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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 27.02.2003
Aktenzeichen: 5 U 85/02
Rechtsgebiete: UWG
Vorschriften:
UWG § 1 | |
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2 |
2. In einem derartigen Fall können sich eine Vielzahl positiver Forderungsverletzungen von Individualverträgen, durch die das preisbindende Unternehmen nachhaltig in das wettbewerbliche Marktgeschehen eingreift und die Gleichgewichtslage zwischen Einzelverkauf und Abonnementvertrieb zu seinen Gunsten verschiebt, gleichzeitig als sittenwidriges Wettbewerbsverhalten i.S.v. § 1 UWG darstellen (im Anschluss an OLG Hamburg WRP 88, 114, 116 - Bestatterwerbung).
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT URTEIL IM NAMEN DES VOLKES
13 Hefte Stern
In dem Rechtsstreit
Verkündet am: 27. Februar 2003
hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Rieger, Dr. Koch nach der am 6. Februar 2003 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Rechte erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zvilkammer 12, vom 07.05.2002 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist ein Dachverband, der - weitgehend über Landesverbände - die in Deutschland im Geschäftsverkehr tätigen LOTTO-TOTO-Verkaufsstellen vertritt. In dem Verlag der Antragsgegnerin erscheint u.a. die Wochenzeitschrift "Stern". Anfang 2002 warb die Antragsgegnerin in ihrer Zeitschrift u.a. unter der Überschrift "13 x stern testen, über 40 % sparen" um neue Abonnenten, denen sie ein kostengünstiges Probeabonnement über 13 Hefte sowie eine attraktive Zugabe (u.a. einen B. Kaffeebereiter bzw. eine B. Bistro Vacuum Isolierkanne) in Aussicht stellte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen ASt2 und ASt3 Bezug genommen.
Dieses Verhalten beanstandet de Antragsteller u.a. als Verstoß gegen die Preisbindung im Zeitschriftenhandel als wettbewerbswidrig.
Das Landgericht hat die Antragsgegnerin mit einstweiliger Verfügung vom 29.01.2002 entsprechend den Anträgen des Antragstellers zur Unterlassung verpflichtet und diese Verfügung auf den Widerspruch der Antragsgegnerin mit Urteil vom 07.05.02 aufrechterhalten.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Antragsgegnerin.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Antragsgegnerin zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung zur Unterlassung verurteilt. Ihr Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Es gibt dem Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Anmerkungen:
1. Der Antragsteller ist als Verband aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zur Verfolgung der Unterlassungsansprüche aktivlegitimiert. Hierzu hat bereits das Landgericht das Erforderliche ausgeführt. Die hiergegen auch in der Berufungsinstanz gerichteten Angriffe der Antragsgegnerin verfangen nicht. Es ist allgemein - und auch dem Senat - bekannt, dass eine große Zahl zumeist kleinerer Gewerbebetriebe bundesweit den Verkauf von Zeitungen/Zeitschriften kombiniert mit der Funktion einer Lotto-Toto-Annahmestelle wahrnehmen. Die Gefahr einer missbräuchlichen Anspruchsverfolgung durch einen nicht unmittelbar als Wettbewerber betroffenen Verband, der die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG entgegenwirken sollen (BGH GRUR 96, 804, 806 - Preisrätselgewinnauslobung III), kann sich im vorliegenden Fall erkennbar nicht realisieren. Diese Frage bedarf deshalb nach Auffassung des Senats jedenfalls im Verfügungsverfahren keiner weiteren Vertiefung, zumal die Antragsgegnerin die organisatorische und finanzielle Befähigung zur Anspruchsverfolgung des Antragstellers nicht in Zweifel zieht und eine wesentliche Beeinträchtigung des Marktes durch die beanstandete Maßnahme jedenfalls für die zumeist betroffenen Kleingewerbebetreibenden droht.
2. Das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin ist als Verstoß gegen ihre Leistungstreue- und Rücksichtnahmepflichten gegenüber ihren jeweiligen Vertragspartnern im Vertrieb der preisgebundenen Zeitschrift "stern" vertragswidrig.
a. Die Antragsgegnerin ist mit den Zeitschriftenhändlern, die von ihr mit der Zeitschrift "stern" beliefert werden, entweder unmittelbar oder mittelbar - über die Presse-Grossisten - durch eine beidseitig zu unterzeichnende, vorformulierte Verpflichtungserklärung nach der Art der Anlage BB5 verbunden, mit der sich der Einzelhändler unter Androhung des Abbruchs einer Belieferung verpflichtet, die preisgebundenen Zeitschriften nur zu den jeweils aufgedruckten Endverkaufspreisen zu verkaufen. Die Verpflichtungserklärung umfasst zudem die Versicherung, dass die Preisbindung auch nicht "indirekt" verletzt werden darf. Es steht zwischen den Parteien nicht im Streit, dass die von dem Antragsteller vertretenen Einzelhändler durch solche oder inhaltsgleiche Erklärungen - wie sie etwa auch das "Sammelrevers 200 für den Verkauf preisgebundener Verlagserzeugnisse in Deutschland" enthält - gebunden sind. Soweit eine solche Bindung im unmittelbaren Vertragsverhältnis gegenüber dem Presse-Grossisten besteht, sind diese gegenüber der Antragsgegnerin verpflichtet, die von ihnen belieferten Einzelhändler auf die ihnen selbst obliegende Preisbindung zu verpflichten. Diese Erklärung ergänzt bestehende Belieferungsvereinbarungen und ist damit Vertragsbestandteil.
b. Gegen die sich aus dieser vertraglichen Bindung im Rahmen von Treu und Glauben, § 242 BGB, ergebenden wechselseitigen Rücksichtnahme- und Leistungstreuepflichten verstößt die Antragsgegnerin mit der Folge, dass dem jeweiligen Vertragspartner aus ihrem Verhalten unter dem Gesichtspunkt einer positiven Forderungsverletzung Unterlassungsansprüche des mit dem Verfügungsantrag geltend gemachten Inhalts entstehen.
aa. Der konkreten Abonnentenwerbung liegt insoweit eine Besonderheit zugrunde, als die Antragsgegnerin den gebundenen Preis nicht schlicht unterschreitet, sondern den von ihr versprochenen Preisvorteil in die besondere Form eines "Testabos" für 13 Wochen kleidet. Hiervon geht eine erhebliche Anlockwirkung aus, durch die dem Zeitschriftenhandel - im Sinne der Auffassung des Bundeskartellamtes -"in gewichtigem Umfang Zeitschriftenkunden verloren gehen" bzw. zumindest eine derartige konkrete Gefahr besteht. Denn geworben wird nicht mit den "normalen" Vorteilen eines Abonnements, bei dem der Abonnent als Gegenverpflichtung z.B. in der Regel auch eine mindest einjährige Bindung in Kauf nehmen muss. Vielmehr ebnet die Antragsgegnerin potenziellen Abonnements-Interessenten, die sich möglicherweise zu den üblichen Bedingungen bislang zu diesem Schritt noch nicht haben entschließen können und den Erwerb der Zeitschrift im Ladengeschäft vorgezogen haben, mit einer überaus attraktiven Kombination aus kurzer Laufzeit, günstigen Heftpreisen und begehrten Zusatzgeschenken den Weg in ein möglicherweise längerfristiges Abonnement hinein. Da das Probe-Abonnement mangels Kündigung stillschweigend in ein reguläres Abonnement übergeht, macht sich die Antragsgegnerin hierbei auch in gewissem Maße die "Trägheit" oder Unentschlossenheit der Zeitschrifteninteressenten zunutze, die - über ein günstiges Test-Abo angelockt - die Kündigungsfrist vor dem Übergang in ein reguläres Abonnement versäumen oder verstreichen lassen.
bb. Ein solches Verhalten ist im Zusammenhang mit der Preisbindung nicht von vornherein als Vertragsverstoß gegenüber dem gebundenen Vertragspartner - sei es der Presse-Grossist oder ein Einzelhändler - treuwidrig. Der Bereich einer zulässigen Abonnentenwerbung wird allerdings dann verlassen, wenn der mit einem Test-Abo verbundene Erprobungszweck erkennbar überschritten ist und sich das Verhalten als treuwidrige Umleitung von Kunden unter Umgehung des Preisgebundenen unmittelbar auf den Preisbinder darstellt. Dies ist auch so im vorliegenden Fall bei dem ausgesprochen attraktiven Angebot der Antragsgegnerin. Hierzu hat das Landgericht zutreffende Ausführungen gemacht, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nehmen kann.
aaa. Für die Beurteilung, in welchem Umfang die am Wettbewerb beteiligten Verkehrs kreise selbst das Versprechen besonderer - zeitlich begrenzter - Vorteile bei dem Vertrieb preisgebundener Waren als Motivation für die Gewinnung neuer Kunden als zulässig ansehen, bieten die im Sinne einer Selbstbindung für unterschiedliche Geschäftszweige einvernehmlich aufgestellten "Verhaltens- und Wettbewerbsregeln" einen entscheidenden Anhaltspunkt.
(1) Die von dem Antragsteller als Anlage Bb3 vorgelegten "Wettbewerbsregeln für den Vertrieb von abonnierbaren Tages- und Wochenzeitungen" sehen in § 7 zwar ein Kurz- bzw. Probeabonnement von max. 3 Monaten mit erheblichem Preisvorteil vor. Dieser Nachlass ist aber ausdrücklich auf 35 % des Normalpreises begrenzt. Schon diesen Rahmen überschreitet die Antragsgegnerin, die selbst mit einer Ersparnis von "über 40%" allein über den (regulären) Abonnementpreis wirbt. An dieser Werbeaussage muss sich die Antragsgegnerin auch im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits festhalten lassen. Sie kann nicht mit dem Argument gehört werden, dass der Preisvorteil ihres Angebots bei einem im Regelfall erfolgenden Übergang in ein mehrjähriges Vollabonnement nur noch 16% bzw. 12% betrage. Denn sie wirbt mit der nur kurzen Bindungsdauer und lockt gerade hierdurch Interessenten damit an. Wenn diese dann - aus welchen Gründen auch immer - in ein Vollabonnement übergehen, so vermag dieser Umstand den Umfang des in Aussicht gestellten besonderen Preisvorteils nicht zu beeinflussen.
(2) Hinzu kommt in der angegriffenen Werbung noch eine zusätzlich erhebliche Wertsteigerung durch die Gratiszugabe. Die versprochenen Gegenstände verkörpern mit ca. € 15.- Ladenverkaufspreis bei der B. Thermoskanne einen erheblichen Wert und sollen sich - unbeschadet eines günstigeren Einkaufspreises für die Antragsgegnerin - in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise auch als besonders werthaltig darstellen, da diese hier - anders als bei vielen anderen Werbeaktionen - mit bekannten Markenprodukten als Zugabe wirbt. Diese Fallgruppe wird zwar nicht von § 7 der Wettbewerbsregeln mit umfasst, sondern in § 8 gesondert geregelt. Aus dem Sinn und Zweck der wettbewerbsregelnden Selbstbindung, die auch Wertobergrenzen umfasst und z.B. für ein Jahresabonnement den Wert der Prämie auf den Monatsbezugspreis der Zeitschrift begrenzt, folgt nach Auffassung des Senats ohne weiteres ein Kumulationsverbot dergestalt, dass ein Verlag die Rabattierung von 35% nach § 7 nicht durch die zusätzliche Gewährung von Zugaben entsprechend § 8 ergänzen darf. Andernfalls wären die klaren Wertgrenzen bedeutungslos. Mit ihrer Kombination beider Vergünstigungen erreicht die Antragsgegnerin für die maßgebliche Dauer des Test-Abonnements einen wesentlich höheren Preisvorteil, den der Antragsteller mit ca. 80 % beziffert. Hiermit überschreitet die Antragsgegnerin die vorgesehenen Wertgrenzen bei weitem und stellt sich damit außerhalb des Rahmens, den sich die am Wettbewerb Beteiligten im Wege der Selbstbindung auferlegt haben. Die Überschreitung der Wertgrenzen in einem derartigen Umfang stellt sich zugleich im Rahmen des konkreten Vertragsverhältnisses zu dem preisgebundenen Abnehmer als treuwidrig dar, ohne dass es für die Entscheidung dieses Rechtsstreits darauf ankommt, dass bzw. wie der Bundesgerichtshof erst vor kurzem die rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit von Kopplungsangeboten und Wertzugaben grundlegend neu definiert hat (BGH WRP 02, 1256, - Kopplungsangebot I; BGH WRP 02, 1259, - Kopplungsangebot II).
bbb. Allerdings gelten diese Wettbewerbsregeln ausdrücklich nur für Tages- und Wochenzeitungen, nicht jedoch für Zeitschriften. Dieser Umstand rechtfertigt jedoch kein abweichendes Ergebnis. Zum einen hat der Antragsteller durch die Vorlage eines Urteils des Kartellsenats des BGH (AfP 87, 685 in Anlage Bb4) dargelegt, dass selbst in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zwischen den einzelnen Kategorien nicht trennscharf unterschieden wird und der "Spiegel" dort als eine politische Wochenzeitung eingeordnet worden ist. Diese Einstufung hätte hier entsprechend zu gelten, weil dieses Magazin nicht mehr oder nicht weniger Zeitschrift ist als der "Stern". Im übrigen geht es aber auch nicht um eine unmittelbare Anwendung der genannten Wettbewerbsregeln auf den vorliegenden Fall, sondern darum, anhand möglichst objektiver Kriterien zu bemessen, in welchen Größenordnungen die Wettbewerber selbst Preisvergünstigungen und Zugaben im Bereich preisgebundener Produkte für zulässig ansehen. Insoweit sind die in §§ 7, 8 der Wettbewerbsregeln niedergelegten Grundsätze ohne weiteres auch auf Zeitschriften zu übertragen. Die Antragsgegnerin hat keine Umstände vorgetragen, die insoweit eine abweichende Handhabung zwischen Wochenzeitungen einerseits und wöchentlich erscheinenden Zeitschriften andererseits als einleuchtend erscheinen lassen könnte, zumal auch der maßgebliche Verkaufspreis von Wochenzeitungen nicht notwendigerweise hinter demjenigen wöchentlich erscheinender Zeitschriften zurückbleibt.
cc. Durch dieses Verhalten hat die Antragsgegnerin selbst gegen das Kernstück der von ihr ihren Vertriebspartnern auferlegten Beachtung der Preisbindung verstoßen. Die Antragsgegnerin ist aus Rechtsgründen gehindert, diejenige "Kardinalpflicht", die praktisch ausschließlicher Regelungsgegenstand der preisbindungsrechtlichen Verpflichtungserklärungen ist, ihrerseits zu umgehen. Dieser Verstoß wiegt umso gravierender, als sie ihren Vertragspartner nicht nur unmittelbare, sondern selbst - nicht näher definierte - mittelbare Verstöße gegen die Preisbindung untersagt. Zumindest als ein solcher stellt sich aber das im vorliegenden Rechtsstreit zur Entscheidung stehende Verhalten der Antragsgegnerin dar. Da sie ihrerseits in dem von dem Antragsteller vorgelegten Preisbindungsrevers (Anlage Bb5) bzw. entsprechender Verpflichtungserklärungen keine eigenen Vertragspflichten übernimmt, scheidet zwar ein vertraglicher Verstoß gegen Hauptleistungspflichten aus. Der hierdurch verwirklichte Verstoß gegen Leistungstreue- und Rücksichtnahmepflichten wiegt daher umso schwerer und steht in seinem Gewicht einem Verstoß gegen eine Hauptleistungspflicht gleich. Deshalb kann es der Senat dahinstehen lassen, ob das Revers etwa ein ungeschriebenes, an die Antragsgegnerin gerichtetes Pflichtenmerkmal des "Behinderungsverbots" enthält. Es macht auch keinen Unterschied, dass - worauf die Antragsgegnerin hingewiesen hat - der Vertrieb im Abonnement-Geschäft anders als der Verkauf über Einzelhändler formell keiner Preisbindung unterliegt. Denn den Vertragspartnern der Antragsgegnerin ist eine Einhaltung der ihnen auferlegten Preisbindung ausschließlich dann zuzumuten, wenn sich die Antragsgegnerin ihrerseits hieran gebunden fühlt und nicht über eine deutlich günstigere Preisgestaltung im Abonnement erhebliche Geschäftsanteile an sich zieht.
dd. Unerheblich für die Beurteilung des Verhaltens der Antragsgegnerin als Vertragsverstoß ist der Umstand, dass die streitgegenständliche Art der Werbung mit besonderen Vergünstigungen für Test-Abonnements mittlerweile eine erhebliche Verbreitung gefunden hat. Die Antragsgegnerin hatte als Anlage AG1 eine Reihe von Anzeigen von Mitbewerbern vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass auch die Zeitschriften anderer Verlage mit ähnlichen - zum Teil noch attraktiveren - Preisvergünstigungen und Zugaben beworben werden. Es kann schon nicht überzeugen, dass die weit verbreitete Missachtung wettbewerbsrechtlicher Lauterkeitsmaßstäbe diesem Verhalten die Sittenwidrigkeit zu nehmen geeignet ist (vgl. BGH GRUR 00, 911, 914 - Computerwerbung). Im übrigen steht im konkreten Beurteilungszusammenhang nicht die Frage der Wettbewerbswidrigkeit, sondern diejenige einer Vertragsverletzung durch einen Verstoß gegen individuelle Treue- und Rücksichtnahmepflichten in Rede. Hierfür ist das wettbewerbswidrige Verhalten Dritter bedeutungslos.
ee. Ebenso wenig ist es für die Entscheidung von Belang, ob aufgrund der beanstandeten Werbung die von dem Antragsteller befürchteten Umsatzrückgänge seiner Mitglieder bereits eingetreten sind oder nicht.
aaa. Soweit die Antragsgegnerin behauptet, die bei dem Antragsteller organisierten Einzelhändler seien ebenfalls Nutznießer des Mini-Abos, weil sich die Zahl der Einzelverkäufe sogar erhöht habe, vermag der Senat diese Argumentation nicht ohne weiteres nachzuvollziehen, selbst wenn man die - von dem Antragsteller bestrittenen - Angaben des J. S. in seiner von der Antragsgegnerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 06.02.2003 zugrunde legt. Zum einen sind die für die Entwicklung der Verkaufszahlen entscheidenden weiteren Marktparameter praktisch vollständig unbekannt, so dass allein eine Veränderung der absoluten Verkaufszahlen schon keinen überwiegend wahrscheinlichen Rückschluss auf die behauptete Tatsache zulässt. Im übrigen erscheint es dem Senat nicht hinreichend plausibel, dass das behauptete Ansteigen der Verkaufszahlen während der Laufzeit des zeitlich begrenzt angebotenen Test-Abos auf dieses zurückzuführen ist. Denn während dieser Zeit haben die Abonnenten gerade keinen zusätzlichen Erwerbsbedarf. Soweit die mit der Werbung für das Test-Abonnement einhergehende allgemein hervorgerufene erhöhte Aufmerksamkeit auch dem Einzelverkauf im Ladengeschäft zugute kommt, ist dies eine mittelbare, reflexhafte Folge, die das vertragswidrige Verhalten der Antragsgegnerin nicht zu rechtfertigen vermag. Denn erklärtes Ziel ihrer Werbeaktion war gerade nicht die Belebung des Einzelverkaufs, sondern die Steigerung ihrer Abonnentenzahlen und eine langfristige Bindung des Lesers an ihren Verlag. Nur so lässt sich der vorgesehene "stillschweigende" Übergang des Test-Abonnements in ein "normales" Jahresabonnement mangels Kündigung erklären. Ansonsten hätte es die Antragsgegnerin dem Interessenten freistellen können, wo und in welcher Weise er den "stern" nach Ablauf des Test-Abonnements weiterhin erwirbt.
bbb. Es kommt für die Vertragswidrigkeit des Verhaltens auch nicht darauf an, ob eine Verschiebung der Verkaufszahlen zwischen dem Abonnement- und dem Einzelverkaufs-Anteil bereits eingetreten ist. Entscheidend ist allein, ob eine solche Gefahr konkret droht. Schon in diesem Fall stellt sich das Verhalten der Antragsgegnerin als treuwidrig dar. Dieses ist aufgrund der hohen Attraktivität des Angebots nach Auffassung des Senats aber ohne weiteres der Fall. Jedenfalls diejenigen Leser, die sich zu dem Test-Abonnement entschlossen haben, gehen dem Einzelhändler zumindest für die Dauer des Kurz-Abonnements oder sogar auf Dauer als Kunden verloren. Diese Gefahr wird bei der rechtlichen Bewertung nicht dadurch kompensiert, dass andere Interessenten zwar erst durch das Probe-Abonnement angelockt werden, sich dann später aber (nur) für den Kauf der Zeitschrift im Einzelhandel entscheiden.
c. Bei diesem Vertragsverstoß gegen die Preisbindung handelt es sich - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - auch nicht lediglich um die Verletzung einer Obliegenheit, aus der der Vertragspartner keine eigenen Rechtsansprüche herleiten kann. Zwar trifft es zu, dass in der kartellrechtlichen Literatur die Auffassung vertreten wird, die Einhaltung einer (gleichmäßigen) Preisbindung stelle sich vertraglich nur als Obliegenheit des preisbindenden Vertrages dar (Emmerich in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 15 Rdn. 24). Hieraus kann die Antragsgegnerin im vorliegenden Rechtsstreit jedoch nichts für sich herleiten. Zum einen betrifft diese Auffassung nur - hier nicht gegebene - Ansprüche aus Kartellrecht (dazu noch später). Im übrigen mag das Verständnis (lediglich) einer vertraglichen Obliegenheit zutreffend sein, wenn es etwa in den erörterten Fallgestaltungen darum geht, ob der Preisgebundene den Preisbinder zur Aufrechterhaltung der Preisbindung als solcher oder zur Verpflichtung vertragswidrig handelnder Händler/Grossisten auf die Einhaltung der Preisbindung in Anspruch nehmen kann (vgl. Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., § 1 Rdn. 759). Um solche Fälle, in denen die Aufrechterhaltung der (lückenlosen) Preisbindung in erster Linie im Interesse des bindenden Verlages liegt und der betroffene Wettbewerber im Falle von Verstößen gegebenenfalls seinerseits aus der Preisbindung frei wird, geht es hier aber nicht. Vielmehr tritt die Antragsgegnerin mit ihrem Verhalten nicht nur in direkte Konkurrenz zu den Einzelhändlern - was im Abonnentengeschäft ohnehin der Fall ist -, sondern verschafft sich durch das beanstandete Verhalten einen treuwidrigen Wettbewerbsvorteil, mit dem sie die vertraglich vorausgesetzte geschäftliche Entfaltungsmöglichkeit des Zeitschriftenhändlers unangemessen und dem Vertragszweck zuwider beeinträchtigt. Die Vermeidung einer solchen Vertragsverletzung stellt sich nicht lediglich als Obliegenheit dar, sondern kann von dem jeweiligen Vertragspartner als positive Forderungsverletzung im Wege des Unterlassungsverlangens auch (gerichtlich) durchgesetzt werden.
d. Diese Verletzung vertraglicher Pflichten begründet zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG und stellt sich damit als sittenwidriges Wettbewerbsverhalten dar.
aa. Grundsätzlich vermag ein solcher Verstoß im Verhältnis zweier Vertragspartner allerdings keine deliktischen Ansprüche zu begründen. Dies gilt jedoch ausnahmsweise dann nicht, wenn dieser Verstoß Wirkungen über das konkrete Vertragsverhältnis hinaus mit sich bringt, weil der Verletzer hiermit zugleich nachhaltig in den Wettbewerb eingreift. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn die vertragliche Bestimmung unmittelbar den Wettbewerb regelt. Dieser Grundsatz entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG Hamburg WRP 88, 114, 116 m.w.N. - Bestatterwerbung).
bb. So liegt der Fall auch hier. Durch die Vielzahl der mit der konkreten Form des Test-Abonnements verwirklichten individuellen Vertragsverstöße im Verhältnis zu ihren Vertriebspartnern im Rahmen der Preisbindung greift die Antragsgegnerin in einer Weise in das wettbewerbliche Marktgeschehen ein, welches weit über den Einzelfall hinausgeht und geeignet ist, eine bestehende wirtschaftliche Gleichgewichtslage zwischen Abonnement-Vertrieb und Einzelhandelsverkauf nachhaltig und bundesweit zu ihren Gunsten und zu Lasten der Zeitschriften-Einzelhändler zu verschieben. Da ein relevanter Vertragsverstoß aufgrund der angegriffenen Abonnement-Werbung praktisch in jedem Vertragsverhältnis vorliegt, das die Antragsgegnerin mit Vertriebspartnern unterhält, die sie ihrerseits auf die Preisbindung verpflichtet, greift sie hierdurch selbst aktiv in das um den Vertrieb ihrer Zeitschrift "stern" bestehende Wettbewerbsverhältnis ein. Hierdurch erlangt ihr individualvertraglicher Verstoß gegen Treuepflichten eine unmittelbar wettbewerbsbezogene Dimension, die sich nicht nur als Reflex darstellt, sondern mit der Maßnahme auch unmittelbar beabsichtigt ist. Denn die Antragsgegnerin macht ihr vertragswidriges Verhalten gezielt zum Mittel ihres eigenen Wettbewerbs. Deshalb beschränken sich die Auswirkungen ihres Handelns nicht auf den unmittelbaren Vertragspartner, sondern wirken sich auf den Wettbewerb im Vertrieb mit "stern"-Zeitschriften insgesamt aus (vgl. Baumbach-Hefermehl, UWG, 22. Aufl., § 1 Rdn. 695). Dabei steht der Umstand, dass sich der konkrete Vertragsverstoß der Antragsgegnerin - wie ausgeführt - mangels einer übernommenen Hauptleistungspflicht "nur" als Verletzung einer Leistungstreue- und Rücksichtnahmepflicht darstellt, einer Verwirklichung des § 1 UWG nicht entgegen.
cc. Für die Verwirklichung eines Verstoßes gegen § 1 UWG ist es ohne Bedeutung, ob der Vertragsverstoß der Antragsgegnerin in einem unmittelbaren Vertragsverhältnis zu einem bzw. mehreren Zeitschriften-Einzelhändlern oder aber in ihrer Rechtsbeziehung zu Presse-Grossisten realisiert wird, die sodann ihrerseits die ihnen auferlegte Preisbindung an die Einzelhändler weitergeben. Nach Sachlage stellt es sich dem Senat jedoch als überwiegend wahrscheinlich dar, dass die verletzten Einzelhändler in erheblichem, wenn nicht gar überwiegendem Umfang durch den antragstellenden Verein vertreten werden. Damit steht vorliegend nicht der einzelnen Vertragsverstoß zur Beurteilung, sondern eine Vielzahl von Verstößen, aufgrund derer ein ursprünglich ausschließlich vertraglich sanktioniertes Fehlverhalten ein im Rahmen von § 1 UWG wettbewerbsrelevantes Gewicht erreicht. Der Antragsteller nimmt im vorliegenden Rechtsstreit keine Individualinteressen wahr, sondern verfolgt vielmehr einen aus individualvertraglichen Verstößen resultierenden eigenständigen Wettbewerbsanspruch auf der Grundlage von § 1 UWG. Hierfür ist er auch sachlich anspruchsberechtigt, weil seine Mitglieder unmittelbar Betroffene dieses Wettbewerbsverstoßes sind.
dd. Schließlich können die beeinträchtigten Wettbewerber auch nicht durch eigene Maßnahmen dem Wettbewerbsverstoß der Antragsgegnerin begegnen und hierdurch ihre wirtschaftlichen Interessen aus eigener Kraft angemessen zur Geltung bringen. Zwar steht es den Zeitschriften-Einzelhändlern theoretisch frei, ihre Kunden etwa durch attraktive Zugaben ebenfalls an sich zu binden. Dieser Möglichkeit fehlt allerdings aufgrund der Besonderheiten des Zeitschrifteneinzelverkaufs jegliche praktische Relevanz. Zum einen werden Zeitschriften häufig - je nach bei konkretem Bedarf - bei ganz unterschiedlichen Verkaufsstellen erworben, so dass schon deshalb eine dauerhafte Kundenbindung erschwert ist. Im übrigen stünde die Auslobung attraktiver Zugaben auch angesichts des geringen Einzelverkaufspreises von Zeitschriften hierzu in keinem vertretbaren wirtschaftlichen Verhältnis. Eine solche verkaufsfördernde Maßnahme bleibt letztlich allein der Antragsgegnerin im Rahmen langfristiger Abonnementsverhältnisse vorbehalten, zumal dem Zeitschrifteneinzelhandel wegen der bestehenden Preisbindung die Möglichkeit einer Preisermäßigung gerade verschlossen ist.
e. Weitergehende kartellrechtliche Ansprüche, auf die der Antragsteller sein Unterlassungsbegehren zumindest in zweiter Instanz offenbar ebenfalls stützen will, stehen ihm hingegen nicht zu. Aus § 15 Abs. 3 Nr. 1 GWB kann er diese schon deshalb nicht herleiten, weil diese Norm ausdrücklich nur ein Einschreiten des Bundeskartellamtes rechtfertigt. Zu den Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs aus § 33 Satz 1 GWB geht der Senat jedenfalls im vorliegenden Rechtsstreit mit der wohl herrschenden Meinung davon aus, dass § 15 Abs. 3 Nr. 1 GWB keinen (zugunsten der Lotto-Toto-Annahmestellen) drittschützenden Charakter hat (Emmerich in Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 33 Rdn. 21; Bechtold, GWB, 3. Aufl., § 33 Rdn. 4) und deshalb auch nicht vermittels dieser Norm einen unmittelbaren Anspruch des Verletzten (bzw. seines Verbandes) begründen kann. Aus § 20 Abs. 1 GWB, der § 15 GWB als Schutznorm ausdrücklich nennt, kann zumindest der Antragsteller als Verband keine Rechte herleiten ("...ein anderes Unternehmen..."). Im übrigen hätte der Antragsteller die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen der kartellrechtlichen Normen nicht im Einzelnen dargelegt, so dass der Senat auch aus diesem Grunde keine Veranlassung hat, sich hiermit näher zu befassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Ende der Entscheidung
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