Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 28.08.2003
Aktenzeichen: 5 U 151/02
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 3
Die Werbung eines Tamponherstellers, wonach ein Tampon mit geschwungenen Rillen die Flüssigkeit wirksamer aufnehme als ein Tampon mit geraden Rillen und die Verbraucherin besser geschützt sei als mit einer Binde, verstößt weder gegen § 3 noch gegen § 1 UWG.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 151/02

Verkündet am: 28. August 2003

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter

Gärtner, Rieger, Dr. Koch

nach der am 3. Juli 2003 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 12 - vom 20.8.2002 abgeändert:

Die einstweilige Verfügung vom 17.6.2002 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin stellt her und vertreibt Damenbinden der Marke "always". Sie ist Marktführerin der Bindenhersteller in Deutschland. Mit dem vorliegenden Verfügungsverfahren nimmt sie die Antragsgegnerin, mit dem Produkt "o.b." Marktführerin der Tampon-Hersteller, auf Unterlassung der Werbung mit einem bestimmten Fernsehspot und mit einer Zeitungsanzeige in Anspruch. In beiden Werbungen wird eine junge Künstlerin gezeigt, die sich von der Bühne ins Publikum stürzt und von diesem auf Händen getragen wird (sog. stagediving). Die Antragsgegnerin bewirbt hierin die "neue o.b" als "einzigen Tampon mit geschwungenen Rillen" und mit der Aussage, dass die neue o.b. die Flüssigkeit "noch wirksamer" in den Tampon leite (Printwerbung) bzw. "wirksamer" aufnehme "als bei geraden Rillen" (Fernsehspot). Diese Aussage hält die Antragstellerin für irreführend gemäß § 3 UWG, weil sie nicht den Tatsachen entspreche. Der neue o.b.Tampon der Antragsgegnerin besitze keine höhere Absorptionsfähigkeit als ein herkömmlicher Tampon mit geraden Rillen.

Außerdem ist der Fernsehspot an einer Stelle mit den Worten unterlegt "Stellen Sie sich vor, sie (gemeint ist die junge Künstlerin, Anm. des Senats) hätte eine Binde benutzt und nicht den neuen o.b." und die Zeitungswerbung enthält den Satz "So fühlen Sie sich sauberer und diskreter geschützt als mit einer Binde". Diese Aussagen verstoßen nach Meinung der Antragstellerin wegen Irreführung ebenfalls gegen § 3 UWG. Denn die Behauptung, dass Tampons besser vor dem Auslaufen schützten als Binden, sei objektiv falsch. Ferner enthalte die Werbung eine pauschale unzulässige Herabsetzung des Monatshygienesystems Binde und sei daher auch nach § 1 UWG zu verbieten.

Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung mit der Begründung erlassen, es sei nach den vorgelegten Untersuchungen überwiegend wahrscheinlich, dass Tampons in Bezug auf die Sicherheit, insbesondere das Risiko des Auslaufens von Menstruationsflüssigkeit, keinen generellen Vorteil gegenüber Binden aufwiesen. In dem mit der Berufung angegriffenen Widerspruchsurteil hat das Landgericht die einstweilige Verfügung mit der Begründung bestätigt, dass die Werbungen das Produkt Binde unzulässig pauschal herabsetzten und somit gegen § 1 UWG verstießen. Ob auch eine Irreführung nach § 3 UWG vorliege, könne offen bleiben.

Mit ihrer Berufung erstrebt die Antragsgegnerin die Aufhebung der einstweiligen Verfügung.

II.

Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Antragstellerin ist es nicht gelungen, mit den Mitteln des Verfügungsverfahrens hinreichend glaubhaft zu machen, dass die Aussagen, wegen derer die beiden Werbungen angegriffen werden, objektiv falsch und damit irreführend nach § 3 UWG sind. Entgegen der Auffassung des Landgerichts verstoßen die Werbungen auch nicht gegen § 1 UWG. Im Einzelnen:

1. Zu der Werbeaussage, dass die neue o.b. mit geschwungenen Rillen noch wirksamer die Flüssigkeit in den Tampon leite bzw. wirksamer aufnehme als bei geraden Rillen:

a) Vorab ist festzustellen, dass beide Werbungen in diesem Punkt in ihrem Aussagegehalt gleich zu beurteilen sind. Auch wenn es in der Printwerbung nicht ausdrücklich gesagt wird, ergibt sich für die angesprochenen Frauen, die bis auf rechtlich unerhebliche Anteile die herkömmlichen Tampons mit geraden Rillen kennen werden, aus dem Zusammenhang unzweideutig, dass eine höhere Wirksamkeit der Flüssigkeitsaufnahme von Tampons mit den sog. geschwungenen - wohl treffender: schräg verlaufenden - Rillen gerade im Vergleich zu Tampons mit geraden Rillen behauptet werden soll, wie sie seit Jahrzehnten auf dem Markt sind.

Auch werden allgemein Tamponfabrikate mit geraden Rillen in Bezug genommen, nicht nur die früheren o.b. Tampons, die ebenfalls gerade Rillen hatten. Dies wird besonders in dem Fernsehspot deutlich, wo in einem "side by side"-Vergleich ein namenloser, mit "x" untertitelter Tampon mit geraden Rillen neben einem mit "o.b." untertitelten Tampon mit geschwungenen Rillen gezeigt wird.

b) Sodann ist zu klären, was der Empfänger der Werbebotschaft unter einer wirksameren Flüssigkeitsaufnahme versteht. Die Antragstellerin steht auf den Standpunkt, dass hiermit die Absorptionsfähigkeit angesprochen werde, nämlich die Fähigkeit des Tampons, insgesamt eine bestimmte Menge Flüssigkeit aufzunehmen. Hierzu hat die Antragstellerin die eidesstattliche Versicherung ihrer Mitarbeiterin N vorgelegt, die in einem eigenen Versuch mit jeweils 16 alten und 16 neuen o.b. Tampons verschiedener Größen festgestellt hat, dass nur das Modell "o.b. Super Plus" mit geschwungenen Rillen ein höheres Absorptionsvermögen als das Vorgängermodell mit geraden Rillen habe (Anlagen Ast 4, Ast 10). Dies bestreitet die Antragsgegnerin nicht, stellt aber darauf ab, dass die neue Form der Rillen die Flüssigkeitsaufnahme erleichtere, und zwar in dem Sinne, dass schneller mehr Flüssigkeit aufgenommen werde als bei einem Tampon mit geraden Rillen. Dies bedeute dann auch eine Verbesserung des Auslaufschutzes.

Ebenso wie das Landgericht in seiner ursprünglichen Begründung zum Erlass der einstweiligen Verfügung hält der Senat die Auffassung der Antragsgegnerin für zutreffend. Sie entspricht bereits dem allgemeinen Wortverständnis. Wenn man z.B. sagt, dass ein Gefäß Flüssigkeit "wirksamer" aufnimmt als ein anderes, heißt dies noch nicht, dass es im Ergebnis auch mehr aufnimmt als ein anderes, sondern dass es effektiver ist, nämlich weniger daneben geht.

Dieses Verständnis wird auch durch die in den angegriffenen Werbungen dargestellte Situation unterstützt. Die Botschaft geht dahin, in der kurzen Zeitspanne der extrem heiklen Lage, in der die junge Frau auch in ihrem Intimbereich von fremden Menschen berührt wird, einen gerade in diesem Augenblick besonders verlässlichen und effektiven - eben wirksamen - Schutz vor einem Auslaufen von Menstruationsflüssigkeit zu haben. Hingegen kommt es in dieser Situation weniger darauf an, ob der beworbene Tampon im Vergleich zu anderen Produkten auch einen zeitlich länger dauernden Schutz gewährt, weil seine Absorptionsfähigkeit auch absolut höher ist.

c) Zu der Frage, ob die neue o.b. mit den sog. geschwungenen Rillen die Flüssigkeit wirksamer im Sinne von schneller und zuverlässiger aufnimmt, wie es in der Werbung der Antragsgegnerin behauptet wird, haben beide Parteien bis kurz vor dem Termin vor dem Senat nur jeweils hausinterne Untersuchungen vorgelegt.

aa) Die Mitarbeiterin N der Antragstellerin hat einen Versuch mit jeweils 10 der neuen o.b.-Tampons in jeder Größe unternommen (unter Ziff.4 der Anlage Ast 4). An diesen hat sie eine synthetische Flüssigkeit, die menstruelle Flüssigkeit simulieren soll, entlang tropfen lassen. Dabei sollen bei "mehreren" Tampons die ersten 2 Tropfen nicht den diagonalen Rillen gefolgt sein, sondern gar nicht oder erst im unteren Bereich des Tampons aufgenommen worden sein. Bei "einigen" Tampons sollen sogar mehr als 2 Tropfen an dem Tampon entlanggelaufen oder erst im unteren Bereich absorbiert worden sein.

Diese Untersuchung ist wenig aussagekräftig. Es ist schon nicht erkennbar, wie das "Entlangtropfen" vor sich ging : manuell oder maschinell, in welcher Geschwindigkeit und in welchen Flüssigkeitsmengen? Auch die Versuchsanordnung ist eher vage beschrieben, wenn es heißt, dass die animierte Demonstration des Fernsehspots nachgestellt worden sei.

Schließlich ist unklar, bei wie vielen "einigen" oder "mehreren" der getesteten Tampons eine Leckage aufgetreten ist.

Vor allem aber befasst sich diese Untersuchung nur mit der Leistungsfähigkeit der neuen o.b., ohne diese mit derjenigen von herkömmlichen Tampons mit geraden Rillen zu vergleichen. Vorliegend geht es jedoch gerade um die Frage, ob die Konstruktion mit geschwungenen Rillen im Vergleich zu geraden Rillen eine wirksamere Aufnahmefähigkeit aufweist.

bb) Dieser Untersuchung der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin ihre eigenen Untersuchungen entgegengestellt (Anlage B 4). Aus der Versuchsanordnung S. 10/11 ergibt sich, dass mit steigender Viskosität (= Zähigkeit) von Flüssigkeiten - diese verändert sich laut Aussage der Untersuchung auch bei Menstruationsflüssigkeit im Laufe der Menstruation - diese Flüssigkeiten bei dem Tampon mit geschwungenen Rillen in einem kleineren Bereich des Tampons absorbiert werden als bei dem Tampon mit geraden Rillen. Eine gewisse Stütze des vorgenannten Ergebnisses lässt sich der fotografischen Darstellung auf S. 12 der Untersuchung entnehmen. Diese deutet darauf hin, dass der neue o.b. sich eher im oberen Bereich nahe der Spitze voll saugt als ein Tampon mit geraden Rillen. Denn der Tampon mit geschwungenen Rillen verdickt sich bei zunehmender Flüssigkeitszufuhr mehr zur Spitze hin, während der Umfang des Tampon mit geraden Rillen im unteren Bereich stärker zunimmt als der Tampon mit geschwungenen Rillen.

Auch bei der Absorptionsrate, d.h. der Aufnahme von Flüssigkeit pro sek. oder min., soll der neue o.b. nach den eigenen Untersuchungen der Antragsgegnerin in zwei verschiedenen Testanordnungen unter im einzelnen beschriebenen Druckverhältnissen, die denen in der Vagina entsprechen sollen, besser abschneiden (1. Testanordnung mit Leitungswasser: 1,80 ml/sek. bei geraden, 1,96 ml/sek. bei geschwungenen Rillen; 2. Testanordnung mit Testflüssigkeit: bis 50 % der Kapazität 0,83 g/min bei geraden und 0,97 g/min bei geschwungenen Rillen, bis 90% der Kapazität 0,59 g/min bei geraden und 0,74 bei geschwungenen Rillen).

Die Antragstellerin zieht diese Untersuchungen zwar in Zweifel (Anlage Ast 9: Eidesstattliche Versicherung des Jan F-E, ebenfalls Mitarbeiter der Antragstellerin), und weist insbesondere darauf hin, dass der Tampon in der Vagina schräg liege, so dass also die Bedingungen in der Realität ganz andere seien. Eine Untersuchung unter solchen Bedingungen und/oder durch einen unabhängigen Sachverständigen hat sie allerdings auch nicht vorgelegt, so dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der Werbung der Antragsgegnerin, dass die neue o.b. mit geschwungenen Rillen wirksamer Flüssigkeit aufnehme als ein Tampon mit geraden Rillen, bis hierher bereits nicht festgestellt werden kann.

d) Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Antragstellerin weitere Unterlagen vorgelegt: Eine eidesstattliche Versicherung ihres Mitarbeiters Jan F-E vom 2.7.2003, in der über die Ergebnisse einer von der Antragstellerin in Auftrag gegebenen Studie eines Marktforschungsinstituts von November 2002 berichtet wird, und außerdem die Ergebnisse eines Tests der Stiftung Warentest zu verschiedenen Tampon-Fabrikaten von März 2003 ( Anlagen Ast 10 und 11 ). Diese neuen Angriffsmittel dürfen nach § 531 Abs.2 Nr.3 ZPO in der Berufungsinstanz berücksichtigt werden, weil sie nicht schon in erster Instanz vorgetragen werden konnten (Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz: 20.8.2002). Sie müssen auch nicht nach den §§ 530, 296 Abs. 1 bzw. 525, 296 Abs. 2 ZPO wegen Verspätung zurückgewiesen werden, weil die Antragsgegnerin hierzu im Termin Stellung genommen hat, ohne Verspätung zu rügen, mithin eine Verzögerung des Verfahrens nicht eingetreten ist. Im Ergebnis vermögen aber auch diese weiteren Glaubhaftmachungsmittel der Antragstellerin nicht zum Erfolg zu verhelfen:

aa) Der Konsumententest von November 2002, über den Herr F-E in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 2.7.2003 berichtet, ist mit 49 Frauen durchgeführt worden, die jeweils 10 o.b. Tampons mit geschwungenen Rillen und 10 Tampons mit geraden Rillen der Marke Olivia (Aldi Süd) getestet haben. Danach soll bei den Tampons mit geraden Rillen weniger oft ein Auslaufen festgestellt worden sein. Schon von der im Vergleich zu den anderen Studien geringen Zahl der Testpersonen her bestehen Bedenken gegen eine ausreichende Aussagekraft dieser Untersuchung.

Auch hat die Antragstellerin die Studie selbst nicht eingereicht, so dass weder feststellbar ist, ob die Testpersonen Vorgaben (z.B. Wechselhäufigkeit) erhalten haben, noch ob es sich bei dem Experten, der die Produkte anschließend untersucht haben soll, um eine neutrale und sachverständige Person handelt.

Schließlich steht das Ergebnis dieser Untersuchung im Gegensatz zu dem ebenfalls eingereichten Test der Stiftung Warentest von März 2003 (Anlage Ast 11). Dort hat das Produkt Olivia gegenüber dem o.b.Tampon hinsichtlich des Auslaufschutzes schlechter abgeschnitten (Note 1,9 zu 1,6)

bb) Aber auch das Testergebnis von Warentest begegnet Zweifeln. Denn zum einen hat hier nur ein einziges von 22 Tamponfabrikaten in punkto Auslaufschutz dieselbe Note erreicht wie der o.b.-Tampon (1,6), alle anderen sind etwas schlechter, wenn auch noch im Bereich "gut". Zum anderen trägt die Antragstellerin durch die eidesstattliche Versicherung des Herrn F-E selbst vor, dass bei diesem Test, an dem 600 Frauen und 22 Tamponfabrikate beteiligt waren, die Frauen nur einmal am Ende ihrer Periode die Produkte anhand eines Fragebogens bewertet haben, so dass die Genauigkeit des Erinnerungsbildes durchaus fraglich ist. Auch angesichts der Vielzahl der getesteten Produkte und der insgesamt 10 Kriterien, die zu bewerten waren, ist dieses Testergebnis nicht hinreichend, um die Unrichtigkeit der Werbung der Antragsgegnerin zum besseren Auslaufschutz bei geschwungenen Rillen jedenfalls als überwiegend wahrscheinlich ansehen zu können. Denn auch wenn die Objektivität der Eigenuntersuchungen der Antragsgegnerin bezweifelt werden muss, so sind sie doch nicht von vornherein unplausibel, so dass es der Antragstellerin jedenfalls im Verfügungsverfahren nicht gelungen ist, den Vorwurf einer Irreführung ausreichend zu erhärten.

e) Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, ob die von der Antragsgegnerin erst in der Berufungsinstanz kurz vor dem Verhandlungstermin eingereichte Untersuchung des Textiltechnischen Instituts Wuppertal über das Absorptionsverhalten von Tampons mit gekrümmten gegenüber Tampons mit geraden Rillen vom 7.8.2002 (Anlage B 14) bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden kann. Da diese Untersuchung, die ihrem Inhalt nach die Position der Antragsgegnerin stützt, schon vor der Verhandlung beim Landgericht erstellt war, ist für den Senat allerdings nicht nachvollziehbar, weshalb sie erst kurz vor dem Verhandlungstermin in der Berufung eingereicht worden ist; hierzu hat auch die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung trotz Erörterung keine Erklärung abgegeben. Nach dem ab 1.1.2002 in Kraft getretenen Berufungsrecht, dessen Beschränkungen für neues tatsächliches Vorbringen auch im Verfügungsverfahren gelten ( Zöller-Vollkommer, 23.Aufl., § 925 Rn.12 ), können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs.2 ZPO zugelassen werden. Ein Zulassungsgrund dürfte indessen nicht gegeben sein, insbesondere nicht nach § 531 Abs.2 Nr.1 ZPO unter dem Gesichtspunkt, dass das Landgericht den Vortrag zum Absorptionsverhalten des neuen o.b. Tampon für unerheblich gehalten hat. Denn selbst wenn das Landgericht de Verurteilung letztlich nur auf § 1 UWG gestützt und § 3 UWG offen gelassen hat, bestand jedenfalls nach der Begründung der einstweiligen Verfügung, in der auch Irreführungsaspekte angesprochen sind, und dem umfangreichen Vortrag der Antragstellerin zu dieser Anspruchsgrundlage aller Anlass für die Antragsgegnerin, auch zu § 3 UWG vollständig vorzutragen und vorhandenes Material vorzulegen. Denn bei § 531 Abs. 2 Nr.1 ZPO geht es darum, in Fortführung der richterlichen Hinweispflicht nach § 139 ZPO den Parteien die Möglichkeit zu ergänzendem Vortrag zu solchen Punkten zu geben, die das Erstgericht zu keinem Zeitpunkt für relevant angesehen hat (Münchener Kommentar zur ZPO/Rimmelspacher, 2.Aufl., Aktualisierungsband, § 531, Rn.21); um eine solche Fallgestaltung dürfte es sich hier aber - wie ausgeführt - nicht handeln. Auch die noch im Verhandlungstermin vor dem Senat zusammen mit der eidesstattlichen Versicherung des Mitarbeiters Dr. D der Antragsgegnerin überreichte weitere Untersuchung des Textiltechnischen Instituts vom 25.6.2003, mit der der von Frau N in Ziff.4 ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 10.6.2002 (Ast 4) geschilderte Versuch nachgestellt worden sein soll, konnte bei der vorliegenden Entscheidung nicht berücksichtigt werden. Diese Untersuchung ist nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geworden und die Antragstellerin hatte keine Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen.

2. Zu der Werbeaussage, die Verwenderin fühle sich mit der neuen o.b. besser geschützt als mit einer Binde:

a) Diese Aussage wäre dann irreführend und nach § 3 UWG zu verbieten, wenn der Schutz vor Leckagen bei einem Tampon tatsächlich nicht größer wäre als bei einer Binde. Auch dies ist jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich. Im Einzelnen :

aa) Beide Werbungen verbinden die Präsentation der neuen o.b. mit geschwungenen Rillen, die für eine wirksamere Flüssigkeitsaufnahme sorgen soll, mit der Behauptung, dass sich die Trägerin besser geschützt fühle als mit einer Binde. In der Printwerbung wird dies besonders deutlich, wo das Gefühl, sauberer und diskreter geschützt zu sein, sprachlich als Konsequenz aus der wirksameren Flüssigkeitsableitung dargestellt wird (so fühlen Sie sich sauberer und diskreter geschützt ...). In dem Fernsehspot kommt zwar zunächst der Text "Stellen Sie sich vor, sie hätte eine Binde benutzt" ..., der sich auf die Situation des stagediving bezieht, und erst anschließend erfolgt die Werbung für den neuen o.b. Tampon. Trotzdem wird auch hier wenigstens ein rechtlich erheblicher Teil der Verbraucherinnen den besseren Auslaufschutz der neuen o.b. nicht nur auf herkömmliche Tampons mit geraden Rillen beziehen, sondern auch auf das unmittelbar zuvor genannte Produkt Binde. Der Antragstellerin ist daher zuzustimmen, dass bei den hier angegriffenen Werbungen jedenfalls nicht vorrangig diejenigen Eigenschaften beider Produktgattungen miteinander verglichen werden, in denen der Tampon unstreitig besser abschneidet als die Binde, nämlich in punkto Diskretion (Sichtbarkeit und Fühlbarkeit), Sauberkeit durch Auffangen des Blutes im Körper und Ermöglichung aller sportlicher Tätigkeiten, sondern vorliegend geht es vor allem um den Auslaufschutz. Mindestens ist davon auszugehen, dass rechtlich erhebliche Anteile der Verbraucherinnen die Werbungen in diesem Sinne verstehen werden, selbst wenn die dargestellte konkrete Situation des stagediving die sonstigen Vorteile eines Tampons gegenüber einer Binde mit einfließen lässt.

bb) Des weiteren werden auch mindestens rechtlich erhebliche Anteile des angesprochenen Verkehrs beide Werbungen nicht nur in dem Sinne auffassen, dass sich die Trägerinnen von o.b.- Tampons subjektiv besser geschützt fühlen, sondern dass auch objektiv ein besserer Auslaufschutz als bei einer Binde besteht. Auch in diesem Punkt ist der Antragstellerin zustimmen.

cc) Beide Parteien haben zur Frage des objektiv besseren Schutzes durch Tampons oder Binden Studien durchführen lassen, die sie im Falle der Antragstellerin durch eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin Dr. B N und im Falle der Antragsgegnerin durch die Vorlage eines Auszugs der Studie in das Verfahren eingeführt haben (Anlagen Ast 5 und B 1, B 2). Die jeweils komplette Studie haben beide Parteien nicht vorgelegt.

Beide Parteien sind sich zunächst einig, dass es 3 Gruppen von Verwenderinnen gibt, nämlich die ausschließlichen Tampon-Verwenderinnen, die ausschließlichen Binden-Verwenderinnen und die Verwenderinnen beider Systeme, entweder kombiniert oder im Wechsel. In beiden Studien ist das Auslaufen von Produkten auf der Basis der teilnehmenden Frauen und auf der Basis aller Produktwechsel ermittelt worden. Nach der Studie der Antragstellerin haben von insgesamt 1042 Frauen 149 Frauen ausschließlich Tampons verwendet. 30 % dieser Frauen sollen ein Auslaufen festgestellt haben. Dem stellt die Antragstellerin die Gruppe der "System-Tampon-Verwenderinnen" gegenüber, womit die Verwenderinnen beider Systeme, nämlich Binden und Tampons im Wechsel oder gleichzeitig, gemeint sind. Von diesen sollen 57 % ein Auslaufen festgestellt haben.

Hieraus lässt sich für die Frage des besseren Auslaufschutzes durch Tampons oder Binden indessen nichts ableiten. Wenn diese miteinander verglichen werden, ist das Ergebnis nur aussagekräftig, wenn die ausschließlichen Bindenträgerinnen den ausschließlichen Tamponträgerinnen gegenübergestellt werden.

Auch die Zahlen auf der Basis aller Produktwechsel (S. 4 f in Anlage Ast 5) helfen nicht weiter. Denn aus der Tabelle, wonach bei allen Tampon-Wechseln in 13 % der Fälle ein Auslaufen festgestellt wurde und bei allen Binden-Wechseln in 10 % der Fälle, ist nicht erkennbar, auf welche Gruppen von Verwenderinnen sich diese Zahlen beziehen. Aussagekräftig können aber - wie ausgeführt - nur Zahlen sein, mit denen das Auslaufen allein getragener Tampons und allein getragener Binden einander gegenübergestellt werden. Bei der Zahl von 10 % für Binden können auch die Kombinierer erfasst sein, d.h. diejenigen Verwenderinnen, die zusätzlich zu einer Binde einen Tampon tragen.

Nach der von der Antragsgegnerin vorgelegten Studie haben auf der Basis aller Produktwechsel die alleinigen Tampon-Trägerinnen in 4 % der Fälle und die alleinigen Binden-Trägerinnen in 10 % der Fälle ein Auslaufen festgestellt. Diese Ergebnisse sind jedenfalls nicht weniger plausibel als das Material der Antragstellerin, so dass der Vorwurf der Irreführung auch bezüglich der zweiten Werbeaussage im Ergebnis ebenfalls nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden ist.

b) Schließlich verstoßen die angegriffenen Werbungen auch nicht gegen § 1 UWG: Da die Werbungen keinen Bezug zu einem bestimmten Bindenhersteller aufweisen, könnten sie nur unter dem Gesichtspunkt eines unzulässigen System- oder Produktvergleichs nach § 1 UWG verboten werden (die Grenzen zwischen diesen beiden Arten von Vergleichen sind fließend, es gelten aber dieselben Zulässigkeitsschranken, Baumbach/Hefermehl, UWG, 22.Aufl., § 1 Rn.350 und 389 ff). Das Landgericht hat die abstrakten rechtlichen Obersätze zur Unzulässigkeit eines Systemvergleichs zutreffend dargestellt, seiner rechtlichen Subsumption vermag der Senat indessen nicht zu folgen.

Das Landgericht meint, es verstoße gegen das Sachlichkeitsverbot, wenn die Antragsgegnerin in ihrer Werbung die Behauptung aufstelle, dass ihre Tampons sicherer Menstruationsflüssigkeit aufnähmen als Binden, ohne dass die Antragsgegnerin konkret darlege, warum dies so sei und auf welche Feststellungen sie ihre Behauptungen im einzelnen stütze. Jedoch: Die Antragsgegnerin wirbt hier mit einer bestimmten Eigenschaft ihres Produkts, was im direkten Werbevergleich zulässig ist, ohne dass das Gesetz einen Begründungszwang vorsieht (§ 2 Abs.2 Nr.2 UWG). Zutreffend weist Köhler (in Köhler-Piper, UWG, 3. Aufl., § 2 Rn. 10) darauf hin, dass im allgemein gehaltenen Werbevergleich keine strengeren Maßstäbe angelegt werden dürfen als im direkten Vergleich.

Unsachlich wäre der Systemvergleich allerdings dann, wenn durch die Hervorhebung einer bestimmten Eigenschaft ein falsches Gesamtbild, also ein "schiefes Bild" entstünde (Baumbach/Hefermehl, 22.Aufl., § 1 Rn. 390 m.w.N.). Der Senat vermag nicht zu erkennen, inwiefern hier ein unrichtiger Gesamteindruck hervorgerufen wird, insbesondere ein wichtiger Vorteil des Monatshygienesystems Binde oder ein Nachteil des Monatshygienesystems Tampon verschwiegen wird, durch den der beworbene bessere Auslaufschutz bei einem Tampon kompensiert wird. Dies trägt auch die Antragstellerin nicht vor.

In der konkret dargestellten Anwendungssituation ist der Tampon sogar unstreitig auch deshalb besser, weil er nicht sieht- und fühlbar ist.

Eine unsachliche Herabsetzung oder Verunglimpfung des Produkts Binde enthalten die angegriffenen Werbungen ebenfalls nicht. Dies ist bei einem nach § 1 UWG zu beurteilenden allgemeinen Werbevergleich nur dann zu bejahen, wenn über die bloße Kritik hinaus Umstände hinzutreten, die die Kritik in unangemessener Weise abfällig, abwertend oder unsachlich erscheinen lassen (z.B. BGH GRUR 2001, 752,753 "Eröffnungswerbung"; GRUR 2002, 75,77 "sooo...billig"). Dies käme allenfalls für den TV-Spot Betracht, der durch die direkte Ansprache des Zuschauers ("Stellen Sie sich vor....") noch stärker als die Printwerbung auf die Angst der Verbraucherin vor einer peinlichen Situation anspielt. Die Angst vor einer peinlichen Situation ist aber ohnehin mit dem intimen Thema Monatshygiene untrennbar verbunden und führt auch in dieser konkreten Art der Werbung noch nicht dazu, dass die Bezugnahme auf das Produkt Binde, das in der dargestellten Extremsituation unstreitig gewisse Nachteile hat, als in unangemessener Weise abfällig bewertet werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück