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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 21.08.2002
Aktenzeichen: 5 U 217/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 291
ZPO § 138
ZPO § 282 a.F.
Die pauschale Bezugnahme auf Entgegenhaltungen zur Urheberrechtsschutzfähigkeit bzw. Rechtsverletzung in einem Gericht und Gegner bekannten sowie in Fachzeitschriften veröfftentlichten Gerichtsurteil, ist jedenfalls dann prozessual unzulässig, wenn - wegen der Unterschiedlichkeit eines Betrachtungsobjekts - keine unmittelbare, sondern allenfalls eine entsprechende Übertragung der in Bezug genommenen Sach- und Rechtslage auf den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt in Frage steht.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 217/01

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 21. August 2002

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter

Gärtner, Rieger, Dr. Koch

nach der am 26.06.2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 7 für Handelssachen, vom 13.11.2001 - unter Zurückweisung der Berufung im übrigen - abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unverzüglich Auskunft darüber zu erteilen, inwieweit sie Kinder-Hochstühle in der Form hergestellt, angeboten, beworben, verkauft und/oder sonst in den Verkehr gebracht hat, die aus der diesem Titel als Anlage beigehefteten Abbildung ersichtlich ist, und zwar unter Angabe von Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen, Namen und Anschriften der Hersteller, Vorlieferanten und gewerblichen Abnehmer aller bezogenen, vorstehend näher bezeichneten Kinder-Hochstühle.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.448,90 (entspricht DM 2.833,80) zuzüglich 5 % Zinsen seit 13. Februar 2001 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen weiteren Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist und noch entstehen wird, dass die Klägerin die vorstehend unter I. näher bezeichneten Kinder-Hochstühle angeboten, beworben, verkauft und/oder sonst in den Verkehr gebracht hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 10.000.- abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen und beschlossen:

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf € 52.769,82 (entspricht DM 103.208,80) festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die urheber-, marken- und wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Herstellung und des Vertriebs des Kinderhochstuhls "H M" durch die Beklagte.

Die Klägerin ist ein norwegisches Unternehmen der Möbelbranche (Anlage K2). Sie stellt her und vertreibt - in Deutschland über ihre Tochtergesellschaft S GmbH (Anlage K1) - unter anderem einen Kinderhochstuhl unter der Bezeichnung "T-T-Stuhl" (in Abbildung in Anlage K3 und B1, im Original von der Klägerin als Anlage zum Protokoll der Senatssitzung vom 26.06.02 überreicht). Die Klägerin leitet ihre diesbezüglichen Rechte aus einem am 06.10.1972 mit dem norwegischen Designer P.O. geschlossenen Lizenzvertrag her, der den T-T-Stuhl zwischen 1969 und 1972 entworfen hatte (Anlage K4).

Der T-T-Stuhl besteht aus zwei parallelen, aus Holz gefertigten, im 66°-Winkel schräg nach oben verlaufenden geraden Holmen, die am Boden mit zwei nach hinten laufenden, etwa halb so langen, ebenfalls aus Holz bestehenden Kufen verbunden sind. In den Holmen sind Nuten eingefräst, in die zwei Holzplatten eingeschoben werden können, wobei die obere als Sitzfläche und die untere als Fußstütze dient. Im oberen Bereich der Holme befinden sich zwei quer verlaufende, gebogene Leisten, die als Rückenlehne dienen. Auf der Höhe der Rückenlehne kann eine nach vorn gebogene Leiste als Sturzschutz angebracht werden. Die Holme sind darüber hinaus durch zwei Metallstangen miteinander verbunden. Zwischen den Kufen befindet sich in der Mitte eine weitere Querverbindung in Form einer Holzleiste. In der Seitenansicht weist der T-T-Stuhl eine schräge L-Form auf.

Der T-T-Stuhl hat den "Klassikerpreis" des norwegischen Designrates 1995 erhalten (Anlage K6) und ist in die Endausscheidung für den Europäischen Design-Preis 1996 gelangt (Anlage K7). Zudem ist er in dem Buch "Schöner Wohnen - Moderne Klassiker - Möbel, die Geschichte machen" aufgeführt (Anlage K8). Er wird zwischenzeitlich in diversen Museen für moderne Kunst präsentiert.

Die Beklagte vertreibt ihrerseits einen Kinderhochstuhl unter der Bezeichnung H M (Anlage K9), der dem T-T-Stuhl in seinem Äußeren ähnelt. Wegen des optischen Erscheinungsbilds dieses Stuhls wird auf die diesem Urteil beigefügte Anlage Bezug genommen. Auf dem Markt befinden darüber hinaus sich eine Vielzahl weiterer Kinder-Hochstühle verschiedener Hersteller in unterschiedlichen Formen (Anlagenkonvolut K5).

Im Anschluss an eine vorgerichtliche Abmahnung der Klägerin vom 12.02.01 (Anlage K10) hatte die Beklagte mit Schreiben vom 19.03.01 eine - modifizierte - strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben (Anlage K11), die die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 21.03.01 akzeptiert hatte. Über die Verpflichtung der Beklagten zur Auskunftserteilung und Leistung von Schadensersatz haben die Parteien vorgerichtlich keine Einigung erzielen können. Ihre Unterlassungsverpflichtungserklärung hatte die Beklagte in der Kammersitzung vor dem Landgericht klarstellend modifiziert.

Die Klägerin hat vorgetragen,

bei dem T-T-Stuhl handele es sich um ein urheberrechtlich geschütztes Werk, das in Deutschland weithin bekannt sei. Dieses habe die Beklagte durch den He M in unzulässiger Weise kopiert. Der deutsche Markt werde seit Jahren zunehmend - u.a. durch die Beklagte - durch solche oder ähnliche Imitate des T-T-Stuhls verstopft. Es komme fortlaufend zu rufschädigenden Verwechslungen.

Der T-T-Stuhl sei Anfang der 70er Jahre von P.O. für sie entworfen und entwickelt worden. Der Stuhl sei als persönlichgeistige Schöpfung ein Werk der angewandten Kunst. Er sei in hohem Maße eigentümlich und unterscheide sich nachhaltig von sonst üblichen Formen, wie ein Vergleich mit anderen auf dem Markt befindlichen Kinderstühlen zeige (Anlage K5). Durch die offene Dreiecks-Form, in welche die Sitz- und Fußplatten sowie die Lehne eingepasst seien, weise er eine individuelle Gestalt auf. Hierdurch hebe er sich nachhaltig von anderen Kinderstühlen ab. Im Vordergrund stehe die eigentümliche optische Gestaltung und die dadurch erzeugte ästhetische Wirkung, die nicht durch technische Gegebenheiten bedingt sei. Die Form des T-T-Stuhls sei Anfang der 70er einzigartig gewesen. Insbesondere sei die Gesamtgestaltung nicht dem vorbekannten Formenschatz entnommen, sondern als eigenpersönliche Schöpfung geschaffen worden.

Sie habe allein durch den Vertrieb des T-T-Stuhls in den Jahren 1989 bis 2000 in Deutschland kumulierte Umsätze von weit über DM 100 Mio. erzielt und in der Zeit von 1987 bis 2000 deutlich über 3 Mio. Exemplare des Stuhls abgesetzt. Sie unterbinde auch Imitate des T-T-Stuhls durch andere Unternehmen konsequent durch Abmahnungen, einstweilige Verfügungen und Klageverfahren.

Das in Bezug auf diesen Stuhl bestehende Urheberrecht habe die Beklagte durch die Herstellung und den Vertrieb des H-M-Stuhls verletzt. Dieser sei eine offensichtliche Nachahmung, der sämtliche charakteristischen Merkmale des T-T-Stuhls aufweise und lediglich in wenigen Details hiervon abweiche. Das Bemühen der Beklagten, sich etwa durch geringfügige Modifizierungen von dem T-T-Stuhl abzusetzen, sei auf den ersten Blick erkennbar. Dabei handele es sich aber lediglich um leichte Abweichungen, die einer Urheberrechtsverletzung nicht entgegenstünden, da unverändert der gleiche ästhetische Gesamteindruck entstehe. Hierzu, insbesondere zu den übereinstimmenden und abweichenden Gestaltungselementen und deren Einfluss auf den Gesamteindruck, macht die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 11.07.01 weitere Ausführungen, auf die Bezug genommen wird.

Stuhlgestaltungen wie der H M seien auch bereits im Ausland als Verletzung des T-T-Stuhls angesehen worden (vgl. Anlage K12 zu Entscheidungen dänischer Gerichte in Bezug auf andere Verletzungsformen). Soweit sich die Beklagte auf dem T-T-Stuhl ähnliche Stuhlmodelle der Firmen babywelt und H beziehe, handele es sich hierbei ebenfalls um Imitate, hinsichtlich derer sich die Hersteller entweder bereits zur Unterlassung verpflichtet hätten (babywelt) oder ein entsprechendes Verbot von ihr gerichtlich verfolgt werde (H).

Selbst wenn urheberrechtliche Ansprüche nicht gegeben seien, liege jedenfalls ein Wettbewerbsverstoß unter den Gesichtspunkten der sklavischen Nachahmung, der Herkunftstäuschung, der Rufausbeutung bzw. der Absatzbehinderung vor. Den Beklagten hätten zahllose Möglichkeiten einer funktional gleichartigen, aber im ästhetischen Eindruck abweichenden Gestaltung ihres Sitzmöbels zur Verfügung gestanden. Eine Annäherung an ihr Produkt sei nicht erforderlich gewesen, was eine planmäßige Wettbewerbsverletzung indiziere. Hierzu macht die Klägerin ebenfalls nähere Ausführungen, auf die Bezug genommen wird.

Im übrigen könne sie in Deutschland für die Gestaltung des T-T-Stuhls als Formmarke Ausstattungsschutz beanspruchen, denn die Gestaltung des Stuhls habe bei den angesprochenen Verkehrskreisen Verkehrsgeltung erlangt (Beweis: Sachverständigengutachten). Sie berufe sich deshalb auch auf markenrechtliche Anspruchsgrundlagen. Eine solche Rechtsverletzung ergebe sich bereits aus den Feststellungen eines Gutachtens (Anlagen K13 und K14), das die schwedische Sachverständige Prof. M L in Bezug auf einen anderen Stuhl erstattet habe, der dem T-T-Stuhl wesentlich weniger ähnlich sei als der Stuhl H M.

Den bezifferten Betrag nach dem Klageantrag zu 2. schulde die Beklagte ihr aus ihrer Verpflichtung zur Erstattung der vorgerichtlichen Abmahnkosten. Im übrigen sei die Beklagte zur Auskunftserteilung verpflichtet, da sie, die Klägerin, über den Umfang der vorgenommenen Verletzungshandlungen im Ungewissen sei. Deshalb sei ihr eine weitere Bezifferung ihres Schadensersatzanspruchs zur Zeit auch noch nicht möglich.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unverzüglich Auskunft darüber zu erteilen, inwieweit sie Kinder-Hochstühle in der Form hergestellt, angeboten, beworben, verkauft oder sonst in Verkehr gebracht hat, die aus der diesem Titel als Anlage beigehefteten Abbildung ersichtlich ist, und zwar unter Angabe von Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen, Namen und Anschriften der Hersteller, Vorlieferanten und gewerblichen Abnehmer aller bezogenen vorstehend unter I. näher bezeichneten Kinder-Hochstühle,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 3.208,80 zuzüglich 5 % Zinsen seit 13. Februar 2001 zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist und noch entstehen wird, dass die Beklagte die vorstehend unter I. näher bezeichneten Kinder-Hochstühle in den letzten drei Jahren vor Klagerhebung hergestellt, angeboten, beworben, verkauft oder sonst in den Verkehr gebracht hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

mit dem T-T-Stuhl liege kein urheberrechtlich geschütztes Werk vor. Zwar weise dieser Stuhl auch urheberrechtlich schutzfähige Elemente auf, eine Vielzahl von Gestaltungsmerkmalen sei aber konstruktiv vorgegeben und könne deshalb einen Urheberrechtsschutz nicht begründen. Sie seien auch technisch nicht schutzfähig. Dies werde durch die offensichtlich gescheiterten Versuche der Klägerin belegt, für ihren Stuhl patentrechtlichen Schutz zu erlangen.

Im übrigen seien verschiedene ähnliche Kinderhochstühle auf dem Markt, die dieselben funktionalen Gestaltungsmerkmale aufwiesen, wie etwa ein Treppenhochstuhl der Fa. b. (Anlage B2) bzw. das Modell A der Fa. H. (Anlage B3). Auch dies stehe einem Urheberrechtsschutz entgegen.

Selbst wenn man eine Werkeigenschaft des T-T-Stuhls annehmen wollte, fehle es jedenfalls an einer Rechtsverletzung durch den H-M-Stuhl. Dieser unterscheide sich wesentlich von dem T-T-Stuhl, wobei die Übereinstimmungen auf technischen Notwendigkeiten sowie auf dem allgemeinen und bekannten Formenschatz beruhten. Wesentliches Gestaltungselement des T-T-Stuhls fänden sich beim H M gerade nicht wieder. Dieser sei höchst unterschiedlich und vermittele aufgrund seiner Konstruktion eine gänzlich abweichende Anmutung. Die Unterschiede seien offenkundig und für den maßgeblichen Betrachter ohne weiteres zu erkennen. Hierzu macht die Beklagte ergänzende Ausführungen.

Markenrechtliche Ansprüche stünden der Klägerin schon deshalb nicht zu, weil der Stuhl als solcher aufgrund seiner konstruktionsbedingten Gestaltung nicht markenfähig sei. Als Formmarke habe er im übrigen auch keine Verkehrsgeltung erlangt.

Schließlich könne sich die Klägerin auch nicht auf wettbewerbsrechtliche Anspruchsgrundlagen berufen. Schon aufgrund der deutlichen optischen Abweichungen sei offensichtlich, dass es sich bei dem H-M-Stuhl nicht um eine sklavische Nachahmung bzw. unmittelbare Aneignung, sondern um ein eigenständiges Produkt handele. Deshalb könne auch von einer Herkunftstäuschung oder gar von einer Rufausbeutung keine Rede sein.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die form- sowie fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihre erstinstanzlichen Darlegungen. Sie trägt ergänzend vor, entgegen der Auffassung des Landgerichts weise der T-TStuhl den für einen Urheberrechtsschutz erforderlichen deutlichen ästhetischen Überschuss auf. Dies habe das Hanseatische Oberlandesgericht zwischenzeitlich in Parallelverfahren gegen andere Hersteller von Imitaten zu ihren Gunsten entschieden.

Soweit das Landgericht eine Rechtsverletzung durch den H-M-Stuhl verneint habe, sei es von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen. Es habe vermeintlich im Schöpfungszeitpunkt zum Gemeingut zählende technische Kenntnisse und Gestaltungen im Bereich der Möbelkonstruktion - z.B. bei Schulmöbeln bzw. anderen Klappstühlen - zugrunde gelegt, ohne diese näher zu bezeichnen oder nur kenntlich zu machen, woher das Landgericht seine behaupteten Kenntnisse schöpfe. Zu dem Stand des vorbekannten Formenschatzes hätten die Parteien bislang keine Ausführungen gemacht, so dass ähnliche Stuhlformen, die das Landgericht möglicherweise bei seiner Entscheidungsfindung in Erwägung gezogen habe, nicht prozessordnungsgemäß zum Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits gemacht worden seien. Sie hätten deshalb nicht zu ihren, der Klägerin, Lasten herangezogen werden dürfen. Zudem seien die Ausführungen des Landgerichts zu den angeblich vorbekannten Formen derart unpräzise, dass aufgrund dieser Beschreibung noch nicht einmal das konkret gemeinte Produkt bestimmt werden könne. Im übrigen sei die Annahme unzutreffend, dass derartige Stuhlformen - etwa im Bereich der Schulmöbel bereits vor dem Schöpfungszeitpunkt des T-T-Stuhls auf dem Markt gewesen seien.

Aufgrund der hochgradigen Ähnlichkeit des H M-Stuhls mit dem T-T-Stuhl handele es sich bei ersterem jedenfalls nicht um eine freie Benutzung des letzteren, sondern um eine abhängige Bearbeitung, die zustimmungspflichtig gewesen sei, weil das neue nicht den erforderlichen Abstand zu dem älteren Werk einhalte, insbesondere nicht hinter diesem zurücktrete. Der H M-Stuhl erscheine dem Betrachter wenn dieser die marginalen Unterschied überhaupt erkenne allenfalls als Variante des T-T-Stuhls, nicht jedoch als eigenständiges Kunstwerk. Schon dieser Umstand begründe die Urheberrechtsverletzung.

Angesichts einer weiteren Steigerung der Umsätze mit dem T-T-Stuhl in 2001 um ca. 20 % auf ca. € 9,6 Mio (bei 98.600 verkauften Stück) ergebe sich eine ganz erhebliche Marktdurchdringung des T-T-Stuhls, welche die Annahme eines markenrechtlichen Schutzes rechtfertige. Gleiches gelte in Ansehnung der für den ergänzenden Leistungsschutz erforderlichen wettbewerblichen Eigenart. Die Beklagte nutze ihren, der Klägerin, guten Ruf aus und behindere sie durch den Absatz billiger Imitate wettbewerbswidrig im Absatz ihrer Produkte.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13.11.2001 abzuändern und noch den erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,

hilfsweise,

die Schutzanordnungen aus § 712 ZPO zu treffen und der Beklagten zu gestatten, eine Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft zu erbringen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und trägt in Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter vor, eine nähere Auseinandersetzung mit der Urheberrechtsschutzfähigkeit des T-T-Stuhls erübrige sich schon deshalb, weil zumindest der H M-Stuhl ein (unterstelltes) Urheberrecht der Klägerin nicht verletze. Sein ästhetischer Gesamteindruck sei grundlegend anders. Die den Gesamteindruck des T-T-Stuhls prägenden, zum Teil technisch bedingten Gestaltungsmerkmale seien im Jahr 1972 bereits vorbekannt gewesen. Dies gelte für das Einordnen von eingefrästen Nuten im Regalbau zum Einschieben höhenverstellbarer Platten gleichermaßen wie für das Konstruktionsprinzip von auf Kufen stehenden Klappstühlen mit schräg nach oben verlaufenden Holmen, wie sie insbesondere schon vor vielen Jahren bei Schulmöbeln Verwendung gefunden hätten (Beweis: Sachverständigengutachten). Aus dem Umstand, dass der Klägerin zu der mit Offenlegungsschrift 24 21 259 im Jahre 1974 angemeldeten Erfindung ein Patent nicht erteilt worden sei, sei zu schließen, dass die erfindungsgemäßen Elemente des Stuhls schon damals vorbekannt gewesen seien.

Wettbewerbsrechtliche Ansprüche bestünden schon deshalb nicht, weil der von der Klägerin hergestellte Kinder-Hochstuhl mangels Bekanntheit nicht mit dieser als Herstellerin in Verbindung gebracht werde.

Die Beklagte hat sich zur Rechtsverteidigung in dem Senatstermin vom 26.06.02 weiterhin auf den gesamten Sachvortrag bezogen, wie er aus der Entscheidung des Gerichts vom 01.11.01 zum Aktenzeichen 3 U 115/99 hervorgeht. Sie hat hierbei insbesondere auf den aus diesem Urteil ersichtlichen, zur Zeit der Schaffung des T-T-Stuhls bekannten Stand der Technik Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist überwiegend auch begründet. Der Klägerin kann von der Beklagten aus § 101a UrhG, § 242 BGB Auskunft darüber verlangen, in welchem Umfang diese den Stuhl "H M" angeboten, beworben, verkauft und/oder sonst in den Verkehr gebracht hat. Denn bei dem von der Beklagten vertriebenen Stuhl handelt es sich um eine rechtsverletzende Benutzung des urheberrechtlich geschützten T-T-Stuhls. Die Beklagte ist zur Unterlassung einer weiteren Verwendung verpflichtet. Deshalb ist die Beklagte gem. §§ 683, 677 BGB unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag auch zur Erstattung der - allerdings unzutreffend bezifferten vorgerichtlichen Anwaltskosten der Klägerin sowie auf der Grundlage von § 97 Abs. 1 UrhG ebenfalls zum Ausgleich des der Klägerin entstandenen weiteren Schadens verpflichtet.

1. Die Herstellung und der Vertrieb des H M-Stuhls verletzt die Klägerin in ihren urheberrechtlichen Verwertungsrechten an dem T-T-Stuhl.

a. Der verteidigte T-T-Stuhl genießt als "Werk der angewandten Kunst" i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2 UrhG auch Urheberrechtsschutz in Deutschland. Die Klägerin ist als ausschließliche Lizenznehmerin des Designers P.O. für eine Rechtsverfolgung in Deutschland aktivlegitimiert

aa. Der inländische Urheberrechtsschutz des norwegischen Schöpfers P.O. ergibt sich nicht unmittelbar aus § 120 Abs. 2 Nr. 2 UrhG, da Norwegen der EU nicht beigetreten ist. Ihm steht jedoch auf der Grundlage der RBÜ (Revidierte Berner Übereinkunft) in gleicher Weise Schutz zu. Norwegen ist seit dem 12.10.1962, Deutschland seit dem 27.06.1966 Verbandsland dieser Übereinkunft. Nach Art. 3 Abs. 1.a. RBÜ genießen die einem Verbandsland angehörenden Urheber Schutz für ihre veröffentlichten und unveröffentlichten Werke. Art. 5 Abs. 1 RBÜ enthält eine Regelung dahingehend, dass die Urheber für ihre Werke, für die sie durch die RBÜ geschützt sind, in allen Verbandsländern Schutz genießen, und zwar u.a. nach den nach Maßgabe der nationalen Vorschriften inländischen Urhebern gewährten Rechten. Soweit Art. 2 Abs. 7 RBÜ sinngemäß bestimmt, dass für Werke, die im Ursprungsland nur geschmacksmusterfähig sind, auch im Verbandsland nur Geschmacksmusterschutz beansprucht werden kann, findet diese Ausnahmeregelung vorliegend keine Anwendung. Eine entsprechende Situation ist von den Parteien nicht vorgetragen worden.

bb.Der T-T-Stuhl kann auch als "Werk der angewandten Kunst" Urheberrechtsschutz beanspruchen.

aaa. Hierzu hatte der 3. Senat des Hanseatischen Oberlandesgerichts u.a. in dem auch von den Parteien dieses Rechtsstreits in Bezug genommenen Parallelverfahren 3 U 115/99 mit Urteil vom 01.11.2001 (ZUM-RD 02, 181 ff) ausgeführt:

"a.In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist seit längerem anerkannt, dass auch Möbel - trotz ihrer im Vordergrund stehenden Gebrauchsbestimmung - Urheberrechtsschutz genießen können. Die Schutzfähigkeit konkret von Stühlen, Sesseln und anderen Sitzmöbeln war bereits mehrfach Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen (BGH GRUR 61, 635 Stahlrohrstuhl I; BGH GRUR 74,740 - Sessel; BGH GRUR 81,652 Stühle und Tische; BGH GRUR 81, 820 - Stahlrohrstuhl II; BGH GRUR 87, 903 - Le Corbusier-Möbel). Sie ist bei dem Vorliegen einer entsprechenden Gestaltungshöhe angenommen worden, und zwar unabhängig davon, ob die Modelle als "Kunstwerke" oder aber zum praktischen Gebrauch gekauft worden sind (BGH a.a.O. - Le Corbusier-Möbel, S. 904).

aa.Für die Frage, ob es sich bei einem Möbelstück (auch) um ein Kunstwerk handelt, kommt es bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit von Sitzmöbeln - wie bei allen Werken angewandter Kunst i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG - entscheidend darauf an, ob der den Formensinn ansprechende Gehalt, der in dem Erzeugnis seine Verwirklichung gefunden hat, ausreicht, dass nach der im Leben herrschenden Auffassung von Kunst gesprochen werden kann. Unabhängig von dem Gebrauchszweck des betreffenden Werkes ist dafür entscheidend, ob sich in ihm eine Gestaltungshöhe offenbart, die es rechtfertigt, das Erzeugnis unter die Werke der bildenden bzw. angewandten Kunst einzuordnen (vgl. BGH a.a.O. - Le Corbusier-Möbel, S. 904; BGH a.a.O. Stahlrohrstuhl I, S. 638). Es kommt hierbei nicht auf ästhetische Feinheiten an, zu deren Feststellung ein auf dem betreffenden Gebiet arbeitender Fachmann erforderlich ist. Entscheidend ist vielmehr der ästhetische Eindruck, den das Werk nach dem Urteil des für Kunst empfänglichen und mit Kunst einigermaßen vertrauten Menschen vermittelt (BGH GRUR 80, 853, 854 - Architektenwechsel). Dabei sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Schöpfung des Werks mit einzubeziehen (BGH a.a.O. - Le Corbusier-Möbel, S. 905).

Die hierfür erforderlichen Feststellungen vermag der Senat aufgrund der langjährigen Befassung seiner Mitglieder mit Urheberrechtsfragen aus eigener Sachkunde zu treffen, ohne dass es der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf (BGH a.a.O. - Architektenwechsel).

bb.Der Umstand, dass ein Sitzmöbel nicht in erster Linie zweckfrei - den Formensinn des Betrachters ansprechen soll, sondern - auch oder primär - zum praktischen Gebrauch erworben wird und diese Funktion erfüllen soll, steht der Urheberrechtsschutzfähigkeit nicht entgegen (BGH a.a.O. - Le Corbusier-Möbel, S. 904). Allerdings können die im Rahmen von § 2 UrhG an die Gestaltungshöhe - trotz der Einheitlichkeit des Werkbegriffes - zu stellenden Anforderungen unterschiedlich sein. Während bei Werken der Literatur, der Musik sowie der "reinen" (zweckfreien) Kunst die sog. kleine Münze anerkannt ist, die einfache, aber gerade noch schutzfähige Schöpfungen umfasst, sind insbesondere bei Werken der angewandten Kunst höhere Anforderungen zu stellen. Denn diese Werk sind in der Regel (auch) dem Geschmacksmusterschutz zugänglich. Da zwischen Urheber- und Geschmacksmusterschutz kein Wesens-, sondern nur ein gradueller Unterschied besteht, ist es gerechtfertigt, in diesen Bereichen höhere Anforderungen an die Schutzfähigkeit als Werk des Urheberrechts zu stellen. Denn da sich bereits die geschmacksmusterschutzfähige Gestaltung von der nicht geschützten Durchschnittsgestaltung, dem rein Handwerklichen und Alltäglichen abheben muss, ist für die Urheberrechtsschutzfähigkeit ein noch weiterer Abstand, das heißt ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestalter zu fordern. Für den Urheberrechtsschutz ist danach ein höherer schöpferischer Eigentümlichkeitsgrad als bei nur geschmacksmusterfähigen Gegenständen zu fordern (BGH GRUR 79, 332, 336 - Brombeerleuchte; BGH GRUR 95, 581, 582 Silberdistel).

cc.Zwar werden "Designer-Möbeln", die den Schutz als Kunstwerk beanspruchen, häufig - wie auch der T-T-Stuhl Beachtung in der Fachwelt bzw. in der übrigen Öffentlichkeit gefunden haben, die in die Betrachtung dann mit einzubeziehen ist (BGH a.a.O. - Stahlrohrstuhl I, S. 638). Voraussetzung für die Schutzfähigkeit ist ein solches "Kunstinteresse" hingegen nicht. Auch wenn als Kunstwerke urheberrechtlich geschützte Möbelstücke (wie z.B. solche aus der Bauhaus-Epoche) zuweilen in Kunstausstellungen oder Museen international präsentiert worden sind und Anerkennung gefunden haben, hängt hiervon ein urheberrechtlicher Schutz weder ab noch sind höhere Maßstäbe an die Schutzfähigkeit anzulegen, wenn sich für das Möbelstück noch keine "internationale" Wertschätzung in Kunstkreisen herausgebildet hat. Entscheidend ist allein die Frage, ob in dem Werk bei objektiver Betrachtung die erforderliche Gestaltungshöhe Ausdruck gefunden hat.

b. Bei Anwendung dieser Grundsätze kann der Designer P O Urheberrechtsschutz für den T-T-Stuhl als Werk der angewandten Kunst i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG beanspruchen. Die sinnlich wahrnehmbare Form des Stuhls offenbart die für die Anerkennung einer persönlichen, geistigen Schöpfung i.S.v. § 2 Abs. 2 vorausgesetzte erforderliche Gestaltungshöhe. Dabei ist der ästhetische Überschuss gegenüber dem alltäglichen, lediglich handwerklichen Schaffen so erheblich, dass nicht lediglich die Voraussetzungen für einen Geschmacksmusterschutz, sondern sogar diejenigen für eine Urheberrechtsschutzfähigkeit erfüllt sind. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden - durch Verweisung eingeführten - Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung Bezug und macht sich diese zu eigen, soweit sich aus den nachfolgenden Ausführungen nichts Abweichendes ergibt.

aa.Urheberrechtlichen Schutz steht dem T-T-Stuhl allerdings nur insoweit und nur für die Gestaltungselemente zu, die nicht dem vorbekannten Formenschatz zum Zeitpunkt der Schöpfung zuzurechnen sind. Die Übernahme von Formgebungen, die bereits vorhanden waren, kann einen Urheberrechtsschutz nicht rechtfertigen. Im vorliegenden Fall ergibt sich im Hinblick auf den im Vordergrund stehenden Gebrauchszweck des Möbelstücks noch eine weitere Einschränkung, auf die die Beklagten zu Recht hingewiesen haben. Alle diejenigen Merkmale, deren konkrete Gestaltung ausschließlich technisch bedingt ist, haben bei der Beurteilung der Urheberrechtsschutzfähigkeit ebenfalls außer Ansatz zubleiben. Denn insoweit offenbart sich in ihrer Form kein ästhetischer Überschuss des Schöpfers, sondern eine sich konstruktiv aus der Natur der Sache ergebende Notwendigkeit. Die Tatsache, dass nicht nur für den T-T-Stuhl selbst, sondern auch für eine überwiegende Zahl der als Entgegenhaltungen eingeführten Stühle um die Gewährung technischer Schutzrechte (Patent- bzw. Gebrauchsmusterrecht) nachgesucht worden ist, lässt erkennen, dass die Gestaltung des verteidigten Stuhl in einem Spannungsfeld zwischen Zweckausrichtung und Optik steht. Allerdings haben technisch bedingte Merkmale nur insoweit außer Ansatz zu bleiben, als sie für die konkret-konstruktive Zweckerfüllung notwendig sind. Hierbei zutage getretene gestalterische Überschüsse unterliegen der urheberrechtlichen, nicht der patent- oder gebrauchsmusterrechtlichen Beurteilung. Auch die hiermit im Zusammenhang stehenden Fragen vermag der Senat aufgrund seiner langjährigen Befassung sowohl mit Fragen des Urheberrechts als auch des Patentrechts aus eigener Sachkunde zu beurteilen. Die Senatsmitglieder gehören zu den "für Kunst empfänglichen und mit Kunst einigermaßen vertrauten Menschen" im Sinne der obergerichtlichen Rechtsprechung. Aufgrund ihrer beruflichen Befassung mit technischen Sachverhalten, z.B. in Patentrechtsstreitigkeiten, verfügen sie auch über die erforderliche Sachkunde, im konkreten Anwendungsfall technische Notwendigkeiten von einem gestalterischen Überschuss zu unterscheiden. Der Einholung des von den Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens bedarf es deshalb nicht.

aaa. Der T-T-Stuhl vermittelt in der Gesamtbetrachtung eine auf den ersten Blick verblüffend "simple", aber zugleich ungewöhnliche und optisch den Kunst- und Formensinn ansprechende Gestalt. Er besteht aus zwei parallelen, schräg nach oben verlaufenden Holmen, die am Boden mit zwei nach hinten, ebenfalls parallel laufenden Kufen verbunden sind. Sowohl die Holme wie auch die Kufen bestehen aus schlicht geformten, gleich breiten Holzleisten. In den Holmen sind auf jeder Seite in gleichbleibendem Abstand 14 Nuten eingefräst, in die zwei unterschiedlich dimensionierte - Platten horizontal eingeschoben werden können, wobei die obere als Sitzfläche und die untere als Fußstütze dient. Hierbei handelt es sich um auf den ersten Blick schlichte Holzplatten, die überwiegend rechteckig geformt sind und nur auf der Rückseite eine wellenförmige Rundung aufweisen. Als Rückenlehne dienen zwei gebogene, am oberen Ende der Holme befestigte Leisten, die ebenfalls eine schlichte Form aufweisen. Zwischen den Kufen liegt - etwa in der Mitte des Stuhls - eine weitere Querverbindung in Form einer einfachen Holzleiste. In der Seitenansicht weist die feste, unveränderbare Grundstruktur der T-T-Stuhl die Form eines schrägen LŽs auf., in das zusätzliche - zum Teil veränderbare - Elemente eingebaut bzw. eingeschoben sind.

bbb. Urheberrechtlichen Schutz kann der T-T-Stuhl nur insoweit und nur für die Gestaltungselemente beanspruchen, die nicht bereits dem vorbekannten Formenschatz zum Zeitpunkt der Schöpfung zuzurechnen sind. Die Übernahme von Formgebungen, die schon vorhanden waren, kann einen Urheberrechtsschutz nicht rechtfertigen.

Die Beklagte hat durch Vorlage von Unterlagen dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Werkschöpfung , den der Senat aufgrund der Angaben auf der Zeichnung Nr. 257 mit der ersten Hälfte des Jahres 1972 annimmt, verschiedene (Kinderhoch-)stühle bekannt waren, in denen bereits unterschiedliche Stilmittel Verwendung gefunden haben, die auch im T-T-Stuhl wiederkehren. (1)Die Gebrauchsmusteranmeldung der E GmbH vom 21.01.1969 (Anlage B4) beschreibt einen "frei stehenden Stuhl", dessen Besonderheit u.a. darin besteht soll, dass seine Stützstreben bzw. -kufen miteinander verbunden aus Kunststoff ausgearbeitet sind. Der Stuhl ist nicht speziell für Kinder gedacht und verfügt nicht über eine verstellbare Sitzfläche. In seiner Seitenansicht vermittelt der Stuhl in der Betrachtung Anklänge an eine "L"-Form, wobei die unteren Stützstreben des Stuhls in nach hinten gerichteten kufenartigen Verlängerungen auslaufen, deren Ende durch eine Querstrebe verbunden ist.

(2) Auch die englische Patentanmeldung von A W A zur Nr. 535.252 aus dem Jahr 1939 in Anlage B5 beschreibt eine Stuhlform, die durch kurze, kufenförmige Grundelemente Anklänge an eine "L"-Form aufweist. Im übrigen handelt es sich bei diesem Stuhl um ein Sitzmöbel für Erwachsene, dessen Besonderheit u.a. darin besteht, dass die Stühle wegen der hochklappbaren Sitzfläche und nach innen gerichteten Kufen platzsparend ineinandergeschoben werden können.

(3)Der mit der Offenlegungsschrift 2115 322 am 30.03.1971 angemeldete und am 12.10.1972 offengelegte Erfindung "Der mitwachsende Spielstuhl" von G K (Anlage B6) beschreibt einen Kinderstuhl mit verstellbarer Sitzfläche und Rückenlehne. Die schlicht in geraden Linien gehaltene Grundform des Sitzmöbels entspricht einem geschlossenen Dreieck.

(4)In der Publikation "Der Stuhl" von Heinz und Bodo Rasch aus dem Jahr 1928 (Anlage B11 und B11a) sind auf S. 33 zwei Stühle beschrieben, die jeweils von einer schlanken Holzkonstruktion der Seitenholme in geraden Linien geprägt sind. Bei beiden Stühlen ist eine L-Grundform der Seitenholme in Verbindung mit Kufen an der Grundlinie erkennbar, wobei bei dem einen Stuhl (S. 33 oben) eine Stützstrebe oberhalb der Sitzfläche ansetzt, während bei dem anderen Stuhl (S. 33 unten) die Stützstrebe unterhalb der Sitzfläche ansetzt. Der optische Eindruck des von Seitenholm, Kufe und Stützstrebe umschlossenen Bereichs vermittelt den eines Dreiecks. Über die Authentizität der von den Beklagten insoweit eingereichten Kopien sowie den Zeitpunkt der Schöpfung der hieraus ersichtlichen Stühle besteht zwischen den Parteien Streit.

bb.Hieraus folgt, dass unterschiedliche in der Gestaltung des T-T-Stuhls verwendete Stilelemente und Formen zum Schöpfungszeitpunkt im Jahr 1972 bereits vorbekannt waren. Daran scheitert der Urheberrechtsschutz im vorliegenden Fall jedoch nicht. Ist nämlich ein Werk unter Verwendung bekannter Stilmittel hergestellt worden, kann es gleichwohl urheberrechtsschutzfähig sein, wenn mit diesen Stilmitteln im Ergebnis eine eigenpersönliche geistige Schöpfung von ausreichender Gestaltungshöhe erzielt worden ist. Denn in der Kunst wird vielfach auf bekannte Stilmittel zurückgegriffen; die Verwendung neuartiger Stilmittel und die Schaffung einer neuen Stilrichtung sind eher die Ausnahme (BGH GRUR 88, 690, 692 Kristallfiguren). So liegt der Fall hier. In der konkreten Formgestaltung, insbesondere aber nicht ausschließlich in der markanten L-Form und der klaren Linienführung, die in der Rahmenkonstruktion durch eckige Formen geprägt wird, die mit Rundungen in der Sitz- und Lehnenkonstruktion kontrastieren, offenbart sich - trotz der nicht zu berücksichtigenden, weil dem vorbekannten Formenschatz zuzurechnenden Anteile - ein erheblicher Grad eigenpersönlicher schöpferischer Kraft auf dem Gebiet der Ästhetik.

aaa. Dabei ist für die Beurteilung der Urheberrechtsschutzfähigkeit nicht in erster Linie auf einzelne Gestaltungselemente, sondern den Gesamteindruck abzustellen, den das Werk dem Betrachter vermittelt. Bei dem T-T-Stuhl steht dabei die sofort ins Auge fallende Formensymmetrie bei schlichter, klarer Linienführung im Vordergrund.

(1)Der T-T-Stuhl vermittelt dem Betrachter den Eindruck einer kunstvoll bis in kleine Details durchgehaltenen Formenstrenge in schnörkelloser Schlichtheit.

(aa) Die Grundform schräg nach hinten laufenden Seitenholme wird in den Kufen an der Grundfläche wieder aufgenommen. Der Verlauf sowohl der Seitenholme als auch der Kufen ist durch eine parallele Linienführung geprägt. Durch die veränderbaren Einschübe der Sitzfläche und Fußstütze findet die Parallelität der Kufenanordnung eine Fortsetzung in die seitlichen Stützholme. Durch die 14 Nuten auf beiden Seiten der Stützholme wird eine "stufenlose" Verstellbarkeit der Sitz- und Fußflächen gewährleistet, die nicht nur "praktischen" Erfordernissen folgt. Vielmehr findet auch hier - insbesondere durch die gleichmäßige Beabstandung - die das Objekt prägende parallele Linienführung einen weitere Ausdrucksform. Durch die rechteckige Grundform der Einschubplatten wird dieses Gestaltungsprinzip erneut aufgenommen und zusätzlich verstärkt. Dabei setzten Sitzfläche und Fußstütze optisch die Linienführung der Kufen an der Grundfläche fort. Sie unterstützen damit den "waagerechten", zugleich Stabilität vermittelnden Anteil des Sitzmöbels. Diese Gestaltungselemente kontrastieren mit den schräg nach oben verlaufenden Seitenholmen, die dem Stuhl eine aufwärts gerichtete, aber - wegen der "Schieflage" - zugleich optisch instabile Note verleihen. Diese wird insbesondere durch die breite, mit ihrer überwiegenden Fläche nach vorne aus den Seitenholmen herausragenden Fußstütze im Sinne eines "Gegengewichts" optisch wieder aufgehoben, während die Sitzfläche, die in etwa zu gleichen Teilen zu beiden Seiten aus den Seitenholmen herausragt, auch optisch die "Balance" hält. Die Parallelität der Linienführung wird durch die Stützstrebe zwischen den Kufen einerseits und die beiden schwarzen Metallrohre als Verbindung der Seitenstreben andererseits unterstützt. Gleiches gilt für den Materialaufbau von Sitzfläche und Fußstütze. Diese sind aus in ca. 10 Schichten verleimten Holzplatten aufgebaut. Dabei wird der symmetrische, mehrschichtige Aufbau der Holzplatten an den Randflächen durch die farblich abgesetzte Gestaltung der einzelnen Schichten zusätzlich hervorgehoben.

(bb) Mit dieser "eckigen" Grundform steht die Ausgestaltung der Rückenlehne und der Sturzsicherung nur in einem scheinbaren Gegensatz. Hier herrschen runde Formen vor, die zumindest in dieser Gegensätzlichkeit keineswegs technisch bedingt, sondern erkennbar ein bewusst eingesetztes gestalterisches Mittel sind. In ihrer weichen, runden Form setzt die Rückenlehne einen provozierenden gestalterischen Kontrast. Während in der geraden Linienführung des "Stützskeletts" des Stuhls das Vertrauen in die Standsicherheit trotz der eigenwilligen Formgebung unterstützt wird, vermittelt die runde Formgebung der Rückenlehne und der Sturzsicherung Vertrauen in Ergonomie, Bequemlichkeit und kindgerechte, Verletzungen vermeidende "Weichheit". Die Zweiteilung der Rückenlehne in gleichgestaltete Elemente nimmt dabei die das vorherrschende, das Sitzmöbel insgesamt prägende Gestaltungsprinzip der "Dualität" auf: 2 Kufen, 2 Seitenholme, 2 Querstangen und vor allem 2 Sitz- bzw. Fußflächen. Diese Parallelität der Formen findet sich jedoch nicht nur bei geraden Flächen, sondern auch in dem Verhältnis der Rückenlehne zu der Sturzsicherung. Die geschwungene Sturzsicherung nimmt dabei nicht nur die Wölbung der Rückenlehne spiegelbildlich auf und setzt damit ein Gegengewicht zu der rückwärts gerichteten Rundung. Vielmehr wirkt die Sturzsicherung aufgrund ihrer Form und Lage wie aus der Rückenlehne "herausgeschnitten". Denn sie setzt an in Höhe der horizontalen Beabstandung der beiden Elemente der Rückenlehne und nur unwesentlich breiter, so dass optisch der Eindruck entstehen kann, als seien Rückenlehne und Sturzsicherung aus einem Stück geschnitten, aber in unterschiedliche Richtungen geformt worden.

(cc) Durch deren Gesamtform schlagen gerade die Sitz- und Fußflächen in ästhetischer Hinsicht den gestalterischen Bogen zwischen der strengen Linienführung der "tragenden" Seiten- und Grundelemente des Stuhls sowie der weich-geschwungenen Rückenlehne und Sturzsicherung. Während die insgesamt rechteckig ausgeformte Grundstruktur der Holzplatten die parallele Linienführung betont, sind die wellenförmig-geschwungenen Bögen am rückwärtigen Bereich der Platten erkennbar gestalterische, "zweckfreie" Stilmittel, mit denen die Rundungen insbesondere der Rückenlehnen aufgenommen wieder aufgenommen werden. Unter anderem hierdurch vermittelt das Möbelstück trotz seiner gestalterischen Gegensätze insgesamt wieder einen in sich harmonischen, abgeschlossenen Eindruck.

(dd) Auch bei den verwendeten Materialien lebt die optische Gestaltung des T-T-Stuhls von einem bewussten Kontrast. Der Stuhl ist vorwiegend in hellem Naturholz gehalten, dass in seiner weitgehend "unbehandelten" Erscheinungsform etwa gegenüber dunkel gebeizten Möbelstücken den Eindruck von kindgerechter Natürlichkeit, Solidität und Umweltbewusstsein vermittelt. Mit den beiden aus schwarzem Metall gearbeiteten Querstreben bewirkt der Schöpfer hierzu einen optisch sofort ins Auge fallenden, ansprechenden Gegensatz der metallenen "Kälte", für den es nach Sachlage keine zwingenden konstruktiven Notwendigkeiten gibt. Die schwarzen Metallstangen wirken gerade bei einem Kinderstuhl eher deplaziert und sollen den Betrachter in ästhetischer Hinsicht bewusst "provozieren", zumal eine dem Holzton angepasste Farbgebung ohne weiteres herzustellen gewesen wäre. Gleiches gilt für die Schrauben und Befestigungsgegenstücke auf der Rückseite der Rückenlehne.

(2)In der Gesamtsicht scheint der Stuhl bei der ersten Betrachtung zunächst nur durch seine den Anforderungen der Funktionalität folgenden Gestaltungsprinzipien geprägt zu sein. Erst bei etwas differenzierterer Beschäftigung erschließt sich dem kunstinteressierten Betrachter das hohe Maße an gestalterischer Kreativität, mit dem der Werkschöpfer die sich aus der Aufgabenstellung eines zugleich robusten und standsicheren mitwachsenden Kinderstuhls ergebenden Anforderungen mit ästhetisch ansprechenden Ausdrucksformen zu einem zugleich "technisch" funktionalen und ästhetisch ansprechenden Kunstwerk verbunden hat.

(3)Der besondere gestalterische "Witz" des T-T-Stuhls liegt dabei auch - aber nicht in erster Linie oder allein - in der durch die L-Form betonten, offenen rückwärtigen Konstruktion. Hierdurch werden - wie etwa bei dem berühmten "Freischwinger"-Stuhl - auf den ersten Blick Befürchtungen in Richtung auf eine gewisse Instabilität hervorgerufen, die sogleich durch die solide, "kantige" Bauart des T-T-Stuhls mit seinen breiten Kufen und starken Stützstreben und die in gegenwärtige Richtung strebenden Sitz- und Fußflächen wieder zerstreut werden. Wenngleich die "L-Form" des Stuhls dem Betrachter als erstes auffallen mag, prägt diese das Sitzmöbel aber nicht allein. Vielmehr erhält der T-T-Stuhl seine gestalterischen Besonderheiten durch das Zusammenspiel der vorstehend beschriebenen - Vielzahl durchdachter und bewusst eingesetzter Stilmittel und Ausdrucksformen, durch die sich das künstlerische Potenzial des Stuhls dem Betrachter zum Teil erst bei wiederholtem Hinsehen erschließt.

bbb. Soweit der T-T-Stuhl in seiner Gestaltung Elemente des vorbekannten Formenschatzes aufgreift und verarbeitet, beeinträchtigt dies die Individualität und künstlerische Ausdruckskraft des Werks nicht. Sie stehen im Ergebnis der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit nicht entgegen. Denn die Gestaltungsmerkmale, welche die ästhetischen Wirkung des T-T-Stuhls bestimmen, sind durch keine der Entgegenhaltungen ganz oder in ihrer prägenden Ausgestaltung vorweggenommen. Dieser weicht in seinem ästhetischen Gesamteindruck von allen vorbekannten Formen ab. Dabei ist nicht auf Übereinstimmungen (nur) aus einem bestimmten Betrachtungswinkel (Vorderansicht, Seitensicht) abzustellen.

Entscheidend ist vielmehr der Gesamteindruck, wie er sich aus allen Sichtweisen ergibt.

(1)Der in Anlage B4 beschriebene vorbekannte Stuhl der E GmbH enthält zwar unverkennbare Anklänge an eine LForm, vermittelt aber ein deutlich abweichendes Gesamtgepräge. Er ist entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass die Stützstreben mit ihren an den Enden durch eine Querverstrebung verbundenen kufenförmigen Verlängerungen und der Rückenlehne einen in sich geschlossenen Stuhlrahmen bilden. Zudem sind die Kufen nicht parallel zueinander angeordnet, sondern laufen hinten aufeinander zu und sowohl die Rückenlehnen wie auch die untere Querverbindung weisen eine deutliche Rundung auf. Hieraus ergibt sich ein ganz anderer Gesamteindruck im Vergleich zum T-T-Stuhl. Die für die ästhetische Wirkung des TrippTrapp-Stuhl maßgeblichen geraden und parallelen Linien sowie die Betonung der schlichten geometrischen Form fehlen hier. Die Wirkung des E-Stuhls wird vielmehr durch die Rundungen sowie die Geschlossenheit des Rahmens bestimmt. Im Gegensatz zu den einfachen Holzleisten, die zu zwei schrägen, parallel zueinander angeordneten offenen Dreiecken verbunden sind, in welche die Sitz- und Fußflächen eingeschoben werden können, zeigt sich hier ein aus einem Stück bestehender Stuhlrahmen. Damit verbleibt als verbindendes Element die sich aus Kufen an der Grundfläche und schräg nach oben laufenden Seitenholmen bildende L-Form mit der nach vorn überstehenden Sitzplatte. Die L-Form ist hier allerdings schon wegen der deutlich kürzeren, nach hinten auslaufenden Kufen wesentlich weniger prägnant, als dies beim T-T-Stuhl der Fall ist. Allein die Betrachtung der Fig. 1 der Anlage B4 - die eine L-Form in klarer Linienführung vorzugeben scheint - vermittelt dabei nach Ansicht des Senats einen unzutreffend verkürzten, wenn nicht sogar irreführenden Eindruck des E-Stuhls. Dessen prägender Gesamteindruck wird vielmehr erst aus der darunter abgedruckten Fig. 2 in einer dreidimensionalen Sicht erkennbar. Hierbei wird deutlich, dass die L-Form wesentlich weniger markant hervortritt, als dies die Fig. 1 vermittelt. Die L-Form ist in der maßgeblichen Gesamtsicht allenfalls angedeutet und schwach erahnbar. Demgegenüber erhält dieser Stuhl sein wesentliches Gepräge durch die rückwärtig gerichteten Rundungen von Kufen und Seitenholmen sowie der Vollendung in deren Verbindung als Rückenlehne und Querelement auf der Grundfläche. Diese gestalterische Ausdrucksform findet sich weder in ihrem Gesamteindruck noch in prägenden Einzelelementen in der Darstellung des T-T-Stuhl wieder.

(2)Dies gilt in gleicher Weise auf für den aus der Anlage B5 ersichtlichen A-Stuhl. Zwar finden sich auch hier eher schwache Andeutungen einer L-Form wieder, diese sind jedoch so wenig prägend, dass nicht ernsthaft davon ausgegangen werden kann, dieses Element des T-T-Stuhls sei durch den A-Stuhl vorweggenommen. Denn jener Stuhl besitzt zwar auch zunächst nach hinten strebende Seitenholme, die sodann jedoch nicht gerade verlaufen, sondern einen nicht unerheblichen, wieder nach vorn gerichteten Bogen beschreiben und dadurch soweit dies den eingereichten Zeichnungen entnommen werden kann - ihr Scheitelpunkt fast wieder in gerader Linie auf der Basis steht. Vor allem sind die Kufen dieses Stuhls in der Relation zu den Seitenholmen nur sehr kurz ausgearbeitet. Durch diese unterschiedlichen Proportionen verblassen etwaige Anklänge an eine L-Form weitgehend. Vielmehr wirken die Kufen nur als unbedingt für die Standfestigkeit notwendige Grundfläche ohne hinsichtlich ihrer Länge - gestalterischen Überschuss. Da die Seitenholme aufgrund ihres gebogenen, nach vorne gerichteten Verlaufs eine zunächst rückwärtig ausgerichtete Schwerpunktverlagerung wieder aufheben, konnte sich diese Stuhlkonstruktion erkennbar auch zur Zweckerfüllung mit kurzen Kufen begnügen, die hier jedoch trotz der konstruktiv ähnlichen Anlage einen vollkommen anderen gestalterischen Eindruck vermitteln als bei dem T-T-Stuhl. Zudem sind sowohl die Seitenholme als auch die Kufen zu ihren Enden hin deutlich schmaler ausgearbeitet, was ebenfalls von optischen Symmetrie einer L-Form fortstrebt. Auch der Gesamteindruck dieses "Erwachsenen"-Stuhls ist - ebenso wie bei dem E-Stuhl - schon wegen der einen festen Sitzfläche ohne Veränderungsmöglichkeit und Fußstütze ein deutlich anderer.

(3)Hinsichtlich des in Anlage B6 vorgelegten K-Stuhls kann offen bleiben, ob dieser am 30. März 1971 angemeldete, aber erst am 12.10.1972 - und damit nach der Schaffung des T-T-Stuhl - offengelegte Stuhl ebenfalls dem vorbekannten Formenschatz zuzurechnen ist. Jedenfalls weist dieser Stuhl irgendwelche, den T-T-Stuhl prägende Formelemente nicht auf. Dessen Gesamteindruck wird durch zwei dreieckförmige geschlossene Rahmen bestimmt. Irgendwelche Anklänge an eine L-Form oder eine sonst wie geartete Nähe zu dem T-T-Stuhl vermittelt dieser Stuhl erkennbar nicht. Die Gestaltung dieses Stuhls beruht zwar auch auf einer geometrischen Grundlage, die jedoch aufgrund der geschlossenen Form eine gänzlich andere ästhetische Wirkung entfaltet, zumal markante Gegensätze durch geschwungene Elemente offenbar - soweit dies aus den eingereichten Zeichnungen erkennbar ist - vollständig fehlen. Der Umstand als solcher, dass der K-Stuhl - ebenso wie der T-T-Stuhl - ein mitwachsender Kinderstuhl mit verstellbarem Sitz (und verstellbarer Rückenlehne) ist, hat als rein technische Gegebenheit bei der Beurteilung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit außer Betracht zu bleiben. Einzig die Tatsache, dass auch dieser Stuhl gerade über 14 Verstelllöcher in den vorderen Streben verfügt, mag eine gewisse gestalterische Verwandtschaft zu dem T-T-Stuhl begründen, der auch 14 Nuten aufweist. Hiermit hat es aber auch schon sein Bewenden mit Ähnlichkeiten, zumal hier selbst die Abstände der 14 Löcher nicht symmetrisch ausgelegt sind. Maßgebliche potenzielle Einflussmöglichkeiten der hierbei verwendeten Formen auf die Gestaltung des T-T-Stuhl vermag der Senat nicht zu erkennen, so dass diese Entgegenhaltung im Ergebnis unergiebig bleibt. Denn auch in seinem Gesamteindruck wirkt dieser Stuhl viel robuster und kompakter, so dass ihm der den T-T-Stuhl prägende Eindruck von Leichtigkeit und Klarheit fehlt.

(4)Schließlich weisen auch die Stühle, die in dem Buch "Der Stuhl" von 1928 abgebildet sind (Anlage B11, 11a), eine völlig andere Gestaltung auf, so dass der Senat auch insoweit dem Streit der Parteien darüber nicht nachzugehen braucht, ob diese Stühle tatsächlich zu dem angegebenen Zeitpunkt geschaffen und veröffentlicht worden sind. Zwar verfügen auch diese Sitzmöbel über Kufen sowie schräg nach oben verlaufende Seitenholme. In der konkreten Gestaltung vermitteln diese Stühle jedoch einen völlig anderen Gesamteindruck und enthalten keine den T-T-Stuhl prägenden Formelemente. Insbesondere die Stützelemente des Stuhls unterhalb der Sitzfläche werden jeweils durch ein geschlossenes, fast gleichwinkliges Dreieck geprägt. Zwar mag man hierin in der Dreiecksform auch ein "L" mit etwa in halber Höhe, nach hinten zum Kufenende gerichteter Stützstrebe erkennen können. Für solche Sichtweise von der Gestaltungsform des Stuhles hat der unbefangene, kunstinteressierte Betrachter allerdings keine Veranlassung. Nur wenn man den "A"-Stuhl der Beklagten und dessen Abweichungen zum T-T-Stuhl der Klägerin kennt und vor Augen hat, wird man möglicherweise auch in diesen Stühlen eine "L-Form mit Stützwinkel" wiedererkennen. Eine solche rückblickende Betrachtung hat jedoch bei der Beurteilung des zum Schöpfungszeitpunkt vorbekannten Formenschatzes außer Betracht zu bleiben. Seinerzeit hatte niemand ernsthaft Veranlassung, diese Stühle in ihrer prägenden Gestaltung gerade mit einer L-Form in Verbindung zu bringen.

cc.Schließlich ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - die Möglichkeit einer individuellen Gestaltung des T-T-Stuhls auch nicht aufgrund technischer Erfordernisse so stark eingeengt, dass ein die Urheberrechtsschutzfähigkeit begründender schöpferischer Spielraum nicht bestanden hätte. Gerade die klaren Linien und geometrischen Formen, die entscheidend zu der ästhetischen Wirkung des T-T-Stuhls beitragen, sind weder durch den Gebrauchszweck noch durch technische oder ergonomische Gegebenheiten vorgegeben.

aaa. Die Möglichkeit höhenverstellbare Kinderhochstühle zu konstruieren, sind vielfältig. Die Klägerin hat in Anlage K4 eine Fülle von Beispielen dazu vorgelegt, wie die sich aus der Aufgabenstellung ergebenden Erfordernisse technisch-konstruktiv (und gestalterisch) gelöst worden sind. Entsprechendes ergibt sich auch aus dem Testbericht in Anlage K20

bbb. Von einer technischen Bedingtheit der Gestaltungsform kann nur dann ausgegangen werden, wenn selbst die Aufgabe, einen höhenverstellbaren, auf Kufen stehenden Kinderhochstuhl herzustellen, nur durch die fragliche Formgebung zu lösen wäre (vgl. BGH GRUR 1961, 635, 637 - Stahlrohrstuhl). Auch insoweit bestehen nach Auffassung des Senats hingegen eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten, so dass sich die für den T-T-Stuhl gewählte Gestaltung keineswegs ohne Freiraum für künstlerische Entfaltung geradezu zwangsläufig aus der konstruktiven Aufgabenstellung ergibt. Die Höhenverstellbarkeit bedingt allein, dass es möglich sein muss, das Sitzelement auf verschiedenen Ebenen anzubringen. Dies kann zum Beispiel auch durch ganz unterschiedlich ausgestaltete, nicht gleich beabstandete Nuten erreicht wird. Dieses Erfordernis wirkt sich zudem in keiner Weise auf die Form des Sitzelementes oder der Seitenholme aus. Ein nicht auf vier Füßen, sondern auf Kufen stehender Hochstuhl erfordert zudem lediglich, dass es Kufenelemente gibt, die für die erforderliche Stabilität eine gewisse Größe haben müssen und an denen ein nach oben ragendes Element befestigt ist, an dem sich wiederum das Sitzelement befindet. Auch dieses technisch bedingte Erfordernis wirkt sich auf die konkrete Formgestaltung der Kufen sowie der Holme nicht aus. Vielmehr sind zahlreiche Formen und Gestaltungsmöglichkeiten denkbar, wobei insbesondere durch die ebenfalls mögliche Verwendung von Kurven und Rundungen ein ganz anderer Gesamteindruck entstehen kann.

c. Aufgrund der den Gesamteindruck bestimmenden Formelemente offenbart sich in der Schaffung des T-T-Stuhls ein das Können eines Durchschnittsgestalters so erheblich überragender ästhetischer Überschuss, dass eine dem Urheberrecht unterfallende künstlerische Leistung von erheblicher Gestaltungshöhe vorliegt, und zwar auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ebenfalls ein Schutz als Geschmacksmuster auf einem geringeren Anforderungsniveau in Betracht kommt.

aa.Hierbei ist insbesondere die besondere ästhetische Wirkung zu berücksichtigen, die darin besteht, dass trotz der einfachen Elemente und schlichten Formen eine raffinierte und ansprechende Gestaltung gegeben ist, bei der klare geometrische Formen und Linien in der Schaffung eines in der Formgebung ungewöhnlichen und in der optischen Wirkung schönen Möbelstücks besonders zur Geltung kommen. Aufgrund dieser Wirkung kann nicht mehr von einer rein handwerksmäßigen und durchschnittlichen, auch nicht von einer nur das geringere Anforderungsniveau eines Geschmacksmusterschutzes erreichenden Leistung gesprochen werden. Vielmehr offenbart der das visuelle Empfinden anregende Gehalt der Gestaltung eine künstlerischen Leistung, durch die ein Gesamteindruck geschaffen worden ist, der sich von den bestehenden Formen beträchtlich abhebt. Dabei sieht sich der Senat schon aufgrund der isoliert betrachteten Gestaltung des Möbelstücks vor dem Hintergrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Einklang mit den Anforderungen an die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Gebrauchsmöbeln.

bb.Ein weiterer wesentlicher Hinweis auf die Individualität und überragende schöpferische Eigenart der Gestaltung ergibt sich zudem aus der Resonanz, die der T-T-Stuhl in der Fachwelt gefunden hat. Er hat den "Klassikerpreis" des norwegischen Designrates 1995 erhalten und ist in die Endausscheidung für den Europäischen Design-Preis 1996 gelangt (Anlage K10). Zudem ist er in dem Buch "Schöner Wohnen - Moderne Klassiker - Möbel, die Geschichte machen" aufgeführt (Anlage K11) und findet Erwähnung in der norwegischen Presse als einer von zwölf ausgewählten Möbelklassikern (Anlage K 15). Durch derartige Auszeichnungen lässt sich die Schutzfähigkeit zwar nicht begründen. Sie sind dem Senat jedoch ein gewichtiges Indiz dafür, dass die aufgrund eigener Sachkunde getroffene Beurteilung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit im Einklang mit der Wahrnehmung der einschlägigen Fachkreise steht."

bbb. Diese Ausführungen gelten uneingeschränkt auch für das vorliegende Verfahren. Der 5. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts macht sich die zutreffenden Erwägungen des 3. Zivilsenats ausdrücklich für den vorliegenden Rechtsstreit zu eigen. Auch der erkennende Senat vermag dabei die in diesem Rechtsstreit erforderlichen Feststellungen aus eigener Sachkunde zu treffen.

Der in dem vorliegenden Rechtsstreit für die Beurteilung der Urheberrechtsschutzfähigkeit zu berücksichtigende vorbekannte Formenschatz geht zumindest nicht über diejenigen Entgegenhaltungen hinaus, die Gegenstand des Rechtsstreits 3 U 115/99 waren und von dem 3. Zivilsenat in seinem Urteil vom 01.11.01 in zutreffender Weise gewürdigt worden sind. Deshalb kann der erkennende Senat hierauf zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug nehmen. Denn die Urheberrechtsschutzfähigkeit des T-T-Stuhls liegt im Hinblick auf diese umfassende Würdigung zahlreicher vorbekannter Formelemente im Sinne eines "Erst recht"-Schlusses auch dann vor, wenn der Verletzer - wie die Beklagte des vorliegenden Verfahrens - letztlich keinerlei Entgegenhaltungen hinreichend substantiiert dargelegt hat.

(1)Zwar hatte die Beklagte zumindest in zweiter Instanz die Urheberrechtsschutzfähigkeit des T-T-Stuhls nicht grundsätzlich in Abrede genommen, diesen Umstand aber auch nicht unstreitig gestellt, sondern ihn dahinstehen lassen und sich weitgehend auf die Frage einer konkreten Rechtsverletzung beschränkt. Deshalb kann von einer umfassenden Würdigung der die Schöpfungshöhe prägenden Elemente des Werks im Ergebnis nicht abgesehen werden.

(2)Soweit sich die Beklagte in der Senatssitzung vom 26.06.2002 pauschal auf alle in dem Rechtsstreit 3 U 115/99 erhobenen Entgegenhaltungen als "Stand der Technik" berufen und diese zum Gegenstand ihres Sachvortrags zu erheben versucht hatte, bleibt dieser Vortrag jedenfalls für die Frage der Urheberrechtsschutzfähigkeit schon deshalb ohne Bedeutung, weil sich der 3. Zivilsenat in seinem Urteil vom 01.11.01 mit allen diesen Entgegenhaltungen bereits auseinander gesetzt und auf dieser Grundlage die Urheberrechtsschutzfähigkeit gleichwohl angenommen hat. Weiter reicht auch diese prozessuale Erklärung der Beklagten nicht. Deshalb kann es der erkennende Senat in diesem Zusammenhang noch dahinstehen lassen, ob diese pauschale Bezugnahme der Beklagten auf außerhalb des Verfahrens liegende Umstände in prozessrechtlich ordnungsgemäßer Weise erfolgt und damit für die Entscheidung dieses Rechtsstreits überhaupt berücksichtigungsfähig ist.

(3)Der Hinweis der Beklagten auf die dem geschützten Werk ähnlichen Kinder-Hochstuhl-Modelle der Fa. b (Anlage B2) sowie der Fa. H (Anlage B3, Stuhl A) verhilft ihr ebenfalls nicht zum Erfolg. Die Beklagte hat zu beiden Treppenhochstühlen noch nicht einmal zu behaupten versucht, dass diese Möbelstücke zeitlich vor dem T-T-Stuhl erschaffen worden sind. Nur in diesem Fall hätten sie als vorbekannter Formenschatz Berücksichtigung zu finden. Allein der Umstand, dass die Stühle heute auf dem Markt sind, ist für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreits ohne Bedeutung. Denn sie können ihrerseits rechtsverletzende Anlehnungen an den T-T-Stuhl und deshalb ungeeignet sein, seine Urheberrechtsschutzfähigkeit in Frage zu stellen. Hinsichtlich des A-Stuhls, der gerade Gegenstand des von der Beklagten in Bezug genommenen Urteils vom 01.11.01 war, hat der 3. Zivilsenat in der Sache 3 U 115/99 eine solche Rechtsverletzung sogar festgestellt. Deshalb ist dieser Hinweis der Beklagten ungeeignet auch nur ein Indiz dafür zu belegen, der P.O., der Schöpfer des T-T-Stuhl, habe bei der Entwicklung des Werks auf weitgehend vorbekannte Gestaltungselemente zurückgegriffen und könne deshalb keinen Urheberrechtsschutz in Anspruch nehmen.

(4)Nichts anderes gilt für die Behauptung der Beklagten, eine Vielzahl der für den T-T-Stuhl verwendeten Stilelemente seien bereits vor dem Jahr 1972 z.B. aus der Gestaltung von Schulmöbeln allgemein bekannt gewesen. Dies gelte etwa für das Einordnen von eingefrästen Nuten im Regalbau zum Einschieben von höhenverstellbaren Flächen, die Anordnung von Tischen und Stühlen auf Kufen, die Fertigung von Klappstühlen mit schräg nach oben verlaufenden Holmen, die Befestigung von Sitzflächen und Rückenlehnen an diesen Holmen usw..

Diese pauschale Behauptung hat die Beklagte durch nichts belegt. Sie kann deshalb ebenso richtig wie unzutreffend sein. Mit dieser Art des prozessualen Vortrags kann die Beklagte ihren Substantiierungsobliegenheiten nicht genügen. Dies umso weniger, als die Klägerin ihrerseits detaillierte Ausführungen zu den einzelnen Gestaltungsmerkmalen des Stuhls gemacht und hierzu eine Vorbekanntheit mit Nachdruck bestritten hatte. Bei dieser Sachlage hätte es nunmehr der Beklagten oblegen, zu den einzelnen Gestaltungsmerkmalen Stellung zu nehmen und den zum Schöpfungszeitpunkt vorbekannten sowie dem Werkschöpfer - etwa aus Veröffentlichungsschriften, Kunstsammlungen, Büchern usw. zugänglichen Formenschatz im Einzelnen darzulegen und die (fehlende) Schöpfungshöhe des Werkes hieraus abzugrenzen. Diese Substantiierungsverpflichtung oblag nicht der Klägerin, die sich zunächst darauf beschränken durfte, die Urheberrechtsschutzfähigkeit des Werks - abstrakt - anhand seiner Gestaltungsmerkmale zu begründen. Soweit die Beklagte dieser Darstellung die Verwendung vorbekannter Gestaltungsformen - und damit die Schutzunfähigkeit - entgegenhalten wollte, oblag die Darlegungslast nach allgemein anerkannten Grundsätzen ihr. Hierzu hatte der Bundesgerichtshof bereits in der Entscheidung "Stahlrohrstuhl II" (BGH GRUR 81, 820, 822 - Stahrohrstuhl II) zutreffend rechtsgrundsätzlich ausgeführt:

" Hier geht es darum, wer zu beweisen hat, dass vorbekanntes Formengut der Anerkennung des Stuhls als einer eigenschöpferischen Leistung entgegensteht bzw. nicht entgegensteht. Die Beweislast ist hier - wie das BerG nicht verkannt hat - den Beklagten aufzuerlegen. Dabei ist von folgenden Erwägungen auszugehen: Der Kl. hat nach allgemeinen Grundsätzen die klagebegründenden Tatsachen zu beweisen; so in einem UrheberrechtsVerletzungsprozess unter anderem die Schutzfähigkeit und - soweit eine Feststellung von aufklärungsbedürftigen Tatsachen abhängt - auch den Schutzumfang des Werkes, aus dem er seine Rechte herleitet. Dazu gehört auch, dass der gebotene Abstand zum vorbekannten Formengut eingehalten worden ist. Für das Urheberrecht wird der Kl. den erforderlichen Nachweis in aller Regel durch die Vorlage seines Werks erbringen. Verteidigt sich der Beklagte demgegenüber mit dem Einwand, die Schutzfähigkeit entfalle oder der Schutzumfang sei eingeschränkt, weil der Urheber auf vorbekanntes Formengut zurückgegriffen habe, so ist es seine Sache das Aussehen des älteren Werks darzulegen und zu beweisen [.... ]. Die Ungewissheit, wie dieses Werk beschaffen ist, kann nicht zu Lasten des Urhebers bzw. seines Rechtsnachfolgers gehen und rechtfertigt deshalb auch keine Umkehr der Beweislast".

Bei dieser Sachlage verhilft es der Beklagten auch nicht zum Erfolg, dass sie ihre bestreitenden Behauptungen unter Sachverständigenbeweisantritt gestellt hat. Mangels konkreter Darlegungen zu dem behaupteten vorbekannten Formenschatz käme die Erhebung der angebotenen Beweise einem unzulässigen Ausforschungsbeweis gleich. Sie würde in erster Linie dazu dienen, denjenigen Tatsachenstoff in den Prozess einzuführen, dessen Vortrag der Beklagten oblegen hatte. Denn die Beklagte hat überhaupt keine konkreten Tatsachen - schon gar nicht Abbildungen oder Zeichnungen - dargelegt, die dem Gericht die Beurteilung des angeblich vorbekannten Formenschatzes ermöglicht hätten. Auch ihr Hinweis darauf, dass entsprechende Formen seinerzeit "allgemein bekannt" gewesen seien, enthebt die Beklagte nicht von der Notwendigkeit substantiierter Darlegungen.

Allerdings hatte sich auch das Landgericht in seinem Urteil vom 13.11.2001 zur Begründung seiner klagabweisenden Entscheidung, auf "Erfahrungen" berufen, die bereits im Jahr 1972 "zum technischen Gemeingut" gehört hätten und seinerzeit "bekannt" oder gar "bereits in den 60er Jahren weit verbreitet" bzw. "lange vorbekannt" gewesen seien, weswegen nicht von einer urheberrechtsschutzfähigen Leistung gesprochen werden könne. Das Landgericht legt in seiner Entscheidung jedoch ebenfalls weder offen, auf welche konkreten Formen und Gestaltungen es sich hierbei bezieht noch lässt es erkennen, auf welche prozessual verwertbare Weise es diese Erkenntnisse erlangt hat. Selbst man davon ausgeht, das Landgericht habe diese Umstände i.S.v. § 291 ZPO als offen- oder gerichtskundig behandeln wollen, kann dies die getroffenen Feststellungen nicht rechtfertigen. Denn hierzu hätte das Landgericht die zur Verwertung vorgesehenen Tatsachen den Parteien vor der Entscheidung so konkret bezeichnen müssen, dass insbesondere die Klägerin unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs hätte Stellung nehmen und gegebenenfalls weitere Erkundigungen einholen können. Denn sie hatte die ganz besondere, "einmalige" ästhetische Wirkung ihres Sitzmöbels stets betont. Es lässt sich weder dem Sitzungsprotokoll noch der angefochtenen Entscheidung entnehmen, dass das Landgericht in dieser Weise verfahren ist. Die Klägerin hatte in der Berufungsschrift demgemäß ausdrücklich beanstandet, das Landgericht habe die Quelle seiner Erkenntnisse nicht offengelegt. Im übrigen - und hierauf kommt es entscheidend an macht die Gerichts- bzw. Offenkundigkeit einer Tatsache gem. § 291 ZPO allenfalls deren Beweis überflüssig. Sie enthebt die beweisbelastete Partei im Rahmen streitiger und - wie hier komplexer Tatsachenfragen im technisch/ästhetischen Bereich jedoch nicht des ihr obliegenden substantiierten Sachvortrags. Schließlich kann selbst der erkennende Senat, der sich intensiv mit der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Kinderhochstühlen befasst hat, nicht verlässlich beurteilen, auf welche konkreten Modelle und Gestaltungsformen sich das Landgericht in seinem Urteil bezieht. Deshalb spricht nichts dafür, dass die streitigen Tatsachen geeignet waren, in rechtlich unbedenklicher Weise als offen- bzw. gerichtskundig behandelt zu werden.

b. Der dem T-T-Stuhl ähnliche Stuhl H M stellt sich nicht als Gegenstand eines eigenständigen Schaffensprozesses unter zulässiger Verwendung von vorbekannten Gestaltungsmustern bzw. als freie Benutzung des T-T-Stuhls i.S.v. § 24 Abs. 1 UrhG, sondern als dessen unfreie Bearbeitung i.S.d. § 23 Satz 1 UrhG dar. Damit hat die Beklagte rechtswidrig ohne Einwilligung des Urhebers P.O. bzw. der Klägerin in urheberrechtlich geschützte Rechtspositionen (§§ 12, 15 Abs. 1 UrhG) eingegriffen. Auch diese Frage vermag der Senat ohne die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus eigener Sachkunde zu beantworten. Hierzu hatte der 3. Senat ebenfalls in dem Parallelverfahren 3 U 115/99 Ausführungen gemacht, die gleichermaßen für das vorliegende Verfahren Geltung zu beanspruchen haben:

"aa. Eine Urheberrechtsverletzung ist mit der Nachbildung der konkreten Formen gegeben, in denen die ästhetische Wertung ihre Grundlage hat und auf denen daher der Urheberrechtsschutz beruht (vgl. BGH GRUR 1974, 740, 741 - Sessel). Unzulässig ist deshalb die Nachahmung derjenigen künstlerischen Züge, die dem Werk insgesamt seine schutzfähige eigenpersönliche Prägung verleihen (BGH GRUR 1981, 820, 823 - Stahlrohrstuhl II). Ein unzulässiger Eingriff in das Urheberrecht an einem Werk der bildenden Kunst liegt nicht nur dann vor, wenn eine gegenständlich völlig übereinstimmende Nachbildung des Schutzobjekts versucht worden ist, sondern bereits dann, wenn wesentliche künstlerische Züge, die dem Werk seine schutzfähige individuelle Prägung verleihen, wiederkehren, mag auch der Nachahmer sich bemüht haben, durch abweichende Elemente die Abhängigkeit von dem unfrei benutzten Werk zu verschleiern (BGH GRUR 1961, 635, 638- Stahlrohrstuhl). Wenn im wesentlichen die gleichen Formelemente, in denen die künstlerische Gestaltungskraft des Schöpfers des Vorbildes zum Ausdruck kommt, benutzt werden, kann die Feststellung der Übereinstimmung der angegriffenen Verletzungsform mit dem wesentlichen künstlerischen Gehalt des urheberrechtlich geschützten Werkes nicht durch einen Hinweis auf die Abweichungen erschüttert werden (vgl. BGH a.a.O. Stahlrohrstuhl). Eine zulässige freie Benutzung nach § 24 UrhG ist hingegen dann gegeben, wenn ein genügender Abstand zu den eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes eingehalten wird, so dass angesichts der Eigentümlichkeit des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen (Fromm/Nordemann-Vinck, UrhG, § 24 Rdn. 2). Die Frage, wie weit die Abweichung von dem Werk gehen muss, um den Schutzbereich des Urheberrechts zu verlassen, hängt davon ab, wie ausgeprägt die im Werk zum Ausdruck gekommene künstlerische Schöpfung ist (BGH a.a.O. - Stahlrohrstuhl).

bb.Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass eine Verletzung der Rechte des Urhebers des T-T-Stuhl nur in der unfreien Übernahme solcher Gestaltungsmittel liegen kann, die ihrerseits den Werkschutz als persönliche geistige Schöpfung begründen. Technische Notwendigkeiten haben dabei ebenso unberücksichtigt zu bleiben wie die Verwendung von Elementen, die schon bei Schaffung des (angeblich) verletzten Werks dem vorbekannten Formenschatz zurechnen waren."

cc.Unter Zugrundelegung dieser allgemeinen Kriterien für das Vorliegen einer Urheberrechtsverletzung ist im vorliegenden Fall - abweichend von der Auffassung des Landgerichts - ohne weiteres von einer Rechtsverletzung durch den H M-Stuhl auszugehen. Obwohl es sich bei dem H M nicht um eine Identverletzung handelt und der Schutzbereich bei Zuerkennung eines Urheberrechts für funktionale Gebrauchsgegenstände als Werke der angewandten Kunst eher eng zu bemessen ist, stellt sich das Verletzungsobjekt für den Betrachter erkennbar als Imitat des geschützten Werks dar. Da die Beklagte keine einzige Entgegenhaltung aus dem vorbekannten Formenschatz hinreichend substantiiert vorgetragen hat, ist jedenfalls für diesen Rechtsstreit davon auszugehen, dass der gesamte künstlerische Eindruck des T-T-Stuhls in allen seinen wesentlichen Gestaltungsmerkmalen Ergebnis der eigenpersönlichen Schöpfung von P.O. ist, und zwar sowohl hinsichtlich des Gesamteindrucks als auch bezüglich der einzelnen Gestaltungselemente. Durch die Übernahme zahlreicher markanter Gestaltungsmerkmale des T-T-Stuhls nähert sich der H M-Stuhl diesem in so hohem Maße an, dass der für eine freie Benutzung erforderliche Abstand deutlich unterschritten ist und der Betrachter in dem H M ohne weiteres das geschützte Werk erkennt, selbst wenn der Verkehr beide Möbelstücke wegen der abweichenden Form der Kufen bzw. Beine möglicherweise nicht unmittelbar miteinander verwechselt.

aaa. Die Beklagte hat der Gestaltung des T-T-Stuhl keine einzige Gestaltung aus dem vorbekannten Formenschatz in prozessordnungemäßer Weise entgegen zu halten vermocht, so dass der Senat für die Entscheidung dieses Rechtsstreits davon auszugehen hat, dass der T-T-Stuhl von P.O. vollkommen eigenständig und ohne rechtlich relevanten Rückgriff auf bekannte Formen geschaffen worden ist.

(1)Soweit die Beklagte mit dem Landgericht bestimmte Formelemente als "allgemein bekannt" behandelt hat, sind diese nicht in prozessordnungsgemäßer Weise in den Rechtsstreit eingeführt worden. Insoweit verweist der Senat auf seine Ausführungen oben unter Ziff. 1.a.bb.bbb. Entsprechendes gilt für die Berücksichtigung der sich aus den Stuhlmodellen der Firmen b. und H. ergebenden Formen.

(2)Die pauschale Bezugnahme der Beklagten in der Senatssitzung vom 26.06.2002 auf den gesamten Sachvortrag aus der Entscheidung des 3. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 01.11.01 in der Sache 3 U 115/99, insbesondere auf den aus diesem Urteil ersichtlichen vorbekannten Stand der Technik, ist ebenfalls nicht prozessordnungsgemäß erfolgt und kann demgemäß keine Berücksichtigung finden.

Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausgeht, dass die Klägerin (und deren Rechtsvertreter) den seinerzeit streitgegenständlichen Sachverhalt kennen, sich der 5. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts die beim 3. Zivilsenat desselben Gerichts vorhandenen Erkenntnisse zurechnen lassen muss und ein allgemeiner Hinweis auf nicht zur Akte eingereichte Unterlagen überhaupt rechtliche Beachtung beanspruchen kann, war die Bezugnahme der Beklagten in zweiter Instanz unmittelbar vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung unter Berücksichtigung der konkreten Sachverhaltsgestaltung so pauschal, dass sie sich für die Klägerin als nicht einlassungsfähig darstellte. Denn die Beklagte hat sich nicht dazu erklärt, auf welche konkreten Entgegenhaltungen sie sich hinsichtlich welcher bestimmten Formgebung des T-T-Stuhls beziehen wollte. Für die Klägerin war ebenfalls nicht zu beurteilen, ob sich die Bezugnahme der Beklagten ausschließlich auf die Schöpfungshöhe des Werks oder die Rechtsverletzung durch den Verletzungsgegenstand (oder beides) beziehen sollte. Angesichts der Vielzahl der in dem Verfahren 3 U 115/99 abgehandelten Entgegenhaltungen war eine nähere Präzisierung auch keineswegs entbehrlich. Denn der hier streitgegenständliche Stuhl H M unterscheidet sich in seiner äußeren Gestalt von dem dort streitgegenständlichen A-Stuhl schon dadurch, dass der A-Stuhl - wie der T-T-Stuhl - auf Kufen steht, der H M hingegen nicht. Da sich wiederum ein Teil der Entgegenhaltungen in dem Rechtsstreit 3 U 115/99 auf die Vorbekanntheit der Kufengestaltung bezog (z.B. die Stühle von E und A), lag auf der Hand, dass eine unmittelbare Übertragung der Einwendungen des Parallelverfahrens auf den vorliegenden Rechtsstreit schon aus der Natur der Sache nicht möglich war. Vielmehr bedurfte es für eine wirksame Bezugnahme - sofern man diese in der vorgenommenen Art und Weise überhaupt für prozessual zulässig erachtet - zumindest der Eingrenzung, Beschränkung und Umsetzung der Entgegenhaltungen auf die veränderte Sachverhaltsgestaltung des vorliegenden Rechtsstreits. Dies hat die Beklagte mit ihrer pauschalen Bezugnahme nicht getan. Es war auch weder Aufgabe der Klägerin noch des Gerichts, sich in eigener Verantwortung aus dem Streitstand des Verfahrens 3 U 115/99 diejenigen Aspekte herauszusuchen, die die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit als für sich günstig geltend machen könnte. Deshalb hätte es selbst bei Zulässigkeit der pauschalen Bezugnahme - auch angesichts der Erklärungspflicht aus § 138 Abs. ZPO zunächst einer näheren (schriftsätzlichen) Darlegung der Beklagten bedurft, in welchem Umfang und mit welcher konkreten Zielrichtung sie die Entgegenhaltungen aus dem Rechtsstreit 3 U 115/99 für sich nutzbar machen wollte. Erst hierdurch wäre die Klägerin in die Lage versetzt worden, auf den Sachvortrag der Beklagten konkret zu erwidern, wozu ihr der Senat schriftsätzlich Gelegenheit zu geben gehabt hätte. Hierdurch wäre der Rechtsstreit i.S.v. §§ 527, 296 Abs. 1 ZPO erheblich verzögert worden. Insbesondere hätte die Verspätung nicht durch die Gewährung eines Schriftsatznachlasses für die Klägerin gem. § 283 ZPO vermieden werden können. Denn die Beklagte hätte - wie dargelegt - zunächst ihr Vorbringen konkretisieren müssen, bevor die Klägerin hierzu hätte Stellung nehmen können. Da eine solche Konkretisierung wegen der Komplexität des Sachverhalts und erforderlicher Rückfragen bei der Partei erkennbar nicht unmittelbar in der Senatssitzung am 26.06.02 erfolgen konnte, wäre eine Vertagung erforderlich gewesen, um der Beklagten Gelegenheit zu schriftsätzlicher Stellungnahme zu geben. Hierdurch hätte sich der entscheidungsreife Rechtsstreit nicht unerheblich verzögert. Diese Verzögerung beruhte zudem auf einer Nachlässigkeit der Beklagten. Die Klägerin hatte bereits in der Berufungsbegründung vom 20.02.2002 auf das Urteil des 3. Zivilsenats in der Sache 3 U 115/99 hingewiesen. Selbst wenn sie dieses nicht als Anlage in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt hat, war es der Beklagten ohne weiteres möglich, sich das Urteil anhand des Aktenzeichens und des Entscheidungsdatums über das Gericht zugänglich zu machen, zumal die Entscheidung auch mindestens in einer Fachzeitschrift veröffentlicht ist (ZUMRD 02, 181 ff). Wollte die Beklagte von eigenen substantiierten Darlegungen absehen und sich statt dessen auf eine bereits ergangene gerichtliche Entscheidung beziehen, so hätte sie ihrer Prozessförderungspflicht nur dadurch Genüge tun können, dass sie diese Bezugnahme so rechtzeitig vor dem Senatstermin ankündigte, dass ihr vor diesem Termin gegebenenfalls noch eine entsprechende Konkretisierungsauflage hätte erteilt werden können, selbst wenn die Erwiderung der Klägerin im Wege des Schriftsatznachlasses zu erfolgen gehabt hätte. Indem die Beklagte gegen diese Obliegenheiten verstoßen hat, stellt sich ihre erst am 26.06.2002 zu Protokoll der Senatssitzung erklärte Bezugnahme als verspätet dar und ist deshalb - selbst wenn sie im Grundsatz prozessordnungsgemäß zulässig gewesen sein sollte zurückzuweisen. Eines vorherigen gerichtlichen Hinweises des Senats zu den Substantiierungsobliegenheiten bedurfte es nicht, denn bereits die Klägerin hatte mit der Berufungsschrift unmissverständlich und zutreffend darauf hingewiesen, dass die Behandlung des angeblich vorbekannten Formenschatzes durch die Beklagte und - ihr folgend - durch das Landgericht unzureichend war. Die Beklagte hatte damit nicht nur Gelegenheit, sondern auch alle Veranlassung ihren Prozessvortrag im Hinblick hierauf zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.

bbb. Für die Beurteilung der Rechtsverletzung selbst ist von dem in der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz auszugehen, dass für die Frage, ob eine (unfreie) Bearbeitung oder eine (freie) Benutzung vorliegt, die Übereinstimmungen, nicht die Verschiedenheiten maßgeblich sind (BGH GRUR 94, 191, 193 Asterix-Persiflagen; BGH GRUR 94, 206, 208 - Alcolix), denn der Verkehr richtet sein Augenmerk in der Regel mehr auf Übereinstimmungen als auf abweichende Merkmale (Fromm/NordemannVinck, a.a.O., Rdn. 4). Diese Grundsätze gelten entsprechend auch für solche Fälle, in denen das neue Produkt keine Werkqualität i.S.v. §§ 2 Abs. 2, 24 UrhG besitzt, weil ihm die erforderliche Gestaltungshöhe fehlt. Diese Übereinstimmungen sind hier so groß, dass der Verkehr in der Verletzungsform das geschützte Werk von P.O. als solches wiedererkennt.

(1)Die für den T-T-Stuhl typischen und bei der Frage der Urheberrechtsfähigkeit im Einzelnen beschriebenen Gestaltungsmerkmale der Parallelität und Dualität finden sich in dem Stuhl H M nahezu vollkommen und bis in kleinste Details wieder. Die Beklagte hat den T-T-Stuhl in seinen markanten Ausprägungen erkennbar kopiert. Insbesondere übernimmt der H M praktisch ohne Veränderungen die "verblüffende Schlichtheit", die dem T-T-Stuhl sein besonderes Gepräge gibt, und ihn nicht nur in technischer, sondern vor allem in ästhetischer Hinsicht von allen anderen Kinderhochstühlen und vielen anderen Sitzmöbeln abhebt. Dies gilt weiterhin etwa für die markante "Treppchenoptik" von Sitzfläche und Fußablage (und deren Größenverhältnisse zueinander), die Form von Seitenholmen und Stützstreben sowie die Ausformung der Rückenlehne und die Gestaltung des Sturzbügels, der auch hier wie aus der Rückenlehne "herausgeschnitten" und als Gegenpol in die Gegenrichtung geformt wirkt. Die einheitlich helle "Holzoptik", die dem T-T-Stuhl ein natürliches, weitgehend von künstlichen Materialien freies und damit "kindgerechtes" sowie - trotz der modernen Formgebung - in gewissem Sinne "nostalgisch" wirkendes Aussehen mit erheblichem Identifikationswert verleiht, findet sich im H M unverändert wieder. Gleiches gilt für den besonderen - auch optischen - "Pfiff" des T-T-Stuhls, nämlich die Möglichkeit des einfachen Verschiebens schlichter Bretter in eine Vielzahl gleichmäßig beabstandeter Nuten. Dieser ist ebenfalls vollständig verwirklicht. Da der Senat bei dieser Betrachtung davon auszugehen hat, dass der Schöpfer des T-T-Stuhls weder im Gesamteindruck noch in seinen prägenden Einzelelemente auf vorbekannte Formen zurückgegriffen hat, stellt sich angesichts der Vielfalt der möglichen Formgebungen die Übereinstimmung der beiden Stuhlmodelle im konkreten Fall selbst dann als umfassend und offensichtlich dar, wenn bei Berücksichtigung vorbekannter Formen möglicherweise ein anderes Ergebnis gerechtfertigt wäre. Denn diese Frage beeinflusst in maßgeblicher Weise den der Verletzungsprüfung zugrunde zu legenden Schutzbereich des Werks. Während sich bei der Verwendung vorbekannter Formengestaltung gerade bei Gebrauchsgegenständen wie Sitzmöbeln nur ein enger Schutzbereich rechtfertigt, ist der Schutzumfang dann erheblich weiter zu spannen, wenn sich das Werk - wie hier - in allen seinen Gestaltungselementen als originäre persönliche Schöpfung ohne Rückgriff auf bekanntes Formengut präsentiert. In einem solchen Fall stellt sich die schöpferische Kraft des Werkurhebers gegenüber demjenigen, der in erster Linie bekannte Formen zu einem neuen Ganzen zusammenfügt, als deutlich überragend dar. Dies hat zur Folge, dass der Nachahmer mit seiner Anlehnung einen wesentlich größeren Abstand einzuhalten hat, wenn er eine Kollision mit dem urheberrechtlich geschützten Werk vermeiden will. Ohne Berücksichtigung vorbekannter Formelemente erstreckt sich der Schutz gleichermaßen auf die künstlerische Ausdrucksform des Gesamtwerks und seiner Einzelteile, wobei Abweichungen im Detail ein weit geringeres Gewicht zukommt, als dies bei dem Hinzuziehen des vorbekannten Formenschatzes der Fall ist. Unter Zugrundelegung dieser Kriterien stellt sich der H M nach Auffassung der Senats angesichts der beschriebenen Übereinstimmungen ohne weiteres als unfreie und damit ohne Einwilligung der Klägerin rechtsverletzende Bearbeitung des T-T-Stuhls dar.

(2)Soweit die Beklagte auf eine Reihe von Abweichungen im Detail zwischen dem H M und dem T-T-Stuhl hinweist, wirken sich diese nicht wesentlich im optischen Gesamteindruck der Möbelstücke aus. Der kunstinteressierte Betrachter wird sich nicht daran orientieren, ob der Stuhl über 14 oder 11 Nuten verfügt, so lange die Vielzahl und Anordnung der Aussparungen wie hier - einen übereinstimmenden ästhetischen Eindruck vermittelt. Auch die Holzart der Rückenlehne, die Stärke der Holme, die Farbe der Imbusschrauben und die exakte Ausformung der Rundungen an der Rückseite von Sitzfläche und Fußstütze usw. sind für den Gesamteindruck "nebensächliche" Details, die dem kunstinteressierten Betrachter zwar möglicherweise auffallen, denen er für den schöpferischen Eindruck aber keine Bedeutung beimisst. Sofern er diese Abweichungen vom T-T-Stuhl überhaupt bemerkt, wird er sie als das verstehen, was sie sind: als das Bemühen um eine "gewollte" leichte Abwandlung durch Veränderungen im Detail, die aber den imitierten Gesamteindruck nicht stören sollen, damit die erwünschte assoziative Verbindung zu der Original-Vorlage erhalten bleibt. Derartigen Abweichungen mag dann eine stärkere Bedeutung für die Frage der Rechtsverletzung zukommen, wenn andere - markante Gestaltungsmerkmale der Vorlage durch vorbekannte Formen zum Teil vorweggenommen sind und deshalb den Gesamteindruck allein nicht wesentlich prägen können. So liegt der Sachverhalt hier aus den genannten Gründen aber gerade nicht.

(3)Allerdings fehlt dem H M die markante "L"-Form der parallelen Seitenstreben, durch die das geschützte Werk, der T-T-Stuhl maßgeblich, jedoch nicht ausschließlich geprägt wird. Selbst wenn diese Formabweichung dem Betrachter sofort ins Auge fällt und er den Unterschied beider Sitzmöbel erkennt, führt dies die Beklagte nicht aus dem Verletzungsbereich heraus. Denn die übrigen Übereinstimmungen mit den unverwechselbaren Gestaltungsmerkmalen des T-T-Stuhls sind so erheblich, dass der Betrachter - der davon auszugehen hat, dass der T-T-Stuhl auch in seinen Einzelelementen ohne jede Vorlage geschaffen worden ist - den H M zwangsläufig als eine Abwandlung, etwa als eine "gestalterische Variante" des T-T-Stuhls ansehen wird, bei der auf Kosten einer gewissen Originalität eine abweichende Standkonstruktion gewählt worden ist, ohne dass das Werk hierdurch sein unverwechselbares Gepräge verloren hat. Denn auch ohne die vollständige Verwirklichung der "L"-Form bleibt der wesentliche gestalterische Ausdruck des T-T-Stuhls unverkennbar. Löst der Betrachter vor seinem geistigen Auge die Befestigungsschrauben der hinteren Stützholme oberhalb der Sitzfläche und versetzt er diese Befestigungspunkte an das untere Ende der vorderen Stützholme, so ist die für den T-T-Stuhl typische "L"-Form (mit verlängerten Kufen) letztlich "im Handumdrehen" wieder hergestellt. Der kunstinteressierte Betrachter erkennt ohne weiteres, dass der H M in diesem Sinne praktisch durch eine einfache Verschiebung seiner Stützelemente aus dem T-T-Stuhl hervorgegangen ist und sich - in seinem künstlerischen Gesamteindruck, nicht in seiner technischen Standfestigkeit - ohne weiteres wieder in diesen zurückverwandeln lässt. Zudem übernimmt der H M mit der schwarzen Metallverstrebung zwischen den beiden vorderen Seitenholmen im unteren Bereich und der Holzverstrebung zwischen den beiden hinteren Stützholmen wiederum typische Merkmale des T-T-Stuhls, die gerade in diesem Bereich trotz der fehlenden "L"-Optik die Erinnerung an diesen aufrecht erhalten, ohne dass die genannten Merkmale in ihrer konkreten ästhetischen Ausgestaltung technisch vorgegeben sind.

2. Als Folge dieser Rechtsverletzung ist die Beklagte der Klägerin zu Auskunftserteilung, Schadensersatz und Kostenerstattung verpflichtet.

a. Unterlassungsansprüche aus § 97 Abs. 1 UrhG macht die Klägerin in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht geltend. Soweit die Beklagte ihre vorprozessuale Verpflichtungserklärung offenbar unbeabsichtigt auf eine Selbstverständlichkeit, nämlich den Nachbau des T-T-Stuhls gerichtet hatte, ist dieser Mangel bereits in erster Instanz zu Protokoll des Landgerichts durch eine entsprechend modifizierte strafbewehrte Erklärung behoben worden, durch die die Klägerin insoweit klaglos gestellt ist.

b. Der im Rahmen dieses Rechtsstreits verfolgte Auskunftsanspruch rechtfertigt sich in dem geltend gemachten Umfang aus §§ 101a UrhG i.V.m. § 242 BGB, denn die Klägerin ist in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang ihres Rechts im Ungewissen, während die Beklagte als Verpflichtete unschwer zur Auskunftserteilung in der Lage ist (vgl. BGH GRUR 01, 841, 842 Entfernung der Herstellungsnummer II; BGHZ 10, 385, 387). Der Auskunftsanspruch ist auch nicht teilweise vorprozessual von der Beklagten bereits erfüllt worden. Zwar hatte sich die Beklagte in ihrer Unterwerfungserklärung vom 19.03.2001 (Anlage K11) ohne nähere Konkretisierung zur Auskunft verpflichtet und ihre Bereitschaft zur Einsichtgewährung in ihre Geschäftsunterlagen unter einen Wirtschaftsprüfervorbehalt gestellt. Diese Verpflichtung bezog sich aber ausdrücklich - und nur - auf die "Wettbewerbshandlungen gemäß vorstehend Ziffer 1". Da die damit in Bezug genommenen Unterwerfungserklärung zur Befriedigung der Klägerin untauglich war (da sie nur den Nachbau des T-T-Stuhls selbst und nicht des Stuhls H M betraf) und die Beklagte ihre Auskunftsverpflichtung im Zuge mit der veränderten Unterwerfungserklärung zu Protokoll des Landgerichts nicht entsprechend angepasst hat, ist der Auskunftsanspruch der Klägerin bislang auch nicht zum Teil durch eine entsprechende Verpflichtungsübernahme erfüllt worden.

c. Gem. § 97 Abs. 1 UrhG hat die Beklagte der Klägerin weiterhin den durch die Rechtsverletzung entstandenen und zukünftig entstehenden Schaden zu ersetzen. Da die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch vor einer Auskunftserteilung über den Umfang der Verletzungshandlungen weitgehend noch nicht beziffern kann, liegen die Voraussetzungen für einen auf die Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Antrag vor. Nach der Lebenserfahrung ist der Eintritt eines solchen Schadens in der Zukunft mit einiger Sicherheit zu erwarten ist; einer hohen Wahrscheinlichkeit dafür bedarf es nicht (vgl. BGH GRUR 00, 907, 911 - Filialleiterfehler; BGH GRUR 95, 744 - Feuer, Eis & Dynamit).

d. Bezifferbar ist der Schaden der Klägerin nur hinsichtlich der von ihr vorprozessual aufgewandten Rechtsanwaltskosten. Diese hat die Klägerin auf der Grundlage einer 7,5/10 Gebühr nach § 118 Abs. 1 Satz 1 BRAGO auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von DM 500.000.- mit DM 3.208,80 berechnet. Dieser Anspruch steht ihr allerdings nicht in voller Höhe zu. Denn die Klägerin hatte vorprozessual Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht, von denen sich nur der Unterlassungsanspruch außergerichtlich erledigt hatte. Die geltend gemachten Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche sind Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits geworden, so dass die vorgerichtlichen Aufwendungen der Klägerin insoweit Gegenstand der Kosten des Rechtsstreits sind (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BRAGO). Im Verhältnis zu dem angenommenen Gesamtgegenstandswert von DM 500.000.- bemisst der Senat den Wert der Auskunfts- und Schadensersatzansprüche wie die Klägerin mit insgesamt DM 100.000.-, so dass die Beklagte der Klägerin unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 683, 677 BGB vorgerichtliche Anwaltskosten nur nach einem Gegenstandswert von DM 400.000.- schuldet. Danach ergibt sich ein Betrag von DM 2.833,80, zu dessen Erstattung die Beklagte unter Einschluss der geforderten Zinsen verpflichtet ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die Zuvielforderung hinsichtlich der vorprozessualen Anwaltskosten war geringfügig und hat keine Mehrkosten verursacht, so dass es dem Senat gerechtfertigt erscheint, der Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Schuldnerschutz gem. § 712 ZPO liegen nicht vor. Die Beklagte hat ihren diesbezüglichen Antrag nicht nachvollziehbar begründet, insbesondere nicht dargelegt, welche "nicht zu ersetzenden Nachteile" ihm im Falle einer Vollstreckung drohen.

Der vorliegende Rechtsstreit bietet dem Senat entgegen den insoweit übereinstimmenden Parteianträgen keine Veranlassung, gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. Denn der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern beschränkt sich auf die Anwendung feststehender Rechtsgrundsätze auf den konkreten Einzelfall. Einer Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf es auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Ende der Entscheidung

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