Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 25.08.2003
Aktenzeichen: 3 W 97/03
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 13 Abs. 5
ZPO § 93
Es ist nicht rechtsmißbräuchlich, neun zu einem Konzern gehörende, aber rechtlich selbständige Wettbewerber wegen eines Wettbewerbsverstoßes getrennt abzumahnen, den jeder von ihnen allein, wenn auch in übereinstimmender Form begangen hat.
3 W 97/03

BESCHLUSS

vom 25. August 2003

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerinnen gegen den Beschluß des Landgerichts Hamburg, Kammer 7 für Handelssachen, vom 7. Juli 2003 wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu je 1/9.

Der Beschwerdewert entspricht den in erster Instanz entstandenen Kosten.

Gründe:

I. Die neun zum M-Markt-Konzern gehörenden, aber rechtlich selbständigen Klägerinnen haben übereinstimmend für die Entwicklung von Farbbildern geworben. Die Beklagte hat sie getrennt abgemahnt und von jeder einzelnen Auskunft und die strafbewehrte Verpflichtung verlangt, es zu unterlassen, für Farbbilder zu werben und diese an den Verbraucher abzugeben, wenn in der Werbung der verlangte Preis für die Filmentwicklung und Fotoindex nicht angegeben ist, wie in der Werbung der BZ vom 19. August 2002 sowie auf dem Handzettel "Die Aufreisser der Woche". Da die Abmahnungen erfolglos blieben, hat die Beklagte beim Landgericht Bremen ein einstweiliges Verbot gegen die neun Klägerinnen gemeinsam in einem Beschluß erwirkt.

Die Klägerinnen haben Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, daß ein Unterlassungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerinnen, wie dieser sich aus den mit dem Urteil verbundenen Anlagen ergibt, nicht besteht, und zur Begründung vorgetragen, daß die neun individuellen Abmahnungen rechtsmißbräuchlich seien.

Nachdem das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen im Berufungsverfahren zu erkennen gegeben hatte, daß es die Abgabe der Farbbilder an den Verbraucher nicht für rechtswidrig halte, hat die Beklagte ihren Unterlassungsantrag insoweit zurückgenommen und im hiesigen Verfahren erklärt, daß sie sich eines solchen Anspruchs gegenüber den Klägerinnen nicht mehr berühme. Daraufhin haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Landgericht hat die Kosten den Klägerinnen auferlegt.

II. Diese Kostenentscheidung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Auch dem Senat erscheint es billigem Ermessen zu entsprechen, daß die Klägerinnen die Kosten des Verfahrens tragen, weil sie nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Erledigungserklärungen unterlegen wären, wenn der Rechtsstreit fortgesetzt worden wäre (§ 91 a ZPO).

1. Zu Recht hat das Landgericht einen Rechtsmißbrauch der Beklagten wegen sachwidriger Mehrfachverfolgung (§ 13 Abs. 5 UWG) verneint. Im Hinblick auf § 93 ZPO mußte die Beklagte Klarheit gewinnen, ob ein gemeinsames Vorgehen gegen alle neun Klägerinnen ohne Kostenfolgen überhaupt in Betracht kam. Der Fall liegt anders, als wenn neun Verletzte gegen einen Verletzer koordiniert, aber getrennt voneinander vorgehen. Bereits ein Verletzter könnte erreichen, daß sich ein Rechtsverstoß nicht wiederholt, so daß sich ein gemeinsames Vorgehen anbietet, um die Belange jedes einzelnen zu wahren, denn durch selbständige parallele Verfahren wäre nichts zu gewinnen. Wenn gleichwohl alle Verletzten getrennt und in neun parallelen Verfahren gegen den Verletzer vorgehen, liegen sachfremde Motive nahe.

Eine vergleichbare Möglichkeit hat der Verletzte gegenüber neun Verletzern nicht, denn ein erfolgreiches Vorgehen gegen einen der neun Verletzer kann nicht verhindern, daß die anderen acht ihren Rechtsverstoß wiederholen. Bei neun unterschiedlichen Subjekten müssen auch neun unterschiedliche Entscheidungen getroffen werden, ob man sich unterwerfen und damit ein gerichtliches Verfahren vermeiden will. Also muß der Verletzte zunächst im Verhältnis zu jedem einzelnen Verletzer Gewißheit erlangen, ob ein gerichtliches Verfahren gegen ihn überhaupt erforderlich sein würde, bevor sich ihm die Frage stellt, ob er gegen die erfolglos Abgemahnten gemeinsam vorgehen soll.

Ob es wirklich geboten ist, dann auch so zu verfahren, kann hier offenbleiben, denn tatsächlich ist die Beklagte in Bremen gegen alle neun Klägerinnen gemeinsam vorgegangen. Deshalb braucht nicht vertieft zu werden, inwieweit der Bundesgerichtshof meint, daß auch ein Verletzter gegen mehrere Verletzer gemeinsam vorgehen muß, um dem Vorwurf des Rechtsmißbrauchs zu entgehen, wenn in der Entscheidung GRUR 2000, 1089, 1091 - Mißbräuchliche Mehrfachverfolgung - bei gerichtlichen Verfahren jedenfalls der Formulierung nach nicht zwischen der Aktiv- und Passivseite differenziert wird.

Diese Erwägungen schließen bereits einen Rechtsmißbrauch der Beklagten aus, so daß der Frage nicht nachgegangen werden muß, ob die Klägerinnen durch die individuellen Abmahnungen überhaupt zusätzlich beschwert sind, denn es dürfte sich für den Anwalt der Beklagten wohl eher um eine Angelegenheit im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 1 BRAGO gehandelt haben, die mit einer Gebühr im Rahmen des § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO nach dem gemäß § 7 Abs. 2 BRAGO zusammengerechneten Wert der gegen die einzelnen Klägerinnen gerichteten Unterlassungsansprüche abzurechnen gewesen wäre.

2. Es entspricht auch nicht der Billigkeit, die Beklagte deshalb an den Kosten zu beteiligen, weil sie ihren Anspruch im Hinblick auf die Abgabe von Farbbildern an Verbraucher nicht mehr verfolgt, ohne daß es darauf ankommt, ob ihr ein solcher Anspruch zustand. Daß jedenfalls die Werbung rechtswidrig war und einen Unterlassungsanspruch begründete, ist zwischen den Parteien ohnehin nicht im Streit.

Die Klägerinnen haben ihre Klage ausschließlich auf den Gesichtspunkt gestützt, daß die neun individuellen Abmahnungen rechtsmißbräuchlich seien. Sie haben nicht vorgetragen, daß ihr eigenes Verhalten rechtmäßig sei und deshalb keine Unterlassungsansprüche begründen könne. Deshalb mußte das Landgericht davon ausgehen, daß ein die von der Beklagten geltend gemachten Unterlassungsansprüche rechtfertigendes rechtswidriges Verhalten der Klägerinnen nicht streitig gestellt werden solle.

Die Klägerinnen irren, wenn sie glauben, dem mit dem Hinweis begegnen zu können, daß sie selbst nichts zu dem ihnen zur Last gelegten Verstoß hätten vortragen müssen, weil sich die Darlegungs- und Beweislast der Beklagten nicht ändere, wenn sie im Wege der negativen Feststellungsklage in Anspruch genommen werde. Das ist zwar richtig, die Frage der Darlegungs- und Beweislast stellt sich aber nur im Rahmen des Streitgegenstandes, der durch das Rechtsschutzziel der Klägerinnen bestimmt wird, und das war allein darauf gerichtet, den Rechtsmißbrauch der Beklagten zur Entscheidung zu stellen. Hätte das Landgericht - wäre keine Erledigung erklärt worden - den Rechtsmißbrauch verneint, der Klage aber im Hinblick auf die Abgabe der Bilder an Verbraucher entsprochen, hätte es § 308 Abs. 1 ZPO verletzt, denn es konnte nicht wissen, ob die Klägerinnen unbeschadet der Frage, ob ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch bestand, ihn nicht aus freien Stücken anerkennen und hinnehmen wollten oder ob nicht vielleicht sogar ein vertraglicher Unterlassungsanspruch bestand.

Daß dem nicht so war, ergibt sich erst aus der Beschwerdebegründung und dem Hinweis auf die Darlegungslast der Beklagten. Dieses nachträgliche Vorbringen durfte in einer Entscheidung nach § 91 a ZPO aber nicht mehr berücksichtigt werden, so daß das Landgericht der Beschwerde zu Recht nicht abgeholfen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück