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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 12.07.2006
Aktenzeichen: 5 U 179/05
Rechtsgebiete: UWG
Vorschriften:
UWG § 3 | |
UWG § 4 | |
UWG § 5 | |
UWG § 8 Abs. 1 | |
UWG § 12 Abs. 2 |
2. Für nur ähnliche, nach Art, Zeit und Ort und hinsichtlich der beworbenen Produkte verschiedenartige Wettbewerbsverstöße rechtlich unabhängiger Konzernunternehmen bleibt es bei den allgemeinen prozessualen Regelungen der §§ 59, 60 ZPO.
3. Das Wissen Dritter von Wettbewerbsverstößen ist regelmäßig nur dann dringlichkeitsschädlich im Sinne von § 12 Abs. 2 UWG, wenn diese aufgrund ihrer Stellung Wissensvertreter sind oder ausdrücklich zu Wissensvertreter bestellt worden sind.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 12. Juli 2006
In dem Rechtsstreit
hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter Betz, Rieger, Dr. Koch nach der am 28. Juni 2006 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 27, vom 28.10.2005 (406 O 168/05) wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten der Berufung.
Gründe:
I.
Die Antragsstellerin ist eine in der Schweiz ansässige Herstellerin und Grosshändlerin, die insbesondere im Car-Hifi-Bereich tätig ist. Sie beliefert eigenständige Händler in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in den Beneluxländern. Die Händler treten vielfach unter dem Logo "ACR" im Geschäftsverkehr auf. Das diesbezügliche Netz umfasst rund 250 Händler.
Die Antragsgegnerin gehört zur Media Markt-Gruppe und betreibt seit Oktober 2001 einen Elektronik-Fachmarkt in Buxtehude. Am 26. 5. 2005 wurde in Hamburg-Altona der 200. Media Markt eröffnet. Am 8.7.2005 schaltete die Antragsgegnerin eine ganzseitige Werbung in dem Anzeigenblatt "Der neue Ruf", welches auch in Hamburg erhältlich ist, und bewarb unter Hinweis auf die "200. Neueröffnung" Teile ihres Produktsortiments. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Werbung wird auf die Anlage Ast 1 verwiesen.
Die Antragsstellerin ist der Auffassung, dass in der Anzeige eine irreführende und damit wettbewerbswidrige Werbung zu sehen sei.
Sie erwirkte die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 27, vom 22.8.2005, mit welcher der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt wurde, in Werbebeilagen oder sonstigen Mitteilungen, die sich an einen größeren Personenkreis richten, wie aus der in Kopie mit dem Beschluss in Kopie verbundenen Anlage ersichtlich, mit dem Hinweis "200. Neueröffnung" zu werben.
Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin bestätigte die nunmehr zuständige Kammer 6 für Handelssachen des Landgerichts Hamburg mit Urteil vom 28.10.2005 die einstweilige Verfügung. Hinsichtlich der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird - auch zur Ergänzung des Tatbestandes - auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.
Die Antragsgegnerin wiederholt und vertieft mit der Berufung ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die erforderliche Dringlichkeit sei nicht gegeben. Die angegriffene Werbung sei in verschiedenen Medien bundesweit bereits seit Ende Mai 2005 veröffentlicht worden. Insoweit werde auf die Anlagen JS 2 bis JS 4 verwiesen. Diese Werbung sei der Antragsstellerin auch bekannt gewesen. Sie müsse sich die Kenntnis der ihr angeschlossenen Händler zurechnen lassen. Die mit den Anlagen JS 2 bis JS 4 vorgelegten Werbeauftritte würden von der streitgegenständlichen Werbung nicht abweichen. Das Landgericht habe ignoriert, dass die Antragsstellerin in einem als vertraulich bezeichneten Schreiben vom 14.9.2005 (Anlage JS 14) an die ACR-Händler ausgeführt habe: "Seit Monaten warb Media-Markt in ganz Deutschland mit der Aussage "200. Neueröffnung". ....".
Der Verkehr werde durch die beanstandete Werbung nicht getäuscht. Relevante Teile des Verkehrs müssten zumindest 25% der angesprochenen Verbraucher umfassen. Sie, die Antragsgegnerin, werbe in der Zeitschrift "Der neue Ruf" seit Jahren. Daher würden die Leser dieser Zeitschrift sie, die seit Jahren existiere, auch kennen und wüssten, dass es sich bei ihr nicht um die 200. Neueröffnung eines Media Marktes handele. Sie besitze einen hohen Bekanntheitsgrad (vgl. Anlage JS 5).
Es fehle an substantiiertem und glaubhaft gemachtem Vortrag der Antragsstellerin dazu, dass die - unterstellte - Irreführung wettbewerblich relevant sei, d.h. die Werbung geeignet sei, die wirtschaftliche Entschließung des Publikums zu beeinflussen. Der Hinweis der Antragsstellerin, dass bei ihr, der Antragsgegnerin, nur ein "business as usual" stattgefunden habe, sei im Hinblick auf die mit "Der beste Preis der Stadt" beworbenen Produkte nicht substantiiert. Das Landgericht habe die Darlegungs- und Beweislast bei den anspruchsbegründenden Tatsachen verkannt.
Die Antragsgegnerin äußert mit der Berufungsbegründung erstmals die Auffassung, dass das Vorgehen der Antragsstellerin in insgesamt 5 Verfügungsverfahren gegen verschiedene Media Märkte rechtsmissbräuchlich sei. Hierzu macht sie Ausführungen. Der Antragsstellerin seien im Zeitpunkt der ersten Abmahnung alle Verstoßfälle bekannt gewesen. Die Verfügungsanträge seien im Wesentlichen wortgleich. Bis auf die Behauptung, die jeweilige Antragsgegnerin sei nicht die 200. Neueröffnung gewesen, fehle es an jeglichem auf die jeweilige Antragsgegnerin bezogenen Vortrages, so dass sich hieraus keine Rechtfertigung eines nicht verbundenen Vorgehens ergebe. Zur Veranschaulichung bezieht sich die Antragsgegnerin auf folgende Darstellung:
Verfahren | Werbungszeitpunkt | Abmahnungszeitpunkt | EV-Antrag vom |
327 O 559/05 = 5 U 179/05 | 30.7.2005 | 22.8.2005 | 19.8.2005 |
327 O 583/05 | 14.7.2005 | 26.8.2005 | 30.8.2005 |
327 O 586/05 = 5 U 50/06 | 8.7.2005 | 26.8.2005 | 31.8.2005 |
327 O 587/05 = 5 U 51/06 | 13.7.2005 | 26.8.2005 | 31.8.2005 |
327 O 598/05 = 5 U 23/06 | 15.7.2005 | 26.8.2005 | 2.9.2005 |
Sie beantragt,
das landgerichtliche Urteil abzuändern und unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsstellerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ein rechtsmissbräuchliches Handeln ihrerseits liege nicht vor, da gegen einzelne, regional verschiedene Antragsgegnerinnen vorgegangen worden sei. Die in verschiedenen Publikationen erschienene Werbung sei jeweils unterschiedlich gewesen und habe verschiedene Produkte betroffen. Es seien für jeden der betroffenen Media Märkte im Hinblick auf das wettbewerbswidrige Verhalten gesonderte Feststellungen zu treffen, wie z.B. zu der Bekanntheit des jeweiligen Marktes.
II.
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht die einstweilige Verfügung bestätigt. Insoweit nimmt der Senat die landgerichtlichen Ausführung in Bezug. Die Berufung gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Anmerkungen:
1. Der Senat folgt der von der Antragsgegnerin in diesem Verfahren erstmals in der Berufungsinstanz vertretenen Rechtsauffassung nicht, dass die Antragsstellerin durch das Vorgehen in getrennten Verfügungsverfahren gegen einzelne Media Märkte im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich gehandelt habe. Nach dieser Vorschrift ist die Geltendmachung eines der in § 8 Abs. 1 UWG genannten Ansprüche unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.
a. Der von der Antragsgegnerin erhobene Einwand des Rechtsmissbrauches betrifft die Zulässigkeit des hier vorliegenden Verfügungsantrages (vgl. BGH WRP 2002, 977, 979 - Scanner-Werbung; BGH GRUR 2002, 980, 981 - Zeitlich versetzte Mehrfachverfolgung; BGH GRUR 2006, 243 -MEGA SALE; a.A. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., Rn. 4.4. zu § 8 UWG, die einen materiellrechtlich Einwand annehmen) und ist somit auch noch in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin ist daher mit ihrem Einwand nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.
b. Von einem Missbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG ist dann auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruches sachfremde Ziele sind. Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (vgl. BGH GRUR 2006, 243, 244 MEGA SALE). In der Rechtsprechung des BGH ist als rechtsmissbräuchlich anerkannt worden, wenn miteinander konzernmäßig verbundene Unternehmen, die von demselben Rechtsanwalt vertreten werden und die die nahe liegende Möglichkeit eines streitgenössischen Vorgehens nicht nutzen, auf der Aktivseite wegen eines Wettbewerbsverstoßes mehrfach Unterlassungsansprüche gegen den Schuldner gerichtlich oder außergerichtlich geltend machen (vgl. BGH GRUR 2000, 1089 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH GRUR 2002, 980, 981 - Zeitlich versetzte Mehrfachverfolgung; BGH WRP 2002, 977, 979 - Scanner-Werbung). Als rechtsmissbräuchlich ist vom BGH in gleicher Weise aber auch angesehen worden, wenn ein Gläubiger bei einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß gegen mehrere verantwortliche Unterlassungsschuldner getrennte Verfahren anstrengt und dadurch die Kostenlast erheblich erhöht, obwohl die streitgenössische Inanspruchnahme auf der Passivseite mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre (vgl. BGH GRUR 2006, 243, 244 - MEGA SALE m.w.N.; BGH WRP 2000, 1402, 1404 - Falsche Herstellerpreisempfehlung; BGH WRP 2000, 1263, 1265 - Neu in Bielefeld I; BGH WRP 2000, 1266, 1267 f. - Neu in Bielefeld II). Der BGH hat in seinem zu diesem Problemkreis jüngsten - noch nicht veröffentlichten - Urteil vom 11.5.2006 (I ZR 79/03) ausgeführt, dass die Rechtsverfolgung in jeweils getrennten Verfügungsverfahren gegen mehrere Unterlassungsschuldner, die eine gemeinsame Werbeanzeige geschaltet haben, rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn diese einen einheitlichen Gerichtsstand haben und durch denselben Rechtsanwalt vertreten werden, weil dadurch im Vergleich zu einer streitgenössischen Inanspruchnahme eine höhere Kostenbelastung entsteht. Hierbei schließt die Rechtsmissbräuchlichkeit der Umstand nicht aus, dass die durch die getrennte Inanspruchnahme entstehende höhere Kostenlast bei der Größe und der finanziellen Leistungsfähigkeit des Konzernverbundes nicht ins Gewicht fällt, insbesondere diesen in seiner gewerblichen Tätigkeit zu behindern.
c. Die vom BGH vorgegebenen Voraussetzungen für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Antragsstellerin liegen hier nach Auffassung des Senates nicht vor.
Entscheidend ist danach, ob in der Bewerbung der "200. Neueröffnung" ein einheitlicher Wettbewerbsverstoß bzw. eine gemeinsame Werbeanzeige im Sinne der obigen BGH-Entscheidungen gesehen werden kann. Dieses ist nicht der Fall.
aa. Eine "gemeinsame Werbeanzeige" liegt schon deshalb nicht vor, weil die konzernverbundenen Media Märkte, die in den oben genannten Verfahren jeweils Antragsgegnerinnen sind, keine identische oder zumindest doch sehr ähnliche Werbung gemeinsam geschaltet haben. Vielmehr ergibt sich aus den in den jeweiligen Verfahren vorgelegten Werbeanzeigen (jeweils Anlage Ast 1), dass die Werbungen hinsichtlich des Umfanges und der beworbenen Gegenständen jeweils erheblich voneinander abweichen, auf den jeweiligen Media Markt bezogen sind und ersichtlich nichts miteinander zu tun haben. So werden in der in dem vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen einseitigen Werbung des Media Markts Buxtehude vier Produkte (zwei Hörbücher, ein Autoradio sowie ein Prepaid-Mobiltelefon) unter der Überschrift "200. NEUERÖFFNUNG" und "200 x SPARNÜNFTIGER" sowie überwiegend mit dem jeweiligen Hinweis "Der beste Preis der Stadt" beworben. In dem Verfahren 5 U 23/06 bewirbt der Media Markt Wuppertal in der "Landeckischen Landeszeitung" unter der Überschrift "200. NEUERÖFFNUNG" und "200 x SPARNÜNFTIGER" auf acht Seiten eine Fülle von elektronischen Geräten und der sich auf den Seiten 2 bis 8 befindlichen Überschrift "DIE GRÖSSTE NEUERÖFFNUNG DES JAHRES". In dem Verfahren 5 U 50/06 bewirbt der Media Markt Münster in den "Westfälischen Nachrichten" unter der Überschrift "200. NEUERÖFFNUNG" und "200 x SPARNÜNFTIGER" auf vier Seiten eine Vielzahl von elektronischen Geräten und der sich auf den Seiten2 bis 4 befindlichen Überschrift "DIE GRÖSSTE NEUERÖFFNUNG DES JAHRES".In der "Südkurier Radolfzeller Zeitung" bewirbt der Media Markt in Singen schließlich ebenfalls über vier Seiten eine Reihe verschiedenster Produkte unter Überschrift "200. NEUERÖFFNUNG" und "200 x SPARNÜNFTIGER" sowie auf den Seiten 2 bis 4 jeweils unter den Überschriften "DIE GRÖSSTE NEUERÖFFNUNG DES JAHRES".
Von einer gemeinsamen Werbung der jeweiligen Antragsgegnerinnen kann somit nicht gesprochen werden. Die jeweiligen Antragsgegnerinnen haben in verschiedenen, über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verteilten Städten ihren Sitz und die jeweiligen Werbeanzeigen sind zu unterschiedlichen Zeiten, insoweit wird auf den Tatbestand verwiesen, in verschiedenen Printmedien geschaltet worden. Die einzige Übereinstimmung besteht darin, dass die Antragsgegnerinnen jeweils unter der Überschrift "200. Neueröffnung" geworben haben.
bb Für den hier vorliegenden Fall ist auch nicht von einem "einheitlichen Wettbewerbsverstoß" auszugehen. Dieser in dem MEGA SALE - Urteil des BGH vom 17.11.2005 (BGH GRUR 2006, 243, 244) auftauchenden Formulierung lag zu Grunde, dass die drei dort verklagten Media Märkte ihren Sitz jeweils in Hamburg hatten und zusammen in mehreren in Hamburg erscheinenden Zeitungen am demselben Tag (9.8.2001) eine identische, jeden Media Markt benennende Werbung veröffentlicht haben. Für den Fall einer in diesem Sinne einheitlichen und gemeinsamen Werbung verschiedener und auch rechtlich selbständiger Media Märkte ist eine streitgenössische Verfolgung von wettbewerbswidrigen Handlungen angezeigt und eine getrennte gerichtliche Verfolgung rechtsmissbräuchlich. Der Senat folgt insoweit der in dem MEGA SALE-Urteil des BGH zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung. Der Umstand, dass die einzelnen Media Märkte konzernmäßig verbunden sind, reicht allein zur Bejahung eines "einheitlichen Wettbewerbsverstoßes" allerdings nicht aus. d. Darüber hinaus sprechen für eine getrennte Verfolgung der örtlich weit auseinanderliegenden Media Märkte auch nachvollziehbare prozessuale Erwägungen. Zutreffend weist die Antragsstellerin unter dem Stichwort eines zweigliedrigen Streitgegenstandes (vgl. dazu BGH WRP 2002, 980, 981 - Zeitlich versetzte Mehrfachverfolgung) darauf hin, dass für die Frage einer irreführenden Werbung durch die Media Märkte nicht nur die Werbung als solche, sondern auch die besonderen örtlichen Gegenebenheiten zu berücksichtigen sein können. Jedenfalls sprechen derartige Überlegungen für eine getrennte Inanspruchnahme der Media Märkte.
e. Der Missbrauchseinwand der Antragsgegnerin ist auch nicht aus allgemeinen Erwägungen zu begründen. Im Falle der Mehrfachverfolgung auf der Aktivseite ist Anknüpfungspunkt für den Einwand neben dem Schutz des Schuldners vor allem der Gesichtspunkt, dass die extensive Mehrfachverfolgung das bewährte System des deutschen Wettbewerbsrecht zu sprengen droht, wonach die auch im Allgemeininteresse liegende Durchsetzung der wettbewerbsrechtlichen Normen einer Vielzahl von Anspruchsberechtigten anvertraut ist, die im Eigeninteresse solche Verstöße verfolgen und damit eine Verwaltungsbehörde - wie in anderen Ländern - überflüssig macht (vgl. BGH WRP 2002, 357, 358 -Missbräuchliche Mehrfachabmahnung). Das System der Rechtsdurchsetzung durch Mitbewerber ist danach insbesondere dann in Frage gestellt, wenn diese konzernmässig verbunden und durch einen einzigen Anwalt vertreten getrennt vorgehen, obwohl ein streitgenössisches Vorgehen keinen Nachteil zeitigt. Der Missbrauchseinwand bei der Mehrfachverfolgung auf der Passivseite knüpft dagegen neben dem Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes daran an, dass mehrere Verletzer, die durch einen gemeinsam begangenen Wettbewerbsverstoß Unterlassungsansprüchen ausgesetzt sind, nach Möglichkeit als Streitgenossen und nicht gesondert angegriffen werden sollen, da hierdurch unnötig die Kostenlast erhöht wird. Diese nachvollziehbare Sichtweise setzt aber nach dem Verständnis des Senates einen gemeinsam begangenen Wettbewerbsverstoß im Sinne von § 830 BGB voraus. Für zeitlich, örtlich und bezüglich der beworbenen Produkte voneinander abweichende und somit verschiedenartige Wettbewerbsverstöße mehrerer rechtlich unabhängiger konzernmässig verbundener Unternehmen wie die der Media Märkte muss es bei den allgemeinen prozessualen Regelungen bleiben (§§ 59, 60 ZPO). Nach diesen kann der Anspruchsinhaber die Verletzer als Streitgenossen dann in Anspruch nehmen, wenn sie im Sinne von § 59 Alt. 1 ZPO bezüglich des Streitgegenstandes in einer Rechtsgemeinschaft stehen oder nach § 59 Alt. 2 ZPO aus demselben tatsächlichen oder rechtlichen Grund verpflichtet sind oder wenn gemäß § 60 ZPO gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grunde beruhende Ansprüche den Gegenstand des Rechtsstreites bilden. Eine Verpflichtung zur Inanspruchnahme als Streitgenossen folgt hieraus aber nicht. Die §§ 59, 60 ZPO bestimmen in zureichender Weise die Möglichkeiten einer streitgenössischen Rechtsverfolgung. Von den Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschriften abweichend vor dem Hintergrund des hier erhobenen Einwandes des Rechtsmissbrauches für konzernverbundene Unternehmen ein Recht zur streitgenössischen Inanspruchnahme zu fordern, würde im Ergebnis bedeuten, ein prozessuales Sonderrecht für derartig verbundene, aber rechtlich selbständige Unternehmen zu schaffen. Dieses kann nur in den von dem BGH festgestellten engen Grenzen akzeptiert werden.
2. Der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche, nach § 12 Abs. 2 UWG vermutete Verfügungsgrund ist von der Antragsgegnerin nicht widerlegt worden. Das Vorbringen der Antragsgegnerin, sie habe bereits über einen längeren Zeitraum im großen Umfang bundesweit mit der streitgegenständlichen Werbung geworben und diese sei der Antragsstellerin als Wettbewerberin bekannt gewesen, überzeugt nicht.
a. Es ist zwar in der Zeit vom 27.5. bis 26.6.2005 bundesweit unter Hinweis auf einen "200. Media Markt" mit den Aussagen "200x Media Markt, 200x SPARNÜNFTIGER" sowie mit den Aussagen "200x Neueröffnung", 200x MEDIA MARKT geworben worden (Anlagen JS 2 bis JS 4). Gleichwohl ergibt sich auch nach Auffassung des Senates aus dieser Werbung hinreichend deutlich, dass nur ganz allgemein die 200. Neueröffnung eines Media Markt zum Anlass einer Werbung für bestimmte Warenangebote genommen worden ist. Dem bundesweit in verschiedenen Fernsehprogrammen ausgestrahlten Werbespot, dessen Storyboard von der Antragsgegnerin als Anlage JS 2 vorgelegt worden ist, wird zwar von einem 200. Media Markt gesprochen, aber in keiner Weise ein bestimmter Media Markt in Bezug genommen. Den lokal (Anlage JS 9) und bundesweit (Anlage JS 10) verbreiteten Printmedien ist kein Hinweis auf eine 200. Neueröffnung eines bestimmten Media Marktes zu entnehmen. Vielmehr ist die Werbung jeweils überschrieben mit den Aussagen "200xNEUERÖFFNUNG" und "200x SPARNÜNFTIGER". Der Verkehr versteht die Aussage dahin, dass nunmehr 200 Media Märkte existent sind. Diese Feststellungen kann der Senat treffen, da seine Mitglieder zu den von der Werbung der Antragsgegnerinnen angesprochenen Verkehrskreisen gehören.
b. Unabhängig hiervon hat die Antragsgegnerin auch nicht substantiiert vorgetragen, ob und wann die Antragsstellerin Kenntnis von dieser Werbung erhalten hat. Die Antragsgegnerin hat lediglich darauf hingewiesen, dass der Antragsstellerin als Mitbewerberin die oben dargestellte Werbung in den Medien nicht verborgen geblieben sein kann. Dieses reicht zur Widerlegung der Vermutung des § 12 Abs. 2 UWG nicht aus.
Der Senat folgt auch nicht der Auffassung der Antragsgegnerin, dass sich die Antragsstellerin die Kenntnis der sich in ihrer Nähe befindlichen ACR-Händler zurechnen lassen müsse. Die Antragsgegnerin versäumt insoweit schon vorzutragen, um welche Händler es sich dabei jeweils handelt und wann diese Kenntnis von der Werbung erlangt haben. Der Hinweis der Antragsgegnerin auf Hefermehl/Köhler/Bornkamm a.a.aO. § 12 Rn. 3.15 hilft nicht weiter. Vielmehr wird hier zutreffend darauf hingewiesen, dass für die Zurechnung der Kenntnis Dritter, um solche handelt es sich bei den der Antragsstellerin angeschlossenen selbständigen ACR-Händler, die allgemeinen Grundsätze über die Wissenszurechnung gelten. Maßgeblich ist danach grundsätzlich nur das Wissen der Personen, die im Unternehmen oder Verband für die Vermittlung und/oder Geltendmachung von Wettbewerbsverstößen zuständig sind. Das Wissen außenstehender Dritter ist nur dann relevant, wenn sie ausdrücklich zu Wissensvertreter bestellt worden sind. Hierfür fehlt es an jeglichem Vortrag der Antragsgegnerin.
Der Hinweis der Antragsgegnerin auf ein Rundschreiben der Antragsstellerin vom 14.9.2005 (Anlage JS 14), in dem der Hinweis enthalten ist: "Seit Monaten warb Media-Markt in ganz Deutschland mit der Aussage "200. Neueröffnung" reicht ebenfalls nicht aus, die Dringlichkeitsvermutung zu widerlegen. Denn zum einen ist zutreffend, dass die erste der mit den oben genannten Parallelverfahren angegriffene Werbung der Antragsgegnerin am 8.7.2005 erschienen ist, zum anderen sagt diese Äußerung nichts darüber aus, wann die Antragsstellerin tatsächlich Kenntnis von der hier konkret angegriffenen Werbung erhalten hat.
3. Die Antragsstellerin besitzt gegen die Antragsgegnerin einen Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtpunkt einer irreführenden Werbung nach §§ 3, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 3, 8 Abs. 2 Nr. 1 UWG.
a. Die Beantwortung der Frage, ob eine Werbung irreführende Angaben enthält, bestimmt sich maßgeblich danach, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung aufgrund ihres Gesamteindruckes versteht (st. Rspr.: z.B. BGH WRP 2005, 480, 483 - Epson Tinte m.w.N.). Die Werbung der Antragsgegnerin richtete sich an den Verbraucher. Demgemäß ist auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers abzustellen, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (st.Rspr.: BGHZ 156, 250, 252 -Marktführerschaft m.w.N.).
b. Wie bereits das Landgericht ausgeführt hat, ist auch der Senat der Auffassung, dass jedenfalls ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher bei der - situationsbedingt regelmäßig mit eher geringer Aufmerksamkeit - wahrgenommenen Werbung den fälschlichen Eindruck erlangen, dass es sich bei der Antragsgegnerin um die "200. NEUERÖFFNUNG" eines Media Marktes handelt. Den weiteren Hinweis "200xSPARNÜNFTIGER" wird er möglicherweise dahin verstehen, dass es sich dabei nunmehr um den 200. Media Markt handelt, in dem der Verbraucher beim Einkaufen sparen kann. Er kann ihn aber auch dahin verstehen, dass aus Anlass der Neueröffnung des Media Marktes Buxtehude in den Geschäftsräumen 200 Waren zu einem günstigen Preis angeboten werden. Diese Feststellungen kann der Senat treffen, da seine Mitglieder zu den von der Werbung angesprochenen Verkehrsteilnehmern gehören.
Jedenfalls rechtlich relevante Teile des angesprochenen Verkehrs der Leser des Anzeigenblattes "Der neue Ruf" vom 30.7.2005 (Anlage Ast 1) wissen nicht, dass die 200. Neueröffnung eines Media-Marktes in Hamburg-Altona (26.5.2005) und nicht bei der Antragsgegnerin in Buxtehude stattgefunden hat. Hieran ändert auch nichts die sich nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin gegebene hohe Bekanntheit des Media Marktes Buxtehude (Anlage JS 5). Diese Auflistung ist schon deshalb ohne jede Überzeugungskraft, da aus ihr nicht ersichtlich und auch von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen ist, welche Personenkreise auf welche Weise befragt worden sind. Die Antragsgegnerin hat ihre Behauptung, die Leser der Zeitung "Der neue Ruf" wüssten, dass die Antragsgegnerin nicht die 200. Neueröffnung eines Media Marktes ist, in keiner Weise glaubhaft gemacht. Es kommt hinzu, dass diejenigen Teile der angesprochenen Verbraucher, die von einer Existenz des Media Marktes Buxtehude wissen, den Begriff "Neueröffnung" nicht gleichbedeutend mit "Ersteröffnung", sondern als "Wiedereröffnung" verstehen können. Auch dieses Verbraucherverständnis wäre unrichtig, da die Antragsgegnerin nicht wieder eröffnet hat.
c. Die irreführende Werbung ist auch wettbewerblich relevant. Denn aufgrund der Werbung wird der angesprochene Verbraucher wegen der "200. Neueröffnung" von einem besonders günstigen Warenangebot ("200x SPARNÜNFTIGER"), aber auch von einer besonders modernen, praktischen und ansprechenden Aufmachung der Geschäftsräume ausgehen und dieses zum Anlass eines Besuches des Media Marktes Buxtehude machen. Diese durch eine 200. Neueröffnung geweckte Verbrauchererwartung fordert zu einer näheren Befassung mit dem Angebot der Antragsgegnerin auf. Die irreführende Werbung ist somit wegen des geweckten Verbraucherverständnisses ohne Weiteres geeignet, die interessierten Verbraucher in das Geschäftslokal der Antragsgegnerin zu locken. Bereits hierdurch realisiert sich die getäuschte Verbrauchererwartung. Diese Feststellungen kann der Senat treffen, da seine Mitglieder zu den von der Werbung angesprochenen Verbrauchern zählen. Dass eine solche Verbrauchererwartung auch tatsächlich besteht, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass die Media Märkte Halstenbeck und Hamburg Nedderfeld im März 2006 eine "Größte Doppel- Neueröffnung aller Zeiten" bewerben mit der Aussage "NEUER + GRÖSSER + AUSWAHLIGER". Insoweit wird auf das in den Verfahren 5 U 23/06, 5 U 50/06 und 5 U 51/06 jeweils vorgelegte Anlagenkonvolut Ast 4 verwiesen. Diese Verfahren sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemacht worden und im Übrigen auch zwischen den Parteien unstreitig.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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