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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 28.11.2001
Aktenzeichen: 5 U 111/01
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 1
Die Versendung von Einkaufsgutscheinen über DM 30.- an 1,5 Mio Gewerbetreibende durch einen Internet-Versandhandel für Büroartikel verstößt auch nach der Aufhebung der ZugabeVO und des RabattG gegen § 1 UWG.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 111/01

Verkündet am: 28. November 2001

In dem Rechtsstreit

Einkaufsgutschein

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Rieger, Dr. Koch nach der am 07. November 2001 geschlossenen mündlichen Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg - Kammer 16 für Handelssachen - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Beklagten beträgt DM 15.290.-.

Tatbestand:

Der Kläger, ein Wettbewerbsverein, nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer Werbung mit Einkaufsgutscheinen in Anspruch. Die Beklagte betreibt im Internet einen Versandhandel mit Büroartikeln. Sie führt nach eigenen Angaben 14.000 Büroartikel im Sortiment, darunter eine Vielzahl von Billigartikeln ( Kugelschreiber, Briefumschläge usw. ). Ab einem Bestellwert von DM 100.- liefert die Beklagte versandkostenfrei.

Mitte April 2000 verschickte die Beklagte an ca. 1,5 Mill. Gewerbetreibende Einkaufsgutscheine über DM 30.-. Diese sollten bei der ersten Bestellung eingelöst werden. Die Gültigkeit des Gutscheins war befristet bis zum 19.4.2000.

Der Kläger hat seine Unterlassungsklage auf § 1 ZugabeVO und § 1 UWG gestützt. Das Landgericht hat ihr aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens stattgegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags und der Erwägungen des Landgerichts wird gemäß § 543 ZPO auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

Die Beklagte macht mit ihrer Berufung im wesentlichen geltend, daß sich das Verbraucherleitbild geändert habe. Der Verbraucher lasse sich nicht mehr so leicht verführen. Das komme auch in der Abschaffung von RabattG und ZugabeVO zum Ausdruck.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung bleibt in der Sache erfolglos. Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte dazu verurteilt es zu unterlassen, an Gewerbetreibende Einkaufsgutscheine über DM 30.- zu versenden und der Ankündigung entsprechend einzulösen.

1. Die Aktivlegitimation des Klägers ist nach § 13 Abs.2 Nr.2 UWG aus den zutreffenden Gründen des landgerichtlichen Urteils zu bejahen. Diese Würdigung wird auch von der Beklagten mit ihrer Berufung nicht angegriffen.

2. Zutreffend hat das Landgericht nur auf § 1 UWG als Anspruchsgrundlage abgestellt. Die mittlerweile aufgehobene ZugabeVO war auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil Einkaufsgutscheine auf die Einlösung von Waren gerichtet sind, also auf den Kaufpreis der Bestellung angerechnet werden ; damit war der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs.2 c der ZugabeVO erfüllt ( Köhler-Piper, UWG, 2.Aufl., § 1 ZugabeVO, Rn.34,35 ). Daraus folgt zugleich , daß aus der Aufhebung der ZugabeVO nicht die Zulässigkeit der hier streitigen Einkaufsgutscheine hergeleitet werden kann.

3. Nach ständiger Rechtsprechung können Geld- und Warengeschenke - sog.Wertreklame - unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens unlauter gemäß § 1 UWG sein, wie es das Landgericht ausgeführt hat. Trifft der Kunde seine Kaufentscheidung nicht mehr nach Güte und Preiswürdigkeit, sondern danach, wie er in den Genuß des Werbemittels kommt, ist die Werbung wettbewerbswidrig. Dabei sind Geldgeschenke - darunter fallen Warengutscheine mit einem bestimmten Geldwert - als besonders anlockend anzusehen.

Wie das Landgericht gleichfalls überzeugend dargelegt hat, ist eine Geldzuwendung im Bereich von Massenprodukten im Pfennigpreisbereich, wie sie im Büroartikelbereich vorkommen und jedenfalls auch von der Beklagten geführt werden, durchaus als erheblich anzusehen. Hinzu kommt, daß es gerade bei Büroartikeln problemlos möglich ist, sich für längere Zeit zu bevorraten und diese auch privat zu benutzen. Gewerbetreibende, die als Kaufleute ihre Kosten niedrig halten müssen, werden durch ein so offensichtliches "Schnäppchen" in wettbewerbsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise davon abgehalten, sich mit Konkurrenzanbietern und der Qualität der Ware zu befassen.

Außerdem wird durch den Gutschein in Verbindung mit der Versandkostenfreiheit ab einem Bestellwert von DM 100.- gerade für kleine Gewerbetreibende ein zusätzlicher Anreiz geschaffen, Büroartikel in größerer als benötigter Menge auf Vorrat zu bestellen.

Schließlich hat das Landgericht zu Recht auf die Nachahmungsgefahr und die langfristigen Auswirkungen auf den Büroartikelmarkt abgestellt, wenn eine solche Werbung Schule machen sollte. Bei der Lauterkeitsprüfung von Wertreklame entsprechen auch wirtschaftspolitische Erwägungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung ( vgl. etwa BGH GRUR 95,353 "Super-Spar-Fahrkarten", wo ausgeführt ist, daß die zunehmende Gewährung von Fahrkartenvergünstigungen im Nahverkehr durch Versicherungsunternehmen an ihre Kunden dazu führen würde, daß immer weniger Kunden den Normaltarif bezahlten und diese Kunden und/oder die Allgemeinheit die durch die Preisnachlässe verursachten Kosten mittragen müßten )

4. Die Lauterkeitsprüfung nach § 1 UWG führt hier auch nicht deshalb zu einem anderen Ergebnis, weil aus der zwischenzeitlichen Aufhebung der ZugabeVO und des RabattG eine allgemein liberalere Zulassung der Wertreklame zu folgern wäre, wie dies jetzt in vielen Zeitschriftenaufsätzen zu lesen ist. Die Gesetzesbegründung zur Abschaffung dieser Gesetze verweist ausdrücklich darauf, daß die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften anwendbar bleiben ( Fundstellen bei Nordemann, NJW 2001,2505,2509 ). Es wird also in Zukunft auf eine Prüfung jedes Einzelfalls ankommen, wobei z.B. neben der Höhe der Wertreklame im Verhältnis zum jeweils beworbenen Produkt auch die sonstigen marktbezogenen Besonderheiten zu berücksichtigen sein werden ( Heermann, WRP 2000,855,862 ). Diese Prüfung hat - wie ausgeführt - hier die Unzulässigkeit der angegriffenen Warengutscheine zur Folge.

5. Soweit der Unterlassungsanspruch auf die Einlösung der Gutscheine gerichtet ist, hat das Landgericht der Klage ebenfalls zu Recht stattgegeben, da auch die Einlösung derartiger Gutscheine den lauteren Wettbewerb unmittelbar beeinträchtigt ( vgl.HansOLG WRP 96,314,321 "Schmuckset" ).

Die Verurteilung der Beklagten zu einer Kostenpauschale für die vorgerichtliche Abmahnung des Klägers entspricht ständiger Rechtsprechung und wird als solche auch nicht von der Beklagten angegriffen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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