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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 03.12.2003
Aktenzeichen: 5 U 53/03
Rechtsgebiete: UWG, GWB, BGB
Vorschriften:
UWG § 1 | |
GWB § 15 | |
GWB § 15 Abs. 3 Nr. 1 | |
GWB § 20 Abs. 1 | |
GWB § 24 | |
GWB § 33 Satz 1 | |
BGB § 134 | |
BGB § 138 | |
BGB § 242 | |
BGB § 280 Abs. 1 |
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
In dem Rechtsstreit
Verkündet am: 03. Dezember 2003
hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter Betz, Rieger, Dr. Koch nach der am 19. November 2003 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 11.03.2003 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 58.000.- abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf € 50.000.- festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Kläger ist ein Dachverband, der - weitgehend über Landesverbände - die in Deutschland im Geschäftsverkehr tätigen LOTTO-TOTO-Verkaufsstellen vertritt. In dem Verlag der Beklagten erscheinen u.a. die Zeitschriften "auf einen Blick" (Anlage K4), "tv Hören und Sehen" (Anlage K6) sowie "das neue" (Anlage K5). In der zweiten Jahreshälfte 2002 warb die Beklagte in Werbeblättern mit sog. Mini-Abos um neue Abonnenten, denen sie jeweils ein kostengünstiges Probeabonnement über einen mehrwöchigen Zeitraum sowie eine attraktive Zugabe in Aussicht stellte. Für die Zeitschrift "auf einen Blick" bot die Beklagte ein Mini-Abo über 6 Hefte mit einer Ersparnis von 50 % gegenüber dem regulären Verkaufspreis an und versprach darüber hinaus einen "tollen Rollenkoffer" als Geschenk (Anlage K10 ). Ein Mini-Abo über 6 Hefte der Zeitschrift "tv Hören und Sehen" bewarb die Beklagte mit einer Ersparnis von über 40 % und mit einem Taschenset bzw. einem Reisetrolley als Gratis-Zugabe (Anlagen K8 und K9). In entsprechender gleicher Weise bewarb sie ein Mini-Abo der Zeitschrift "das neue", allerdings mit dem Unterschied, dass insoweit als Geschenk ausschließlich der (gleiche) Trolley angeboten wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Anlagen Bezug genommen. Dieses Verhalten beanstandet der Kläger u.a. als Verstoß gegen die Preisbindung im Zeitschriftenhandel als wettbewerbswidrig.
Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 11.03.2003 unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel verpflichtet, es zu unterlassen,
1. a. Bestellern eines sog. Mini-Abos der Zeitschrift "das neue" (gebundener Preis pro Einzelheft € 1,40) ein sechswöchiges Abonnement zum Preis von € 4,90 sowie zzgl. die Gewährung eines Reisetrollyes ohne besondere Berechnung anzukündigen, so wie sich das aus der mit diesem Urteil in Kopie verbundenen Anlage A ergibt;
b. entsprechend der vorstehenden Ankündigung zu verfahren, mithin Bestellern das Mini-Abo (6 Hefte zum Preis von € 4,90) nebst dem Reisetrolley ohne besondere Berechnung zu gewähren.
2. a. Bestellern eines sog. Mini-Abos der Zeitschrift "TV Hören + Sehen" (gebundener Preis pro Einzelheft € 1,40) ein sechswöchiges Abonnement zum Preis von € 4,90 sowie zzgl. die Gewährung eines Taschensets oder Reisetrollyes ohne besondere Berechnung anzukündigen, so wie sich das aus der mit diesem Urteil in Kopie verbundenen Anlagen B + C ergibt;
b. entsprechend der vorstehenden Ankündigung zu verfahren, mithin Bestellern das Mini-Abo (6 Hefte zum Preis von € 4,90) nebst dem Taschenset oder dem Reisetrolley ohne besondere Berechnung zu gewähren.
3. a. Bestellern eines sog. Mini-Abos der Zeitschrift "auf einen Blick" (gebundener Preis pro Einzelheft € 1.-) ein sechswöchiges Abonnement zum Preis von € 3.- sowie zzgl. die Gewährung eines Reisetrollyes ohne besondere Berechnung anzukündigen, so wie sich das aus der mit diesem Urteil in Kopie verbundenen Anlage D ergibt;
b. entsprechend der vorstehenden Ankündigung zu verfahren, mithin Bestellern das Mini-Abo (6 Hefte zum Preis von € 4,90) nebst dem Reisetrolley ohne besondere Berechnung zu gewähren.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten. Sie beantragt,
das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das erstinstanzliche Urteil sowie auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Unterlassung verurteilt. Ihr Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Es gibt dem Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Anmerkungen:
1. Das beanstandete Verhalten der Beklagten ist als Verstoß gegen ihre Leistungstreue- und Rücksichtnahmepflichten gegenüber ihren jeweiligen Vertragspartnern im Vertrieb der preisgebundenen Zeitschriften "auf einen blick", "das neue" und "tv Hören und Sehen" vertragswidrig.
a. Die Beklagte ist mit den Zeitschriftenhändlern, die von ihr mit der Zeitschriften "auf einen blick", "das neue" und/oder "tv Hören und Sehen" beliefert werden, entweder unmittelbar oder mittelbar - über die Presse-Grossisten - durch eine beidseitig zu unterzeichnende, vorformulierte Verpflichtungserklärung nach der Art der Anlage K17 verbunden, mit der sich der Einzelhändler unter Androhung des Abbruchs einer Belieferung verpflichtet, die preisgebundenen Zeitschriften nur zu den jeweils aufgedruckten Endverkaufspreisen zu verkaufen. Die Verpflichtungserklärung umfasst zudem die Versicherung, dass die Preisbindung auch nicht "indirekt" verletzt werden darf. Es steht zwischen den Parteien nicht im Streit, dass die von dem Kläger vertretenen Einzelhändler durch solche oder inhaltsgleiche Erklärungen - wie sie etwa auch das "Sammelrevers 2000 für den Verkauf preisgebundener Verlagserzeugnisse in Deutschland" enthält - gebunden sind. Soweit eine solche Bindung im unmittelbaren Vertragsverhältnis gegenüber dem Presse-Grossisten besteht, sind diese gegenüber der Beklagten verpflichtet, die von ihnen belieferten Einzelhändler auf die ihnen selbst obliegende Preisbindung zu verpflichten. Diese Erklärung ergänzt bestehende Belieferungsvereinbarungen und ist damit Vertragsbestandteil.
b. Gegen die sich aus dieser vertraglichen Bindung im Rahmen von Treu und Glauben, § 242 BGB, ergebenden wechselseitigen Rücksichtnahme- und Leistungstreuepflichten verstößt die Beklagte mit der Folge, dass dem jeweiligen Vertragspartner aus ihrem Verhalten unter dem Gesichtspunkt einer positiven Forderungsverletzung bzw. einer vertraglichen Pflichtverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB (n.F.) Unterlassungsansprüche des mit dem Verfügungsantrag geltend gemachten Inhalts entstehen.
aa. Der konkreten Abonnentenwerbung liegt insoweit eine Besonderheit zugrunde, als die Beklagte den gebundenen Preis nicht schlicht unterschreitet, sondern den von ihr versprochenen Preisvorteil in die besondere Form eines "Mini-Abos" für 6 Wochen kleidet. Hiervon geht eine erhebliche Anlockwirkung aus, durch die dem Zeitschriftenhandel - im Sinne der Auffassung des Bundeskartellamtes - "in gewichtigem Umfang Zeitschriftenkunden verloren gehen" bzw. zumindest eine derartige konkrete Gefahr besteht. Denn geworben wird nicht mit den "normalen" Vorteilen eines Abonnements, bei dem der Abonnent als Gegenverpflichtung z.B. in der Regel auch eine mindest einjährige Bindung in Kauf nehmen muss. Vielmehr ebnet die Beklagte potenziellen Abonnements-Interessenten, die sich möglicherweise zu den üblichen Bedingungen bislang zu diesem Schritt noch nicht haben entschließen können und den Erwerb der Zeitschrift im Ladengeschäft vorgezogen haben, mit einer überaus attraktiven Kombination aus kurzer Laufzeit, günstigen Heftpreisen und begehrten Zusatzgeschenken den Weg in ein möglicherweise längerfristiges Abonnement hinein. Da das Probe-Abonnement mangels Kündigung stillschweigend in ein reguläres Abonnement übergeht, macht sich die Beklagte hierbei auch in gewissem Maße die "Trägheit" oder Unentschlossenheit der Zeitschrifteninteressenten zunutze, die - über ein günstiges Mini-Abo angelockt - die Kündigungsfrist vor dem Übergang in ein reguläres Abonnement versäumen oder verstreichen lassen.
bb. Ein solches Verhalten ist im Zusammenhang mit der Preisbindung nicht von vornherein als Vertragsverstoß gegenüber dem gebundenen Vertragspartner - sei es der Presse-Grossist oder ein Einzelhändler - treuwidrig. Der Bereich einer zulässigen Abonnentenwerbung wird allerdings dann verlassen, wenn der mit einem Mini-Abo verbundene Erprobungszweck erkennbar überschritten ist und sich das Verhalten als treuwidrige Umleitung von Kunden unter Umgehung des Preisgebundenen unmittelbar auf den Preisbinder darstellt. Dies ist auch so im vorliegenden Fall bei dem ausgesprochen attraktiven Angebot der Beklagten. Hierzu hat das Landgericht zutreffende Ausführungen gemacht, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nehmen kann.
aaa. Für die Beurteilung, in welchem Umfang die am Wettbewerb beteiligten Wirtschaftskreise das Versprechen besonderer - zeitlich begrenzter - Vorteile bei dem Vertrieb preisgebundener Waren als Motivation für die Gewinnung neuer Kunden selbst als (noch) zulässig ansehen, bieten die im Sinne einer Selbstbindung für unterschiedliche Geschäftszweige einvernehmlich aufgestellten "Verhaltens- und Wettbewerbsregeln" einen entscheidenden Anhaltspunkt.
(1) Die von dem Kläger als Anlage K14 vorgelegten - und bereits in Kraft befindlichen - "Wettbewerbsregeln für den Vertrieb von abonnierbaren Tages- und Wochenzeitungen" sehen in § 7 zwar ein Kurz- bzw. Probeabonnement von max. 3 Monaten mit erheblichem Preisvorteil vor. Dieser Nachlass ist aber ausdrücklich auf 35 % des Normalpreises begrenzt. Schon diesen Rahmen überschreitet die Beklagte erheblich, die selbst mit einer Ersparnis von "über 40%" bzw. sogar "50 %" allein über den (regulären) Abonnementpreis wirbt. An dieser Werbeaussage muss sich die Beklagte auch im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits festhalten lassen. Sie könnte nicht etwa mit dem Argument gehört werden, dass der Preisvorteil ihres Angebots bei einem im Regelfall erfolgenden Übergang in ein mehrjähriges Vollabonnement wesentlich darunter liege. Denn sie wirbt mit der nur kurzen Bindungsdauer und lockt gerade hierdurch Interessenten damit an. Wenn diese dann - aus welchen Gründen auch immer - in ein Vollabonnement übergehen, so vermag dieser Umstand den Umfang des in Aussicht gestellten besonderen Preisvorteils nicht zu beeinflussen. Die Auffassung der Beklagten, bei der 35 % - Grenze aus § 7 der Wettbewerbsregeln handele es sich um eine "Untergrenze des Einschreitensermessens" mag zwar kartellrechtlich zutreffend sein. Vorliegend stehen jedoch nicht Maßnahmen der Kartellaufsicht in Frage, sondern ein vertragswidriges Verhalten. Und insoweit kommt den Regelungen einer "maximalen Rabattierung von 35 %" der Charakter einer Obergrenze zulässigen Wettbewerbsverhaltens zu.
(2) Hinzu kommt in der angegriffenen Werbung noch eine weitere erhebliche Wertsteigerung durch die Gratiszugabe. Die versprochenen Gegenstände verkörpern einen erheblichen Wert und sollen sich - unbeschadet eines günstigeren Einkaufspreises für die Beklagten - in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise auch als besonders werthaltig darstellen. Zwar handelt es sich bei den vorliegend angebotenen Taschensets und Koffertrolleys - anders als in dem von dem Senat mit Urteil vom 27.02.2003 entschiedenen Rechtsstreit 5 U 85/02 (Anlage Bb2) - nicht um Markenware, sondern um namenlose Produkte. Gleichwohl beinhalten die versprochenen Geschenke aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise eine erhebliche Wertanmutung, die - gemessen an Ladenverkaufspreisen vergleichbarer Produkte - jedenfalls eine Schwelle von € 10.- übersteigt. Diese Feststellungen vermag der Senat aufgrund der eigenen Sachkunde seiner Mitglieder - die zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören - zu treffen.
(3) Die Argumentation der Beklagten, der Verkehr wisse, dass ein Wirtschaftsunternehmen "nichts zu verschenken" habe und messe deshalb den Gratiszugaben keinen besonderen Wert bei, ist in diesem Zusammenhang nicht nur widersprüchlich, sondern auch unzutreffend. Wäre sie richtig, dann stellte sich jede Werbeaktion der streitgegenständlichen Art mit einer derartigen Gratiszugabe von vornherein als untaugliches Werbemittel dar. Der Umstand, dass nicht nur die Beklagte, sondern auch andere Verlage dieses Mittel der Kundengewinnung in erheblichem Umfang offensiv einsetzen und ihre Produkte als hochwertig bewerben ("strapazierfähiges Material", "praktisch und attraktiv" usw.), zeigt eindrucksvoll, dass sie selbst durchaus von der Erwartung ausgehen, der potenzielle Kunde werde dem Versprechen eines erheblichen Werts erliegen. Die Tatsache, dass der Einstandspreis möglicherweise deutlich geringer und die Qualität der Ware schlechter ist, als dies den Anschein hat, kann in diesem Zusammenhang keine ausschlaggebende Rolle spielen. Auch der Umstand, dass ein Geschäftsmann - wie der verständige Verbraucher weiß - "nichts zu verschenken" hat, nimmt der Ankündigung der Gratis-Zugabe nicht ihre positive Wertanmutung. Denn der verständige Verbraucher weiß auch, dass viele Unternehmen wertvolle "Lockangebote" in der Erwartung ausgeben, dass sich die hiermit verbundenen Kosten durch eine längerfristige Kundenbindung - sei es im Wege des Abonnements, sei es über eine erhoffte "Markentreue" - ohne weiteres amortisieren werden. Nichts anderes besagt auch das von der Beklagten für ihre Auffassung zitierte Urteil des OLG Schleswig in Anlage B4 ( UA 8). Sogar die Gruppe der schmarotzenden "Prämien-Shopper" wird hierbei bewusst noch in Kauf genommen, weil aus der Sicht der Wirtschaftskreise der erwartete positive Kundenbindungseffekt in der Regel noch so hoch ist, dass selbst diese Ausfälle mit getragen werden können, ohne dass die Rentabilität der Maßnahme einbricht.
(3) Diese Fallgruppe der Gewährung von Gratis-Zugaben wird allerdings nicht - wie die Nachlässe im Preis des Presseprodukts - von § 7 der Wettbewerbsregeln mit umfasst, sondern ist in § 8 gesondert geregelt. Aus dem Sinn und Zweck der wettbewerbsregelnden Selbstbindung, die auch Wertobergrenzen umfasst und z.B. für ein Jahresabonnement den Wert der Prämie auf den Monatsbezugspreis der Zeitschrift begrenzt, folgt nach Auffassung des Senats ohne weiteres ein Kumulationsverbot dergestalt, dass ein Verlag die Rabattierung von 35 % nach § 7 nicht durch die zusätzliche Gewährung von Zugaben entsprechend § 8 ergänzen darf. Andernfalls wären die klaren Wertgrenzen bedeutungslos. Mit ihrer Kombination beider Vergünstigungen erreicht die Beklagte für die maßgebliche Dauer des Test-Abonnements einen wesentlich höheren Preisvorteil, der leicht in einer Größenordnung von 80 % liegen kann. Hiermit überschreitet die Beklagte die vorgesehenen Wertgrenzen bei weitem und stellt sich damit außerhalb des Rahmens, den sich die am Wettbewerb Beteiligten im Wege der Selbstbindung auferlegt haben. Die Überschreitung der Wertgrenzen in einem derartigen Umfang stellt sich nach Auffassung des Senats zugleich im Rahmen des konkreten Vertragsverhältnisses zu dem preisgebundenen Abnehmer ohne weiteres als treuwidrig dar, ohne dass es für die Entscheidung dieses Rechtsstreits darauf ankommt, dass bzw. wie der Bundesgerichtshof erst vor kurzem die rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit von Kopplungsangeboten und Wertzugaben grundlegend neu definiert hat (BGH WRP 02, 1256, - Kopplungsangebot I; BGH WRP 02, 1259, - Kopplungsangebot II).
bbb. Allerdings gelten die genannten - bereits in Kraft gesetzten - Wettbewerbsregeln ausdrücklich nur für Tages- und Wochenzeitungen, nicht jedoch für Zeitschriften der hier vorliegenden Art. Dieser Umstand rechtfertigt jedoch kein abweichendes Ergebnis. Denn es geht vorliegend nicht in erster Linie um eine unmittelbare Anwendung der genannten Wettbewerbsregeln auf den vorliegenden Fall, sondern darum, anhand möglichst objektiver Kriterien zu bemessen, in welchen Größenordnungen die einschlägigen Wirtschaftskreise selbst - und damit die Wettbewerber der Beklagten - Preisvergünstigungen und Zugaben im Bereich preisgebundener Produkte als zulässig ansehen. Insoweit sind die in §§ 7, 8 der Wettbewerbsregeln niedergelegten Grundsätze ohne weiteres auch auf Zeitschriften zu übertragen. Die Beklagte hat auch keine plausiblen Umstände vorgetragen, die insoweit eine abweichende Handhabung etwa zwischen Wochenzeitungen einerseits und wöchentlich erscheinenden Zeitschriften andererseits als einleuchtend erscheinen lassen könnte, zumal auch der maßgebliche Verkaufspreis von Wochenzeitungen nicht notwendigerweise hinter demjenigen wöchentlich erscheinender Zeitschriften zurückbleibt, wie das Beispiel der Zeitschrift "auf einen Blick" zeigt, die mit einem Heftpreis von € 1.- unter dem Preis mancher Wochenzeitung liegt.
ccc. In zweiter Instanz hat der klägerische Verband zudem nunmehr als Anlage Bb1 die dem Bundeskartellamt gem. § 24 GWB zur Genehmigung vorgelegten "VDZ-Wettbewerbsregeln für den Vertrieb von abonnierbaren Publikumszeitschriften" eingereicht, die auf Fallgestaltungen wie die vorliegende unmittelbar anwendbar wären, wenn sie denn in Kraft träten, was allerdings noch nicht der Fall ist. Davon hängt aber die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht ab. Denn schon der Entwurf lässt erkennen, dass die maßgeblichen (Fach-)Verkehrskreise die Wettbewerbssituation bzw. die allgemeinen Anstandsregeln beim Vertrieb von Zeitschriften in den hier maßgeblichen Punkten nicht anders beurteilen als bei Zeitungen. § 3 der Regeln "Zeitschriften" sieht - wie § 7 der Regeln "Zeitungen" - eine Obergrenze von 35 % vor, § 4 - entsprechend § 8 - verbietet unangemessene Werbegeschenke. Deshalb vermag der Senat die Auffassung der Beklagten, beide Sachverhaltsgestaltungen seien nicht miteinander vergleichbar, nicht zu teilen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Konstellationen sind in ihren entscheidungsrelevanten Aspekten identisch. Die Wettbewerbsregeln "Zeitschriften" verkörpern - selbst vor ihrer offiziellen Inkraftsetzung und unabhängig davon - ein maßgebliches Indiz dafür, was in der betreffenden Branche als lauteres Geschäftsgebaren angesehen wird. Der Entwurf der Regeln "Zeitschriften" stammt zudem gerade von dem "Verband Deutscher Zeitschriftenverleger", der die Beklagte angehört. Der Kläger hat zudem unwidersprochen vorgetragen, dass gerade die Beklagte bei der Entstehung dieser Wettbewerbsregeln maßgeblich beteiligt war. Auch wenn Zeitpunkt und konkrete Fassung des Inkrafttretens noch nicht feststehen, wird sich jedenfalls die Beklagte auf insoweit bestehende Unsicherheiten nicht berufen können. Denn sie selbst hat - vermittelt durch ihren Verband, den VDZ - diese Regeln letztlich selbst (mit)vorgeschlagen, so dass es ihr gegenüber zumindest unter dem Gesichtspunkt der Verletzung vertraglicher Treuepflichten unerheblich ist, was etwa die "Marktgegenseite" im kartellrechtlichen Verfahren hiergegen einwendet bzw. welche Bedenken das Kartellamt erhebt.
ddd. In den "VDZ-Wettbewerbsregeln für den Vertrieb von abonnierbaren Publikumszeitschriften" findet sich zwar ebenfalls keine ausdrückliche Bestimmung dazu, in welchem Verhältnis die in den §§ 3 und 4 beschriebenen Vergünstigungen zueinander stehen. Nach ihrem Sinn und Zweck kann es aber aus Sicht des Senats auch insoweit nicht zweifelhaft sein, dass zwischen ihnen ein Kumulationsverbot besteht. Denn jeder Vergünstigungstatbestand für sich schöpft bereits den Rahmen des wettbewerblich Zulässigen aus, wenngleich dies nur in § 4 ausdrücklich beschrieben ist ("angemessenen Verhältnis zum Erprobungsaufwand"). Der von der Beklagten in diesem Zusammenhang vertretenen, in § 4 der Wettbewerbsregeln ebenfalls angelegten Auffassung, die Sachgeschenke seien als "Dankeschön-Prämien" gar keine Zugaben im eigentlichen Sinne und hätten bei der Frage der Wettbewerbswidrigkeit unberücksichtigt zu bleiben, weil sie nur eine Gegenleistung für die "Mühe" des Kunden seien, die Zeitschrift zu testen, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Eine solche Sichtweise steht mit den Erwartungen des verständigen Verbrauchers nicht im Einklang. Denn dieser erkennt, dass er von den Verlagen nicht als "Tester" angesprochen wird, der sich einer zu honorierenden Mühe unterzieht, wie dies z.B. bei Tests noch nicht ausgereifter Software-Programme oder noch nicht auf dem Markt zugelassener Medikamente der Fall ist. Der "Testzweck" besteht hier nur in dem Anliegen des Zeitschrifteninteressenten, sich darüber klar zu werden, ob die Zeitschrift ihm zusagt. Damit unterzieht er sich aber keinen "Mühen", für die der Verlag einen Anlass hätte, ihm ein Dankbarkeitsgeschenk zu überreichen. Der Interessent versteht deshalb selbst eine als "Dankeschön" apostrophierte Zugabe zutreffend als "Werbegeschenk", um seine Abschlussbereitschaft zu fördern. Und bei dieser Zielrichtung ist die Zugabe - in dem skizzierten Umfang - für die Beurteilung einer wettbewerbswidrigen Anlockwirkung im Widerspruch zu den selbstbindenden Grundsätzen des VDZ ohne weiteres beurteilungsrelevant.
cc. Durch dieses (wettbewerbswidrige) Verhalten hat die Beklagte nicht nur ihr gegenüber Mitbewerbern und/oder Zeitschriftenkunden obliegende Verhaltensregeln verletzt, sondern zugleich auch gegen das Kernstück der von ihr ihren Vertriebspartnern auferlegten Preisbindung verstoßen. Die Beklagte ist aus Rechtsgründen gehindert, diejenige "Kardinalpflicht", die praktisch ausschließlicher Regelungsgegenstand der preisbindungsrechtlichen Verpflichtungserklärungen ist, ihrerseits zu umgehen. Dieser Verstoß wiegt umso gravierender, als sie ihren Vertragspartnern nicht nur unmittelbare, sondern selbst - nicht näher definierte - mittelbare Verstöße gegen die Preisbindung untersagt. Zumindest als ein solcher stellt sich aber das im vorliegenden Rechtsstreit zur Entscheidung stehende Verhalten der Beklagten dar. Da sie ihrerseits in dem von dem Kläger vorgelegten Preisbindungsrevers (Anlage K17) bzw. entsprechenden Verpflichtungserklärungen keine eigenen Vertragspflichten übernimmt, scheidet zwar ein vertraglicher Verstoß gegen Hauptleistungspflichten aus. Der hierdurch verwirklichte Verstoß gegen Leistungstreue- und Rücksichtnahmepflichten wiegt daher umso schwerer und steht in seinem Gewicht einem Verstoß gegen eine Hauptleistungspflicht gleich. Deshalb kann es der Senat dahinstehen lassen, ob das Revers etwa ein ungeschriebenes, an die Beklagte gerichtetes Pflichtenmerkmal des "Behinderungsverbots" enthält. Es macht auch keinen Unterschied, dass der Vertrieb im Abonnement-Geschäft anders als der Verkauf über Einzelhändler formell keiner Preisbindung unterliegt. Denn den Vertragspartnern der Beklagten ist eine Einhaltung der ihnen auferlegten Preisbindung ausschließlich dann zuzumuten, wenn sich die Beklagte ihrerseits hieran gebunden fühlt und nicht über eine deutlich günstigere Preisgestaltung im Abonnement erhebliche Geschäftsanteile an sich zieht.
dd. Unerheblich für die Beurteilung des Verhaltens der Beklagten als Vertragsverstoß ist der Umstand, dass die streitgegenständliche Art der Werbung mit besonderen Vergünstigungen für Test-Abonnements mittlerweile eine erhebliche Verbreitung gefunden hat. Es ist dem Senat - u.a. aus dem Rechtsstreit 5 U 85/02 - bekannt, dass auch die Zeitschriften anderer Verlage mit ähnlichen - zum Teil noch attraktiveren - Preisvergünstigungen und Zugaben beworben werden. Es kann schon nicht überzeugen, dass die weit verbreitete Missachtung wettbewerbsrechtlicher Lauterkeitsmaßstäbe diesem Verhalten die Sittenwidrigkeit zu nehmen geeignet sein soll (vgl. BGH GRUR 00, 911, 914 - Computerwerbung). Im übrigen steht im konkreten Beurteilungszusammenhang nicht die Frage der Wettbewerbswidrigkeit, sondern diejenige einer Vertragsverletzung durch einen Verstoß gegen Treue- und Rücksichtnahmepflichten in Rede, die gegenüber Vertragspartnern bestehen. Hierfür ist das wettbewerbswidrige Verhalten Dritter bedeutungslos.
ee. Ebenso wenig ist es für die Entscheidung von Belang, ob aufgrund der beanstandeten Werbung die von dem Kläger befürchteten Umsatzrückgänge seiner Mitglieder bereits eingetreten sind oder nicht.
aaa. Soweit die Beklagte behauptet, die bei dem Kläger organisierten Einzelhändler seien ebenfalls Nutznießer des Mini-Abos, weil sich die Zahl der Einzelverkäufe sogar erhöht habe, zumindest aber nicht zurückgegangen sei, vermag der Senat die Richtigkeit dieser Argumentation schon im Ansatz nicht nachzuvollziehen. Denn über die Bewerbung von Mini-Abos soll erkennbar der - u.a. für die Attraktivität aus Sicht der Werbekunden maßgebliche - Anteil von fest gebundenen Lesern des beklagten Verlags erhöht werden. Deshalb muss sich die durch solche Maßnahmen bewirkte stärkere Abonnementbindung an die Verlage zumindest mittel- bzw. langfristig zu Lasten des Einzelhandels auswirken. Ansonsten widersprächen derartige Aktionen jeglicher kaufmännischen Vernunft, gerade wenn man auch die nicht unerheblichen "Streuverluste" berücksichtigt, die durch die Gruppe der "Prämien-Shopper" entstehen. Die Argumentation der Beklagten zu der verkaufsfördernden Wirkung von Mini-Abos könnte möglicherweise dann überzeugen, wenn das Mini-Abo nach Fristende (6 Hefte) ohne weitere Bindung auslaufen würde. Dann - und nur dann - wäre der Kunde nicht nur frei zu entscheiden, ob er den Bezug ihre Zeitschriften "auf einen blick", "das neue" und/oder "tv Hören und Sehen" nach Ablauf des Testphase fortsetzt, sondern auch wo (auf welchem Vertriebsweg) dies geschehen soll. Dies hat aber die Beklagte aus guten Gründen nicht getan, weil eine solche Möglichkeit in nicht unerheblichem Umfang den Verlust gerade gewonnener Neu-Abonnenten wieder an den stationären Einzelhandel zur Folge haben könnte. Nur so lässt sich der vorgesehene "stillschweigende" Übergang des Test-Abonnements in ein normales Abonnement mangels Kündigung plausibel erklären. Sie nimmt einem erheblichen Teil der Interessenten durch die Überleitung ihres Mini-Abos in ein reguläres Abonnement deshalb eben diese Entschließungsfreiheit, indem sie den Kunden faktisch als Abonnenten unmittelbar an ihr Haus zu binden versucht. Schon hieraus ergibt sich eine nachhaltige Gefährdung der wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder des Klägers durch die beanstandete Maßnahme.
bbb. Deshalb kommt es aus Sicht des Senats nicht entscheidend darauf an, welche weiteren Schlussfolgerungen sich aus den vorgelegten - zwischen den Parteien allerdings streitigen - IVW-Zahlen im Einzelnen möglicherweise ableiten lassen. Zum einen sind die für die Entwicklung der Verkaufszahlen entscheidenden weiteren Marktparameter praktisch vollständig unbekannt, so dass allein eine Veränderung der absoluten Verkaufszahlen schon keinen überwiegend wahrscheinlichen Rückschluss auf die behauptete Tatsache zulässt. Im übrigen erscheint es dem Senat nicht hinreichend plausibel, dass selbst ein behauptetes Ansteigen der Verkaufszahlen während der Laufzeit des zeitlich begrenzt angebotenen Mini-Abos auf dieses zurückzuführen wäre. Denn während dieser Zeit haben die Abonnenten gerade keinen zusätzlichen Erwerbsbedarf. Soweit die mit der Werbung für das Test-Abonnement einhergehende allgemein hervorgerufene erhöhte Aufmerksamkeit auch dem Einzelverkauf im Ladengeschäft zugute kommt, ist dies allenfalls eine mittelbare, reflexhafte Folge, die dem streitgegenständlichen Verhalten der Beklagten nicht seinen vertragswidrigen Charakter zu nehmen vermag. Denn erklärtes Ziel ihrer Werbeaktion war gerade nicht die Belebung des Einzelverkaufs, sondern die Steigerung ihrer Abonnentenzahlen und eine langfristige Bindung des Lesers an ihren Verlag.
bbb. Es kommt für die Vertragswidrigkeit des Verhaltens auch nicht darauf an, ob eine Verschiebung der Verkaufszahlen zwischen dem Abonnement- und dem Einzelverkaufs-Anteil bereits eingetreten ist. Entscheidend ist allein, ob eine solche Gefahr konkret droht. Schon in diesem Fall stellt sich das Verhalten der Beklagten als treuwidrig dar. Dieses ist aufgrund der hohen Attraktivität des Angebots nach Auffassung des Senats ohne weiteres der Fall. Jedenfalls diejenigen Leser, die sich zu dem Mini-Abonnement entschlossen haben, gehen dem Einzelhändler zumindest für die Dauer des Kurz-Abonnements oder sogar auf Dauer als Kunden verloren. Diese Gefahr wird bei der rechtlichen Bewertung nicht dadurch kompensiert, dass andere Interessenten durch das Probe-Abonnement überhaupt erst angelockt werden und sich dann später aber (nur) für den Kauf der Zeitschrift im Einzelhandel entscheiden.
c. Bei diesem Vertragsverstoß gegen die Preisbindung handelt es sich auch nicht lediglich um die Verletzung einer Obliegenheit, aus der der Vertragspartner keine eigenen Rechtsansprüche herleiten kann. Zwar wird in der kartellrechtlichen Literatur die Auffassung vertreten, die Einhaltung einer (gleichmäßigen) Preisbindung stelle sich vertraglich nur als Obliegenheit des preisbindenden Vertrages dar (Emmerich in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 15 Rdn. 24). Hieraus kann die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit jedoch nichts für sich herleiten. Zum einen betrifft diese Auffassung nur - hier nicht gegebene - Ansprüche aus Kartellrecht (dazu noch später). Im übrigen mag das Verständnis (lediglich) einer vertraglichen Obliegenheit zutreffend sein, wenn es etwa in den erörterten Fallgestaltungen darum geht, ob der Preisgebundene den Preisbinder zur Aufrechterhaltung der Preisbindung als solcher oder zur Verpflichtung vertragswidrig handelnder Händler/Grossisten auf die Einhaltung der Preisbindung in Anspruch nehmen kann (vgl. Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., § 1 Rdn. 759). Um solche Fälle, in denen die Aufrechterhaltung der (lückenlosen) Preisbindung in erster Linie im Interesse des bindenden Verlages liegt und der betroffene Wettbewerber im Falle von Verstößen gegebenenfalls seinerseits aus der Preisbindung frei wird, geht es hier aber nicht. Vielmehr tritt die Beklagte mit ihrem Verhalten nicht nur in direkte Konkurrenz zu den Einzelhändlern - was im Abonnentengeschäft ohnehin der Fall ist -, sondern verschafft sich durch das beanstandete Verhalten einen treuwidrigen Wettbewerbsvorteil, mit dem sie die vertraglich vorausgesetzte geschäftliche Entfaltungsmöglichkeit des Zeitschriftenhändlers unangemessen und dem Vertragszweck zuwider beeinträchtigt. Die Vermeidung einer solchen Vertragsverletzung stellt sich nicht lediglich als Obliegenheit dar, sondern kann von dem jeweiligen Vertragspartner als (positive) Forderungs- bzw. Pflichtverletzung im Wege des Unterlassungsverlangens auch (gerichtlich) durchgesetzt werden.
d. Dementsprechend erweist sich auch die Auffassung der Beklagten, es bestehe für den einzelnen Zeitschriftenhändler allenfalls ein Anspruch auf Entlassung aus der Preisbindung, aus Sicht des Senats als unzutreffend. Diese Sichtweise mag ebenfalls kartellrechtlich zutreffend sein. Um einen diesbezüglichen Anspruch geht es hier aber nicht. Seine Voraussetzungen sind auch weder unmittelbar noch mittelbar auf die individualvertraglichen Beziehungen zu der Beklagten zu übertragen. Vertraglich haben die Grossisten bzw. Zeitschriftenhändler gegen den beklagten Verlag einen durchsetzbaren Anspruch, vertragswidriges Verhalten zu unterlassen. Zwar ist der Preisbinder in der Entscheidung der Aufrechterhaltung seines Preisbindungssystems frei. Hält er es aufrecht, so muss er es diskriminierungs- und behinderungsfrei durchführen. Das Begehren der Mitglieder des Klägers geht nicht dahin, selbst aus der Vertrags- bzw. Preisbindung entlassen zu werden. Hieran haben sie naturgemäß kein Interesse, da dies nahe liegend die Einstellung der Belieferung durch die Beklagte bzw. den Verlust des Remissionsrechts zur Folge haben würde. Der stationäre Zeitschriften-Einzelhandel ist aber darauf angewiesen, möglichst viele Publikationen im Sortiment vorrätig zu halten. Deshalb richtet sich der zivilrechtlicher Anspruch des Klägers zu Recht auf vertragstreues Verhalten. Solange die Verletzungshandlung andauert - oder Wiederholungsgefahr für gleichartige Handlungen besteht - kann sich auch nach neuem Recht aus § 280 Abs. 1 BGB hiergegen ein Unterlassungsanspruch ergeben (Palandt-Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 280, Rdn. 33).
e. Diese Verletzung (einzel-)vertraglicher Pflichten begründet zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG und stellt sich damit als sittenwidriges Wettbewerbsverhalten dar, welches der Kläger als Verband durchzusetzen befugt ist.
aa. In der Regel vermag ein solcher Verstoß im Verhältnis zweier Vertragspartner allerdings keine deliktischen Ansprüche zu begründen. Dieser Grundsatz gilt jedoch ausnahmsweise dann nicht, wenn dieser Verstoß Wirkungen über das konkrete Vertragsverhältnis hinaus entfaltet, weil der Verletzer hiermit zugleich nachhaltig in den Wettbewerb eingreift. Eine solche Situation ist insbesondere dann gegeben, wenn die vertragliche Bestimmung (zugleich) unmittelbar den Wettbewerb regelt. Dieser Grundsatz entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG Hamburg WRP 88, 114, 116 m.w.N. - Bestatterwerbung).
bb. So liegt der Fall auch hier. Durch die Vielzahl der mit der konkreten Form des Mini- Abonnements verwirklichten individuellen Vertragsverstöße im Verhältnis zu ihren Vertriebspartnern im Rahmen der Preisbindung greift die Beklagte in einer Weise in das wettbewerbliche Marktgeschehen ein, welches weit über den Einzelfall hinausgeht und geeignet ist, eine bestehende wirtschaftliche Gleichgewichtslage zwischen Abonnement-Vertrieb und Einzelhandelsverkauf nachhaltig und bundesweit zu ihren Gunsten und zu Lasten der Zeitschriften-Einzelhändler zu verschieben. Da ein relevanter Vertragsverstoß aufgrund der angegriffenen Abonnement-Werbung praktisch in jedem Vertragsverhältnis vorliegt, das die Beklagte mit Vertriebspartnern unterhält, die sie ihrerseits auf die Preisbindung verpflichtet, greift sie hierdurch selbst aktiv in das um den Vertrieb ihrer Zeitschriften "auf einen blick", "das neue" und/oder "tv Hören und Sehen" bestehende Wettbewerbsverhältnis ein. Hierdurch erlangt ihr individualvertraglicher Verstoß gegen Treuepflichten eine unmittelbar wettbewerbsbezogene Dimension, die sich nicht nur als Reflex darstellt, sondern mit der Maßnahme auch unmittelbar beabsichtigt ist. Denn die Beklagte macht ihr vertragswidriges Verhalten gezielt zum Mittel ihres eigenen Wettbewerbs. Deshalb beschränken sich die Auswirkungen ihres Handelns nicht auf den unmittelbaren Vertragspartner, sondern wirken sich auf den Wettbewerb im Vertrieb mit den genannten drei Zeitschriften insgesamt aus (vgl. Baumbach-Hefermehl, UWG, 22. Aufl., § 1 Rdn. 695). Dabei steht der Umstand, dass sich der konkrete Vertragsverstoß der Beklagten - wie ausgeführt - mangels einer übernommenen Hauptleistungspflicht "nur" als Verletzung einer Leistungstreue- und Rücksichtnahmepflicht darstellt, einer Verwirklichung des § 1 UWG nicht entgegen.
cc. Für die Verwirklichung eines Verstoßes gegen § 1 UWG ist es ohne Bedeutung, ob der Vertragsverstoß der Beklagten in einem unmittelbaren Vertragsverhältnis zu einem bzw. mehreren Zeitschriften-Einzelhändlern oder aber in ihrer Rechtsbeziehung zu Presse-Grossisten realisiert wird, die sodann ihrerseits die ihnen auferlegte Preisbindung an die Einzelhändler weitergeben. Zwischen den Parteien steht nicht im Streit, dass letztere in ihrer überwiegenden Zahl von dem Kläger vertreten werden. Dieser hatte dargelegt, dass er 11 von 16 Landesverbänden vertritt. Damit steht vorliegend nicht der einzelnen Vertragsverstoß zur Beurteilung, sondern eine Vielzahl von Verstößen, aufgrund derer ein ursprünglich ausschließlich vertraglich sanktioniertes Fehlverhalten ein im Rahmen von § 1 UWG wettbewerbsrelevantes Gewicht erreicht. Der Kläger nimmt im vorliegenden Rechtsstreit keine Individualinteressen wahr, sondern verfolgt vielmehr einen aus individualvertraglichen Verstößen resultierenden eigenständigen Wettbewerbsanspruch auf der Grundlage von § 1 UWG. Hierfür ist er auch sachlich anspruchsberechtigt, weil seine Mitglieder unmittelbar Betroffene dieses Wettbewerbsverstoßes sind.
dd. Schließlich können die beeinträchtigten Wettbewerber auch nicht durch eigene Maßnahmen dem Wettbewerbsverstoß der Beklagten begegnen und hierdurch ihre wirtschaftlichen Interessen aus eigener Kraft angemessen zur Geltung bringen. Zwar steht es den Zeitschriften-Einzelhändlern theoretisch frei, ihre Kunden z.B. durch attraktive Zugaben ebenfalls an sich zu binden. Dieser Möglichkeit fehlt allerdings aufgrund der Besonderheiten des Zeitschrifteneinzelverkaufs jegliche praktische Relevanz. Zum einen werden Zeitschriften häufig - je nach bei konkretem Bedarf - bei ganz unterschiedlichen Verkaufsstellen erworben, so dass schon deshalb eine dauerhafte Kundenbindung erschwert ist. Im übrigen stünde die Auslobung attraktiver Zugaben auch angesichts des geringen Einzelverkaufspreises von Zeitschriften und der sich dabei ergebenden schmalen Gewinnspanne hierzu in keinem vertretbaren wirtschaftlichen Verhältnis. Eine solche verkaufsfördernde Maßnahme bleibt letztlich allein der Beklagten im Rahmen langfristiger Abonnementsverhältnisse vorbehalten, zumal dem Zeitschrifteneinzelhandel wegen der bestehenden Preisbindung die Möglichkeit einer Preisermäßigung zumindest faktisch verschlossen ist.
e. Weitergehende kartellrechtliche Ansprüche, auf die der Kläger sein Unterlassungsbegehren offenbar ebenfalls stützen will, stehen ihm hingegen nicht zu. Aus § 15 Abs. 3 Nr. 1 GWB kann er diese schon deshalb nicht herleiten, weil diese Norm ausdrücklich nur ein Einschreiten des Bundeskartellamtes rechtfertigt. Zu den Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs aus § 33 Satz 1 GWB geht der Senat jedenfalls im vorliegenden Rechtsstreit mit der wohl herrschenden Meinung davon aus, dass § 15 Abs. 3 Nr. 1 GWB keinen (zugunsten der Lotto-Toto-Annahmestellen) drittschützenden Charakter hat (Emmerich in Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 33 Rdn. 21; Bechtold, GWB, 3. Aufl., § 33 Rdn. 4) und deshalb auch nicht vermittels dieser Norm einen unmittelbaren Anspruch des Verletzten (bzw. seines Verbandes) begründen kann. Aus § 20 Abs. 1 GWB, der § 15 GWB als Schutznorm ausdrücklich nennt, kann zumindest der Kläger als Verband keine Rechte herleiten ("..ein anderes Unternehmen..."). Im übrigen hätte der Kläger die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen der kartellrechtlichen Normen nicht im Einzelnen dargelegt, so dass der Senat auch aus diesem Grunde keine Veranlassung hat, sich hiermit näher zu befassen.
2. Entsprechend der gestellten Anträge zu Ziff. 1.b., 2.b. und 3.b. hat die Beklagte nicht nur die Ankündigung, sondern auch die Gewährung der Mini-Abos der drei genannten Zeitschriften zu den beanstandeten Konditionen zu unterlassen.
a. Der Kläger hat in der Senatssitzung am 19.11.2003 hierzu klargestellt, dass sein dahingehender Unterlassungsantrag nicht als Durchführungsverbot für abgeschlossene und bereits in Vollzug gesetzte Verträge verstanden werden soll. Vielmehr richtet sich sein Unterlassungsbegehren nur gegen den Abschluss neuer Verträge, die durch die beanstandete Werbung angebahnt worden sind.
b. Insoweit besteht unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen vertragliche Treuepflichten aus positiver Forderungsverletzung bzw. § 280 Abs. 1 BGB kein relevanter Unterschied zwischen der Ankündigung und der Durchführung vertragswidriger Maßnahmen. Der vertragliche Unterlassungsanspruch ist gegen beide Arten von Handlungen begründet, ohne dass es - anders als bei rein wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen - von Bedeutung ist, ob die Gewährung des angekündigten Vorteils selbst gem. §§ 134, 138 BGB zu beanstanden ist bzw. ihrerseits den lauteren Wettbewerb unmittelbar beeinträchtigt (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht WRP 96, 314, 321 - Schmuckset). Denn im Verhältnis zu ihren - unmittelbaren und mittelbaren - Vertragspartnern im Rahmen der Preisbindung hat die Beklagte jegliches Verhalten zu unterlassen, das treuwidrig den Vertragszweck gefährdet oder vereitelt. Der Umstand, dass der Kläger diese individualvertraglichen Verstöße im Gewand eines wettbewerbsrechtlichen Anspruchs aus § 1 UWG verfolgt, vermag an dieser Rechtsfolge nichts zu ändern.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat lässt die Revision gegen diese Entscheidung gem. § 543 Abs. 2 ZPO zu. Der Rechtsstreit hat grundsätzliche Bedeutung. Der zur Entscheidung stehende Sachverhalt bedarf einer höchstrichterlichen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts.
Ende der Entscheidung
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