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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 10.04.2002
Aktenzeichen: 5 U 63/01
Rechtsgebiete: MPG, UWG, EG-Vertrag
Vorschriften:
MPG § 3 Abs. 1 lit. a | |
MPG § 3 Abs. 1 lit. b | |
MPG § 3 Abs. 1 lit. c | |
UWG § 3 | |
EG-Vertrag Art. 234 Abs. 2 | |
EG-Vertrag Art. 234 Abs. 3 |
2. Ist eine nationale Rechtsvorschrift (hier: § 3 MPG) in Umsetzung einer EU-Richtlinie (hier: Art. 1 Abs. 2 lit a. RL 93/42/EWG) erlassen worden und kommt eine Vorlage an den EuGH gem. Art. 234 EG-Vertrag wegen des Natur des einstweiligen Verfügungsverfahrens als Eilverfahren nicht in Betracht, so hat das nationale Gericht die Vorschrift des Gemeinschaftsrecht unter Hinzuziehung aller verfügbaren (europarechtlichen) Auslegungshilfen in eigener Zuständigkeit auszulegen. In Ermangelung offizieller Stellungnahmen/Empfehlungen usw. sind hierbei auch rechtlich unverbindliche Meinungsäußerungen - wie z.B. ein ausdrücklich als Auslegungshilfe gedachtes "Guidance document" der Kommission - zur Ermittlung des Willens des Richtliniengebers heranzuziehen.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 10.04.2002
In dem Rechtsstreit
Pigmentiergerät
hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter Rieger, Dr. Koch, Spannuth
nach der am 27. März 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Antragsgegnerinnen gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 20.09.2000 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerinnen tragen die Kosten des Berufungsverfahrens wie Gesamtschuldnerinnen.
und beschlossen:
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf € 51.129,18 (entspricht erstinstanzlich festgesetzten DM 100.000.-) festgesetzt.
Tatbestand:
Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich des sog. "Permanent Make Up". Dabei wird mittels eines speziellen Pigmentiergeräts mit einer Nadel Pigmentierfarbe unter die oberen Hautschichten gespritzt. Dort verbleibt die Farbe ca. 2 bis 4 Jahre und verblasst dann von selbst.
Die Antragsgegnerin zu 1. - die Antragsgegnerin zu 2. ist ihre Geschäftsführerin - hat für ihre Produkte bei der TÜV Product Service GmbH ein Konformitätsverfahren gem. Anhang II.3 der Richtlinie 93/42/EWG für die Medizinproduktekategorien "Pigmentiergeräte" (Klasse 2a) und "Pigmentierfarben" (Klasse 2b) absolviert und im Anschluss daran von dem TÜV als "benannter Stelle" i.S. dieser EG-Richtlinie am 19./.20.01.2000 ein "EG-Zertifikat" nach Maßgabe dieser Richtlinie erhalten (Anlagen B2 bis B4). Aufgrund dieser Zertifizierung ist die Antragsgegnerin zu 1. verpflichtet, ihre Produkte mit der sog. CE-Kennzeichnung in den Verkehr zu bringen. Diese Zulassung ist der Antragsgegnerin zu 1. am 01.02.2001 zunächst entzogen worden, nachdem Zweifel an der Zertifizierbarkeit der Pigmentiergeräte als Medizinprodukte aufgetreten waren (Anlagen JS12 bis JS14). Mit Schreiben vom 12.02.2001 hat der TÜV Product Service die "Kündigung" des Zertifikats sodann wieder zurückgenommen (Anlage B18).
Die Antragsgegnerin zu 1. hat die für ihre Schminkmethoden verwendeten Produkte - u.a. in der Zeitschrift "Kosmetik aktuell", Ausgabe März 2000 (Anlage JS1) - unter Hinweis auf die erfolgte Zulassung und erteilte CE-Kennzeichnung ausdrücklich als "Medizinprodukte" beworben.
Diese Äußerungen greift die Antragstellerin unter dem Gesichtspunkt der irreführenden Werbung als wettbewerbswidrig an. Sie steht auf dem Standpunkt, Produkte für dauerhafte Schminkmethoden seien keine Medizinprodukte, sondern dienten kosmetischen Zwecken, so dass eine Zertifizierung nach der Richtlinie 93/42/EWG weder erforderlich noch zulässig sei.
Das Landgericht Hamburg hat den Antragsgegnerinnen auf Antrag der Antragstellerin mit einstweiliger Verfügung vom 27.03.2000 unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Pigmentiergeräte, deren Zubehör und Pigmentierfarben, welche zum Einsatz für dauerhafte Schminkmethoden (sog. Permanent Make Up) bestimmt sind, mit einer CE Kennzeichnung nach dem MPG und/oder der Richtlinie 93/42 EWG und/oder einer Zertifizierung nach MPG und/oder der Richtlinie 93/42 EWG zu werben, soweit diese Geräte, deren Zubehör und Farben nicht überwiegend zum Einsatz für medizinische Zwecke bestimmt sind, insb. mit dem Hinweis, "durch den Einsatz von Einmalnadeln, welche ebenso die Zulassung zum Medizinprodukt CE 0123 haben, wie das Feinstpigmentiergerät und die pharmazeutisch hochwertigen Pigmentierfarben" und/oder "so wurde eigens ein neues spezielles humanmedizinisches Feinstpigmentiergerät, das Conture MED 2000 und ebenso die neuen Pigmentierfarben MED 2000 entwickelt, welche den Vorschriften und Auflagen von 1998 für Medizinprodukte der IDN ISO 9001/46001 EG -Richtlinie 93/42 EWG für Medizinprodukte entsprechen und auch als solche mit der Kennzeichnung CE0123 zugelassen sind (Zulassung liegt vor)", und dieses Verbot auf den Widerspruch der Antragsgegnerinnen mit Urteil vom 20.09.2000 bestätigt. Hiergegen wenden sich die Antragsgegnerinnen mit ihrem form- und fristgerecht eingelegten Rechtsmittel.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Antragsgegnerinnen zu Recht gem. § 3 UWG zur Unterlassung der angegriffenen Behauptungen verurteilt. Die hiergegen gerichteten Angriffe in der Rechtsmittelinstanz bleiben erfolglos.
1. Eine Werbung für die Produkte der Antragsgegnerinnen in der in dem Verfügungsantrag beschriebenen Weise als Medizinprodukte unter Hervorhebung der erteilten CE-Kennzeichnung ist irreführend, weil es sich bei Pigmentiergeräten und Pigmentierfarben für den beworbenen Zweck nicht um Medizinprodukte i.S.v. Art. 1 Abs. 2 lit. a. der Richtlinie 93/42/EWG bzw. § 3 Abs. 1 lit. a. bis c. handelt, so dass es einer Zertifizierung nach Art. 9, 11 i.V.m. Anhang II der Richtlinie nicht bedarf. Dementsprechend erweckt die Werbung der Antragsgegnerinnen bei den angesprochenen Verkehrskreisen den unrichtigen Eindruck, als hebe sich das Produkt der Antragsgegnerinnen schon aufgrund dieser Zertifizierung und CE-Kennzeichnung qualitativ von Konkurrenzprodukten ab, die über eine solch offizielles "Gütesiegel" nicht verfügen.
In der rechtlichen Bewertung teilt der Senat die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Hamburg in der angefochtenen Entscheidung vom 20.09.2000 (dort allerdings zum Teil im Ergebnis offen gelassen) sowie des OLG München in dem - beiden Parteien bekannten und als Anlage JS 23 eingereichten - Urteil vom 22.11.01 in dem Rechtsstreit 6 U 1859/01. Der Senat ist mit dem OLG München (MD 02, 318) der Auffassung, dass die Zertifizierung als Medizinprodukt i.S.v. § 3 Nr. 1 MPG die Ausrichtung auf einen "medizinischen Zweck" erfordert, der bei den Produkten der Antragsgegnerinnen - jedenfalls in dem Bereich, auf die sich die mit dem Verfügungsantrag angegriffene Werbung bezieht - nicht erfüllt ist. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat auf die überzeugende Argumentation des OLG München in der genannten Entscheidung (UA 12 - 16) zur Anwendung des MPG sowie auf die Ausführungen des Landgerichts Hamburg (insbesondere zur Irreführung im Rahmen von § 3 UWG durch Verwendung der CE-Kennung) Bezug und macht sich diese zu eigen, soweit sich aus den folgenden Ausführungen nichts Abweichendes ergibt.
2. Allerdings weisen die Antragsgegnerinnen zutreffend darauf hin, dass ihre Produkte - dem objektiven Wortlaut nach - ohne weiteres von dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 MPG umfasst wären und diese Vorschrift ausdrücklich eine "medizinische Zweckbestimmung" nicht vorsieht. Den Antragsgegnerinnen ist ebenfalls darin zuzustimmen, dass der nationale Gesetzgeber mit der Schaffung von § 3 Abs. 1 MPG seiner Umsetzungsverpflichtung aus Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 93/42/EWG - praktisch wortgleich - nachgekommen ist, so dass bei bestehenden Zweifeln über den konkreten Anwendungsbereich von § 3 Abs. 1 MPG zugleich immer auch eine Auslegung der dieser Norm zugrunde liegenden EG-Richtlinie erforderlich ist. Schließlich weisen die Antragsgegnerinnen zutreffend auch darauf hin, dass die Prärogative für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts gem. Art. 234 EG-Vertrag bei dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) liegt. Gleichwohl ist der Senat jedenfalls im vorliegenden Rechtsstreit nicht gehindert, § 3 Abs. 1 MPG in Übereinstimmung mit dem OLG München auch ohne Anrufung des EuGH im Sinne eines zusätzlichen (ungeschriebenen) Tatbestandsmerkmal einer "medizinischen Zweckbestimmung" - zumindest vorläufig für die Zwecke des summarischen Verfahrens - einschränkend auszulegen.
a. Der Senat hat keine Veranlassung, von seinem Vorlagerecht an den EuGH gem. Art. 234 Abs. 2 EG-Vertrag Gebrauch zu machen. Eine Verfahrensaussetzung zur Vorlage an den EuGH ist im Rahmen des hier zur Entscheidung stehenden einstweiligen Verfügungsverfahrens mit dem Charakter eines summarischen Eilverfahrens im Rahmen eines nur vorläufigen, dafür aber schnellen Rechtsschutzes unvereinbar.
b. Aus entsprechenden Gründen besteht nach zutreffender Auffassung auch keine Vorlagepflicht des Senats aus Art. 234 Abs. 3 EG-Vertrag, obwohl das in einem Verfügungsverfahren ergehende Berufungsurteil des Senats gem. § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F. nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann (Callies/Ruffert-Wegener, Kommentar zu EU- und EG-Vertrag, Art. 234, Rdn. 22). Hierzu hat der EuGH in den verbundenen Rechtssachen Morson gegen Niederlande u.a. mit Urteil vom 27.10.1982 (Slg. 1982, 3723, 3734) ausgesprochen, dass in summarischen und eilbedürftigen Verfahren den aus den Anforderungen des Art. 177 a.F. ( = Art. 234 n.F) fließenden Anforderungen Genüge getan ist, wenn in einem ordentlichen Verfahren zur Hauptsache eine erneute Prüfung jeder im summarischen Verfahren nur vorläufig entschiedenen Frage des Gemeinschaftsrechts möglich ist.
Dies ist hier der Fall. Die Parteien dieses Rechtsstreits haben ein solches Hauptsacheverfahren bei der Zivilkammer 15 des Landgerichts Hamburg anhängig gemacht, welches mit Rücksicht auf eine zunächst im Verfügungsverfahren anstehende Entscheidung aber nicht weiter betrieben worden ist. Es steht den Parteien frei, jenes Verfahren fortzusetzen und dort - gegebenenfalls nach Erschöpfung des Rechtszuges -eine Vorlage an den EuGH zur verbindlichen Klärung der streitigen Rechtsfragen zu betreiben.
c. Bei dieser prozessrechtlichen Situation ist der Senat deshalb zu einer eigenen Auslegung von § 3 MPG berufen. Da diese Norm - wie ausgeführt - in unmittelbarer Umsetzung von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/42/EWG erlassen worden ist, hat sich diese Auslegung in möglichst weitgehendem Umfang an den Zielen, Grundgedanken bzw. Erfordernissen des zugrunde liegenden (EG-)Gemeinschaftsrechts auszurichten, soweit diese für den Senat - auch ohne Vorlage an den EuGH - erkennbar bzw. verfügbar sind.
aa. Da "offizielle", wenngleich möglicherweise unverbindliche Auslegungshilfe etwa in der Art von "Stellungnahmen" bzw. "Empfehlungen" gem. Art. 211 und 249 EG-Vertrag (unstreitig) nicht vorliegen, hat sich der Senat bei seiner Entscheidung in Ermangelung besserer Erkenntnisse an den im April 1994 als Dokument MEDDEV 2.1/1 der Europäischen Kommission herausgebrachten "Guidelines relating to the application of [...] The Council Directive 93/42/EEC on Medical Devices" zu orientieren. Diese hatte die Antragstellerin zunächst in Anlage JS15 im Entwurfsstadium als "working document" vorgelegt. Wie zwischen den Parteien in der Senatssitzung am 27.03.2002 unstreitig geworden ist, sind die Guidelines mit diesem Inhalt zwischenzeitlich auch als endgültiges "Guidance document" herausgegeben worden und über die Internet-Homepage der Europäischen Kommission für Jedermann abrufbar. Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen von Prof. Dr. Wulf-Henning Roth in dem von den Antragsgegnerinnen als Anlage B17 vorgelegten (ergänzenden) Privatgutachten vom 19.11.01.
bb. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ist dabei die rechtliche Qualifizierung dieses "Guidance documents" bzw. seine gemeinschaftsrechtliche Verbindlichkeit ohne ausschlaggebende Bedeutung. Es mag sein, dass es sich hierbei um eine gemeinschaftsrechtlich nicht geregelte, unverbindliche und zudem im Amtsblatt nicht veröffentlichte Meinungsäußerung handelt. Gleichwohl ist diese geeignet, dem Senat Anhaltspunkte dafür zu vermitteln, welches gemeinschaftsrechtliche Verständnis der Richtlinie 93/42/EWG zugrunde liegt. Denn diese ist - wie sich aus ihrer Präambel (Anlage B9) ergibt - vom Rat "auf Vorschlag der Kommission" erlassen worden, die wiederum ihrerseits nach Anhörung von Experten das "Guidance document" MEDDEV 2.1/1 herausgegeben hat. Dieses ist für eine Auslegung des Gemeinschaftsrechts nicht nur geeignet, sondern sogar ausdrücklich hierfür bestimmt. Der von den Antragsgegnerinnen beauftragte Privatsachverständige Prof. Dr. Roth zitiert in seinem "Ergänzenden Gutachten" (Anlage B17) das Vorwort des "Guidance document", in dem die Kommission ihrer Hoffnung Ausdruck gibt, dass diese unter Mitwirkung von Experten erstellten Auslegungshilfen - obwohl nicht "legally binding" - im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung in den Mitgliedsstaaten beachtet werden:
"Due to the participation of the aforementioned interested parties and of experts from Competent Authorities, it is anticipated that these guidelines will be followed within the Member States and, therefore, ensure uniform application of the relevant Directive provisions"
Angesichts dieser Umstände erscheint dem Senat jedenfalls für die Zwecke des vorliegenden Verfügungsverfahrens eine weitere Auseinandersetzung mit der rechtlichen Qualifikation des "Guidance documents" als unergiebig. Die von den Antragsgegnerinnen als Anlagen B16 und B17 eingereichten Rechtsgutachten sind dem Anschein nach ohnehin nicht im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit, sondern das bei dem OLG München anhängige Hauptsacheverfahren (umgekehrten Rubrums) eingeholt worden.
cc. Das "Guidance Document" MEDDEV 2.1/1 (im Folgenden: Guidelines) definiert den Begriff "medical devices" unter Ziffer I.1.1 b) für die hier in Frage stehende Richtlinie 93/42/EWG wie folgt:
"Medical devices are defined as articles which are intended to be used for a medical purpose. The medical purpose is assigned to a product by the manufacturer [...] "(Unterstreichung im Original).
Damit knüpft diese Definition unmittelbar an die Regelung aus Art. 1 Abs. 2 lit. g RL 93/42/EWG bzw. § 3 Abs. 9 MPG an, die die Frage der Zweckbestimmung ebenfalls aus den Herstellerangaben ableiten. Nach Auffassung des Senats kann es danach nicht zweifelhaft sein, dass die Schaffung von Art. 1 Abs. 2 lit. a. der Richtlinie 93/42/EWG ausdrücklich von der Erwägung getragen war, hiervon nur solche Produkte zu erfassen, denen inhaltlich eine medizinische Zweckbestimmung zugrunde lag. Demgegenüber sollten andere Produkte - unabhängig von ihrer Zweckbestimmung - nicht allein deshalb den besonderen Regelungen für Medizinprodukte unterworfen werden, weil sie nur allgemein-sprachlich in den Anwendungsbereich dieser Norm fielen. Diese Absicht des Richtliniengebers - bzw. der die Richtlinie vorschlagenden Kommission - hat in den Guidelines als Buchstabe d) unter der Überschrift "medical - toiletry purpose" auch an anderer Stelle explizit Eingang gefunden. Dort wird zum einen ausdrücklich ausgeführt, dass solche Artikel, die lediglich eine Bestimmung für kosmetische oder körperpflegerische Zwecke haben, von der Richtlinie gerade nicht erfasst sein sollen, selbst wenn sie der Abwehr von Krankheiten dienen (können):
"Therefore products intended to have a toiletry or cosmetic purpose are not medical devices even though they may be used for prevention of a disease" (Unterstreichung im Original).
Hierfür werden eine Reihe von Beispielen Beispiele genannt, u.a. "Kontaktlinsen ohne Korrekturfunktion, die lediglich den Augen eine andere Farbe verleihen sollen". Besonders aus dieser Erwähnung wird deutlich, dass der Kommission die Existenz von Produkten mit mehrfacher Zweckbestimmung, die - je nach Anwendungszweck - entweder eine medizinische oder nicht-medizinische Funktion erfüllen können, ohne weiteres bewusst war. Dem entnimmt der Senat den Willen des Richtliniengebers, dass diese Produkte nicht stets, sondern - je nach Funktion - nur im (zumindest überwiegenden) Anwendungsbereich ihrer medizinischen Zweckbestimmung von der RL 93/42/EWG - und damit von dem MPG - erfasst sein sollen.
dd. Für die Einordnung von Pigmentierungsgeräten ist deshalb danach zu fragen, welche Zweckbestimmung ihnen nach der Werbung des Herstellers in dem konkreten Anwendungsgebiet zukommen soll. Dabei wird es nicht auszuschließen sein - dies hat der Senat allerdings im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht zu entscheiden -, dass Pigmentiergeräte möglicherweise dann als Medizinprodukte einzuordnen sind, wenn sie z.B. von Ärzten zu überwiegend medizinischen Zwecken (z.B. der "Rekonstruktion" von Gesichtspartien nach einem entstellenden Unfall) angewendet werden, mag hierbei auch ein kosmetischer Zweck mit verfolgt werden. Einer solchen Möglichkeit trägt die Antragstellerin durch die Formulierung ihres Antrags auch in angemessener Weise Rechnung, der von dem Landgericht in dem Verbot noch weiter eingeschränkt worden ist ("soweit diese Geräte, deren Zubehör und Farben nicht überwiegend zum Einsatz für medizinische Zwecke bestimmt sind" statt ".. ausschließlich.."). Eine Reihe potenzieller weiterer medizinischer Indikationen haben die Antragsgegnerinnen selbst in dem Artikel in Anlage K1 genannt. Hierum geht es jedoch im vorliegenden Fall bei der angegriffenen Werbung der Antragsgegnerinnen nicht. Schon der Umstand, dass diese ist in der Zeitschrift "Kosmetik aktuell" erschienen ist, besagt etwas über deren Hauptzielrichtung. Zudem wendet sich der Artikel ausdrücklich nicht an Mediziner, sondern an "Kosmetikerinnen, Visagisten und Pigmentierer", also eine Zielgruppe, deren Arbeit - zumindest weitestgehend - kosmetisch ausgerichtet ist. In dem Artikel werden mit "Conture Make Up" bzw. "Langzeit Make Up"/"Dauer Make Up" unter der Überschrift "Hinweise und Aufklärung zum Thema Dauerhafte Schminkmethoden" (Unterstreichung nicht im Original) in erster Linie kosmetische Einsatzbereiche beworben, mögen die Antragsgegnerinnen in dem Artikel auch in vielerlei Hinsicht eine Beziehung ihres Produkts zu Begriffen wie "Humanmedizin" und "Implantation" herzustellen versuchen. Weder hierdurch noch durch die Benennung ihres Produkts als "humanmedizinisches Feinstpigmentiergerät" vermögen die Antragsgegnerinnen davon abzulenken, dass ihre Werbung der Sache nach einen- zumindest im Umgangssprachgebrauch, wenn auch nicht nach der Definition der KosmetikVO - weit überwiegend kosmetischen Zweck verfolgt.
ee. Schließlich ist die Tatsache, dass in den Guidelines unter Buchstabe d. auch "instruments for tattooing" ausdrücklich nicht als "medical devices" angesehen werden, ein deutliches Indiz dafür, dass ein Einbringen von Farbe als "chirurgisch-invasives" Implantat allein nicht für die Annahme genügt, das hierfür verwendete Gerät sei schon deshalb zwingend ein Medizinprodukt, weil es den anatomischen Aufbau der Haut i.S.v. § 3 Abs. 1 c. MPG verändert. Wäre diese Sichtweise der Antragsgegnerinnen richtig, müsste es sich bei Tätowierungsinstrumenten erst recht um Medizinprodukte handeln, weil diese - anders als Pigmentiergeräte - sogar eine dauerhafte Hautveränderung bewirken.
3. Soweit sich die Antragsgegnerinnen gegenüber dem Vorwurf der irreführenden Werbung i.S.v. § 3 UWG weiterhin mit der Behauptung wehren, sie seien gesetzlich verpflichtet, die CE-Kennzeichnung zu verwenden, zudem verfüge ihr Produkt tatsächlich über den behaupteten Qualitätsvorsprung, verhilft ihnen dieses Vorbringen ebenfalls nicht zum Erfolg.
a. Allerdings ist den Antragsgegnerinnen darin zuzustimmen, dass sie gem. § 9 Abs. 3 Satz 1 MPG die CE-Kennung "deutlich sichtbar, gut lesbar und dauerhaft auf dem Medizinprodukt" und ggfls. auf Handelspackungen sowie Gebrauchsanweisungen anzubringen haben. Diese Verpflichtung obliegt ihnen, so lange ihr Produkt - wie dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Fall ist - entsprechend zertifiziert ist. Sie handeln nach § 45 Abs. 2 Nr. 4 MPG ordnungswidrig, wenn sie die CE-Kennung nicht in der vorgeschriebenen Form anbringen. Hieraus ergibt sich jedoch nichts für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits. Denn die Antragstellerin wendet sich mit dem Verfügungsantrag ausschließlich dagegen, dass die Antragsgegnerinnen u.a. mit der für ihre Gerät erteilten CE-Kennung (irreführend) werben. Auf diese Handlungen erstreckt sich die gesetzliche Verpflichtung zur Verwendung der CE-Kennung gerade nicht, so dass die Antragsgegnerinnen insoweit nicht gehindert sind, das beanstandete wettbewerbswidrige Verhalten einzustellen.
b. Die Behauptung der Antragsgegnerinnen, ihr Produkt verfüge - abgesehen von der für den Einsatz zu Kosmetikzwecken nicht erforderlichen Zertifizierung und CE-Kennung - auch ansonsten über einen Qualitätsvorsprung gegenüber dem klägerischen Konkurrenzprodukt (so dass eine kaufrelevante Irreführung nicht eintreten könne), ist unspezifiziert und deshalb einer konkreten Bewertung nicht zugänglich. Der hierzu in Anlage B19 als Nachweis vorgelegte Pressemitteilung über die Verleihung eines "Beauty Award" ist nur zu entnehmen, dass die Innovationsstärke des Unternehmens der Antragsgegnerin zu 1. im Jahr 2000 hervorgehoben worden ist. Dies sagt nichts über den Qualitätsvorsprung eines konkreten Produkts aus. Gleiches gilt für die knappen erläuternden Angaben der Antragsgegnerinnen zu Antrieb, Einstichtiefführung und Qualitätsmanagement, deren Gewicht ohne konkrete Vergleichsbetrachtung des klägerischen Produkts nicht zuverlässig beurteilt werden kann. Im übrigen betrifft die mit dem Verfügungsantrag angegriffene Werbung gerade nicht eine allgemeine qualitative Überlegenheit, sondern speziell die unzutreffende Bewerbung als Medizinprodukt mit einem Qualitätsvorsprung wegen der CE-Kennung.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 100 Abs. 4 analog ZPO.
Ende der Entscheidung
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