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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 30.10.2002
Aktenzeichen: 5 U 75/02
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 2 Abs. 2 Nr. 5
Die werbliche Ankündigung "Die M.M. Tiefpreisgarantie hält, was andere versprechen" enthält keine i.S.v. § 1 UWG wettbewerbswidrige, weil pauschale Herabsetzung der Mitbewerber
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 75/02

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 30.10.02

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter

Gärtner, Rieger, Dr. Koch

nach der am 18.09.02 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 06.02.2002 abgeändert. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 30.10.2001 wird unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags aufgehoben.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz und beschlossen:

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf € 20.451,67 (entspricht erstinstanzlich festgesetzten DM 40.000.-) festgesetzt.

Tatbestand:

Der Antragsteller, ein Verein zur Förderung gewerblicher Belange, nimmt die Antragsgegnerin, die den Handel mit Elektronikartikeln betreibt, auf die Unterlassung wettbewerbswidriger Äußerungen in Anspruch.

Die Antragsgegnerin warb im Oktober 2001 in einer Werbebeilage mit der Aussage:

"Die M.-M. Tiefpreisgarantie:

hält was andere versprechen:

Trotz überragender Auswahl die tiefsten Preise der Region. Und sollten Sie trotzdem eines unserer Angebote innerhalb von 14 Tagen bei gleicher Leistung woanders günstiger sehen erstatten wir den Differenzbetrag. Garantiert!"

Diese Äußerungen greift der Antragsteller als gegenüber den Wettbewerbern der Region pauschal herabsetzend an.

Das Landgericht hat die Antragsgegnerin mit einstweiliger Verfügung vom 30.10.2001 auf Antrag des Antragstellers entsprechend zur Unterlassung verpflichtet und diese Verfügung auf den Widerspruch der Antragsgegnerin mit Urteil vom 06.02.2002 aufrechterhalten.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Antragsgegnerin.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist in der Sache auch begründet. Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, die angegriffene Äußerung sei pauschal herabsetzend und damit wettbewerbswidrig i.S.v. § 1 UWG, nicht

1. Mit seinem Unterlassungsantrag greift der Antragsteller die streitgegenständliche Äußerung nur im Rahmen von §§ 1, 3 UWG unter dem Aspekt einer Herabsetzung der Mitbewerber an, die sich insbesondere in der Formulierung "hält, was andere versprechen" manifestiert. Gegenstand des Rechtsstreits ist hingegen nicht die Frage, ob sich die Antragsgegnerin vor dem Hintergrund von § 3 UWG zu Recht rühmt, die "tiefsten Preise der Region" anzubieten. Hiergegen richtet sich der Angriff des Antragstellers trotz der weiten, auf die konkrete Verletzungsform ausgerichteten Antragsfassung erkennbar nicht.

2. Die streitgegenständliche Wendung ist nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden. Sie hält sich - trotz unverkennbarer Schärfe und Ausrichtung auf Mitbewerber - noch im Rahmen einer zulässigen Selbstanpreisung.

a. Auf den vorliegenden Sachverhalt sind nicht die gesetzlichen Regelungen über die vergleichende Werbung in § 2 UWG - konkret § 2 Abs. 2 Nr. 5 UWG - anzuwenden. Denn die angegriffene Behauptung macht die Mitbewerber der Antragsgegnerin oder die von ihnen angebotenen Waren oder Leistungen weder unmittelbar noch mittelbar erkennbar (vgl. hierzu zuletzt: BGH Urt. v. 25.04.02, I ZR 272/99 - Die "Steinzeit" ist vorbei). Eine pauschale Bezugnahme auf alle Anbieter von Elektronikartikeln "in der Region" wäre unter anderem auch deshalb zu unbestimmt, weil schon der Begriff "Region" weitgehend konturenlos ist.

b. Auch außerhalb des Anwendungsbereiches von § 2 Abs. 2 Nr. 5 UWG kann sich eine pauschale Herabsetzung ungenannter Wettbewerber aber weiterhin als wettbewerbswidrig i.S.v. § 1 UWG darstellen (vgl. zuletzt: BGH a.a.O.). Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.

aa.Dabei ist auszugehen von dem Erklärungsinhalt der angegriffenen Werbeaussage, wie er von den angesprochenen Verkehrskreisen verstanden wird. Die hierzu erforderlichen Feststellungen kann der Senat aus eigenen Sachkunde treffen. Denn seine Mitglieder gehören zu den angesprochenen Verkehrskreisen.

Die Aussage ist bewusst offen formuliert und lässt dem Werbeadressaten einen nicht unerheblichen Beurteilungsspielraum. Sie ist mehrdeutig und soll dies erkennbar auch sein. Die Antragsgegnerin behauptet nicht ausdrücklich, dass einzelne oder alle ihrer Mitbewerber die von ihnen gegebenen Versprechen nicht einhalten. Das Landgericht hat die Werbeaussage so verstanden, dass damit suggeriert wird, die Konkurrenz halte ihre Versprechen - im Gegensatz zu der Antragsgegnerin - nicht. Ein solches Verständnis mag zwar durchklingen und vielleicht sogar von der Antragsgegnerin beabsichtigt sein. Es stellt aber nach Auffassung des Senats gleichwohl nicht die einzige Deutungsmöglichkeit dar. Man kann die Werbeaussage nämlich bei lebensnaher Betrachtung ohne weiteres auch so verstehen, dass die Antragsgegnerin zwar gewisse Zweifel an der Seriosität der Garantien ihrer Mitbewerber äußert, diese Frage aber bewusst offen lässt und dem Leser empfiehlt, sich auf etwaige Unsicherheiten gar nicht erst einzulassen, sondern statt dessen "zur Sicherheit" gleich zu ihr zu kommen, weil jedenfalls dort die Tiefpreisgarantie eingehalten werde. Die Antragsgegnerin "spielt" insoweit damit, dass man ihre Aussage unterschiedlich weit deuten kann und lässt dem aufmerksamen Leser einen gewissen Assoziationsraum.

bb.Dieses Verhalten mag zwar Ausdruck einer offensiv-aggressiven Wettbewerbsstrategie sein, überschreitet aber nach Auffassung des Senats noch nicht die Grenze zu einer "unseriösen Verunglimpfung" der Konkurrenz, sondern hält sich noch im Rahmen einer erlaubten Selbstanpreisung in rechtlich zulässiger Abgrenzung von den Mitbewerbern.

Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch deutliche, zuweilen aggressive Werbung heute immer stärkere Verbreitung findet und der Verbraucher in gewissem Maße inzwischen hieran gewöhnt ist. Dieses (veränderte) Verständnis findet auch in der jüngsten Rechtsprechung des BGH seinen Ausdruck. So hatte dieser in der Entscheidung "SOOO... BILLIG" (BGH WRP 02, 1291, 1294) u.a. sogar eine Werbung mit auf die Konkurrenz bezogenen drastischen Begriffen wie "Unseriosität, Lockvogel, Ladenhüter und Finten" unbeanstandet gelassen. Nach Auffassung des Senats kann für den vorliegenden Fall nichts anderes gelten. Die von dem BGH in jener Entscheidung aufgestellten Grundsätze - auf die der Senat Bezug nimmt - gelten für den vorliegenden Fall gleichermaßen. Der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, auf dessen Sicht es maßgebend ankommt (vgl. BGH GRUR 00, 619, 621 - Orient-Teppichmuster), erkennt auch im Streitfall die bewusst "offene" Formulierung der Antragsgegnerin und versteht diese in erster Linie als Anpreisung der Verlässlichkeit ihres eigenen Garantieversprechens. Insbesondere bleibt den angesprochenen Verkehrskreisen nicht verborgen, dass die Antragsgegnerin wohlweislich gerade nicht mit der Wendung "Die M.M.-Tiefpreisgarantie hält, was andere nur versprechen" wirbt. Hierin läge möglicherweise in der Tat eine pauschale Herabsetzung der Konkurrenz. Der Senat vermag dem Landgericht aber nicht in der Auffassung zu folgen, dass die Werbeadressaten dieses - nach Sachlage bewusst ausgelassene - Wörtchen "nur" gleichwohl in Gedanken "mitlesen" und die Werbeaussage schon dadurch einen verunglimpfenden Inhalt enthält. Eine solche Annahme wäre nach Auffassung des Senats erfahrungswidrig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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