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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 06.11.2003
Aktenzeichen: 5 U 62/03
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 62/03

In dem Rechtsstreit

Verkündet am:

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter Betz, Rieger, Dr. Koch nach der am 6. November 2003 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 06.03.2003 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind Wettbewerber im Handel mit Süßwaren. Beide vertreiben sog. "Jelly Beans" in unterschiedlichen Farben und Geschmacksrichtungen. Die Klägerin ist Vertriebspartnerin eines us-amerikanischen Unternehmens und bietet ihr Produkt unter der Bezeichnung "J.B. - xxxx" an, die Beklagte ist mit ihrem Erzeugnis unter der Bezeichnung "T.J.B.F." auf dem Markt. Die Beklagte bewirbt ihr Produkt u.a. auf der Verpackung mit der Aussage "The juiciest experience ever!".

Diesen Slogan beanstandet die Klägerin als unzutreffende Alleinstellungsbehauptung unter dem Gesichtspunkt einer irreführenden Werbung i.S.v. § 3 UWG. Tatsächlich seien die von ihr vertriebenen "Jelly Beans" u.a. wegen des höheren Fruchtsaftgehalts "saftiger" als die Produkte der Beklagten.

Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 06.03.2003 auf Antrag der Klägerin verurteilt, es bei Vermeidung der üblichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Süßwaren der Marke T.J. B.F. mit dem Slogan

"The juiciest experience ever!"

zu werben oder (be)werben zu lassen

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten.

Die Beklagte vertieft im Berufungsrechtszug ihren bereits in erster Instanz streitigen Rechtsstandpunkt, der angegriffenen Slogan beinhalte keinen objektiven Tatsachenkern, sondern ziele auf eine subjektive Empfindung ab. Als Werturteil könne er nicht Gegenstand einer irreführenden Alleinstellungsbehauptung sein.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das erstinstanzliche Urteil sowie auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Senat teilt unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung die Auffassung des Landgerichts nicht, die Beklagte sei unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer irreführenden Alleinstellungsbehauptung zur Unterlassung des streitgegenständlichen Werbeslogans verpflichtet. Denn die Aussage enthält keine "Angabe" i.S.v. § 3 UWG. Darunter sind nur inhaltlich nachprüfbare Aussagen über geschäftliche Verhältnisse zu verstehen. Bei der angegriffenen Werbebehauptung handelt es sich aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise demgegenüber im Ergebnis um ein - nur subjektiv zu fällendes - Werturteil.

1. Maßgebend für die Beurteilung der Werbeaussage nach § 3 UWG ist, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung versteht. Auszugehen ist dabei vom Wortsinn des angegriffenen Werbeslogans (BGH WRP 02, 74, 77 - Das Beste jeden Morgen). Da es vorliegend um Waren des täglichen Bedarfs geht, kann der Senat aus eigener Sachkunde beurteilen, wie der Werbeslogan von den in Betracht kommenden Verkehrskreisen aufgefasst wird. Dabei umfassen die maßgeblichen - deutschsprachigen - Verkehrskreise nicht nur spracherfahrene junge Leute, die "Jelly Beans" konsumieren, weil derartige Produkte "im Trend" liegen. Vielmehr werden durch Zuckerwaren dieser Art auch ältere Verbraucher angesprochen, die die Produkte entweder für sich oder Angehörige (z.B. Enkel) erwerben.

a. Deshalb bleibt einem Teil der angesprochenen Verkehrskreise bereits die mögliche Sachaussage des Slogans "The juiciest experience ever!" gänzlich verborgen. Diese Adressaten vermuten hinter einem englischsprachigen Satz schon von vornherein keine an sie gerichtete Werbebotschaft.

b. Andere Adressaten nehmen zwar die englischsprachige Werbebotschaft zur Kenntnis, erfassen ihren Sinn jedoch nicht vollständig oder zutreffend. Gerade fremdsprachige Werbeslogans werden gelegentlich sinnentstellend missverstanden (z.B. "Come in and find out"). Im vorliegenden Fall kann auch die für die deutsche Sprache ungewöhnliche Satzstellung des Wortes "ever" Anlass zu Fehlinterpretationen geben.

c. Soweit die angesprochenen Verkehrskreise die Werbebotschaft in Wortlaut und Wortsinn zutreffend verstehen - dies wird bei der Mehrzahl der Adressaten der Fall sein -, entnehmen sie ihr jedoch nicht das Versprechen einer objektiven Tatsache, sondern ein nur von jedem Verbraucher selbst subjektiv zu treffendes Werturteil. Ob ein nicht unbeachtlicher Teil der Verbraucher dem Wortsinn einer Superlativwerbung die Behauptung einer Alleinstellung entnimmt, beurteilt sich maßgeblich danach, ob nach der Verkehrsauffassung in der Werbeaussage eine, jedenfalls in ihrem Kern, konkret fassbare und einer Nachprüfung zugängliche Tatsachenbehauptung liegt (BGH GRUR 89, 608, 609 - Raumausstattung; BGH GRUR 65, 363, 364 - Fertigbrei). Stellt der Werbetext demgegenüber ein subjektives Werturteil des Werbenden dar, das sich in seiner schlagwortartigen und allgemein gehaltenen Formulierung jeder objektiven Nachprüfung entzieht (BGH GRUR a.a.O. - Fertigbrei) oder erschöpft er sich in einem suggestiven Appell, beim Kauf das angebotene Erzeugnis zu wählen (BGH GRUR 65 365, 366 - Lavamat II), kommt ein Verstoß gegen § 3 UWG nicht in Betracht.

aa. Bei der Beurteilung einer Superlativwerbung spielen - ungeachtet bestehender Möglichkeiten zur Feststellung der Qualität des beworbenen Produkts - für die Beantwortung der Frage, was z.B. "das Beste" bzw. "das Saftigste" ist, subjektive Einschätzungen und Bewertungen eine entscheidende Rolle. Derartige Behauptungen entziehen sich weitgehend einer objektiven Nachprüfbarkeit. Gerade die Beurteilung von Lebensmitteln hängt entscheidend von den persönlichen und geschmacklichen Vorlieben des Einzelnen ab. Eine objektive und generell für eine Vielzahl von Menschen zutreffende Feststellung wird sich hierzu häufig nicht - absolut - treffen lassen (vgl. BGH WRP 02, 74, 77 - Das Beste jeden Morgen).

bb. So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Denn unabhängig von der Frage, was der Verkehr unter "saftig" versteht bzw. wie er diese Eigenschaft feststellt, ergibt sich die eindeutig subjektive Prägung der Werbebehauptung im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung zumindest aus der Kombination der Begriffe "juiciest" und "experience".

aaa. Dabei können für die Beurteilung im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits diejenigen Verbraucher außer Acht gelassen werden, die "juicy" bzw. "juiciest" überhaupt nicht als Hinweis auf eine geschmackliche Eigenschaft der jelly beans, sondern - wie dies die Beklagte behauptet - im Sinne von "interessant" bzw. "toll" verstehen. Diese Verkehrskreise können schon im Ansatz nicht in die Irre geführt werden. Gleiches gilt für diejenigen Verbraucher, die den Slogan nur als allgemeine Werbeanpreisung bzw. reklamehafte Übertreibung ohne Tatsachenkern auffassen.

bbb. Aber auch denjenigen Werbeadressaten, die - wie der Senat - "the juiciest" als "das saftigste" verstehen, bietet sich hierbei erkennbar keine überwiegend objektive Sachaussage. Denn Jelly Beans sind keine "Saftgetränke", sondern in erster Linie aus Zucker hergestellte Süßwaren, zu deren Beschreibung der Begriff "saftig" als objektive Eigenschaft von vornherein nur bedingt passt. Soweit es darum geht, ob der Verbraucher den Biss in eine Jelly Bean als "saftig" empfindet, ist diese Werbeaussage schon deshalb erheblich subjektiv geprägt. Denn es erfordert die Umsetzung der für den Aggregatzustand "flüssig" passenden Eigenschaft auf ein (mehr oder weniger) in "fester" Form vorliegendes Produkt. Gleichwohl beinhaltet - insoweit ist der Klägerin zuzustimmen - die Beschreibung "saftig" auch erhebliche Anteile einer objektiven Tatsachenbeschreibung, z.B. in Abgrenzung zu "trocken".

ccc. In diesem Zusammenhang sind allerdings die von der Klägerin in den Vordergrund ihrer Argumentation gestellten Darlegungen zu den Zutaten ihres Produkts bzw. zu dessen Fruchtsaftanteil für die Beurteilung des Rechtsstreits ohne jede Bedeutung. Denn "saftig" bzw. "saftigste" beschreibt weder ein qualitatives Merkmal der Inhaltsstoffe noch einen quantitativ zu bestimmenden Fruchtsaftanteil, sondern einen Geschmackseindruck. Und dieser kann - z.B. bei einem "saftigen" Butterkuchen - auch in vollkommener Abwesenheit von Fruchtsaft entstehen.

cc. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass der angegriffene Werbeslogan in seinem Bestandteil "saftigste" eine objektive Teilaussage enthält, wird diese jedoch durch den weiteren Bestandteil "experience" sogleich wieder aufgehoben bzw. erheblich relativiert. Denn dieser Begriff, der von den angesprochenen Verkehrskreisen zutreffend mit "Erlebnis" bzw. "Erfahrung" übersetzt wird, beschreibt eindeutig ein nicht objektivierbares Werturteil. Die Frage, ob ein bestimmtes Geschmacksgefühl für eine individuelle Person das "saftigste Erlebnis" bzw. die "saftigste Erfahrung" bedeutet, ist eine Aussage, die "sich nicht objektiv und generell für eine Vielzahl von Menschen feststellen lässt" (vgl. BGH a.a.O. - Das Beste jeden Morgen). Die angesprochenen Verbraucher werden sie vielmehr "als eine allgemein suggestive Anpreisung mit erkennbar subjektivem Gepräge auffassen, weil jeder Einzelne nur für sich beantworten kann", ob diese Aussage für ihn zutrifft oder nicht (vgl. BGH a.a.O., S. 78 - Das Beste jeden Morgen) und die Auffassungen darüber, welcher Geschmackseindruck der "saftigste" ist, Schwankungen unterliegen (vgl. BGH GRUR 65, 363, 365- Fertigbrei). Diese subjektive Ausrichtung wird durch den Zusatz "ever!" im Sinne von "immer" bzw. "jemals" noch erheblich verstärkt, weil diese Aussage sich noch nicht einmal eindeutig auf die Gegenwart bzw. Vergangenheit beschränkt, sondern im Verständnis der Verbraucher möglicherweise sogar in die Zukunft wirken soll (i.S.v. "Das saftigste Geschmackserlebnis, das Sie jemals haben werden"). Im Ergebnis steht deshalb nach Auffassung des Senats - entgegen der Ansicht des Landgerichts - in der Wahrnehmung der Verbraucher das subjektive Erleben und damit ein Werturteil im Vordergrund.

2. Erschöpft sich der objektive Aussagegehalt des Slogans damit in der Behauptung, das von der Beklagten beworbene Produkt gehöre zu den von dem - jeweiligen - Verbraucher als am saftigsten empfundenen Jelly Beans, so kann die Werbung nicht mit Erfolg im Rahmen von § 3 UWG beanstandet werden (vgl. BGH a.a.O., S. 365 - Fertigbrei, BGH a.a.O., S. 78 - Das Beste jeden Morgen). Die Klägerin hat keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass diese Darstellung unrichtig ist. Hierfür ist - aus den genannten Gründen - insbesondere nicht allein der Fruchtsaftanteil maßgeblich.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Rechtsstreit bietet dem Senat keine Veranlassung, gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern beschränkt sich auf die Anwendung feststehender Rechtsgrundsätze auf den konkreten Einzelfall. Einer Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf es auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Ende der Entscheidung

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