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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 02.04.2008
Aktenzeichen: 3 W 228/07
Rechtsgebiete: ZPO, UWG, HWG


Vorschriften:

ZPO § 890
UWG § 3
UWG § 8
UWG § 4 Nr. 11
HWG § 11 Abs. 1 Nr. 2
1. Wird die Werbung außerhalb der Fachkreise für ein Arzneimittel mit Hinweis auf eine Testveröffentlichung als Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Nr. 2 HWG untersagt, so fällt in den sog. Kernbereich des Verbotstitels entsprechend dem ursprünglich vorgetragenen Verletzungsfall der Anzeige in einer Publikumszeitschrift mit dem Test als Arzneimittelwerbung mit fachlicher Empfehlung bzw. Prüfung nicht auch eine solche Werbung auf Bestelllisten für das Arzneimittel, die nur für Fachkreise bestimmt sind und nur auf einer Fachmesse verteilt werden, auch wenn die Bestellliste im Ausnahmefall an das allgemeine Publikum auf Nachfrage abgegeben worden ist. So ein Sonderfall ist nicht gleichsam "mitentschieden" worden, auf einen solchen stellt der Titel nicht ab.

2. Wird die Arzneimittelwerbung mit einer Testveröffentlichung gemäß § 3 UWG wegen der fehlenden oder unvollständigen Test-Fundstellenangabe untersagt, so fällt eine Werbeanzeige mit einer solchen Test-Werbung nicht in den Verbotskern des Titels, wenn die Fundstellenangabe zwar vollständig, möglicherweise aber zu klein gedruckt worden ist. Die (unterstellt) mangelnde Lesbarkeit der Angabe war im Erkenntnisverfahren nicht Streitgegenstand.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluss

Geschäftszeichen: 3 W 228/07

In dem Rechtsstreit

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, am 2. April 2008 durch die Richter Gärtner, Spannuth, Dr. Löffler Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Kammer 6 für Handelssachen, vom 26. November 2007 wird zurückgewiesen.

Die Gläubigerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für die Beschwerdeinstanz auf 25.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts ist der Gläubigerin am 29. November 2007 zugestellt worden (Bl. 44 O-Heft), die sofortige Beschwerde ist per Telefax am 11. Dezember 2007 bei Gericht eingegangen (Bl. 50) und der entsprechende Schriftsatz dazu im Original vom 10. Dezember 2007 am 12. Dezember 2007 (Bl. 51).

II.

Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht die Ordnungsmittelanträge der Gläubigerin vom 16. Oktober 2007 und vom 5. November 2007 zurückgewiesen.

1.) Mit der Beschlussverfügung des Landgerichts vom 28. März 2007 ist den Schuldnern unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten worden, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt "na_xx" mit einer Bezugnahme auf den Öko-Test 6/2006 zu werben, wenn

a) die Werbung außerhalb der Fachkreise erfolgt und/oder

b) in der Werbung die Fundstelle (Titel, Monat und Jahr der Erstveröffentlichung) nicht oder nicht vollständig angegeben wird.

2.) Für den Verbotsbereich der Beschlussverfügung und damit auch für die Bestimmung des Streitgegenstandes des entsprechenden Verfügungsantrages sind die vorgetragenen Verletzungsfälle sowie die Ausführungen der Gläubigerin zur Begründung ihrer Ansprüche maßgeblich.

Der Verbotsumfang eines gerichtlichen Titels beschränkt sich zwar nicht auf das beschriebene Verbot, sondern erfasst auch unwesentliche Abwandlungen, die den Kern der Verletzungshandlung unberührt lassen. Der bisherige Streitgegenstand darf aber nicht verlassen werden. Nach der sog. Kernbereichslehre fallen unter den Tenor eines Unterlassungstitels nicht nur identische Handlungen, sondern auch solche, die von dem wettbewerbswidrigen Kern der verbotenen Handlung nur geringfügig abweichen, ihr also praktisch gleichwertig sind, weil es sonst mühelos möglich wäre, den Titel zu unterlaufen. Eine Ausdehnung des Unterlassungstitels auf solche Wettbewerbshandlungen, die der verbotenen Handlung aber im Kern lediglich ähnlich sind, ist dagegen nach der Natur des Vollstreckungsverfahrens nicht möglich.

Der Senat hat seit langem in diesem Sinne entschieden (siehe nur: OLG Hamburg, Beschluss vom 17.11.1989 - 3 W 119/89 - GRUR 1990, 637) und sieht sich durch die BGH-Rechtsprechung darin bestätigt (BGH GRUR 2005, 692 - "statt"-Preis, WRP 2006, 590 - Markenparfumverkäufe).

3.) Nach diesen Grundsätzen haben die Schuldner auch nach Auffassung des Senats mit der im Schriftsatz der Gläubigerin vom 16. Oktober 2007 beanstandeten Werbemaßnahme betreffend die Bestellliste (Anlage AG 4) nicht gegen Buchstabe a) der Beschlussverfügung zuwidergehandelt.

(a) Zu Buchstabe a) der Beschlussverfügung wurde im Erlassverfahren beanstandet, die Schuldnerin zu 1) - deren Geschäftsführer ist der Schuldner zu 2) - habe u. a. im Internet und damit für jeden zugänglich für das von ihr vertriebene Arzneimittel " na_xx" mit einem Testbericht der Zeitschrift "Öko-Test" geworben (Anlage ASt K 2 - Erlassverfahren); eine solche Werbung außerhalb der Fachkreise verstoße generell gegen § 11 Abs. 1 Ziffer 2 HWG und sei unlauter.

Demgemäß geht es im Hinblick auf die Wendung "Werbung außerhalb der Fachkreise" im Verbotsausspruch zu Buchstabe a) im Kern um typische Werbemaßnahmen (wie Anzeigen) in Medien, die (jedenfalls auch) für das allgemeine Publikum (Nichtfachkreise) bestimmt sind, eben wie bei der uneingeschränkt zugänglichen Internetwerbung, dem Verletzungsfall des Erlassverfahrens.

(b) Auf der nunmehr beanstandeten Bestellliste der Schuldner sind mehrere Produkte mit Preisen und Bestellmengen aufgeführt, u. a. auch das Arzneimittel " na_xx" unter Bezugnahme auf den Testbericht in der Zeitschrift "Öko-Test" (Anlage AG 4; vgl. auch Anlage ASt K 21 = Bl. 8 O-Heft). Insoweit wird allerdings für das Arzneimittel mit dem im Verbotsausspruch zitierten Testbericht geworben. Gleichwohl handelt es sich bei der beanstandeten Abgabe der Bestellliste nicht um einen kerngleichen Verstoß gegen das Verbot der Beschlussverfügung zu Buchstabe a). Das Landgericht kann diesen Vorfall bei Erlass der einstweiligen Verfügung nicht gleichsam "mitentschieden" haben.

(aa) Zum einen richtet sich die Bestellliste als Werbemaßnahme schon nach dem Inhalt und der äußeren Aufmachung nur an Fachkreise und nicht an das allgemeine Publikum außerhalb der Fachkreise.

Die Bestellliste ist nur für Apotheker bestimmt. Sie ist überschrieben mit "Direktbezugskonditionen", oben rechts ist die Rubrik "Apothekendaten" zum Ausfüllen vorgesehen. Die Produkt-Auflistung darunter ist in Spalten aufgeteilt, die wie folgt überschrieben sind: "PZN, Produkt, Artikelbeschreibung, Bestellkonditionen, Maximale Bestellmenge, Bestellmenge, Interne Nr." Bei den dort aufgeführten Präparaten "yx-oo" und "spa" ist zusätzlich jeweils angegeben: "Im dekorativen Zahlteller" (Anlage AG 4).

(bb) Zum anderen ist die Bestellliste der Schuldner auf einer Messe speziell für Fachkreise im Sinne des HWG verbreitet worden, wobei die Messe allerdings auch für das allgemeine Publikum zugänglich gewesen ist. Demgemäß betrifft der Beanstandungsfall eine - wie ausgeführt - inhaltlich nur an Apotheker gerichtete Werbung, die auch durch die Art der Veranstaltung, auf der sie verbreitet wurde, ausschließlich nur für Fachkreise bestimmt ist.

Die Bestellliste der Schuldner (Anlage AG 4) ist zur Verteilung auf der Messe "Expopharm 2007" gekommen, auf der die Schuldner mit einem Stand vertreten waren und die in Düsseldorf vom 27. bis 30. September 2007 stattfand. Veranstalter sind die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, die Apothekerkammer Nordrhein und der Apothekenverband Nordrhein (Anlage AG 2). Es handelt sich nach der Eigendarstellung der Veranstalter um die "Internationale Pharmazeutische Fachmesse", die "wichtigste und größte pharmazeutische Fachmesse Europas" (Anlage ASt K 20 = Bl. 5, 7 O-Heft). Hierzu passt das Vorbringen der Schuldner, die "Expopharm 2007" sei keine Publikumsmesse, sondern an das Fachpublikum gerichtet; laut Umfrage hätten 94 % der Besucher den Fachkreisen angehört, der Rest (6 %) sei der übliche Anteil von Nichtfachbesuchern bei Fachmessen, bedingt z. B. durch Begleitpersonen (Bl. 32 O-Heft mit Beweisantritt, Anlage AG 3). Dem steht die Behauptung der Gläubigerin nicht entgegen, die Messe sei jedem zugänglich gewesen (vgl. Anlagen ASt K 20 und K 22).

(c) Der Senat verkennt nicht, dass auf einer Fachmesse in Sonderfällen gerade auch gegenüber dem Laienpublikum für ein Arzneimittel geworben werden kann. Eine solche Fallgestaltung stand bei Erlass der Beschlussverfügung streitgegenständlich aber nicht zur Entscheidung.

(d) Im Übrigen steht schon nach dem Vorbringen der Gläubigerin nicht einmal fest, dass an dem Düsseldorfer Fachmesse-Stand der Schuldner die Bestellliste an eine Person außerhalb der Fachkreise abgegeben worden ist.

Nach der Darstellung der Schuldner lag Bestellliste auf dem Messestand nicht frei zugänglich aus, sondern wurde in einer Schublade verwahrt und während der Messe ausschließlich dazu verwendet, die Bestellungen von Apothekern aufzunehmen. Soweit die Schuldner vortragen, auf ausdrückliche Nachfrage sei dem Standbesucher die Liste auch mitgegeben worden (Bl. 33 O-Heft mit Beweisantritt), so zeigt auch das auf, dass es bei dem Beanstandungsfall nicht um eine gezielte, jedenfalls auch für das Publikum außerhalb der Fachkreise bestimmte Werbung im Sinne der Beschlussverfügung geht.

Das Argument der Gläubigerin, ihr Geschäftsführer (K.P.) habe sich nicht als Fachbesucher der Messe zu erkennen gegeben, gleichwohl aber am Stand der Schuldnerin zu 1) die Bestellliste erhalten, greift demgegenüber nicht durch. Denn dadurch, dass sich der Geschäftsführer der Gläubigerin sich nicht als Fachkreis-Angehöriger zu erkennen gegeben hat, ist dieser nicht dem allgemeinen Publikum im Sinne des gerichtlichen Verbots zuzurechnen. Auch auf diesen Sonderfall stellt das gerichtliche Verbot nicht ab.

4.) Die Schuldner haben mit der im Schriftsatz der Gläubigerin vom 16. Oktober 2007 beanstandeten Werbemaßnahme betreffend die Bestellliste (Anlage AG 4) auch nicht gegen Buchstabe b) der Beschlussverfügung zuwidergehandelt.

(a) Hinsichtlich Buchstabe b) der Beschlussverfügung wurde im Erlassverfahren beanstandet, für das Produkt " na_xx" sei in einer Beilage der Schuldner geworben worden, und zwar zur Pharmazeutischen Zeitung Nr. 5 vom 1. Februar 2007 und dort unter Hinweis auf ein Testergebnis ohne Angabe der Fundstelle der Erstveröffentlichung. Diese Werbebeilage enthielt tatsächlich keine Fundstellenangabe zur Erstveröffentlichung (Anlage ASt K 1 - Erlassverfahren). Zur Begründung hat die Gläubigerin vortragen lassen, eine Werbung ohne Fundstellenangabe verstoße gegen §§ 3, 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG.

Demgemäß geht es im Hinblick auf die Wendung "in der Werbung die Fundstelle (Tag, Monat und Jahr der Erstveröffentlichung) nicht oder nicht vollständig angegeben" im Verbotsausspruch zu Buchstabe b) im Kern um Werbemaßnahmen, bei denen die Fundstelle überhaupt nicht oder nur unvollständig vorliegt.

(b) Auf der nunmehr herangezogenen Bestellliste der Schuldner wird, wie ausgeführt, bei dem Arzneimittel " na_xx" auf den Testbericht in der Zeitschrift "Öko-Test" Bezug genommen. Unterhalb des Testurteils "gut" steht aber, wenn auch sehr klein gedruckt, die Fundstellenangabe: "Magazin 6/2006" (Anlage AG 4; vgl. auch Anlage ASt K 21 = Bl. 8 O-Heft).

(c) Ob, wie die Gläubigerin argumentiert, auf der Bestellliste (Anlage AG 4) die Fundstellenangabe nicht ausreichend leserlich abgedruckt ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Es wird zwar für das Arzneimittel mit dem im Verbotsausspruch zitierten Testbericht geworben, aber nicht ohne die entsprechende Fundstelle. Sollte die Fundstellenangabe zu klein gedruckt sein, so wäre das jedenfalls nicht ein kerngleicher Verstoß gegen das Verbot der Beschlussverfügung zu Buchstabe b).

Das Landgericht kann diesen Vorfall (Bestellliste, Anlage AG 4) bei Erlass der einstweiligen Verfügung, bei dem die Fundstellenangabe - wie ausgeführt - gänzlich fehlte, nicht gleichsam "mitentschieden" haben. Denn im Erlassverfahren ging es nicht um die Lesbarkeit einer vorhandenen Angabe, sondern um deren Fehlen.

Es macht für den Verbotsbereich eines Unterlassungstitels (und für den Streitgegenstand) einen erheblichen Unterschied, ob ein erforderlicher Hinweis (hier die Fundstellenangabe) gänzlich fehlt oder nur nicht ausreichend leserlich angegeben ist. So hat der Bundesgerichtshof zu der Fallgestaltung einer irreführenden Werbung ohne aufklärenden Hinweis zutreffend ausgeführt, die deswegen erfolgte Verurteilung umfasse nicht spätere Verletzungsformen, bei denen zwar ein aufklärender Hinweis gegeben werde, aber nicht in hinreichend deutlicher Form, weil dies eine andersartige Verletzungshandlung wäre (BGH GRUR 2005, 692, 693 - "statt"-Preis).

5.) Die Schuldner haben mit der im Schriftsatz der Gläubigerin vom 5. November 2007 beanstandeten Werbemaßnahme betreffend den Prospekt (Anlage AG 5; vgl. auch Anlage ASt K 23 = Bl. 17 O-Heft) nicht gegen Buchstabe a) der Beschlussverfügung zuwidergehandelt.

(a) In dem angegriffenen Prospekt wird allerdings für das Arzneimittel "na_xx" geworben und zwar unter Bezugnahme auf den Testbericht in der Zeitschrift "Öko-Test" (Anlage AG 5, Seite 8).

(b) Bei der Abgabe dieses Prospektes handelt es sich aber nicht um einen kerngleichen Verstoß gegen das Verbot der Beschlussverfügung zu Buchstabe a).

(aa) Bei dem Prospekt handelt es sich um eine Werbemaßnahme, die sich schon nach ihrem Inhalt nur an den Apotheker richtet (vgl. das Grußwort auf Seite 2, Anlage AG 5).

(bb) Der Prospekt ist in dem Beanstandungsfall nicht etwa gezielt an Personen außerhalb der Fachkreise abgegeben worden, sondern auf der - wie ausgeführt - speziellen Fachmesse "Expopharm 2007" in Düsseldorf.

(c) Der Senat verkennt nicht, dass auch auf einer Fachmesse gleichsam ausnahmsweise ein solcher Prospekt gerade gegenüber dem Laienpublikum abgegeben werden könnte. Eine solche Fallgestaltung stand bei Erlass der Beschlussverfügung streitgegenständlich aber nicht zur Entscheidung. Auf die obigen Ausführungen unter Ziffer II. 3. wird entsprechend Bezug genommen.

(d) Zudem steht nicht einmal fest, dass die am Stand der Schuldner ausliegenden Prospekte überhaupt an andere Personen als Apotheker bzw. Fachkreise (für die nur die Prospekte bestimmt waren) verteilt wurden. Die Gläubigerin hat insoweit nur vorgetragen, die Prospektverteilung sei auf der Messe erfolgt, ohne dass die Schuldner sich erkundigt hätten, ob die Empfänger zu den Fachkreisen gehörten oder nicht (Bl. 15 O-Heft).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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