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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 18.10.2002
Aktenzeichen: 4 U 75/02
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 428 |
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 18. Oktober 2002
In dem Rechtsstreit
hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 4. Zivilsenat, durch den Richter Dr. Bischoff als Einzelrichter nach der am 27. September 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 10, vom 28.03.2002 abgeändert.
Die Zwangsvollstreckung aus dem notariellen Schuldanerkenntnis vom 21.2.1995, Urkundenrolle Nr. Jahr des Notars wird für unzulässig erklärt.
Die Beklagte wird verurteilt, die ihr erteilte vollstreckbare Ausfertigung der Schuldurkunde an die Klägerin herauszugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
I. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
II. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Aus der Berufungsbegründung ergibt sich auch ohne förmlichen Antrag die Weiterverfolgung des erstinstanzlich gestellten Klagantrags als Berufungsziel, was ausreichend ist (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 520 Rdn. 28).
Die Berufung ist auch begründet. Die Zwangsvollstreckung aus dem notariellen Schuldanerkenntnis vom 21.2.1995 ist gemäß §§ 767, 794 Abs. 1 Ziff. 5, 795, 797 Abs. 4 ZPO für unzulässig zu erklären, da die anerkannte Forderung der Beklagten und des Herrn U. B als Gesamtgläubiger gemäß § 428 BGB in Höhe von 15.000,-- DM (Anl. K 1) infolge der von U. B. erteilten "Quittung" vom 20.8.2001 (Anl. K 2) erloschen ist. Der Herausgabeanspruch folgt aus § 371 BGB.
Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass trotz des Wortlauts der Quittung, wonach die Klägerin "die Forderung aus dem Schuldanerkenntnis durch Leistung an mich in voller Höhe von DM 15.000,-- ausgeglichen" habe, entsprechende Zahlungen der Klägerin an U. B. nicht erfolgt sind. Aus der Quittung ergibt sich aber mit großer Deutlichkeit der Wille des U. B., das Verhalten der Klägerin in der im einzelnen bezeichneten Zeit so zu bewerten, wie wenn sie die Forderung durch Leistungen an ihn erfüllt habe. Unstreitig hatte die Klägerin längere Zeit hindurch den Unterhalt für die gemeinsame Tochter allein aufgebracht, obwohl U. B. das Kindergeld für diese bezog, während seine Leistungsfähigkeit in dieser Zeit zwischen den Parteien streitig ist.
Ob daraus Erstattungsforderungen der Klägerin gegen U B resultierten und deshalb eine nach §§ 429 Abs. 3, 422 Abs. 1 S. 2 BGB zulässige Aufrechnung mit Gesamtwirkung in Betracht kam, kann dahingestellt bleiben. Auch kann dahingestellt bleiben, ob die Freistellung des U B von Unterhaltsansprüchen seiner Tochter überhaupt als eine Leistung der Klägerin an ihn zu bewerten sein könnte und insoweit eine Annahme an Erfüllungs Statt möglich war (§ 364 Abs. 1 BGB), die ebenfalls Gesamtwirkung gehabt hätte (§§ 429 Abs. 3, 422 Abs. 1 S. 2 BGB).
Falls die Klägerin an Ulrich Behrens keinerlei Leistung im Rechtssinne erbracht haben sollte, ist die Quittung der Sache nach als Erlass der Forderung aus dem Schuldanerkenntnis auszulegen, der - wie auch aus dem letzten Satz deutlich wird -das ganze Schuldverhältnis zum Erlöschen bringen sollte. Dieser Erklärung hat die Klägerin zumindest konkludent zugestimmt (§ 397 Abs. 1 BGB).
Zu einem solchen Erlass mit Gesamtwirkung hatte U B die erforderliche Rechtsmacht. Dies entspricht der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (§§ 429 Abs. 3, 423 BGB). So wie jeder Gesamtgläubiger die Möglichkeit hat, die Leistung mit Gesamtwirkung entgegenzunehmen und für sich zu verwenden, hat er auch die Möglichkeit, die Forderung durch Erfüllungssurogate einschliesslich des Erlasses zum Erlöschen zu bringen. Wenn er damit im Einzelfall seine Befugnisse im Innenverhältnis zu seinen Mitgläubigern überschritten haben würde, kann dies zwar für die Auslegung der Erlasserklärung erheblich sein, ob damit wirklich das ganze Schuldverhältnis aufgehoben werden sollte (BGH 4.3.1986 NJW 1986, 1861). Ist -wie hier- diese Frage zu bejahen, finden die Interessen der Mitgläubiger nur im Innenverhältnis im Rahmen von Ausgleichsforderungen Berücksichtigung (§ 430 BGB).
Die Möglichkeit eines Gesamterlasses wird im Schrifttum zwar von einigen Autoren angegriffen (vgl. die Nachweise bei Bütten, Mehrheit von Gläubigern, 1989, S. 196 Fn. 56) entspricht aber der Konzeption des Gesetzes (OLG Bremen OLGZ 87, 29; Larenz, Schuldrecht Band 1, 14. Aufl., § 36 l c S. 626; Bütten a.a.O. S. 196 - 198; weitere Nachweise bei Staudinger/Noack, BGB, 13. Aufl., § 429 Bn. 18). Zumal bei ausdrücklicher Vereinbarung einer Gesamtgläubigerschaft gemäß § 428 BGB besteht kein Anlass, von der Konzeption des Gesetzes abzuweichen.
Entgegen dem Antrag der Beklagten kommt eine Wiedereröffnung der Verhandlung nicht in Betracht. Insbesondere ist eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht oder des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht feststellbar. Auf die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte sind die Parteien schon mit der Ladung hingewiesen worden. Sowohl vor als auch während der mündlichen Verhandlung bestand ausreichend Gelegenheit zur Erörterung. Die Beklagte hat auch nicht mitgeteilt, welche neuen Gesichtspunkte sie in einer neuen Verhandlung vortragen möchte.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 713. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Bevision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Das Urteil hält sich im Bahmen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
Ende der Entscheidung
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