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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 05.12.2001
Aktenzeichen: 5 U 124/01
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
Eine Waschmittelwerbung im Fernsehen kann wegen Irreführung unzulässig sein, wenn in einem sog. side-by-side-Vergleich zwischen den Waschergebnissen des beworbenen Produkts und den Waschergebnissen "manch anderer" der Weiß/Grau -Kontrast so stark übertrieben dargestellt wird, daß der Verbraucher hiermit nicht mehr zu rechnen braucht.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 124/01

Verkündet am: 05. Dezember 2001

Waschmittelwerbung

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Rieger, Dr. Koch nach der am 21. November 2001 geschlossenen mündlichen Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 12 - vom 8.5.2001 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Markt der Waschmittel. Die Antragstellerin vertreibt Waschmittel-Tabs unter der Marke "A. Essential Tablets", die Antragsgegnerin unter der Marke "P. Tabs". Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin auf Unterlassung einer Werbung wie in einem bestimmten Fernsehspot in Anspruch. Der Spot wurde erstmals am 16.1.2001 gesendet. In ihm werden zwei Hemdenstapel nebeneinander gezeigt, von denen der eine deutlich weißer ist. Unter diesem steht "P." , unter dem erheblich graueren "Manch andere". Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Weiß/Grau-Kontrast übertrieben ist und "manch andere" Produkte nicht auf dem Markt sind, bei dessen Benutzung eine so starke Vergrauung entsteht. Die Antragsgegnerin behauptet jedoch, daß bei der Benutzung ihres Produkts tatsächlich ein wahrnehmbar besseres Ergebnis als bei manch anderen erzielt würde, und zwar auch im Verhältnis zu den Tabs der Antragstellerin. Die Übertreibung des Unterschiedes in dem Fernsehspot begründe keine Gefahr der Irreführung des Verbrauchers. Denn dieser sei seit Jahren an Übertreibungen in der Waschmittelwerbung gewöhnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags wird auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat die streitgegenständliche Werbung durch einstweilige Verfügung aus § 3 UWG wegen Irreführung verboten. Mit ihrer hiergegen eingelegten Berufung wiederholt und vertieft die Antragstellerin ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ferner legt sie das Ergebnis einer Meinungsbefragung zum side-by-side-Vergleich vor. Diese zeige, daß der Verbraucher den side-by-side-Vergleich im wesentlichen als Darstellung der Leistung des umworbenen Produkts begriffe und keine negativen Schlüsse auf andere Produkte zöge.

Von einer Darstellung der weiteren Einzelheiten des Tatbestandes wird gemäß § 543 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Antragsgegnerin ist form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Zu Recht und mit überzeugender Begründung, der sich der Senat anschließt, hat das Landgericht die beantragte einstweilige Verfügung unter dem Gesichtspunkt der Irreführung nach § 3 UWG erlassen. Ob der Antragstellerin darüber hinaus ein Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der unzulässig herabsetzenden Werbung zusteht, kann dahingestellt bleiben.

In Hinblick auf den Vortrag der Parteien im Berufungsverfahren ist lediglich Folgendes ergänzend auszuführen :

1. Die Dringlichkeitsvermutung nach § 25 UWG ist nicht deshalb widerlegt, weil side-by-side-Vergleiche im Bereich der Waschmittelreklame seit Jahren üblich sind. Hier geht es nicht um den side-by-side-Vergleich als solchen, sondern um eine ganz bestimmte Darstellungsweise mit einer Sachaussage, wie sie in einem konkreten Fernsehspot erfolgt ist. Darauf wird unter Punkt 4 noch zurückzukommen sein.

Auch der Zeitablauf zwischen der Kenntnisnahme der Antragstellerin von dem Spot ( 24.1.2001 ) und der Antragstellung ( 9.4.2001 ) lässt die Dringlichkeitsvermutung nicht entfallen, wie das Landgericht gleichfalls zutreffend ausgeführt hat. Neben der Zeit vom 2.3.- 9.4.2001, in der die vorgerichtliche Korrespondenz und die Waschtests im Hause der Antragstellerin stattfanden, ist der Antragstellerin auch die Zeit davor noch als angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist zuzubilligen, zumal die Wettbewerbswidrigkeit der streitgegenständlichen Werbung nicht auf der Hand lag und für einen Angriff gegen einen namhaften Mitbewerber eine gewisse Zeit der unternehmensinternen Abstimmung anzuerkennen ist.

2. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Gegenüberstellung der beiden Hemdenstapel in dem side-by-side-Vergleich eine Sachaussage über die Waschleistungen der P.-Tabs und "manch anderer" enthält. Dem Publikum wird nämlich die Tatsache mitgeteilt, daß das beworbene Waschmittel der Antragsgegnerin im Gegensatz zu manch anderen die Wäsche strahlend weiß erhält. Allein der Umstand, dass diese Tatsachenbehauptung jedenfalls in der gezeigten Form wegen starker Überzeichnung unstreitig falsch ist, begründet eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Gefahr der Irreführung besteht. Denn die Behauptung stammt von einem der bekanntesten Hersteller von Markenwaschmitteln.

3. Selbst wenn man aber mit der Antragsgegnerin annimmt, dass der Verkehr wegen der seit Jahren üblichen reklamehaften Anpreisungen in der Waschmittelwerbung auch bei side-by-side-Vergleichen gewisse Übertreibungen in Rechnung stellt, hat die Antragstellerin jedenfalls glaubhaft machen können, dass die Überzeichnung des Weiß/Grau-Kontrastes so erheblich ausgefallen ist, dass der Verbraucher hiermit nicht mehr zu rechnen braucht. Auch insoweit schließt sich der Senat der rechtlichen Würdigung des Landgerichts an. Denn wie sich aus den eidesstattlichen Versicherungen der bei der Antragsgegnerin angestellten Dr.M. B. vom 26.4. und 4.5.2001 über die dort durchgeführten Waschtests (Anlage AG 21) und den bei der Antragstellerin tätigen F. H. vom 4.4.2001 ( Anlage AST 4 ) und Dr. R. L. vom 21.11.2001 ergibt, beträgt der in den Waschtests gemessene maximale Unterschied im Weißheitsgrad nach dem sog.Y-Wert im Vergleich zwischen P.-Tabs und dem Aldi-Produkt T.-Tabs 3.1, während der Weißheitsunterschied der Hemden in dem streitgegenständlichen Spot etwa das Sechsfache dieses Wertes ausmacht.

4. Auch mit den vorgelegten sog. storybords von anderen Fernsehspots vermag die Antragsgegnerin die glaubhaft gemachte Irreführungsgefahr nicht zu erschüttern :

- Der Spot AG 10 betrifft Geschirrspülmittel.

- Die Spots AG 11,13 und 14 beziehen sich auf side-by-side-Vergleiche zwischen der Behandlung von Buntwäsche mit Voll- bzw. Colorwaschmitteln. Zu der Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieser Unterschiede ist nichts vorgetragen.

- In den Spots AG 12,16,18 und 19 geht es um die Leistungsfähigkeit von Waschmitteln zur Fleck- und Fusselentfernung. Auch insoweit fehlt es an Vortrag zum Wahrheitsgehalt der side-by-side-Vergleiche.

- Der Spot AG 17 nimmt Bezug auf "frühere" Waschmittel, die noch "in der Tonne" vertrieben wurden. Der dortige Vergleich bezieht sich nach dem Verständnis des Senats auf in der Vergangenheit im Handel befindliche Waschmittel.

- Der Spot AG 1 ( P.-Mega-Perls ) weist zwar möglicherweise einen ähnlichen Weiß/Grau - Kontrast im side-by-side-Vergleich auf, ist aber im übrigen mit dem hiesigen nicht vergleichbar, weil er keine Wäschestücke einander gegenüberstellt, sondern eine ersichtlich stark vergrößerte und schematisierte Gewebestruktur, wie sie in der Realität an einem Wäschestück nicht wahrgenommen wird.

- Der Spot AG 15 eines Produkts der Antragstellerin unterscheidet sich dadurch von dem Spot der Antragsgegnerin, dass der side-by-side-Vergleich gerade nicht auf andere Produkte Bezug nimmt.

- Der Spot AG 20 läßt anhand des storybords nicht erkennen, ob auch ein nur annähernd so großer Weiß/Grau-Kontrast zwischen dem beworbenen Produkt S.-Tablets und "Manche Waschmittel" besteht, wie es im vorliegenden Spot dargestellt ist.

Insgesamt hat die Antragsgegnerin damit zwar anschaulich gemacht, dass der side-by-side-Vergleich in der Waschmittelwerbung üblich ist. Dieser ist als solcher auch nicht zu beanstanden. Den Beispielen und dem Sachvortrag der Antragsgegnerin lässt sich indes nicht entnehmen, dass sachlich falsche und übertriebene Produktvergleiche derart gang und gäbe wären, daß der Verkehr solchen Vergleichen von vornherein keinen Glauben mehr schenkt, es also jedenfalls an der wettbewerblichen Relevanz der Irreführung fehlte.

5. Schließlich ist auch die vorgelegte Meinungsumfrage nicht geeignet, die überwiegend wahrscheinliche Irreführungsgefahr zu vermindern, die von der streitgegenständlichen Werbung ausgeht. Zunächst ist schon keine sachverständige Auswertung dieser Umfrage durch das beauftragte Institut erfolgt oder wenigstens nicht mit eingereicht worden. Damit ist der Schluss, den die Antragsgegnerin aus den Umfrageergebnissen ziehen will , dass nämlich der streitgegenständliche Spot nicht als Produktvergleich verstanden werde, ohnehin erheblichen Zweifeln ausgesetzt.

Vor allem aber sind die gestellten Fragen nach vorläufiger Einschätzung des Senats im Eilverfahren nicht geeignet, für die Bejahung oder Verneinung der Irreführungsgefahr entscheidende Erkenntnisse zu liefern. So kann schon die "weichenstellende" 1.Frage, ob in dem Spot neben dem beworbenen Produkt auch andere Produkte angesprochen würden, dahingehend missverstanden worden sein, dass ein Teil der Befragten sie verneint hat, weil sie meinten, dass bestimmte Produkte hätten angesprochen werden müssen; dies ist bei dem hiesigen Spot, der "Manch andere" in Bezug nimmt, eben nicht der Fall. Die nachfolgenden Fragen zu den Aussagen der Spots sind den "Verneinern" von Frage 1 schon nicht mehr gestellt worden. Allerdings ist bemerkenswert, dass die 20 Personen - von insgesamt 276 Befragten - , die für den streitgegenständlichen Spot die Frage 1 bejaht haben, den Produktvergleich überwiegend für glaubwürdig gehalten haben, nämlich 16 von 20 Personen. Dieses Ergebnis scheint eher für als gegen die Irreführungsgefahr des Spots zu sprechen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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