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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 30.09.2004
Aktenzeichen: 5 U 176/03
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 6 Abs. 2 Nr. 2
UWG § 5 Abs. 3
Eine Fluggesellschaft darf Preise ihrer eigenen Angebote mit dem Abflugort Frankfurt-Hahn, einem ca. 120 km von Frankfurt am Main entfernt im Hunsrück belegenen Flughafen, nicht mit Flugpreisen einer anderen Fluggesellschaft mit Abflugort Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt am Main vergleichen, ohne in der Werbung zugleich unübersehbar und deutlich auf die Lage und Erreichbarkeit des Flughafens Frankfurt-Hahn hinzuweisen. An dieser bereits im vorangegangenen Verfügungsverfahren mit Urteil vom 19.2.2002 ( Aktz. 5 U 137/02, GRUR-RR 2003,219 ) vertretenen Auffassung hält der Senat auch im Hauptsacheverfahren fest.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftszeichen: 5 U 176/03

Verkündet am: 30. September 2004

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter Betz, Rieger, Dr. Koch nach der am 30. September 2004 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 15 - vom 16.10.2003 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich die Verurteilung zur Auskunft und Schadensersatzfeststellung gemäß Ziff.II und III des Urteilstenors auf die Zeit seit dem 3.12.2001 bezieht.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von € 320.000.- abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Linienflüge innerhalb Europas. Die Klägerin ist eine der größten europäischen Fluggesellschaften, die Beklagte ein sog. "Billigflieger". Die Beklagte bietet dem deutschen Verbraucher vor allem Flüge von und nach dem Flughafen Frankfurt-Hahn an. Hierbei handelt es sich um einen ehemaligen Militärflughafen im Hunsrück ( Rheinland-Pfalz ), der ca 125 km von Frankfurt am Main entfernt liegt. Er ist mangels Anschlusses an das öffentliche Bahnnetz praktisch nur mit dem PKW oder einem Shuttle-Bus erreichbar, der dreizehnmal am Tag zwischen Frankfurt/ Hauptbahnhof oder dem Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt am Main und dem Flughafen Frankfurt-Hahn verkehrt ( Fahrtzeit 1 Stunde und 45 Minuten ). Der Shuttle-Bus unterhält u.a. auch Verbindungen zwischen dem Flughafen Frankfurt-Hahn und den Städten Mainz und Köln. Die Bezeichnung "Frankfurt-Hahn" trägt der Flughafen aufgrund einer amtlichen Genehmigung vom 12.9.2001.

Die Parteien streiten um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit eines Preisvergleichs. Die Beklagte warb am 3.12.2001 u.a. in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit einer vergleichenden Gegenüberstellung von One-way-Preisen für eigene Flüge und Flüge der Klägerin zu verschiedenen europäischen Destinationen mit Abflugort Flughafen Frankurt-Hahn ( Beklagte ) und Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt am Main ( Klägerin ). In der Anzeige sind die Flughäfen als "Frankfurt Main" und "Frankfurt Hahn" bezeichnet ( Anlage K 2 ). Die Klägerin hält diesen Preisvergleich ohne nähere Angaben zu den Unterschieden der beiden Flughäfen für wettbewerbswidrig und hat die Beklagte zunächst im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch genommen. Mit Urteil vom 19.12.2002 hat der Senat die von der Klägerin erwirkte einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg insoweit aufrechterhalten, als der Beklagten verboten worden ist, zu Zwecken des Wettbewerbs im geschäftlichen Verkehr die Preise ihrer eigenen Angebote mit dem Abflugort Frankfurt-Hahn mit den Preisen der Angebote der Antragstellerin mit Abflugort Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt am Main zu vergleichen, ohne in der Werbung zugleich unübersehbar und deutlich auf die Lage und Erreichbarkeit des Flughafens Frankfurt-Hahn hinzuweisen" ( Aktz. 5 U 137/02, veröff. in GRUR-RR 2003,219 ).

Im vorliegenden Hauptsacheverfahren verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch in dieser Verbotsfassung weiter und macht des weiteren Auskunfts- und Schadenseratzfeststellungsansprüche geltend. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags und des Wortlauts der Anträge wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin die Klagabweisung begehrt.

Die Beklagte rügt Verfahrens- und Rechtsfehler des Landgerichts.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht habe das Landgericht das falsche Beweismaß der Glaubhaftmachung seiner Entscheidung zugrunde gelegt, indem es sich auf die summarischen Erkenntnisse des HansOLG im einstweiligen Verfügungsverfahren bezogen habe. Auch habe es sich nicht ausreichend mit den Artikeln und Testberichten auseinandergesetzt, die die Beklagte für die Zeit nach dem 19.12.2002 ( Verkündung des Urteils des HansOLG im Verfügungsverfahren ) vorgelegt habe. Insoweit habe das Landgericht auch das Grundrecht der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt, denn die Beklagte hätte die Belege für die Presseberichterstattung ausdrücklich nur beispielhaft eingereicht. Wenn das Landgericht dies nicht für ausreichend erachtete, hätte es einen entsprechenden Hinweis erteilen müssen. Schließlich hätte das Landgericht sich nicht auf die Sachkunde des HansOLG beziehen dürfen, sondern hätte Feststellungen zur eigenen Sachkunde der Kammermitglieder treffen müssen.

In der Sache selbst wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen dazu, dass der Preisvergleich nicht gegen das Objektivitätsgebot des § 2 Abs.2 Nr.2 UWG a.F. - jetzt § 6 Abs.2 Nr.2 UWG - verstieße. Sie rügt auch, dass das Landgericht auf die falschen Verkehrskreise abgestellt habe. Angesprochen seien durch die Werbung der Beklagten vor allem deutsche Internetnutzer, da 89% der Buchungen bei der Beklagten über das Internet erfolgten. Diese Verkehrskreise seien gegenüber technischen und sonstigen Neuerungen besonders aufgeschlossen und informiert.

Schließlich sei entgegen der Meinung des Landgerichts davon auszugehen, dass die Kenntnis über die Lage und Erreichbarkeit des Flughafens Frankfurt-Hahn bei den angesprochenen Verkehrskreisen angesichts der umfangreichen Berichterstattung in den Medien inzwischen vorhanden sei. Die hierzu erforderlichen Informationen erhalte der Verbraucher außerdem über die Internetseiten der Beklagten ( Anlagen BK 14-19 ), des Rhein-Main-Verkehrsverbundes und des Flughafens Frankfurt-Hahn. Die Presseberichterstattung über den Flughafen Frankfurt-Hahn aus den Jahren 2003 und 2004 belege ferner, dass in den Medien offenbar kein Bedürfnis mehr dafür gesehen werde, auf die Lage dieses Flughafens hinzuweisen ( Anlagen BK 3 - BK 9, BK 21 - 28 und BK 38 ). Für die Bekanntheit der Lage des Flughafens sprächen auch die starken Zuwächse der Passagierzahlen in 2003 und die für 2004 erwartete weitere Steigerung. Der Flughafen nehme inzwischen Platz 10 unter den deutschen Verkehrsflughäfen ein ( Anlagen BK 10-12, BK 34 - 37 ). Auch andere Fluggesellschaften böten mittlerweile Flüge von Frankfurt-Hahn an ( Anlagen BK 29 - 33 )

Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil. Sie legt gleichfalls ergänzende Unterlagen zur Verkehrsanbindung des Flughafens Frankfurt-Hahn, zum Passagieraufkommen des Rhein-Main-Flughafens in Frankfurt und einen aktuellen Ausdruck aus dem Internetauftritt der Beklagten vor ( Anlagen BE 1-9 ). Sie hält den Preisvergleich außerdem wegen Verstoßes gegen § 2 Abs.2 Nr.1 UWG a.F. ( jetzt : § 6 Abs.2 Nr.1 UWG ) für unzulässig.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Lediglich hinsichtlich der Folgeansprüche auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung musste die Verurteilung des Landgerichts noch zeitlich präzisiert werden, was aufgrund der Erklärungen der Klägerin in der Verhandlung vor dem Senat geschehen ist ( BGH GRUR 88,307,308 "Gaby" ). Sofern man hierin eine teilweise Klagrücknahme sehen wollte, wäre diese jedenfalls kostenrechtlich neutral ( § 92 Abs.2 Nr.1 ZPO ).

1. Zu Unrecht rügt die Beklagte Verfahrensfehler des Landgerichts. Für eine im Ermessen des Berufungsgerichts stehende Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 538 Abs.2 Nr.1 ZPO besteht daher von vornherein keine Veranlassung, wobei die Konsequenz eines entsprechenden Antrags auch von der Beklagten nicht gezogen wird. Selbst wenn die Rügen der Beklagten begründet wären, könnte vorliegend der Senat aufgrund des Vortrags der Parteien selbst entscheiden, und zwar in diesem Falle ohne Beweisaufnahme ( § 538 Abs.1 ZPO ).

Auch wenn das Landgericht sich in seiner Urteilsbegründung größtenteils auf die auszugsweise zitierte Entscheidung des Senats im einstweiligen Verfügungsverfahren bezieht , ergibt sich aus den weiteren Ausführungen auf S. 7 f. des Urteils, dass das Landgericht sich diese Auffassung zu eigen gemacht und dass sich - jedenfalls konkludent - die Kammermitglieder ebenso wie die Senatsmitglieder als Teil des durch die Werbung der Beklagten angesprochenen Verkehrs dazu in der Lage gesehen haben, dessen Verständnis und Kenntnisstand ohne Hilfe eines Sachverständigen zu beurteilen. Ferner hat die Kammer das Vorbringen der Parteien im Hauptsacheverfahren eigenständig gewürdigt. Dafür, dass das Landgericht hierbei das nur im Verfügungsverfahren geltende Beweismaß der Glaubhaftmachung angelegt hätte, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Aus der vorangegangenen teilweisen Inbezugnahme des Senatsurteils allein folgt dies noch nicht. Auch stellt es keinen Verfahrensfehler dar, dass das Landgericht die von der Beklagten in großer Zahl eingereichten Anlagen nicht im Einzelnen abgehandelt, sondern eine zusammenfassende Bewertung vorgenommen hat. Die Entscheidungsgründe sollten gemäß § 313 Abs.3 ZPO eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen enthalten, auf denen die Entscheidung beruht, und müssen nicht jede Einzelheit des Parteivorbringens erörtern ; es genügt, dass die Entscheidungsgründe nachvollziehbar sind und eine Überprüfung durch die höhere Instanz ermöglichen ( Zöller-Vollkommer, ZPO, 24.Aufl., § 313 Rn.19 m.w.N. ). Dies ist hier ohne weiteres gegeben.

Schließlich vermag der Senat nicht zu erkennen, dass das Landgericht seine Hinweispflichten nach § 139 ZPO verletzt und der Beklagten das rechtliche Gehör abgeschnitten hätte. Hauptstreitpunkt des vorliegenden Hauptsacheverfahrens und auch des vorangegangenen Verfügungsverfahrens war und ist die Frage, ob ein Hinweis der Beklagten auf die Lage und Erreichbarkeit des Flughafens Frankfurt-Hahn deshalb entbehrlich ist, weil den einschlägigen Verkehrskreisen diese Umstände bekannt sind. Hierzu hat die Beklagte auch umfangreich vorgetragen. Es liegt in ihrer eigenen Verantwortung, welche der nur als "beispielhaft" bezeichneten Belege sie hierzu einreicht. Nach aller Lebenserfahrung kann davon ausgegangen werden, dass die anwaltlich vertretene Beklagte hierfür geeignete Beispiele auswählen wird, um ihrer Darlegungslast nachzukommen. Anspruch auf ergänzende Hilfestellung durch das Gericht gemäß § 139 ZPO hat sie insoweit nicht. Die diesbezüglichen Beanstandungen der Beklagten dürften im Übrigen erhoben worden sein, um dem Senat die Einbeziehung der im Berufungsverfahren ergänzend überreichten Unterlagen zu ermöglichen, soweit diese schon vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hätten eingereicht werden können ( § 531 Abs.2 Nr.2 ZPO ). Diese weiteren Anlagen rechtfertigen jedoch ohnehin keine andere Entscheidung in der Sache, wie noch auszuführen ist ( s.u, Ziff.2 d ).

2. Der Senat hält auch im vorliegenden Hauptsacheverfahren und in seiner teilweise geänderten Besetzung daran fest, dass der streitgegenständliche Preisvergleich der Beklagten wegen Verstoßes gegen das Objektivitätsgebot wettbewerbswidrig ist. Rechtsgrundlage für den Unterlassungsanspruch sind nunmehr die §§ 3, 6 Abs.2 Nr.2, 8 Abs.1, 3 Nr.1 UWG , für den Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsanspruch die §§ 9 UWG, 242 BGB . Das im Laufe des Berufungsverfahrens in Kraft getretene neue UWG hat den bisherigen § 2 Abs.2 Nr.2 UWG ohne Änderungen übernommen.

Der Senat bezieht sich zur Begründung seiner Rechtsauffassung zunächst auf sein Urteil vom 19.12.2002 im Verfügungsverfahren, welches zum Inhalt auch dieses Verfahrens gemacht worden ist. Ergänzend ist in Hinblick auf die Angriffe der Berufung Folgendes auszuführen :

a) Der streitgegenständliche Preisvergleich richtet sich an potentielle Flugreisende in ganz Deutschland. Denn die Frankfurter Allgemeine Zeitung, in der die Beklagte u.a. inseriert hatte, ist eine der größten überregionalen Tageszeitungen Deutschlands. Der Umstand, dass tatsächlich der Flughafen Frankfurt-Hahn überwiegend von Bewohnern der umliegenden Bundesländer Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz genutzt wird (Anlage B 7), ändert nichts daran, dass zunächst einmal Verbraucher in ganz Deutschland durch die Werbung angesprochen werden und auf deren Verständnis und Kenntnisstand abzustellen ist. Dass die Bewohner der weiter entfernten Bundesländer tatsächlich den Flughafen-Hahn wenig nutzen, mag gerade darauf zurückzuführen sein, dass sie bei näherer Befassung mit dem Angebot der Beklagten feststellen, dass eine Anreise mit dem Zug, die gerade für die weiter entfernten Bundesländer nahe liegt, praktisch nicht möglich ist.

Die durch eine Zeitungswerbung angesprochenen Verkehrskreise beschränken sich auch nicht auf die Nutzer des Internets, selbst wenn 89 % der Buchungen bei der Beklagten über das Internet erfolgen. Ohnehin ist nicht recht ersichtlich, was die Tatsache der Internetnutzung durch einen Teil der angesprochenen Verkehrskreise mit der Kenntnis von der örtlichen Belegenheit und der Erreichbarkeit eines Flughafens zu tun haben soll. Selbst wenn es richtig wäre, dass Internetnutzer als besonders innovativ und interessiert anzusehen wären, träfe dies allenfalls für eine besondere Informiertheit und Aufgeschlossenheit im Zusammenhang mit der Nutzung moderner Medien zu.

Soweit der Senat im Verfügungsverfahren schließlich auch Verbraucher in den angrenzenden, insbesondere deutschsprachigen Ländern, in denen die Frankfurter Allgemeine Zeitung ebenfalls bezogen werden kann, zu den angesprochenen Verkehrskreisen gezählt hat, verstößt dies nicht gegen das Territorialitätsprinzip. Die Parteien stehen in Deutschland im Wettbewerb und streiten um die Wettbewerbswidrigkeit einer in Deutschland geschalteten Werbung. Da somit der Begehungsort der als wettbewerbswidrig angesehenen Handlung in Deutschland liegt und die Interessen der Parteien hier aufeinander treffen, ist deutsches UWG anzuwenden. Auf die Staatsangehörigkeit, den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt der angesprochenen Kunden kommt es grundsätzlich nicht an ( BGH GRUR 91,463, 464 "Kauf im Ausland" ).

Eine andere Frage ist, ob der Senat im Hauptsacheverfahren das Verständnis und den Kenntnisstand der im benachbarten Ausland angesprochenen potentiellen Kunden aus eigener Sachkunde beurteilen kann. Dies kann indessen dahingestellt bleiben. Denn auch bei bloßer Berücksichtigung der in Deutschland durch den Preisvergleich angesprochenen Verkehrskreise, zu denen die Mitglieder des Senats gehören, ist die Werbung der Beklagten als wettbewerbswidrig anzusehen.

b) Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass bei einem Preisvergleich zwischen One-way-Flügen von zwei miteinander verglichenen Abflug-Flughäfen deren Lage und Erreichbarkeit ein wesentlicher Faktor ist und der Verkehr jedenfalls dann, wenn beide miteinander verglichenen Abflugorte den Namen derselben deutschen Großstadt tragen, in signifikanten Anteilen auch bei den sog. Billigfliegern weiterhin davon ausgeht, dass beide Flughäfen zumindest im weitesten Sinne noch dem Groß- und Wirtschaftsraum dieser Großstadt zuzurechnen sind und an deren Infrastruktur, insbesondere den öffentlichen Nahverkehr, angeschlossen sind ( im Ausgangspunkt ebenso : OLG Köln MD 04,226, 227 "Flughafen Niederrhein ( Düsseldorf )" ). Die Klägerin weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass tatsächlich auch eine ganze Reihe von Billigfliegern nicht von abgelegenen Flughäfen, sondern von großen Verkehrsflughäfen aus startet. Dies ist im Übrigen auch den Senatsmitgliedern bekannt.

Der Flughafen Frankfurt-Hahn liegt hingegen unstreitig weit außerhalb des Großraums Frankfurt am Main. Dass ein ca 125 km von einer Großstadt entfernter Ort noch deren Namen trägt - obwohl andere Großstädte dichter liegen, z.B. Mainz und Wiesbaden - bleibt im dicht besiedelten Deutschland und den hier üblichen Entfernungen zwischen Großstädten ungewöhnlich.

Die Beklagte beruft sich im Hauptsacheverfahren vor allem darauf, dass der Flughafen Frankfurt-Hahn nach einer Umfrage unter 3000 Vielfliegern in vielen Punkten dem Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt am Main überlegen sei (Anlagen B 11, B 23-B 32). Hierauf kommt es indessen für den vorliegenden Rechtsstreit nicht an. Es geht nicht darum, welcher Flughafen in einer Gesamtbilanz in allen möglichen Kategorien "besser" ist, sondern um die die Beurteilung der Objektivität eines reinen Preisvergleichs zwischen Abflughäfen, die denselben Namen einer Großstadt tragen. Die Beklagte ist selbstverständlich nicht gehindert, im Zusammenhang mit dem aus Gründen der Objektivität erforderlichen Hinweis auf die Lage und Erreichbarkeit des Flughafens Frankfurt-Hahn zugleich die besonderen Vorteile dieses Flughafens auf anderen Gebieten herauszustellen. Der Verbraucher mag dann selbst entscheiden, ob er diese Vorteile als so überwiegend ansieht, dass er die Abgelegenheit des Flughafens gerne in Kauf nimmt.

c) Der Senat ist mit der für das Hauptsacheverfahren erforderlichen Gewissheit davon überzeugt, dass es auch unter Berücksichtigung des europäischen Verbraucherleitbilds des durchschnittlich informierten und aufgeklärten Verbrauchers unverändert erhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs potentieller Fluggäste in Deutschland gibt, die keine hinreichende Kenntnis von der Lage und Erreichbarkeit des Flughafens Frankfurt-Hahn haben, so dass der geforderte Hinweis im Falle eines Preisvergleichs mit dem Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt am Main nunmehr entbehrlich wäre. Da die Mitglieder des Senats zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, kann der Senat diese tatsächliche Frage aus eigener Sachkunde ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens beurteilen.

Die Beklagte hat zum Nachweis der von ihr behaupteten Kenntnis der deutschen Verbraucherschaft zunächst erneut eine ganze Reihe von Presseveröffentlichungen aus dem Jahr 2002 vorgelegt, die u.a. auch die Lage des Flughafens Frankfurt-Hahn thematisieren ( Anlagen B 33-B 35, B 47-B 61 ). Diese Artikel lagen dem Senat bereits als Anlagen im Verfügungsverfahren vor. Der Senat hält daran fest, dass diese Berichterstattung sicher dazu beigetragen haben mag, eine inzwischen bei dem angesprochenen Publikum allgemein vorhandene Kenntnis zu begründen, dass die sog. Billigflieger häufig - aber keineswegs nur (s.o.) - abgelegene Flughäfen wählen. Für eine gefestigte Kenntnis des Verkehrs davon, dass der Flughafen Frankfurt-Hahn trotz seines Namens in so großer Entfernung zu Frankfurt liegt, wie dies tatsächlich der Fall ist, reicht diese Berichterstattung aus dem Jahre 2002 indessen noch nicht. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Flughafen Frankfurt-Hahn als Passagierflughafen erst seit wenigen Jahren auf dem Markt ist. Selbst wenn sein Passagieraufkommen seit 2002 ganz erheblich gewachsen ist ( 2,2 Mio in 2003, erwartete 3,5 Mio in 2004, Anlage BK 10 ), ist dieses insbesondere im Vergleich zum Passagieraufkommen des Rhein-Main-Flughafens in Frankfurt am Main ( 50 Mio in 2002, 44 Mio in den ersten 9 Monaten des Jahres 2003, Anlagen B 25 und BE 8 ) auch in absoluten Zahlen noch nicht so hoch - und auch für längere Zeit konstant hoch- , dass der von der Beklagten behauptete allgemeine Kenntnisstand der gesamten deutschen Verbraucherschaft angenommen werden könnte.

Die im Hauptsacheverfahren in erster Instanz ergänzend vorgelegten Presseveröffentlichungen stammen ebenfalls überwiegend aus dem Jahr 2002, auch wenn sie erst in 2003 aus dem Internet abgerufen worden sind ( Anlagen B 33 - B 40, B 42 - B 46 ). Sie rechtfertigen keine andere Beurteilung, zumal sie überwiegend die Frage der Erreichbarkeit und Lage des Flughafens Frankfurt-Hahn nicht näher behandeln. Gleiches gilt für die Anlagen B 42 und B 43. Lediglich der Artikel der Zeitschrift "Test" von August 2003 thematisiert diesen Punkt ( Anlage B 79 ).

d) Selbst wenn man zusätzlich die weiteren Belege aus den Printmedien berücksichtigt, welche die Beklagte in der Berufungsinstanz - zuletzt als Anlagenkonvolut BK 38 in der Berufungsverhandlung - vorgelegt hat, bleibt es bei der Wettbewerbswidrigkeit des streitgegenständlichen Preisvergleichs. Weit überwiegend handelt es sich hierbei nämlich um Zeitungsartikel, die nicht die Lage und Erreichbarkeit des Flughafens Frankfurt-Hahn zum Gegenstand haben, sondern allgemeine Themen wie die Geschäftsentwicklung der Billigflieger, die Entwicklung der deutschen Flughäfen usw. Der Flughafen Frankfurt-Hahn - häufig übrigens nur als " Flughafen Hahn im Hunsrück" bezeichnet - findet darin zwar Erwähnung, jedoch - wie ausgeführt - in anderen thematischen Zusammenhängen und häufig auch nur ganz am Rande. Dass die Presse des Jahres 2004 im Zusammenhang mit der Berichterstattung zu anderen Themen, welche ( auch ) den Flughafen Frankfurt-Hahn betreffen, nicht mehr zugleich - oder nur beiläufig - auf dessen Lage und/oder Erreichbarkeit hinweist, belegt nach der Überzeugung des Senats - insbesondere angesichts des erst im Jahr 2002 in größerem Umfang dort aufgenommenen Passagierflugbetriebs- noch keinen gesicherten Kenntnisstand der angesprochenen Verkehrskreise in ganz Deutschland. Zeitungsjournalisten mögen insoweit besser informiert sein, ihr Wissen und Kenntnisstand ist jedoch nicht mit dem des durchschnittlich aufgeklärten und aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers gleichzusetzen, der täglich einer Flut von Informationen aus den verschiedenen Medien ausgesetzt ist. Für die Presse steht hingegen die Aktualität der Berichterstattung im Vordergrund, Hintergrundinformationen zur besseren Verständlichkeit aktueller Meldungen werden gerade in der Tagespresse nur teilweise gegeben. Insofern waren Lage und Erreichbarkeit des Flughafens Frankfurt-Hahn im Jahre 2002 ein aktuelles Thema, als die Beklagte diesen Flughafen zu ihrem deutschen "Drehkreuz" erkor und der bisherige Flughafen Hahn erst kürzlich die Genehmigung erhalten hatte, sich als "Frankfurt-Hahn" zu bezeichnen. Da dieser Umstand zudem Auslöser für mehrere Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien war, bestand für die Presse ein aktueller Anlass, zu der angesichts der tatsächlichen Gegebenheiten problematischen Namensgebung für den Flughafen Frankfurt-Hahn nähere Informationen zu verbreiten. Daraus, dass ein vergleichbarer aktueller Anlass in der Folgezeit nicht mehr aufgetreten ist, lässt sich noch nicht schließen, nunmehr bestehe auch objektiv kein Aufklärungsbedarf mehr.

e) Schließlich kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf an, dass eine Aufklärung über die Lage und Erreichbarkeit des Flughafens Frankfurt-Hahn auf den Internetseiten der Beklagten, des Flughafens selbst und des Rhein-Main-Verkehrverbundes erfolgt. Es entspricht ständiger Rechtsprechung für die irreführende Werbung, dass eine Aufklärung, die erst bei näherer Befassung mit dem wettbewerbswidrig beworbenen Angebot erfolgt, zu spät ist ( z.B. BGH GRUR 95,610 "Neues Informationssystem" ; OLG Köln MD 04,226, 228 "Flughafen Niederrhein ( Düsseldorf)"). Gleiches gilt nach Auffassung des Senats für eine nicht objektive vergleichende Werbung.

3. Der Senat hält ferner an der bereits in dem Verfügungsverfahren vertretenen Auffassung fest, dass es sich bei dem Preisvergleich "Frankfurt Main - Frankfurt Hahn" um einen wettbewerbswidrigen irreführenden Vergleich handelt, jetzt geregelt in § 5 Abs.3 UWG. Auch hier gilt, dass der Verkehr jedenfalls bei einer direkten Gegenüberstellung zwischen den beiden mit "Frankfurt" bezeichneten Abflughäfen in signifikanten Anteilen davon ausgeht, dass beide Flughäfen dem Groß- und Wirtschaftsraum der Stadt Frankfurt zuzurechnen sind, was unstreitig nicht der Fall ist. Auf die obigen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 97,708 Nr.10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um die Entscheidung eines konkreten Einzelfalls in Anwendung gesicherter wettbewerbsrechtlicher Grundsätze. Dass das OLG Köln in dem letztlich nicht entschiedenen, sondern für erledigt erklärten Verfahren zum Aktz. 6 U 68/02 ( Anlagen Bk 4, Bk 5 des Verfügungsverfahrens; in einem obiter diktum bekräftigt in der oben zitierten Entscheidung "Flughafen Niederrhein ( Düsseldorf)",) die Verkehrsauffassung bezüglich des Flughafens Frankfurt-Hahn anders beurteilt als der erkennende Senat dies jedenfalls zur Zeit noch tut, rechtfertigt keine Zulassung der Revision. Die abweichende Beurteilung von Einzelfällen bzw. einzelnen Tatsachenelementen im Rahmen von Einzelfällen durch Oberlandesgerichte verleiht einer Sache noch keine grundsätzliche Bedeutung ( Zöller-Gummer, ZPO, 24.Aufl., § 543 Rn.11 ).

Ende der Entscheidung

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