßes erscheinen und deshalb eine vorherige Abmahnung erfolglos gewesen wäre.

Bei der Kostenverteilung hat der Senat berücksichtigt, daß der Teil-Kostenwiderspruch zu I 2) neben dem Teil-Vollwiderspruch zu I 1) der einstweiligen Verfügung stand und allein dessen Wert für die Kosten des Widerspruchsverfahrens maßgebend ist. Demgemäß sind nur die Kosten des Erlaßverfahrens anders zu verteilen. Auf die Anträge zu I 1) und I 2) entfallen je 500.000 DM, wie sich aus dem ergänzenden Streitwertbeschluß des Landgericht vom 27. April 2001 ergibt, dem der Senat folgt.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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