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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 12.08.2004
Aktenzeichen: 5 U 58/03
Rechtsgebiete: UWG, StGB
Vorschriften:
UWG a.F. § 1 | |
UWG § 3 | |
UWG § 4 Nr. 11 | |
UWG § 8 Abs. 1 | |
UWG § Nr. 1 | |
StGB § 284 |
2. Der Inhaber einer vor der Wiedervereinigung Deutschlands durch die Stadt Gera erteilten Genehmigung zur Veranstaltung von Sportwetten handelt ebenfalls nicht wettbewerbswidrig, wenn er ohne Genehmigung der Stadt Hamburg in Hamburg für Sportwetten wirbt und auch Hamburgern über das Internet Sportwetten anbietet.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT URTEIL IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
Verkündet am: 12. August 2004
hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richte Betz, Rieger, Dr. Koch nach der am 30. Juni 2004 geschlossenen mündlichen Verhandlung
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufungen beider Parteien gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg - Kammer 6 für Handelssachen - vom 1.4.2003 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Partei, gegen die sich die Vollstreckung richtet, bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin veranstaltet seit 1990 Sportwetten in Form der sog. Oddset-Wetten. Sie stützt sich hierbei auf eine Erlaubnis des Magistrats der Stadt Gera vom 14.9.1990 ( Anlage B 9). Die Klägerin wirbt über das Internet und hat deutschlandweit Kundschaft. In Hamburg wirbt die Klägerin durch Bandenwerbung bei Sportveranstaltungen für ihr Unternehmen.
Der Beklagte betreibt in Hamburg ein Tabakwarengeschäft. Er bietet darin Lotto, Toto und Oddset-Wetten an. Die Spielangebote der Spieler werden auf Provisionsbasis an den staatlichen Oddset-Wetten-Anbieter in Hamburg, die Nordwest Lotto und Toto Hamburg - Staatliche Lotterie der Freien und Hansestadt Hamburg - (NWLT) vermittelt. Zwischen der NWLT und dem Beklagten ist hierüber ein Handelsvertretervertrag abgeschlossen worden (Anlage B 1). Über eine darüber hinausgehende behördliche Erlaubnis verfügt der Beklagte nicht.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin von dem Beklagten, es zu unterlassen, ohne behördliche Erlaubnis Oddset-Wetten in Hamburg anzubieten oder an einen staatlichen Anbieter zu vermitteln. Der Beklagte begehrt widerklagend von der Klägerin, es zu unterlassen, innerhalb Hamburgs ohne behördliche Erlaubnis Sportwetten einschließlich Oddset-Wetten zu veranstalten, zu bewerben und/oder für sich vermitteln zu lassen.
Die Klägerin stützt sich maßgeblich darauf, dass die Veranstaltung von Sportwetten in Hamburg durch die NWLT mangels gesetzlicher Grundlage rechtswidrig sei und damit auch der Beklagte durch seine Vermittlungstätigkeit rechtswidrig, insbesondere strafbar gemäß § 284 StGB handele, worin wiederum ein Wettbewerbsverstoß gemäß § 1 UWG a.F zu sehen sei. Der Beklagte stützt seine Widerklage maßgeblich darauf, dass die der Klägerin erteilte Erlaubnis in Hamburg keine Gültigkeit besitze. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags wird im Übrigen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat sowohl die Klage als auch die Widerklage abgewiesen. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt.
Im Laufe des Berufungsverfahrens ist am 27.4.2004 das Hamburgische "Gesetz zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland" verkündet und am 10.5.2004 im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt bekannt gemacht worden. In § 5 des Staatsvertrages heißt es :
Abs.1 : Die Länder haben im Rahmen der Zielsetzungen des § 1 die ordnungsrechtliche Aufgabe, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen.
Abs.2 : Auf gesetzlicher Grundlage können die Länder diese Aufgabe selbst, durch juristische Personen des öffentlichen Rechts oder durch privatrechtliche Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind, erfüllen.
Das Hamburgische Zustimmungsgesetz zum Staatsvertrag lautet in seinem Art.2 :
Die Aufgabe gemäß § 5 Abs.1 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland, ein ausreichendes Glücksspiel sicherzustellen, wird von der Freien und Hansestadt Hamburg durch die Nordwest Lotto und Toto Hamburg - Staatliche Lotterie der Freien und Hansestadt Hamburg - ( NWLT) und die Nordwestdeutsche Klassenlotterie (NKL) erfüllt.
Der Staatsvertrag sieht nach seinem § 18 ein Inkrafttreten am 1.7.2004 vor. Für Hamburg ist das Inkrafttreten am 8.7.2004 im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt bekannt gemacht worden ( S.320 ).
Die Klägerin beantragt mit ihrer Berufung,
unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 1.4.2003, Az 406 O 100/02 wird die Beklagte verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis € 250.000 , ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ohne behördliche Erlaubnis Oddset-Wetten anzubieten, insbesondere Oddset-Wetten an Nordwest Lotto und Toto Hamburg oder an einen anderen staatlichen Anbieter von Oddset-Wetten zu vermitteln;
hilfsweise festzustellen, dass die Klage mit Wirkung vom 1.7.2004 in der Hauptsache erledigt ist.
Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen zur Anwendbarkeit des § 284 StGB auf Sportwetten. Sie meint, dass der Beklagte im Falle der Anwendbarkeit des § 284 StGB durch seine Vermittlertätigkeit zugleich als Veranstalter von Glücksspielen anzusehen sei und daher eine Erlaubnis benötige. Veranstalter der Sportwetten in Hamburg sei jedenfalls nicht die Stadt Hamburg, sondern die Bayerische Staatliche Lotterieverwaltung. Die Freie und Hansestadt Hamburg habe auch keine ausreichende Legitimation für die Veranstaltung von Sportwetten, da es an einer förmlichen gesetzlichen Grundlage fehle. Eine ausreichende gesetzliche Grundlage sei mit dem Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland ebenfalls nicht geschaffen worden. Da die NWLT somit nicht zur Veranstaltung von Sportwetten befugt sei, handele auch der Beklagte rechts- und wettbewerbswidrig.
Der Beklagte beantragt mit seiner Berufung,
unter Abänderung des am 1.4.2003 verkündeten Urteils des Landgerichts Hamburg, Az. 406 O 100/02 wird die Klägerin verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs innerhalb der Landesgrenzen der Freien und Hansestadt Hamburg ohne behördliche Erlaubnis Sportwetten einschließlich Oddset-Wetten zu veranstalten und/ oder solche Wetten selbst oder durch Dritte zu vermitteln und/ oder vermitteln zu lassen und/oder solche Wetten zu bewerben und/oder bewerben zu lassen.
Der Beklagte macht im Wesentlichen geltend :
Die Erlaubnis der Stadt Gera vom 14.9.90 gelte entgegen der Rechtsprechung des VG Gera und des OVG Weimar nicht außerhalb Thüringens. Sie bezöge sich auch nicht auf die Klägerin, sondern einen Herrn N. und erfasse ferner nicht die Veranstaltung der damals noch unbekannten Oddset-Wetten. Ein etwaiger guter Glaube der Klägerin aufgrund der Judikate des VG Gera und des OVG Weimar sei angesichts der neueren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte seit 2001 zerstört.
Beide Parteien verteidigen im Übrigen das erstinstanzliche Urteil, soweit die Klage der jeweiligen Gegenseite abgewiesen worden ist, und beantragen die Zurückweisung der jeweils gegnerischen Berufung. Sie machen auch hierzu ergänzende und vertiefte Ausführungen.
II.
Beide Berufungen sind zulässig, bleiben in der Sache jedoch ohne Erfolg. Zu Recht und mit überzeugender Begründung hat das Landgericht Hamburg sowohl die Klage als auch die Widerklage abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Angriffe geben lediglich zu folgenden ergänzenden Ausführungen Anlass :
1. Berufung der Klägerin
Die Klage war von Anfang an unbegründet. Somit kann auch dem in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag der Klägerin auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache nicht entsprochen werden. Denn eine hilfsweise Änderung der Klage dahingehend, dass die Erledigung der Hauptsache festzustellen sei, ist nur dann begründet, wenn die ursprüngliche Klage zulässig und begründet war. Dementsprechend kann ferner dahingestellt bleiben, ob durch das Inkrafttreten des Staatsvertrages für das Lotteriewesen in Deutschland nunmehr eine ausreichende rechtliche Grundlage für die Veranstaltung von Sportwetten in Hamburg durch die Stadt selbst gegeben ist. Im Einzelnen :
a) Als Anspruchsgrundlage für die Klage kamen ursprünglich nur § 1 UWG a.F., jetzt §§ 3, 4 Nr.11, 8 Abs.1, Abs.3 Nr.1 UWG i.V.m. § 284 StGB in Betracht. Nach bisheriger ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung verstieß die Veranstaltung von Glückspielen ohne Erlaubnis grundsätzlich zugleich gegen § 1 UWG a.F.( BGH NJW 02, 2175, 2176 "Sportwetten"). Dies hat der BGH jüngst wieder in seiner Entscheidung "Schöner Wetten" vom 1.4.2004 bestätigt ( WRP 04,899 ). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Rechtslage nach Inkrafttreten des neuen UWG anders zu beurteilen ist. Denn der Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr.11 UWG ist auf der Grundlage der neuesten Rechtsprechung konzipiert worden ( Köhler, Das neue UWG, NJW 04, 2121, 2124 ). Nach § 4 Nr.11 UWG handelt unlauter, wer "einer gesetzlichen Vorschrift zuwider handelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln". Unter die damit angesprochenen gesetzlichen Vorschriften fallen auch solche, die den Zutritt zu einem Markt von der Erteilung einer öffentlich-rechtlichen Erlaubnis abhängig machen, und damit die Sicherstellung einer bestimmten Qualität oder Sicherheit der gebotenen Waren oder Dienstleistungen bezweckt ist ( Köhler a.a.O. m.w.N.) Eine solche Vorschrift ist auch § 284 StGB, der durch die Schaffung eines Erlaubnisvorbehalts für die Veranstaltung von Glückspielen den Verbraucher u.a. vor unseriösen Veranstaltern schützen soll.
Dass ein Verstoß gegen § 284 StGB allerdings nicht ausnahmslos auch wettbewerbsrechtlich unlauter sein muss, zeigt der vorliegende Fall, wie noch auszuführen ist.
b) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien ein Wettbewerbsverhältnis besteht. Dem schließt sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen an. Insofern wird das landgerichtliche Urteil von den Parteien auch nicht in Frage gestellt. Mit der Vermittlung von Sportwetten an die NWTL handelt der Beklagte gleichzeitig zur Förderung des eigenen Wettbewerbs durch die Erzielung von Provisionen aus Sportwettverträgen sowie zur Förderung des Wettbewerbs der NWTL im Absatz von Sportwettverträgen.
c) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Bundesfinanzhofs und des 1.Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ist entgegen den Entscheidungen einiger Amtsgerichte und eines Urteils des Landgericht Bochum ( Anlagen K 61-63 ) anerkannt, dass Sportwetten als Glückspiele im Sinne des § 284 StGB anzusehen sind, weil das Zufallselement überwiege ( Nachweise z.B. bei BGH NJW 02, 2175 "Sportwetten" ). Auch diesbezüglich hat der 1.Zivilsenat in der schon genannten Entscheidung "Schöner Wetten" seine bisherige Rechtsprechung erneut bestätigt. In einer Entscheidung vom 28.11.2002 hat sich auch der 4.Strafsenat des BGH mit der Frage befasst. Das Urteil hebt zwar den Freispruch des LG Bochum auf und verweist zurück, enthält jedoch deutliche Aussagen dazu, dass auch Sportwetten Glückspiele seien ( Anlage K 42, veröff. in NStZ 03,372 ). Dem schließt sich der Senat an. Für den vorliegenden Fall kann die Frage jedoch sogar dahinstehen, da der Beklagte selbst bei einem Verstoß gegen § 284 StGB dennoch nicht wettbewerbswidrig handelt, s. dazu sogleich unter Ziff.e.
d )Der Beklagte schließt nicht selbst Sportwetten ab, sondern vermittelt diese aufgrund eines Handelsvertretervertrages ( B 1 ) an die NWLT. Diese ist nach der zutreffenden Auffassung des Landgerichts als Veranstalterin der Sportwetten in Hamburg anzusehen.
Die NWLT ist ein Unternehmen der Stadt Hamburg, und zwar hat die Stadt - handelnd durch die Finanzbehörde - die Hamburgische Landesbank, eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, damit beauftragt, die Veranstaltung u.a. von Sportwetten unter dem Namen "Nordwest Lotto und Toto Hamburg - Staatliche Lotterie der Freien und Hansestadt Hamburg" im Namen und für Rechnung der Stadt Hamburg durchzuführen ( Anlagen B 4, B 7, B 8 ). Rechtsnachfolgerin der Hamburgischen Landesbank ist inzwischen die HSH Nordbank AG, welche aus der Verschmelzung der Hamburgischen Landesbank und der Landesbank Schleswig-Holstein hervorgegangen ist (Gesetz zu dem Staatsvertrag zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein vom 22.5.2003, HambGVBl S.119, s. auch § 1 Abs.6 des Staatsvertrages). Die Wettverträge kommen zwischen den Wettteilnehmern und der NWLT zustande, welche die Wetten wiederum im Namen und für Rechnung der Stadt Hamburg durchführt (Teilnahmebedingungen Ziff.I 1.1 und Ziff.III 11.1, Anlagen B 5 und B 6).
Bei der Durchführung der Sportwetten kooperiert die NWLT mit der Bayerischen Staatlichen Lotterieverwaltung. Diese legt die Wettquoten fest und druckt einheitlich für alle staatlichen Lotto- Toto- Unternehmen der Bundesländer die Spielscheine aus. Die NWLT gibt die Wettangebote an die Bayerische Staatliche Lotterieverwaltung weiter, welche dann die Gewinnergebnisberechnung und die Ausschüttung jeweils gesondert für Rechnung und im Auftrag der einzelnen Bundesländer vornimmt. Für diese Dienstleistungen zahlt die NWLT der Bayerischen Staatlichen Lotterieverwaltung eine Vergütung.
Angesichts dieser Handhabung ist die NWLT als Veranstalterin anzusehen. Veranstalter i.S. d. § 284 STGB ist nach der schon genannten Entscheidung des 4. Strafsenats des BGH vom 28.11.2002 derjenige, der verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für die Abhaltung des Glückspiels schafft und der Bevölkerung dadurch den Abschluss von Spielverträgen ermöglicht. Hier tritt die NWLT als verantwortliche Organisatorin auf, indem sie die Sportwetten unter ihrem Namen über ein Netz von Annahmestellen in Hamburg anbietet. Damit ist die tatherrschaftliche Ausrichtung des Tatbestandsmerkmals "Veranstalten" erfüllt (Heine in WISTRA 2003, 441, 445 m.w.N., Anlage K 95). Dass der Abschluss der Spielverträge im eigenen Namen und für eigene Rechnung entscheidendes Indiz für die Veranstaltereigenschaft ist, zeigt auch der Vergleich zu § 287 StGB. In dieser Bestimmung wird der Abschluss der Spielverträge zur Erläuterung des Tatbestandmerkmals "Veranstalten" beispielhaft genannt. § 284 StGB ist hinsichtlich des "Veranstaltens" nicht anders auszulegen als § 284 StGB (Gutachten Ossenbühl Anlage K 59, S.78 ; Janz in NJW 03, 1694, 1696, Anlage K 86).
Dass sich die NWLT bei der technischen und organisatorischen Durchführung der Wetten der Hilfe der Bayerischen Stattlichen Lotterieverwaltung bedient, ändert nichts an ihrer Eigenschaft als Veranstalterin.
e) Ob auch der Beklagte als Betreiber der Wettannahmestelle und Vermittler der Wettverträge als Veranstalter i.S.d. § 284 Abs.1 1. und 2.Alt. StGB angesehen werden kann oder ob die Tätigkeiten des Beklagten unter die Tatbestandsalternativen "Bereitstellen von Einrichtungen" (§ 284 Abs.1 3.Alt. StGB) oder des "Werbens" (§ 284 Abs.4 StGB) fallen, schließlich ob er sich ev. als Gehilfe der NWLT als Veranstalterin strafbar gemacht haben könnte, kann dahingestellt bleiben, wenn man davon ausgehen kann, dass weder die NWLT noch der Beklagte ohne Erlaubnis i.S.d. § 284 StGB Sportwetten veranstalten bzw. vermitteln und wenn man weiter davon ausgehen kann, dass der Beklagte auch für den Fall, dass diese Erlaubnisse unwirksam sein sollten, jedenfalls nicht wettbewerbswidrig handelt. Wie der BGH in seiner Entscheidung "Sportwetten-Genehmigung" vom 11.10.2001 erneut und gerade in Bezug auf Sportwetten festgestellt hat, ist eine rechtswidrige und sogar mit Strafe bedrohte Handlungsweise nicht in jedem Falle zugleich sittenwidrig i.S.d. § 1 UWG a.F. Auch bei einem Verstoß gegen wertbezogene Normen wie § 284 StGB kann das Verhalten des Gewerbetreibenden nach den Umständen des Einzelfalls als nicht wettbewerbswidrig zu werten sein (WRP 02, 323, 325, Anlage K 13 a)
aa) Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass der Stadt Hamburg nach Art. 30, 70 GG die Lotterie- und Glückspielhoheit zusteht. Hiervon hat sie im Falle der Sportwetten in der Weise Gebrauch gemacht, dass sie mit der Hamburgischen Landesbank einen Vertrag geschlossen hat, wonach diese unter der Bezeichnung NWLT im Auftrag der Stadt Sportwetten veranstalten soll, aber - inzident damit - auch darf. Denn wenn man es entgegen der Auffassung des Landgerichts für erforderlich hielte, dass auch der originäre Träger der Glückspielhoheit für die von ihm selbst veranstalteten Sportwetten eine Erlaubnis i.S.d. § 284 StGB benötigte, wäre diese mit dem Vertragsabschluss erteilt. Aus § 284 StGB lässt sich nämlich nicht entnehmen, dass die Erlaubnis durch Verwaltungsakt erfolgen muss. Erforderlich ist nur, dass die sachlich und örtlich zuständige Behörde - hier die Stadt Hamburg als Inhaberin der Glückspielhoheit - ihre Zustimmung erteilt hat (Tröndle in Leipziger Komm. zum StGB, § 284 Rn. 14). So liegt der Fall hier.
In dem Vertrag mit der Hamburgischen Landesbank ist auch die Einrichtung von Annahmestellen vorgesehen und der Abschluss von Verträgen mit diesen Annahmestellen (§§ 7, 9 Abs.3 von Anlage B 4). In dem Abschluss des Handelsvertreter-Vertrages mit der Annahmestelle (Anlage B 1) ist zugleich die Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten an den Betreiber der Annahmestelle sehen, wie auch das Landgericht zutreffend festgestellt hat. Denn - wie schon ausgeführt - eine Erlaubnis im Sinne des § 284 StGB muss nicht im Wege des Verwaltungsaktes erteilt werden.
Nun macht allerdings die Klägerin zu Recht geltend, dass die - bisherige - Hamburger Praxis, ohne gesetzliche Grundlage Sportwetten zu veranstalten und keine Möglichkeit zur Erlaubniserteilung an Private vorzusehen, verfassungswidrig sein dürfte, weil in das Grundrecht der Berufsfreiheit privater Veranstalter eingegriffen wird. Bis auf Berlin haben alle anderen Länder Sportwettengesetze erlassen. Insbesondere konnte die in Hamburg noch als Landesrecht fortgeltende Verordnung über die Genehmigung öffentlicher Lotterien und Ausspielungen vom 6.3.1937 nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Rechtsgrundlage sein, weil es sich bei Sportwetten - so das Bundesverwaltungsgericht - in Ermangelung eines Spielplans und einer Festlegung der Wetteinsätze nicht um eine Lotterie oder Ausspielung handelt (NJW 2001, 2648, 2649).
Auch hat das Hamburgische Verfassungsgericht in seinem Urteil vom 21.8.2003 zur Zulässigkeit des Online-Rouletts entschieden, dass diese Form des Glückspiels nicht von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Hamburgischen SpielbankG getragen sei und die Veranstaltung eines neuartigen Glückspiels einer gesetzlichen Grundlage bedürfe (Anlage K 94, S.11). Für Sportwetten wird nichts anderes gelten können.
bb) Selbst wenn man aber der Meinung sein sollte, die durch die Stadt Hamburg im Wege von Verträgen erteilten Erlaubnisse an die Hamburgische Landesbank und an den Beklagten seien rechtswidrig und nichtig, handelt der Beklagte nicht wettbewerbswidrig. Denn noch ist Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland, dass der Staat sich das Monopol für Sportwetten vorbehalten darf. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht für das Bayerische SportwettenG entschieden (NJW 2001,2648 ). Dabei geht wohl auch das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass das Staatsmonopol einer gesetzlichen Grundlage bedürfe (s. 2649 rechte Spalte), problematisiert dies aber nicht, weil eine solche im Falle Bayerns vorhanden war. Insbesondere verhält sich die Entscheidung nicht zu der Frage, ob Erlaubnisse ohne entsprechende gesetzliche Grundlage rechtswidrig oder nichtig seien.
Damit stellt sich die Lage aus der Sicht des Beklagten derzeit so dar, dass er die Erlaubnis des originär zuständigen Landes mit einem höchstrichterlich gebilligten Inhalt in Händen hält, dem allerdings deshalb formelle Bedenken entgegenstehen, weil jedenfalls bislang eine ausreichende gesetzliche Grundlage fehlte. Diese formellen Bedenken sind indessen bis heute von keinem Gericht bestätigt worden. Mit dem Landgericht vermag der Senat vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen, weshalb sich der Beklagte wettbewerbsrechtlich unlauter verhalten soll, wenn er die ihm möglicherweise formell nicht wirksam erlaubte Tätigkeit nun auch ausübt und diese so lange fortsetzt, bis die vielfältige und hoch streitige juristische Auseinandersetzung um die Sportwetten mit höchstrichterlichen Urteilen abschließend geklärt ist . Der beste Beleg für die Komplexität der rechtlichen Fragen ist das vorliegende Verfahren, in dem eine kaum noch übersehbare Zahl unterschiedlichster Judikate der Verwaltungs-, Straf- und Zivilgerichtbarkeit aus den letzten Jahren vorgelegt worden ist. Wettbewerbsrechtlich kann die Klägerin von dem Beklagten als kleinem Gewerbetreibenden unter Lauterkeitsgesichtspunkten nicht beanspruchen, dass er das Verhalten der Freien und Hansestadt Hamburg nun daraufhin überprüft, ob es auch formell in jeder Beziehung rechtmäßig ist und im Endeffekt also klüger sein soll als die mit diesen Fragen beschäftigten Juristen, die untereinander ebenfalls nicht einig sind. Vielmehr wäre es in erster Linie Aufgabe der hierzu nach der Hamburgischen Verfassung berechtigten Organe, notfalls durch das Hamburgische Verfassungsgericht zu überprüfen, ob die Stadt von ihrer Glückspielhoheit in verfassungsgemäßer Weise Gebrauch macht und ob eine ausreichende gesetzliche Grundlage besteht (Art. 65 HambVerfG).
g) Die Klägerin hat die Frage nicht problematisiert, ob der Beklagte als Störer für eine von der NWLT - und damit der Stadt Hamburg - begangene wettbewerbswidrige Veranstaltung von Sportwetten auf Unterlassung in Anspruch genommen werden könnte. Es ist auch fraglich, ob dies vom Klagantrag erfasst ist, denn dieser ist gerichtet auf eigenes wettbewerbswidriges Handeln, nämlich das eigene Anbieten von Sportwetten ohne Erlaubnis, nicht die Leistung eines kausalen Beitrags zur wettbewerbswidrigen Handlung eines anderen.
Selbst wenn man eine Störerhaftung des Beklagten für streitgegenständlich hielte, müsste nicht nur ein Wettbewerbsverstoß der NWLT zu bejahen sein, sondern auch dem Beklagten die Verletzung von Prüfungspflichten vorgeworfen werden können (std. Rechtsprechung, zuletzt bestätigt in der schon mehrfach genannten Entscheidung "Schöner Wetten" des BGH) Eine Verletzung von Prüfungspflichten liegt jedoch - wie schon ausgeführt - nicht vor.
2. Berufung des Bekl.
Auch die Widerklage hat das Landgericht mit überzeugender Begründung abgewiesen.
Dabei kann allerdings nach Auffassung des Senats dahingestellt bleiben, ob die Erlaubnis der Stadt Gera, auf die die Klägerin sich für ihre Tätigkeit stützt, bundesweit gilt und ob die sonstigen Einwendungen, die die Beklagte vor allem mit ihrem letzten Schriftsatz gegen diese Genehmigung erneut erhoben hat, durchgreifen. Denn die Klägerin genießt aufgrund der verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen der VG Gera und des OVG Weimar (Anlagen K 53-55) in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht weiterhin Vertrauensschutz, dass sie im Internet Sportwetten anbieten und auch in Hamburg für die von ihr veranstalteten Sportwetten werben darf.
Der Senat stützt sich für diese Beurteilung vor allem auf die Entscheidung "Sportwetten-Genehmigung" des BGH vom 11.10.2001 (WRP 2002, 323, Anlage K 13 a): Mit dieser Entscheidung hat der BGH das Urteil des OLG Köln vom 21.5.99 gegen einen anderen Sportwettenveranstalter mit einer Erlaubnis vom 11.4.1990 aus der Zeit der DDR aufgehoben. Das OLG Köln hatte auf Antrag der Westdeutschen Klassenlotterie dem dortigen Beklagten die Bewerbung seiner Sportwetten, die bundesweit u.a. in der Bildzeitung erfolgte, nach § 1 UWG a.F. i.V.m § 284 StGB untersagt, weil die dem Beklagten erteilte Genehmigung vom 11.4.1990 selbst nach DDR-Recht nicht wirksam gewesen sei. Es hätte eine zusätzliche Genehmigung für Sportwetten vom Ministerium des Innern der DDR eingeholt werden müssen (Anlage B 11). Der BGH hat maßgeblich unter Bezugnahme auf den Fall der hiesigen Klägerin festgestellt, dass Fachgerichte - damals lagen die Eilentscheidungen des VG Gera und des OVG Thüringen zugunsten der Klägerin bereits vor, Anlagen K 53 und K 54 - die DDR-Erlaubnisse für Sportwetten als wirksam und für bundesweit gültig beurteilt hätten und ein Gewerbetreibender nicht wettbewerbswidrig handele, wenn er sich hierauf verlasse. Nach der Rechtsprechung des HansOLG und anderer Instanzgerichte ist in ähnlicher Weise ein wettbewerbsrechtlicher Vertrauensschutz schon dann anerkannt, mithin ein unlauteres Verhalten verneint worden, wenn ein Wettbewerber bei zweifelhafter Gesetzeslage seinem Verhalten eine Auslegung zugrunde legt, die auch von der zuständigen Behörde gebilligt wird (HansOLG MD 03,314 "Aurorix"; LG Köln GRUR-RR 04,187 "Pfandcoupon").
Seit der Entscheidung "Sportwetten-Genehmigung" des BGH ist die Rechtslage entgegen der Meinung des Beklagten keineswegs zu Ungunsten der Klägerin geklärt. Vielmehr hat inzwischen das VG Gera im Hauptsacheverfahren erneut ausgesprochen - wenn auch ohne nähere Begründung -, dass die Erlaubnis der Klägerin "grundsätzlich bundesweite Gültigkeit" habe (K 55). Auch mit den übrigen Einwendungen des Beklagten gegen die Genehmigung vom 14.9.1990 haben sich das VG Gera und das OVG Weimar als zuständige Fachgerichte schon im Eilverfahren beschäftigt und sie nicht für stichhaltig angesehen.
Zwar hat das VG Dessau in einem anderen Hauptsacheverfahren einer in Sachsen erteilten DDR-Sportwettengenehmigung vom 11.4.90 (offenbar diejenige, die auch den BGH beschäftigt hat) die Wirksamkeit nach Art .19 Einigungsvertrag für Sachsen-Anhalt versagt, dabei aber entscheidend auf den Wortlaut gerade dieser Genehmigung abgestellt, der nicht mit demjenigen der Genehmigung der Klägerin vom 14.9.90 identisch ist (Anlage B 9) . Alle übrigen Gerichtsentscheidungen von Verwaltungsgerichten seit dem BGH-Urteil "Sportwetten-Genehmigung" sind nur vorläufige Entscheidungen im Eilverfahren, die nicht nur zu Ungunsten der Klägerin ausgegangen sind. So hat das VG Stuttgart in einer Eil-Entscheidung vom 15.10.2003 nach § 80 Abs.5 VWGO in einem Verfahren wegen Schließung eines an die Klägerin vermittelnden Wettbüros in Baden-Württemberg den Streitstand um die DDR-Genehmigungen für Sportwetten ausführlich dargestellt und als noch nicht geklärt beurteilt (Anlage K 102). Es hat daher die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Schließung der Annahmestelle wieder hergestellt.
Im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit ist auf die Entscheidung des OLG Hamm vom 5.12.2002 zu verweisen. Das OLG Hamm geht in dieser, von der Klägerin gegen einen Wettbewerber erstrittenen Entscheidung gleichfalls - allerdings ohne nähere Begründung - von der bundesweiten Geltung der Erlaubnis vom 14.9.90 aus (Anlage K 48). Das LG Köln hat in einem Wettbewerbsprozess gegen die Beklagte des BGH-Verfahrens "Sportwetten-Genehmigung" mit Beschluss vom 23.5.2003 festgestellt, dass sich die Lage seit der BGH-Entscheidung nicht geändert habe, die Beklagte also weiterhin auf die Zulässigkeit ihrer Tätigkeit vertrauen dürfe (Anlage K 88). Das LG Karlsruhe hat in einer Entscheidung vom 5.11.2003 (MD 04, 556) zugunsten der Klägerin festgestellt, dass die Staatliche Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg nicht äußern dürfe, die Klägerin dürfe in Baden-Württemberg nicht werben. Denn die Rechtslage bezüglich der Reichweite von DDR-Sportwettengenehmigungen sei noch nicht abschließend geklärt (S.558).
Schließlich kann sich die Klägerin auf das Gutachten des anerkannten Staatsrechtlers Ossenbühl berufen, der zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Klägerin nach Art.12, Art 5 GG berechtigt sei, aufgrund der ihr erteilten DDR-Erlaubnis in ganz Deutschland jedenfalls zu werben und mit Kunden aus ganz Deutschland Wetten abzuschließen (Anlage K 59).
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr.10, 711 ZPO. Der Senat sieht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die Entscheidung beruht in allen wesentlichen Punkten auf der Anwendung der schon bisher ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Sportwetten in einem konkreten Einzelfall. Die jetzige Rechtslage in Hamburg nach dem Inkrafttreten des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland brauchte im Rahmen dieses Urteils nicht untersucht werden.
Ende der Entscheidung
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