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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 02.10.2002
Aktenzeichen: 5 U 43/02
Rechtsgebiete: UWG, GG
Vorschriften:
UWG § 1 | |
UWG § 3 | |
GG Art. 2 | |
GG Art. 5 |
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
In dem Rechtsstreit
Verkündet am: 02.10.2002
hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter
Gärtner, Rieger, Dr. Koch
nach der am 18.09.2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 7 für Handelssachen, vom 29.01.2002 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und beschlossen:
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf € 250.000.- festgesetzt.
Tatbestand:
Die Antragstellerin und das Unternehmen e., um deren Geschäftsführer es sich bei den Antragsgegnern handelt, sind Wettbewerber im Handel mit Elektroartikeln. e. wickelt ihr Geschäft ganz überwiegend oder ausschließlich über das Internet ab.
Am 03.12.2001 war auf einer Internet-Seite dieses Unternehmens folgende Pressemeldung veröffentlicht:
"E., der Aschaffenburger Internet-Shop für Unterhaltungselektronik, Car HiFi und Navigationssysteme, Haushaltsgeräte und Telekommunikations-Einrichtungen unterstützt ab sofort die UNICEF-Aktion "Bringt die Kinder durch den Winter". Für jeden eingehenden Auftrag wird das Unternehmen in den nächsten Monaten einen festen Betrag an die internationale Hilfsorganisation überweisen.
Die im Oktober ins Leben gerufene Aktion wird in Deutschland u.a. von Ministerpräsidentin Heide S, dem Literaturnobelpreisträger Günter G und der UNICEF-Botschafterin Sabine Ch unterstützt. "Es ist unerträglich, wie in Afghanistan ein ganzes Volk Opfer politischer und fanatischer Gewalt geworden ist. Gemeinsam mit UNICEF rufen wird deshalb in Deutschland zur Hilfe auf", sagte Heide S zum Start der Aktion.
"Wir wollen mit unserer Aktion UNICEF in ihren Bemühungen unterstützen, die Versorgung vor allem der Kinder zu sichern, die besonders unter den derzeit herrschenden Bedingungen zu leiden haben", begründet e. Geschäftsführer L.K. die Initiative seines Hauses, die zunächst bei zum Frühjahr nächsten Jahres geplant ist.
e. wird außerdem auf seiner Homepage das UNICEF-Logo mit einem ausführlichen Hinweis auf die Aktion platzieren."
Diese Darstellung beanstandet die Antragstellerin als wettbewerbswidrig.
Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 29.01.2002 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Inhalt, den Antragsgegnern bei Vermeidung der üblichen Ordnungsmittel zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken mit der Behauptung zu werben, man werde für jeden eingehenden Auftrag einen festen Betrag an eine Hilfsorganisation wie z.B. UNICEF überweisen, unter dem Gesichtspunkt der missbräuchlichen Rechtsverfolgung i.S.v. § 13 Abs. 5 UWG zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Antragstellerin.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist unbegründet. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Verbotsanspruch nicht zu.
I.
Dabei bedarf es im vorliegenden Rechtsstreit keiner Entscheidung, ob der Verfügungsantrag - wie es das Landgericht gesehen hat - vor allem im Hinblick auf die erst nach Antragstellung ergangene BGH-Entscheidung "Missbräuchliche Mehrfachabmahnung" (BGH WRP 02, 320 ff - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung) im Sinne von § 13 Abs. 5 UWG rechtsmissbräuchlich verfolgt wird und deshalb bereits unzulässig ist. Denn der gestellte Antrag ist in der Sache selbst unbegründet und schon deshalb abzuweisen.
Die Frage, ob eine Klage wegen Rechtsmissbrauchs nach § 13 Abs. 5 UWG abzuweisen ist, kann - obwohl eine Frage der Zulässigkeit - nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dahinstehen, wenn der Antrag jedenfalls unbegründet ist. Denn der Gesetzeszweck des § 13 Abs. 5 UWG, Betroffene und Gerichte vor der Belastung durch missbräuchlich geltend gemachte Unterlassungsansprüche zu schützen, würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift auch dann - gegebenenfalls unter aufwendiger Erhebung von Beweisen - geprüft werden müssten, wenn bereits die Rechtsprüfung ergibt, dass die Klage unbegründet ist (BGH GRUR 99,509 - Vorratslücken).
II.
Die von der Antragstellerin beanstandete Pressemeldung der e., für die die Antragsgegner als Geschäftsführer einzustehen hätten, ist weder unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen gefühlsbetonten Werbung bzw. eines wettbewerbswidrigen Vorspann- oder Kopplungsangebots (§ 1 UWG) noch als irreführenden Werbung (§ 3 UWG) zu beanstanden. Zumindest hat die Antragstellerin die insoweit erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht dargelegt.
1. Die Antragstellerin hat im Ausgangspunkt zutreffend auf die Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung hingewiesen, nach der eine Werbung, durch die an die Gefühle des Umworbenen, hier an seine soziale Hilfsbereitschaft, appelliert wird, nicht in jedem Falle wettbewerbswidrig ist. Es gehört zum Bild der modernen Werbung, bei dem Umworbenen auf die unterschiedlichste Weise auch auf seine Gefühlsregungen einzuwirken, um ihn so zu einem Erwerb der angebotenen Ware zu veranlassen. Nicht jedes bloße Ansprechen von Gefühlsregungen des Umworbenen kann daher als wettbewerbswidrig angesehen werden.
a. Bei der Erweckung des Kaufinteresses aus sozialem Verantwortungsgefühl, Hilfsbereitschaft oder Mitleid ist die Wettbewerbswidrigkeit nach ständiger Rechtsprechung des BGH allerdings dann zu bejahen, wenn ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem in der Werbung angesprochenen sozialen Engagement und der beworbenen Ware nicht besteht, wenn vielmehr zielbewusst und planmäßig an die soziale Hilfsbereitschaft appelliert wird, um diese im eigenen wirtschaftlichen Interesse als entscheidende Kaufmotivation auszunutzen (vgl. BGH GRUR 1976, 308, 309 f. UNICEF-Grußkarten; BGH GRUR 1987, 534, 535 - McHappy-Tag; BGHZ 112, 311, 314 - Biowerbung mit Fahrpreiserstattung; BGH GRUR 1991, 545 - Tageseinnahme für Mitarbeiter). Es kommt also darauf an, ob der Kunde durch seine Entschließung unter Ausnutzung seiner Gefühle in einer dem Leitbild des Leistungswettbewerbs widersprechenden Weise unsachlich beeinflusst wird (BGH GRUR 95, 742 ff - Arbeitsplätze bei uns).
b. Diese Rechtsgrundsätze haben in der Folgezeit aber von Verfassungs wegen eine weitere Konkretisierung erfahren. Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2002 in seiner Entscheidung "Tierfreundliche Mode" (BVerfG WRP 02, 430 ff) auf die besondere Bedeutung der nach Art. 5 GG geschützten Meinungsfreiheit auch bei der Ausfüllung wettbewerbsrechtlicher Generalklauseln, insbesondere im Rahmen von § 1 UWG hingewiesen. Die - vor allem zu § 1 UWG entwickelte - Orientierung an Fallgruppen und damit typischen Situationen der Gefährdung des Schutzgutes ist verfassungsrechtlich (nur) dann unbedenklich, wenn die betreffenden Fallgruppen den miteinander kollidierenden Positionen hinreichend Rechnung tragen. Wird ein möglicherweise wettbewerbswidriges Verhalten im Sinne von § 1 UWG in einer Meinungsäußerung gesehen, ist die Meinungsfreiheit bei der Prüfung des Verstoßes gegen die guten Sitten im geschäftlichen Verkehr und der sich daraus ergebenden Gefährdung des Leistungswettbewerbs zu berücksichtigen. Insbesondere muss die angegriffene Äußerung nach den Umständen des Einzelfalls so schwerwiegend sein, dass eine Gefährdung des Leistungswettbewerbs besteht (BVerfG a.a.O., S. 432). Dabei genügt es zum Beleg einer Gefährdung des Leistungswettbewerbs nicht, dass die Werbung bei Interessenten Motive des sozialen Engagements anspricht, wenn dies ohne Irreführung geschieht, so dass der Kaufinteressent frei entscheiden kann, ob er sich durch dieses Motiv zum Kauf anregen lassen will. Den Bürgern steht es gem. Art. 2 Abs. 1 GG frei, auf Grund welcher Motive sie am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilhaben. Dementsprechend ist es begründungsbedürftig, Werbung als sittenwidrig einzuordnen, wenn die Anbieter der Leistungen sich nicht nur auf die Angaben zu Preis und Qualität beziehen, sondern durch weitere Informationen zum Kauf motivieren zu wollen. Insofern reicht auch nicht die Feststellung, dass eine derartige Werbung vom Verbraucher als anstößig empfunden werde, ohne diese Aussage auf Anhaltspunkte einer dadurch bewirkten tatsächlichen Gefährdung des Leistungswettbewerbs aufzubauen (BVerfG a.a.O., S. 433). Auf den bisher für erforderlich gehaltenen "sachlichen Zusammenhang" zwischen dem sozialen Engagement und der beworbenen Ware hat das BVerfG insoweit nicht mehr abgestellt.
2. Vor diesem Hintergrund ist die angegriffene Pressemeldung nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin hat keine Tatsachen vorgetragen bzw. glaubhaft gemacht, die eine im Lichte der Grundrechte des Werbenden verfassungsrechtlich bedeutsame Gefährdung des Leistungswettbewerbs befürchten lassen könnten.
a. Soweit e. in der angegriffenen Internet-Pressemeldung mit ihrem Engagement für die UNICEF-Aktion "Bringt die Kinder durch den Winter" allgemein wirbt, fehlt es bereits an jedwedem Vortrag der Antragstellerin dazu, aus welchen Gründen von dieser zusätzlichen Kaufmotivation im Sinne der von dem Bundesverfassungsgericht aufgestellten Rechtsgrundsätze eine Gefährdung des Leistungswettbewerbs ausgehen soll. Hierauf kann die Antragstellerin ihren Verbotsantrag deshalb nicht stützen und will dies offenbar auch nicht.
b. Soweit sich die Antragstellerin gegen die Werbebehauptung wendet, e. werde für jeden eingehenden Auftrag einen festen Betrag an die Hilfsorganisation überweisen, gilt im Ergebnis nichts anderes. Auch ein von dieser Aussage ausgehender (zusätzlicher) Kaufanreiz ist unter Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung im Grundsatz nicht zu beanstanden, wenn und soweit diese Behauptung wahr ist. Denn die verfassungsrechtlich geschützte Entscheidungsfreiheit des Kaufinteressenten umfasst nicht nur die Frage, ob er sich überhaupt von dem sozialen Engagement eines Unternehmens motivieren lassen will, sondern auch die Ausgestaltung, wie dies geschieht. Der Umstand, dass ein bestimmtes Unternehmen einen finanziellen Beitrag zur Unterstützung eines konkreten Hilfsprojekts erbringt und diesen aus den Kundenaufträgen bzw. in einer bestimmten Relation zu diesen finanziert, kann ein gewichtiges Argument dafür sein, sich einem bestimmten Anbieter zu Lasten eines anderen zuzuwenden. Auch diese Art der Werbung ist nach dem Verständnis des Senats verfassungsrechtlich unbedenklich, soweit und so lange sie inhaltlich zutreffend ist. Insbesondere führt auch die Anwendung des von der Antragstellerin angeführten Transparenzgebots, welches der BGH in den jüngst ergangenen Entscheidungen Kopplungsangebot I und II im Rahmen einer einheitlichen (neuen) Fallgruppe missbräuchlicher Kopplungsangebote entwickelt hat, zu keinem anderen Ergebnis. Anders als in den dort zur Entscheidung stehenden Fällen, bei denen unmittelbare finanzielle Vor- bzw. Nachteile des Konsumenten in Frage standen, geht es hier schon im Ansatz nicht darum, welchen konkreten Wert der an UNICEF abzuführende Betrag hat und ob der Verbraucher diesen erkennen kann. Denn e. wirbt nicht mit einem bestimmten quantifizierbaren Versprechen, sondern lässt den genauen Umfang seiner finanziellen Unterstützung für UNICEF - die dem Käufer allenfalls mittelbar zu gute kommen bzw. über den Kaufpreis belasten - vollkommen offen. Dies erkennen die angesprochenen Verkehrskreise ohne weiteres. Deshalb ist für den Kaufentschluss des angesprochenen Käufers in diesem Fall maßgeblich, dass das werbende Unternehmen überhaupt einen nennenswerten finanziellen Beitrag an die Hilfsorganisation leistet. Dessen konkrete Höhe ist demgegenüber von der Willensbildung nicht mit umfasst und kann dies mangels entsprechender Angaben auch gar nicht sein, zumal es einen "üblichen" Spendenbeitrag jedenfalls bei dem Verkauf hochwertiger Geräte der Unterhaltungselektronik nicht gibt. Mit dem Hinweis auf einen "festen Betrag" lässt sich der Mitteilung von e. aber soviel entnehmen, dass der Hilfsbeitrag sich nicht am Verkaufspreis orientiert, sondern für jeden Artikel in gleicher Höhe abgeführt wird. Ob die Auffassung der Antragstellerin richtig ist, die meint, der Werbende müsse dem Kunden offen legen, wie hoch dieser Anteil ausfällt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Denn jedenfalls bedurfte es einer solchen zusätzlichen Information nach den Umständen des hier zur Entscheidung stehenden Falles aus den genannten Gründen nicht unaufgefordert im Rahmen einer allgemein gehaltenen Pressemeldung des Unternehmens.
c. Allerdings kann auch eine Werbung der hier angegriffenen Art dann wettbewerbswidrig sein, wenn sie i.S.v. § 3 UWG insbesondere wegen unzutreffender oder unvollständiger Angaben eine kaufrelevante Irreführung des Verkehrs bewirken kann. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn das Unternehmen - entgegen seiner Ankündigung - den Hilfsbeitrag nicht abführt oder der für jeden Artikel abgezogene finanzielle Anteil derart gering ist, dass - entgegen der hervorgerufenen berechtigten Verbrauchererwartung - hierdurch eine nennenswerte Unterstützung des sozialen Hilfszwecks nicht erreicht werden kann. Derartige Umstände hat die insoweit darlegungsverpflichtete Antragstellerin aber noch nicht einmal behauptet oder gar hierfür irgendwelche Anhaltspunkte vorgelegt. Deshalb bedarf es auch keiner Entscheidung, ob ihr insoweit nach allgemeinen Grundsätzen Darlegungs- und Beweiserleichterungen zu Gute kommen müssen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Ende der Entscheidung
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