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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 28.06.2000
Aktenzeichen: 4 U 197/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt.
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
BGB § 812 Abs. 1
BGB § 242
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 990 Abs. 2
BGB § 556 Abs. 3
BGB §§ 987 ff.
BGB § 284 Abs. 1
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 2 Satz 1
Hat in einem Mietverhältnis auf Anweisung des Hauptmieters regelmäßig der Untermieter den Mietzins an den Vermieter gezahlt, und erfolgen nach Beendigung des Hauptmietverhältnisses und Auszug des Untermieters auf Grund eines Bankirrtums weitere monatliche Zahlungen durch den Untermieter an den Vermieter, obgleich der Untermieter zuvor diesem gegenüber angekündigt hatte, er werde künftig keine Leistungen für den Hauptmieter mehr erbringen, und entsprechend für einen Monat die Zahlung eingestellt hatte, so kann der Empfänger nicht mehr annehmen, es handele sich um eine Leistung des anweisenden Hauptmieters. In diesem Fall besteht daher ein unmittelbarer Rückzahlungsanspruch des (ursprünglich) angewiesenen Untermieters gegen den Vermieter als Empfänger nach § 812 Abs.1 Satz 1, 2. Alt. BGB.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 28. Juni 2000

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 4. Zivilsenat, durch die Richter nach der am 28. Juni 2000 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 33, vom 18. Mai 1999 abgeändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin DM 77.271,08 nebst 5 % Zinsen seit dem 11. Juli 1998 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 105.000,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beschwer des Beklagten übersteigt DM 60.000,00.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt Rückzahlung zweier - aus ihrer Sicht irrtümlich ausgeführter - Überweisungen zu Gunsten des Beklagten in Höhe von je DM 38.635,54.

Der Beklagte vermietete der Firma A, über deren Vermögen im Juli 1998 Konkursantrag gestellt wurde, mit Vertrag vom Dezember 1991 (Anlage K 1) Gewerberäume in Oberhausen.

Die Fa. A vermietete ihrerseits einen Teil der gemieteten Fläche mit Vertrag vom März 1992 (Anlage K 2) an die Klägerin. Diese zahlte den mit der Firma A vereinbarten Mietzins direkt an den Beklagten.

Nachdem die Fa. A für die Monate Februar und März 1998 keine Mietzahlungen erbrachte, erklärte der Beklagte gegenüber dieser Ende März 1998 die fristlose Kündigung und unterrichtete die Klägerin hiervon (Anlagen K 6 und K 7).

Die Klägerin sowie die Fa. A vereinbarten die Aufhebung ihres Untermietvertrages mit Wirkung zum 31. März 1998 (Anlagen K 3 und K 15). Gemäß dieser Vereinbarung und entsprechend ergänzender mündlicher Verabredungen mit der Fa. A, wegen deren Einzelheiten auf den Schriftsatz der Klägerin vom 27. April 1999 verwiesen wird, räumte diese die von ihr genutzten Räume am 8. April 1998.

Im April 1998 leistete die Klägerin keine Zahlung an den Beklagten.

Eine Aufforderung der vom Beklagten beauftragten Verwalterfirma an die Muttergesellschaft der Klägerin vom 7. April 1998 (Anlage K 8), in jedem Fall die anteilige Miete für April 1998 kurzfristig zu Gunsten des Beklagten zu zahlen, beantwortete diese (die Muttergesellschaft der Klägerin) zwei Tage später (Anlage K 9) dahingehend, daß es angesichts der Beendigung des Untermietvertrages keine Mietschuld mehr gebe. Ferner enthält dieses Schreiben die Aufforderung, sich wegen der Bezahlung der Mietbeträge an die Fa. A zu wenden.

Die Bank der Klägerin ging irrtümlich davon aus, daß sich die Stornierung des Dauerauftrages zu Gunsten des Beklagten nur auf den Monat April beziehen sollte und überwies am 4. Mai und 2. Juni jeweils DM 38.635,54 an den Beklagten.

Mit dem der Klägerin am 15. Juli 1999 zugestellten Urteil vom 18. Mai 1999, auf das zur weiteren Sachdarstellung verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Landgericht stützt seine Entscheidung im wesentlichen darauf, daß ein Bereicherungsausgleich der Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB nur im Verhältnis zur Fa. A in Betracht komme.

Mit der am 13. August 1999 eingelegten und am 13. September 1999 begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Klagantrag weiter. Die Klägerin vertritt die Ansicht, vorliegend sei ein Fall der Tilgung fremder Schulden gegeben, der es der Klägerin mangels einer Tilgungsbestimmung ermögliche, den Beklagten direkt aus § 812 Abs. 1 BGB in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und vertritt die Ansicht, die Klägerin müsse sich wegen ihrer Forderung an die Fa. A halten, da allein mit dieser ein Leistungsverhältnis bestanden habe.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

Der Beklagte ist der Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Rückzahlung des im Tenor genannten Betrages verpflichtet.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vollzieht sich der Bereicherungsausgleich in Fällen der Leistung kraft Anweisung grundsätzlich innerhalb des jeweiligen Leistungsverhältnisses. Bei Fehlern im Verhältnis zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen (sogenanntes Deckungsverhältnis) ist der Bereicherungsausgleich in diesem Verhältnis vorzunehmen, während bei Fehlern im Verhältnis zwischen dem Anweisenden und dem Anweisungsempfänger der Bereicherungsausgleich in dem sogenannten Valutaverhältnis stattfindet. Allerdings hat der Bundesgerichtshof wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß sich bei der bereicherungsrechtlichen Behandlung von Vorgängen, an denen mehr als zwei Personen beteiligt sind, jede schematische Lösung verbietet. Es kommt vielmehr stets auf die Besonderheiten des Einzelfalles an, die für die sachgerechte bereicherungsrechtliche Abwicklung derartiger Vorgänge zu beachten sind (BGH, NJW 1987, S. 185 unter II. 1. mit umfangreichen Nachweisen der Rechtsprechung).

Ein solcher Fall der Leistung kraft Anweisung bestand im vorliegenden Fall bis einschließlich März 1998. Denn zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Klägerin den der Fa. A geschuldeten Untermietzins auf deren Anweisung hin zunächst bis einschließlich März 1998 direkt an den Beklagten leistete. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß sich die Klägerin zur Durchführung ihrer Leistungen einer Bank bediente, da diese insoweit lediglich als Zahlstelle fungierte.

2. Dennoch muß sich die Klägerin nicht auf einen Ausgleich innerhalb ihres Leis-tungsverhältnisses mit der Fa. A verweisen lassen, weil dem Beklagten mit Blick auf das Schreiben der Muttergesellschaft der Klägerin vom 9. April 1998 (Anlage K 9) der Wegfall der Anweisung bekannt geworden war.

Der Bundesgerichtshof bejaht einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch des Angewiesenen gegen den Anweisungsempfänger nämlich dann, wenn dieser bei Empfang der Zahlung das Fehlen einer wirksamen Anweisung oder den Widerruf der Anweisung gekannt hat (BGH, aaO. m.w.N.). Eine Anweisung ist nur so lange geeignet, einen eventuellen Bereicherungsausgleich auf das eingangs genannte Dreiecksverhältnis festzulegen, solange dies dem ursprünglich übereinstimmenden Willen aller Beteiligten entspricht (vgl. BGHZ 87, 393, 397). Stellt sich eine Leistung aber später bei objektiver Betrachtung aus der Sicht des Leistungsempfängers unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB (hierzu BGH NJW 1987, S. 185 unter II. 2.) als eine Leistung des Angewiesenen dar, so kann dieser gegenüber dem Leistungsempfänger unmittelbar Bereicherungsansprüche geltend machen.

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe mußte der Beklagte dem Schreiben vom 9. April 1998 (Anlage K 9) entnehmen, daß die Klägerin seit April 1998 ihre Verpflichtungen aus dem Untermietverhältnis als beendet ansah und nicht mehr bereit war, (Unter-) Miete zu zahlen und diese für die Fa. A an den Beklagten zu leisten. Denn bei dem Schreiben vom 9. April 1998 handelt es sich um eine Antwort der Muttergesellschaft der Klägerin auf ein Zahlungsverlangen des Beklagten vom 7. April 1998 (Anlage K 8), mit dem dieser von der Klägerin die Zahlung der anteiligen Miete, mithin der Untermiete, gefordert hat. Demgegenüber macht die Klägerin in ihrer Antwort (Anlage K 9) deutlich, daß es ihrerseits gegenüber der Fa. A keine Mietschuld mehr gebe und fordert den Beklagten folgerichtig am Ende des Schreibens auf, sich wegen der Bezahlung seiner Mietforderungen direkt an die Fa. A zu wenden.

Angesichts dieses eindeutigen Wortlautes durfte der Beklagte im Zusammenhang mit den hier streitigen Zahlungen im Mai und Juni 1998 redlicherweise nicht mehr davon ausgehen, daß diese (Unter-)Mietzins zum Gegenstand hatten, den die Klägerin für die Fa. A an den Beklagten zahlen wollte. Dies gilt um so mehr, als der Beklagte bei Erhalt des Schreibens vom 9. April 1998 wußte, dass die Klägerin ihren Standpunkt bereits in die Tat umgesetzt hatte, da für April 1998 unstreitig keine Zahlung an den Beklagten erfolgt war.

Leistender der bei den hier streitigen Überweisungen war damit aus der Sicht des Beklagten nicht mehr die Fa. A, sondern die Klägerin. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es dann aber auch interessengerecht, wenn dieser das Insolvenzrisiko des Vertragspartners trägt, den er sich selbst ausgesucht hatte.

3. Der Beklagte kann dem Bereicherungsanspruch der Klägerin schließlich keinen Anspruch auf Nutzungsentschädigung gemäß §§ 987, 990 bzw. §§ 556 Abs. 3, 286 Abs. 1, 990 Abs. 2 BGB für die Zeit ab April 1998 entgegenhalten.

Solche Ansprüche scheitern jedenfalls daran, daß es an einer Räumungsaufforderung des Beklagten an die Klägerin bis zu jenem Zeitpunkt fehlt, an dem diese die gemieteten Räume an ihren Vermieter, die Fa. A, zurückgegeben hat.

Denn die Rückgabepflicht des Untermieters gem. § 556 Abs. 3 BGB entsteht erst mit der Geltendmachung des entsprechenden Anspruchs durch den Hauptvermieter (Bub/Treier/Scheuer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., V Rdnr. 41 m.w.N.; Schmidt-Futterer/Gather, Mietrecht 7. Aufl., § 556 BGB, Rdnr. 104). Ohne eine solche Kenntnis von seiner Rückgabepflicht ist der Untermieter dem Hauptvermieter auch zu keiner Entschädigung gem. §§ 987 ff. BGB verpflichtet (Bub/Treier/Scheuer, aaO., V Rdnr. 239).

Ein Rückgabeverlangen im Sinne von § 556 Abs. 3 BGB des Beklagten läßt sich frühestens aus dem Schreiben seiner Grundstücksverwaltung vom 7. April 1998 (Anlage K 8) herleiten. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Klägerin aber bereits mit der Fa. A dahingehend geeinigt, daß die Klägerin die Räume vertragsgemäß zurückgegeben hatte. Die Klägerin hatte nämlich die Schlüssel am 8. April 1998 entsprechend den mit der Fa. André getroffenen Absprachen dem Hausmeister ausgehändigt. Insoweit wird auf den unstreitigen Vortrag der Klägerin auf Seiten 4 und 5 ihres Schriftsatzes vom 27. April 1999 verwiesen.

Ferner mußte die Klägerin mit einem Rückgabeverlangen des Beklagten kurzfristig jedenfalls zu jenem Zeitpunkt nicht rechnen, da die Grundstücksverwaltungsgesellschaft des Beklagten noch am 23. März 1998 (Anlage K 5) Verhandlungen über einen gesonderten Nutzungsvertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten vorgeschlagen hatte. Die Benachrichtigung über die fristlose Kündigung ist der Muttergesellschaft der Klägerin unstreitig erst am 10. April 1998 zugegangen (Anl. K 19).

Mit der vertragsgemäßen Rückgabe der Räume durch die Klägerin an deren Vermieterin, die Fa. A, war demgemäß der Herausgabeanspruch des Beklagten erloschen (vgl. Bub/Treier/Scheuer, aaO., V Rdnr. 32 und 50; Sternel, Mietrecht 3. Aufl., IV Rdnr. 583).

In diesem Zusammenhang liegt auch kein rechtsmißbräuchliches Handeln der Klägerin und der Fa. A zum Nachteil des Beklagten vor. Denn Anhaltspunkte dafür, daß die Fa. A die vertragsgemäße Rückgabe der Räume durch die Klägerin mit Blick auf ihre Insolvenz zum Nachteil des Beklagten akzeptiert hat, um dadurch dessen Anspruch aus § 556 Abs. 3 BGB zu vereiteln, werden vom Beklagten weder aufgezeigt noch sind sie sonst ersichtlich.

Die zugesprochenen Zinsen sind begründet aus §§ 284 Abs. 1 BGB, 352 Abs. 1 HGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die übrigen prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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