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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 26.06.2003
Aktenzeichen: 5 U 152/02
Rechtsgebiete: MarkenG, BGB


Vorschriften:

MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 242
1. Die Bezeichnungen Cellofit und Cellvit sind im Warenähnlichkeitsbereich von "Arzneimitteln" und "diätetischen Lebensmitteln" bzw. Nahrungsergänzungsmitteln verwechselbar.

2. Der im Rahmen des Verwirkungstatbestands erforderliche "wertvolle Besitzstand" bemisst sich nach objektiven Marktkriterien und verändert sich nicht in seiner jeweiligen Ausrichtung gegenüber bestimmten Mitbewerbern. Ein schutzwürdiges Vertrauen in die ungestörte Nutzung einer Marke kann deshalb auch dann nicht entstehen, wenn die Geschäftsaktivitäten unter der Kennzeichnung zwar nicht von dem Prozessgegner, aber von dritter Seite - z.B. durch ein Widerspruchsverfahren - gefährdet worden sind.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 152/02

Verkündet am: 26.06.03

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter

Gärtner, Rieger, Dr. Koch

nach der am 15.05.03 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf de Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 15.08.02 unter Abweisung der hierauf gerichteten Klage abgeändert, soweit der Beklagten verboten worden ist, im geschäftlichen Verkehr das Zeichen "CELLVIT zur Kennzeichnung für "Präparate zur Gesundheitspflege, Pflaster und Verbandsmaterial; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Parfümerien, ätherische Öle, Seifen, Zahnputzmittel" zu benutzen und/oder benutzen zu lassen.

In diesem Umfang wird das Urteil auch bezüglich der rückbezogenen Folgeansprüche zu Ziff.l.3 und Ziff. II sowie hinsichtlich der Verpflichtung zur Einwilligung in die Löschung der Marke Nr. 29 07 355 unter Abweisung der hierauf gerichteten Klageanträge abgeändert.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte 95 %, die Klägerin trägt 5 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 130.000.- abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind Pharmaunternehmen. Sie sind Wettbewerber bei Herstellung und Vertrieb von Präparaten zur Deckung eines (erhöhten) Nährstoffbedarfs. Die Klägerin vertreibt ihr diätetisches Lebensmittel (Anlage K2) unter der seit 1988 - zunächst für ihren Rechtsvorgänger - als Marke für Arzneimittel, diätetische Lebensmittel geschützten Bezeichnung 'Cellofit' (Anlage K1). Die Beklagte ist mit einem Nahrungsergänzungsmittel (Anlage K5) seit 1994 unter der u.a. für Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse, diätetische Lebensmittel für medizinische Zwecke markenrechtlich geschützten Bezeichnung "Cellvit" (Anlage K4) auf dem Markt.

Die Klägerin macht geltend, die Beklagte verletze mit ihrem Produkt unter der verwechslungsfähigen Bezeichnung ihre prioritätsälteren Markenrechte. Sie hat die Beklagte mit Schreiben vom 24.01.02 vorgerichtlich erfolglos abgemahnt (Anlagen K7 bis K9).

Die Klägerin hat Klage erhoben mit den Anträgen,

I. die Beklagte zu verurteilen

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250.000.-, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen im geschäftlichen Verkehr das Zeichen "CELLVIT" zur Kennzeichnung für Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse, Präparate für die Gesundheitspflege, diätetische Lebensmittel für medizinische Zwecke, Pflaster und Verbandmaterial; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Parfümerien, ätherische Öle, Seifen, Zahnputzmittel" - insbesondere auch zur Kennzeichnung eines Nahrungsergänzungsmittels - zu benutzen und/oder benutzen zu lassen;

2. gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt in die Löschung der Marke 29 07 355 einzuwilligen;

3. der Klägerin schriftlich Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend unter Ziffer 1.1. bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe

- der Art des Zeitpunktes und der Anzahl der Werbemaßnahmen, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern,

- der Stückzahlen, bisher erzielter Umsätze sowie Einkaufs- und Verkaufspreise jeder einzelnen Lieferung, aufgeschlüsselt nach Monaten,

- der Namen des Herstellers, Lieferanten und/oder anderer Vorbesitzer, gewerblicher Abnehmer oder Auftraggeber.

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Ziff. 1.1. bezeichneten Handlungen entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.

Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 15.08.2002 antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten. Zu den tatsächlichen Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf das angegriffene Urteil Bezug genommen.

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihren Antrag auf Klagabweisung weiter. Sie wiederholt und ergänzt ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Sie wendet sich gegen die Kennzeichnungskraft der Klagemarke und steht auf dem Standpunkt, die sich gegenüberstehenden Begriffe seien u.a. aufgrund des eingefügten Vokals "o" nicht zeichenähnlich. Weiterhin macht die Beklagte geltend, die von der Klägerin verfolgten Ansprüche seien verwirkt. Die Klägerin habe ihr die Verwendung ihres Zeichens - das ihr nicht verborgen geblieben sein könne - über viele Jahre geduldet. Hierbei sei auch der Zeitraum ungestörter Nutzung vor der Markenübertragung auf die Klägerin zwischen 1994 und 1998 einzubeziehen. Im übrigen habe sie unter der angegriffenen Bezeichnung einen wertvollen Besitzstand aufgebaut und in den Jahren seit 1995 Umsätze in erheblichem Umfang getätigt.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verfolgt ihren Klageanspruch weiter.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die zulässige Berufung ist weitgehend unbegründet. Das Landgericht hat die Beklagte im Wesentlichen zu Recht und mit zutreffender Begründung auf der Grundlage von § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5, 21 Abs. 1 und 3, 55 Abs. 1, 51 Abs. MarkenG zur Unterlassung, Löschung sowie Auskunftserteilung verurteilt und die Schadensersatzpflicht der Beklagten festgestellt, wobei der dem Verbot bzw. den Folgeansprüchen zugrundeliegende Warenbereich allerdings einer Einschränkung bedarf. Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Es gibt dem Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Anmerkungen:

1. Die Klagemarke Cellofit ist von zumindest schwacher bis leicht unterdurchschnittlicher Kennzeichnungskraft.

a. Trotz der ohne weiteres erkennbaren beschreibenden Anklänge an "Zelle" und "Fit" verfügt die Marke über Kennzeichnungskraft von Haus aus, die allerdings unterdurchschnittlich ausgeprägt ist. Durch das hinzugefügte "o", das in keiner Beziehung zu den beiden beschreibenden Anfangs- und Endsilben steht, wird die Klagemarke zum Kunstwort ohne einen insgesamt beschreibenden Inhalt. Dies unterscheidet sie etwa von Begriffen wie "CompuNet" oder "NetCom", die bereits Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung waren (z.B. BGH WRP 01, 1207, 1209 - CompuNet/ComNet). Bei jenen handelt es sich um reine Wort-Kurzformen, in denen die beschreibenden Anteile ohne weitere Zusätze enthalten sind. Dies ist bei der Klagemarke anders, selbst wenn der Verkehr die beschreibenden Begriffe in dem Gesamtzeichen wiedererkennt. Soweit die Beklagte bei ihrer Betrachtung entscheidend auf das "o" als (vermeintlich) allein kennzeichnendem Bestandteil abstellt, zergliedert sie den einheitlichen Begriff Cellofit in markenrechtlich unzulässiger und umgangssprachlich unnatürlicher Weise. Denn der Verkehr nimmt nicht ein isoliertes "o" zur Kenntnis, sondern den Gesamtbegriff. Das an einer beschreibenden Bedeutung ausgerichtetes Verkehrsverständnis wird durch das "o" gerade abgelenkt, so dass das Wort als Ganzes eine eigene, phantasievolle Ausdruckskraft erhält, die ihm eine - wenngleich nur unterdurchschnittliche -Kennzeichnungskraft von Haus aus verleiht.

b. Diese originäre Kennzeichnungskraft ist auch nicht durch Drittzeichen geschwächt. Soweit die Beklagte einen dahingehenden Schwächungseinwand erhebt - zu dem das Landgericht bereits zutreffende Ausführungen gemacht hatte -, liegt dem letztlich wiederum eine unzulässig zergliedernde Betrachtungsweise zugrunde. Es steht zwischen den Parteien nicht im Streit, dass die beschreibenden Wortbestandteile "Cell" (engl. für "Zelle") und "fit" in unterschiedlicher Kombination häufig in Kennzeichen Verwendung finden. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits gewinnen aber nur diejenigen Kombinationen an Relevanz, in denen diese Begriffe zusammen verwendet werden, entweder wortwörtlich oder zumindest im Ähnlichkeitsbereich ("Cell" oder "Zell" bzw. "fit" oder "vit"). Die große Zahl anderer Wortkombinationen, die die Beklagte als Rechercheausdrucke in Anlagen B9 und B10 vorgelegt hat, belegen nur, dass diese Silben als solche durch vielfache Verwendung verbraucht sind.

aa. Deshalb ist der Hinweis der Beklagten auf die Indizwirkung des Rollenstandes ohne Benutzungsnachweis nur insoweit zutreffend. Ein vielfacher Gebrauch der Zeichenbestandteile überträgt sich bei einer Gesamtbetrachtung aber nicht ohne weiteres auf Wortkombinationen, die aus diesen Begriffen gebildet worden sind und zudem - wie hier - weitere Buchstaben(kombinationen) einbeziehen. Vielmehr ist jeder Gesamtbegriff nach seiner zeichenrechtliche Aussagekraft gesondert zu beurteilen. Im übrigen kann die Vielzahl der mit diesen Begriffen gebildeten, in ihrem Gesamtgepräge aber unterschiedlichen Wortkombinationen auch eine gewisse Steigerung der Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise und damit einen gegenteiligen Effekt zur Folge haben, damit diese überhaupt in der Lage sind, die Begriffe auseinander halten kann. Dies führt allerdings nicht dazu, dass dass deshalb die Verwechslungsgefahr auch in ihrer Sinnbedeutung eng beieinander liegenden Begriffe - wie dies bei Cellofit und Cellvit der Fall ist - ausgeschlossen wäre.

bb. Eine nennenswerte Schwächung durch benutzte Drittzeichen im Ähnlichkeitsbereich hat die Beklagte nicht konkret nachweisen können.

aaa. Zum Teil geht die Klägerin nachweislich gegen die von ihr angeführten Zeichen vor, nämlich gegen "Cellufit" (Anlage K10/K11), "Cellufeed", "Celluvit" (Anlage K19) und "Cefafit". Der Bezeichnung für eine Wellness-Behandlung "Cellovit" in Bad Füssing kommt - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - kein schwächender Charakter zu. Hieran ändert auch nichts der Umstand, dass diese Bezeichnung wegen ihrer Verbreitung über das Internet "weltweit" abruf- bzw. verfügbar ist. Gleichwohl sind die angesprochenen Verkehrskreise eines Wellness-Urlaubs einerseits und eines Nahrungsergänzungsmittels andererseits - trotz möglicher Überschneidungen - grundsätzlich andere. Wäre die Auffassung der Beklagten zutreffend, gäbe es im Internet-Zeitalter keinerlei Möglichkeit mehr, die Wahrnehmungsmöglichkeiten unterschiedlicher Verkehrskreise gegeneinander abzugrenzen. Denn über dieses elektronische Medium kann theoretisch jedermann alles wahrnehmen. Hier begegnen sich in einer virtuellen Welt alle denkbaren Begriffe und Produkte. Deshalb bedarf es jedenfalls für die markenrechtliche Beurteilung einer sinnentsprechenden Eingrenzung. Diese kann im vorliegenden Fall vernünftigerweise nur in der Fragestellung liegen, ob der Verbraucher, der sich mittels des Internets über das Angebot an diätetischen Lebensmitteln bzw. Nahrungsergänzungsmitteln der von den Parteien vertriebenen Art zu informieren sucht, dabei auch die Drittbezeichnung "Cellovit" (Wellness-Behandlung in Bad Füssing) stößt. Hierfür gibt es nach Auffassung des Senats keine tragfähigen Anhaltspunkte.

bbb. Die einzige Bezeichnung, die ernsthaft schwächend in Betracht zu ziehen wäre, sind die "Zellfit-Kapseln/-Pulver unterschiedlicher Hersteller, auf die die Beklagte in zweiter Instanz unter Bezugnahme auf die Anlagen B23 bis B25 hingewiesen hat. Diese Produkte liegen zwar ohne weiteres im Ähnlichkeitsbereich. Hierbei wird der Begriff allerdings teilweise schon nicht kennzeichnend, sondern nur beschreibend verwendet ("Life & Health Zellfit Pulver" bzw. "Q10-Zellfit"), weil die übrigen Bestandteile oder der Gesamtbegriff von den Verkehrskreisen eher als herstellerhinweisend aufgenommen werden. Anders verhält es sich nur bei den "Zellfit-Lecithin-Ginseng-Dragees". Dort ist Zellfit erkennbar das Kennzeichen. Hierbei handelt es sich aber nur um einen Einzelfall, der für die Begründung des Schwächungseinwandes nicht ausreichend ist. Denn im Regelfall ist der Nachweis der Benutzung mehrerer Drittzeichen im unmittelbaren Ähnlichkeitsbereich erforderlich, um den Schwächungseinwand begründet erheben zu können. Eine signifikante Schwächung durch ein einziges benutztes Zeichen tritt nur in Ausnahmefällen ein (BGH GRUR 82, 611, 613 - Prodont). Für eine solche Ausnahmesituation hat die Beklagte keine tragfähigen Anhaltspunkte dargelegt. Ohnehin reicht allein die Anzahl der Drittkennzeichen zur Darlegung einer Schwächung der Kennzeichnungskraft nicht aus. Hierfür ist der Umfang der Tätigkeit der Drittfirmen und die Bekanntheit der Kennzeichnungen am Markt im Einzelnen darzustellen (BGH WRP 01, 1207, 1210 - CompuNet/ComNet). Auch insoweit bleibt der Sachvortrag der Beklagten zu unspezifiziert, um einen Schwächungseinwand begründen zu können. Im Ergebnis bleibt es deshalb dabei, dass die Kennzeichnungskraft von Cellofit auch in Ansehung der vorgetragenen Drittzeichen als unterdurchschnittlich zu beurteilen ist.

2. Zwischen Cellofit und Cellvit besteht auch eine ausgeprägte Zeichenähnlichkeit.

a. Dies gilt in erster Linie für die Zeichenähnlichkeit in klanglicher Hinsicht.

aa. Soweit die Beklagte bei der Betrachtung auf die beschreibenden Anfangs- und Schlusssilben der Klagemarke abhebt und betont, allein die Mittelsilbe "o" sei das maßgebliche Unterscheidungskriterium, erliegt sie erneut einer unzulässigen zergliedernden Betrachtungsweise, die der Verkehr nicht vornimmt. Die angesprochenen Verkehrskreise nehmen den Einwortbegriff vielmehr so auf, wie er ihnen entgegentritt. Deshalb sind die von der Beklagten angestellten Silbenvergleiche letztlich ungeeignet, den für die Zeichenähnlichkeit allein maßgeblichen Gesamteindruck des Zeichens zutreffend zu erfassen.

bb. Der Senat vermag auch die Auffassung der Beklagten nicht zu teilen, dass es sich bei dem Mittelvokal "o" um eine betonte Silbe handelt. Dies entspricht nicht einer unbefangenen Aussprache, die naheliegend mit Cellofit entweder die Anfangssilbe oder die Endsilbe mit Cellofit betont. Eine Betonung liegt auf dem "o" nur insoweit, als dieses als Vokal ausgesprochen wird. Im übrigen ergibt sich bei einer silbenmäßigen Betrachtung die naheliegende Aussprache als CEL-LO-FIT und nicht als CELL-O-FIT. Zumindest sind beide Möglichkeiten denkbar und naheliegend. Soweit die Beklagte selbst auf die letztgenannte Aussprachemöglichkeit abstellt, sind die von ihr zitierten Entscheidungen des BGH und BPatG nicht einschlägig. Denn dort ging es ausnahmslos nicht nur um eine Mittelsilbe aus zwei Buchstaben, sondern zudem jeweils um eine Konsonant-Vokalkombination, die hier gerade nicht vorliegt ("Compunet/Comnet", "Etex/Elitex", "Lopiten/Loten", "Zuka/Zumoka" usw.). Ebenso verhält es sich in der als Anlage B26 eingereichten Entscheidung des OLG Karlsruhe ("Sypharm" und "Synopharm"). Ob der Verkehr - wie es das OLG Karlsruhe sieht - tatsächlich die Zwischensilbe "vermisst" und die Zeichen deshalb nicht verwechselt, erscheint dem Senat zweifelhaft. Zumindest ist aber die in der dortigen Entscheidung maßgebliche Buchstabenfolge "no" nicht nur wegen der Konsonantprägung, sondern auch der eigenen Sprachbedeutung als "Nein" anders zu beurteilen als das in der Aussprache leicht zu verschluckende "o", das im vorliegenden Fall von Bedeutung ist.

cc. Obwohl Unterschiede der Zeichen - insbesondere die unterschiedliche Silbenzahl und Vokalfärbung - unzweifelhaft bestehen, nähern sich diese weiter dadurch ganz erheblich einander an, dass nicht vollkommen unerhebliche Teile des Verkehrs - selbst wenn sie die Bezugnahme von "vit" auf Vital etc. erkennen - geneigt sind, das Zeichen der Beklagten wie "Cellfit" auszusprechen. Zwar mag es sein, dass eine solche Aussprache des Konsonanten "v" in dem konkreten Kontext nicht den Regeln der deutschen Sprache entspricht. Diese gelten bei Eigennamen und zusammengesetzten Phantasiebezeichnungen aber ohnehin nur in sehr eingeschränktem Umfang. Zudem wird der Vokal "v" auch ansonsten je nach Anwendungsfall einmal wie "w", ein anderes Mal wie "f" ausgesprochen, so dass die nicht unerhebliche Gefahr besteht, dass sich die angesprochenen Verkehrskreise über die richtige Aussprache in dem streitgegenständlichen Kontext keine vertieften Gedanken machen. Dies umso weniger als es selbst bei der "vi"-Kombination unterschiedliche Aussprachen gibt ("Violine" einerseits, "vielfach" andererseits). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auch mundartliche Unterschiede in der Aussprache bestehen, so dass gelegentlich phonetisch auch von einer "Fioline" zur Bezeichnung einer Geige die Rede ist. Diese Umstände bestreitet die Beklagte zudem ohne jegliche Überzeugungskraft. Denn sie selbst hatte im Rahmen ihres Sachvortrags in einem Widerspruchsverfahren vor dem DPMA ("Cellvit" gegen "Selit"), den die Klägerin als Anlagen K15 und K16 eingereicht hat, mit erheblichem Nachdruck überzeugend darzulegen versucht, dass ihr eigenes Zeichen "Cellvit" wie "ZELL-FIT" ausgesprochen wird. An dieser Beurteilung wird sich die Beklagte auch für den vorliegenden Rechtsstreit festhalten lassen müssen.

dd. Entscheidend bleibt damit die Frage, wie stark das "o" in der Wortmitte prägend in den Vordergrund tritt. Angesichts der bei unbefangener Aussprache unbetonten Position dieses Vokals in dem Gesamtbegriff besteht auch nach Auffassung des Senats ohne weiteres die Gefahr, dass nicht unerhebliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise diesen Vokal "verschlucken" bzw. "verwischen", so dass er die Unterschiedlichkeit der Streitzeichen nicht maßgeblich zu begründen vermag.

b. Auch in schriftbildlicher Hinsicht nähern sich die Zeichen deutlich einander an. Angesichts der Identität von 4 Anfangsbuchstaben sowie 2 Endbuchstaben fallen die Abweichungen um 1 bzw. 2 Buchstaben in der jeweiligen Wortmitte nicht so wesentlich ins Gewicht, dass hierdurch einer im übrigen - gerade auch durch die Wortbedeutung nahe gelegte - Verwechslungsgefahr wirksam entgegengewirkt werden könnte.

3. Warenähnlichkeit besteht zwischen den sich gegenüberstehenden Produkten ohne weiteres insoweit, als die Klagemarke für Arzneimittel und diätetische Lebensmittel geschützt ist und die Beklagte aufgrund von Markeneintragung und Produktvertrieb Wiederholungsgefahr für eine Verwendung der angegriffenen Bezeichnung für Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse sowie diätetische Lebensmittel für medizinische Zwecke gesetzt hat. Soweit das Landgericht darüber hinaus auch die Verwendung der Bezeichnung für die gegenwärtig offenbar nicht benutzten weiteren Warenbereiche, nämlich für "Pflaster und Verbandmaterial; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Parfümerien, ätherische Öle, Seifen und Zahnputzmittel" verboten hat, ist die Berufung der Beklagten allerdings erfolgreich. Insoweit besteht - insbesondere bei Anwendung der Wechselwirkungslehre im Hinblick auf die eher schwache Kennzeichnungskraft der Klagemarke - keine hinreichende Grundlage für die Annahme einer Verwechslungsgefahr. Auch der gemeinsame Absatzweg der Produkt über Apotheken vermag hieran nichts zu ändern. Andernfalls wären Arzneimittel unterschiedlichster Art stets warenähnlich. So verhält es sich jedoch nicht. Vielmehr bedarf es selbst im Rahmen des einheitlichen Warenbegriffs Arzneimittel stets einer sachgerechten Differenzierung, möglichst nach Oberbegriffen (BGH GRUR 02, 65 - Ichthyol; Senat, Urt. v. 06.03.03, 5 U 192/01 - Ichthyol/Ethyol II). Auch derselbe Endzweck - die Förderung der Gesundheit - reicht im vorliegenden Fall zur Annahme einer Warenähnlichkeit nicht aus, und zwar auch nicht hinsichtlich der Waren "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege", selbst wenn zahlreiche dieser Mittel auch oral verabreicht werden (z.B. Kieselsäurekapsel für Haut, Haare und Nägel). Denn zwischen einem Lebens- bzw. Nahrungsergänzungsmittel und sonstigen, nicht unter diese Kategorie fallenden Mitteln zur Schönheitspflege etc. bestehen so erhebliche Unterschiede, dass jedenfalls bei einer relativ schwachen Marke die Verwechslungsgefahr auszuschließen ist.

4. Mit dieser Einschränkung erweist sich das landgerichtliche Urteil im Rahmen der markenrechtlichen Gesamtbetrachtung als zutreffend. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles umfassend zu erfolgen hat, besteht eine Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren, insbesondere der Ähnlichkeit/Identität der Marken und der Ähnlichkeit/Identität der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke dergestalt, dass ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft ausgeglichen werden kann und umgekehrt (EuGH GRUR 98, 387, 389 - Säbel/Puma; EuGH GRUR 98, 922, 923 - Canon; BGH GRUR 02, 1067, 1068 - DKV/OKV; BGH WRP 02, 987, 990 - Festspielhaus; BGH WRP 01, 1320, 1323 - Bit/Bud). Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall stehen sich ein unterdurchschnittlich kennzeichnungskräftiges Kennzeichen im engen Warenähnlichkeitsbereich einer Bezeichnung gegenüber, die ausgeprägt zeichenähnlich ist. Dieser Befund führt im Ergebnis zu der Annahme einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr im Rahmen von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

5. Der klägerische Anspruch ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht verwirkt. Auch insoweit ist dem Landgericht im Ergebnis zu folgen.

a. Die Voraussetzungen der spezialgesetzlichen Verwirkungsvorschrift aus § 21 Abs. 1 MarkenG liegen nicht vor, denn diese Norm setzt eine positive Kenntnis der Klägerin über einen Zeitraum von 5 Jahren voraus, die im vorliegenden Fall unstreitig zumindest nicht belegt ist. Daneben eröffnet § 21 Abs. 4 MarkenG den Rückgriff auf die allgemeinen Verwirkungsregeln im Anwendungsbereich von § 242 BGB. Die Frage, ob zwischen den Absätzen 1 und 4 von § 21 MarkenG eine "vollständige Konkurrenz" (so im Ergebnis: Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 21 Rdn. 16) besteht oder ob die Anwendung der allgemeinen Verwirkungsgrundsätze weitere, über den Anwendungsbereich des § 21 Abs. 1 MarkenG hinausgehende Voraussetzungen erfordert (siehe hierzu: Ingerl/Rohnke a.a.O.), bedarf im vorliegenden Rechtsstreit keiner Entscheidung des Senats. Denn bereits die allgemeinen Verwirkungsvoraussetzungen aus § 242 BGB sind nicht erfüllt.

b. Der Verwirkungseinwand gegenüber einem zeichenrechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 21 Abs. 4 MarkenG i.V.m. § 242 BGB setzt voraus, dass durch eine länger andauernde redliche und ungestörte Benutzung einer Kennzeichnung ein Zustand geschaffen worden ist, der für den Benutzer einen beachtlichen Wert hat, ihm nach Treu und Glauben erhalten bleiben muss und den auch der Verletzte ihm nicht streitig machen kann, wenn er durch sein Verhalten diesen Zustand erst ermöglicht hat (BGH WRP 01, 1207, 1211 - CompuNet/ComNet; BGH GRUR 00, 605, 607 - comtes/ComTel; BGH GRUR 88, 776, 778 - PPG). Dabei stehen die einzelnen Voraussetzungen des Verwirkungstatbestandes bzw. die Anforderungen daran in enger (Wechselwirkungs-)Beziehung zueinander (vgl. BGH GRUR 63, 478, 481 - Bleiarbeiter). Daraus folgt, dass z.B an den Umfang und die Bedeutung eines Besitzstandes um so geringere Anforderungen zu stellen sind, je schutzwürdiger das Vertrauen des Verletzers in seine Berechtigung ist (BGH GRUR 92, 45, 48 - Cranpool). Jedenfalls bei der erforderlichen Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen im Rahmen dieser Wechselwirkungsbeziehung erweisen sich die von der Beklagten erworbenen Rechtspositionen als nicht überwiegend schutzwürdig. Eine illoyale, den Grundsätzen von Treu und Glauben aus § 242 BGB widersprechenden Anspruchsverfolgung durch die Klägerin liegt nicht vor.

c. Der Senat kann offen lassen, ob hier der für den Verwirkungseinwand erforderliche Zeitraum, binnen dessen der Zeicheninhaber untätig geblieben ist, schon verstrichen ist, weil der auf Seiten der Beklagten zu berücksichtigende "wertvollen Besitzstand" selbst dann nicht als sehr erheblich anzusehen ist, wenn man zugunsten der Beklagten die - bereits im Senatstermin am 15.05.03 mündlich vorgetragenen - Umsatzzahlen aus dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 28.05.2003 zugrunde legt. Auch der Hinweis auf ihre Werbeaufwendungen in Tageszeitung oder Unterhaltungszeitschriften (Anlagen B2 bis B4) kann hierfür nicht ausreichen. Denn die Beklagte konnte trotz einer erheblichen Marktbedeutung angesichts der - unstreitig - anhängig gewesenen Widerspruchsverfahren gegen ihre Marke jedenfalls bis zu deren Abschluss kein im Rahmen von § 242 BGB schutzwürdiges Vertrauen in eine ungestörte Markennutzung entwickeln. Sie wusste, dass ihre Geschäftsaktivitäten unter dieser Bezeichnung wegen Angriffen von dritter Seite gefährdet waren und zu einer Vernichtung bzw. Einschränkung ihrer Marke führen konnten, auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering gewesen sein sollte. Für die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in eine ungestörte Zeichennutzung ist es ohne Bedeutung, ob die Bedrohung gerade von der Klägerin als Prozessgegnerin oder von dritter Seite ausgegangen ist. Die Existenz eines "wertvollen Besitzstandes" bemisst sich nach objektiven Marktkriterien und verändert sich nicht in seiner jeweiligen Ausrichtung gegenüber bestimmten Mitbewerbern. Ebenfalls unerheblich ist, ob sich die Bedrohung des Besitzstandes gegen eine Markeneintragung richtet oder in anderer, faktischer Weise erfolgte. Entscheidend ist allein, dass die Beklagte um die Gefährdung ihrer Rechtsposition wusste. Das Widerspruchsverfahren ist im Mai 2001 abgeschlossen worden. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte die Beklagte ein Vertrauen in die Sicherheit und Beständigkeit ihrer Rechtsposition entwickeln. Der seitdem bis zum Zeitpunkt der Abmahnung durch die Klägerin im Januar 2002 aufgebaute Besitzstand stellt sich - unstreitig - als nicht sehr erheblich dar.

d. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen im Rahmen dieser Wechselwirkungsbeziehung erweisen sich die von der Beklagten erworbenen Rechtspositionen deshalb als nicht überwiegend schutzwürdig. Selbst wenn der Beklagten ein über 3 1/2 hinausgehender, der Klägerin zurechenbarer Zeitraum der Untätigkeit zur Seite steht, vermag zumindest der von ihr unter Vertrauensgesichtspunkten aufgebaute wertvolle Besitzstand - schon in zeitlicher Hinsicht - nicht in nennenswertem Umfang Schutz zu beanspruchen.

e. Auch die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung sind nicht verwirkt. Der - im Umfang unstreitige -Auskunftsanspruch dient der Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs und setzt dessen Durchsetzbarkeit voraus. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Verwirkung eines (in der Vergangenheit bereits entstandenen) Schadensersatzanspruchs nach höchstrichterlicher Rechtsprechung anders als der (in die Zukunft gerichtete) Unterlassungsanspruch keinen "wertvollen Besitzstand" voraussetzt (BGHZ 26, 52 ff - Sherlock Holmes). Gleichwohl sind auch etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin nicht verwirkt.

Denn ihr selbst können solche Ansprüche ohnehin frühestens ab der mit Wirkung vom 15.06.1998 erfolgten Markenumschreibung erwachsen sein. Abgetretene Rechte ihrer Rechtsvorgänger macht die Klägerin nicht geltend, so dass sich in diesem Zusammenhang die Frage einer Erstreckung auf die gegenüber Rechtsvorgängern abgelaufenen Fristen nicht stellt. Der bis zur Abmahnung Anfang 2002 verstrichene Zeitraum von ca. 3 1/2 Jahren ist für die Verwirkung von Schadensersatzansprüchen ohne das Hinzutreten weiterer Umstände schon deshalb zu kurz, weil der Anspruchsinhaber auch aus der Sicht eines Verletzers in der Regel keine Veranlassung hat, auf in der Vergangenheit bereits entstandene, nicht verjährte finanzielle Ansprüche zu verzichten. Da die Beklagte - unstreitig - während des gesamten Zeitraums der Markenberechtigung der Klägerin an Cellofit rechtsverletzenden Gebrauch von Cellvit gemacht hat, ist für die Durchsetzung der nicht verwirkten Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung der gesamte Zeitraum ab dem 15.06.1998 zugrunde zu legen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Das Teilobsiegen der Beklagten wirkt sich bei der Bemessung der Kosten des Rechtsstreits nur in geringem Umfang aus. Denn beide Parteien vertreiben unter den streitgegenständlichen Bezeichnungen gegenwärtig nur ein diäthetisches Lebensmittel bzw. ein Nahrungsergänzungsmittel, sodass die wirtschaftliche Bedeutung der weiteren für die Marke Nr. 29 07 355 geschützten Waren gering zu bemessen ist.

Der vorliegende Rechtsstreit bietet dem Senat keine Veranlassung, gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern beschränkt sich auf die Anwendung feststehender Rechtsgrundsätze auf den konkreten Einzelfall. Dies betrifft auch die Verwirkungsfragen, soweit deren Beantwortung für die Entscheidung des Rechtsstreits tragend ist. Einer Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf es auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Ende der Entscheidung

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