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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 17.12.2003
Aktenzeichen: 5 U 86/03
Rechtsgebiete: MarkenG


Vorschriften:

MarkenG § 5 Abs. 3
MarkenG § 15 Abs. 2
MarkenG § 15 Abs. 4
Die Dringlichkeitsfrist für eine einstweilige Verfügung wegen Titelschutzes beginnt in der Regel mit Kenntnisnahme von der Titelschutzanzeige zu laufen. Durch die tatsächliche Art der Titelverwendung wird nur dann eine neue Dringlichkeitsfrist in Gang gesetzt, wenn die tatsächliche Verwendung gegenüber dem in der Titelschutzanzeige angekündigten Titel eine wesentlich veränderte Verletzungsqualität aufweist, z.B. erst hierdurch eine Verwechslungsgefahr mit einem älteren Titel begründet wird.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluss

5 U 86/03

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 17. Dezember 2003

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter Betz, Rieger, Dr. Koch beschlossen:

Tenor:

1. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfügungsverfahrens zu tragen.

2. Der Streitwert wird in Abänderung des Streitwertbeschlusses des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 12 - vom 5.2.2003 für beide Instanzen auf € 50.000.- festgesetzt.

Begründung:

I.

Beide Parteien verlegen Kinderbücher. Im Verlag der Antragstellerin ist 1999 ein Pappbilderbuch mit dem Titel "Und was ist das ? Meine ersten Wörter und Bilder" erschienen. Die Antragsgegnerin brachte Anfang des Jahres 2003 ein Pappbilderbuch unter dem Titel "Und was ist das? Erste Wörter" heraus. Zuvor, nämlich am 27.9.2002, hatte die Antragsgegnerin für ihren Titel eine Titelschutzanzeige veröffentlicht. Auf die Abmahnung der Antragstellerin am 19.11.2002 folgte eine Korrespondenz zwischen den Parteien, die damit endete, dass die Antragsgegnerin es mit Schreiben vom 9.12. 2002 endgültig ablehnte, ihren Titel noch zu ändern, da die Auflage bereits fertig gestellt sei. Mit Schreiben vom 22.1.2003 wurde die Antragsgegnerin erstmals anwaltlich abgemahnt und am 3.2.2003 der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt, mit der der Antragsgegnerin verboten werden sollte, den Buchtitel "Und was ist das?" zu benutzen. Die zunächst erlassene einstweilige Verfügung hat das Landgericht mit dem Widerspruchsurteil wieder aufgehoben, weil kein Verfügungsgrund gegeben sei. Durch das Zuwarten der Antragstellerin zwischen dem 9.12.2002 und der ersten anwaltlichen Abmahnung am 22.1.2003 sei die Dringlichkeit widerlegt.

Hiergegen hat die Antragstellerin Berufung eingelegt. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat das Landgericht über die Hauptsacheklage der Antragstellerin entschieden und der Klage stattgegeben. Diese Entscheidung ist mittlerweile rechtskräftig. Daraufhin haben beide Parteien in der Verhandlung vor dem Senat das Verfügungsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.

II.

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war gemäß § 91a ZPO nur noch über die Kosten des Verfügungsverfahrens zu entscheiden. Diese waren der Antragstellerin aufzuerlegen, da bei einer streitigen Entscheidung durch den Senat ihre Berufung zurückgewiesen worden wäre. Zu Recht hat das Landgericht die zunächst erlassene einstweilige Verfügung mit dem angefochtenen Urteil wieder aufgehoben. Denn es bestand kein Verfügungsgrund.

Der Senat folgt der Beurteilung des Landgerichts, dass die Dringlichkeit jedenfalls durch den Zeitablauf zwischen der endgültigen Anspruchszurückweisung durch die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 9.12.2002 und der ersten anwaltlichen Abmahnung am 22.1.2003 entfallen war. Daher kommt es auf den Streit der Parteien darüber, ob der Geschäftsführer der Antragstellerin schon vor dem 9.11.2002 von der Titelschutzanzeige der Antragsgegnerin Kenntnis erlangt hat, nicht an.

1. Entgegen der Meinung der Antragstellerin stellt die ständige Rechtsprechung des Hanseatischen Oberlandesgerichts bei der Beurteilung der Dringlichkeit in Verfügungssachen gerade nicht auf Regelfristen ab, sondern berücksichtigt alle Umstände des Einzelfalls. Lediglich als dringlichkeitsschädliche Obergrenze gelten 6 Monate ab Kenntnis des Wettbewerbsverstoßes (HansOLG WRP 86,290). Eine dringlichkeitsunschädliche Regelfrist von 3 Monaten lässt sich hingegen auch den von der Antragstellerin genannten neueren Entscheidungen des 3. Senats nicht entnehmen. So zeigt etwa die Entscheidung des HansOLG GRUR-RR 2002,345, dass die im dortigen Fall abgelaufene, etwa dreimonatige Zeitspanne zwischen dem 18.6.2001 (Kenntnisnahme vom Wettbewerbsverstoß) und dem 13.9.2001 (Verfügungsantrag) deswegen dringlichkeitsunschädlich war, weil die Parteien zwischenzeitlich über Lösungsmöglichkeiten korrespondiert hatten und der in Anspruch Genommene zuletzt noch Vergleichsbereitschaft signalisiert hatte, bevor - wie hier - 6 Wochen der Untätigkeit des Verletzten ins Land gegangen waren. Dieser ganz auf den Einzelfall abstellenden Praxis folgt auch der 5. Zivilsenat seit Beginn seiner Tätigkeit im gewerblichen Rechtsschutz in ständiger Rechtsprechung.

2. Vorliegend hatte die Antragsgegnerin die Ansprüche der Antragstellerin am 9.12.2002 endgültig zurückgewiesen und mitgeteilt, dass die Ausgabe des Buches mittlerweile bereits fertig gestellt sei. Die Antragstellerin konnte also nicht nur nicht mehr auf ein Einlenken der Antragsgegnerin hoffen, sondern musste sogar davon ausgehen, dass das tatsächliche Erscheinen des Buches der Antragstellerin auch unmittelbar bevorstand. Zu dem war der Sachverhalt einfach gelagert und bedurfte keiner zeitaufwendigen Recherchen. Daher folgt der Senat der Beurteilung des Landgerichts, dass im vorliegenden Fall ein schnelleres Handeln der Antragstellerin geboten war, um die Dringlichkeit zu wahren. Sie hat den Zeitablauf zwischen dem 9.12.2002 und dem 22.1.2003 auch nicht näher begründet. Der allgemeine Hinweis auf die Weihnachtstage überzeugt nicht, da zwischen dem 9.12.2002 und den Weihnachtstagen noch eine ganze Reihe von Werktagen zur Verfügung stand, in denen jedenfalls eine anwaltliche Abmahnung bereits hätte erfolgen und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung schon so weit hätte vorbereitet werden können, dass dieser Antrag in den ersten Tagen des Januar hätte eingereicht werden können.

3. Soweit die Antragstellerin weiter ins Feld führt, dass durch die Ankündigung des tatsächlichen Erscheinens des Buches der Antragsgegnerin Ende Januar 2003 eine neue Dringlichkeitsfrist in Lauf gesetzt worden sei, vermag der Senat dieser Auffassung ebenfalls nicht beizutreten.

a) Im Markenrecht ist zwar anerkannt, dass mit der Anmeldung der Marke die Dringlichkeitsfrist für die vorbeugende Unterlassungsklage ab Kenntniserlangung zu laufen beginnt, jedoch eine erst spätere Kenntniserlangung von der Aufnahme der tatsächlichen Benutzung eine neue Dringlichkeitsfrist in Gang setzen kann (Ingerl-Rohnke, MarkenG, vor §§ 14-19 Rn.53 und OLG Hamburg GRUR 2002, 345,346 ). Für Werktitel gilt dies indessen nicht in gleicher Weise.

Zwar begründet die Titelschutzanzeige zunächst ebenfalls nur eine Erstbegehungsgefahr für das Erscheinen des Titels. Die Titelschutzanzeige, die den Zweck hat, den Zeitrang eines Titels vor das tatsächliche Erscheinungsdatum vorzuverlegen, macht aber überhaupt nur Sinn, wenn das Buch dann auch tatsächlich in angemessener Zeit erscheint - regelmäßig innerhalb weniger Wochen oder Monate -; nur dann wird der Zeitrang auf das Datum der Titelschutzanzeige vorverlegt (BGH GRUR 89,760 "Titelschutzanzeige"). Es ist also anders als bei der Marke, für die es eine 5-jährige Benutzungsschonfrist gibt. Wettbewerber, die von einer Titelschutzanzeige Kenntnis erlangen, müssen von vornherein mit einer sehr baldigen tatsächlichen Benutzungsaufnahme rechnen.

Vor allem aber hat die Titelschutzanzeige gerade den Sinn, Mitbewerber möglichst früh über das geplante Erscheinen des Titels zu unterrichten und etwaige Titelauseinandersetzungen zu führen, bevor die Investitionen zum Erscheinen eines Buches zu weit fortgeschritten sind. Dieses Schutzbedürfnis der Verlage hat der BGH in der genannten Entscheidung "Titelschutzanzeige" (S.761) ausdrücklich anerkannt. Daher war die Antragstellerin , die von der Gepflogenheit des Buchhandels, Titelschutzanzeigen zu schalten , ebenfalls profitiert, schon aufgrund dieser Anzeige gehalten, zeitnah gegen die Antragsgegnerin vorzugehen und konnte nicht mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung warten, bis das Erscheinen des Buchs unmittelbar bevorstand.

Anders mag die Dringlichkeit zu beurteilen sein, wenn der Titelverletzer trotz der Titelschutzanzeige zunächst zu erkennen gibt, dass von dem Titel tatsächlich nicht innerhalb der branchenüblichen Fristen Gebrauch gemacht werde. Eine solche Fallkonstellation liegt hier indessen nicht vor, denn die Antragsgegnerin hat ihre Weigerung in der vorprozessualen Korrespondenz, den Titel zu ändern, gerade damit begründet, dass das Buch schon fertig gestellt sei, mithin der Antragstellerin unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie den Titel auch tatsächlich in Gebrauch nehmen wollte.

b) Soweit die Antragstellerin noch geltend macht, dass sie aufgrund der Titelschutzanzeige deshalb noch nicht habe tätig werden müssen, weil man hieraus noch nicht habe ersehen können, dass die Antragsgegnerin den Titelbestandteil "Erste Wörter" nur als Untertitel verwenden würde, und erst durch die tatsächliche Aufmachung, bei der der mit dem Titel der Antragstellerin übereinstimmende Titelbestandteil "Und was ist das ?" groß herausgestellt worden sei, das Ausmaß der Verwechslungsgefahr deutlich geworden sei, greift dieser Einwand nicht durch. Es mag Fälle geben, in denen durch die tatsächliche Art der Titelverwendung gegenüber dem in der Titelschutzanzeige angekündigten Titel eine so wesentlich veränderte Verletzungsqualität gegeben ist, möglicherweise sogar erst eine Verwechslungsgefahr begründet wird, so dass mit dem tatsächlichen Erscheinen eines Titels eine neue Dringlichkeitsfrist in Gang gesetzt wird.

Ein solcher Sachverhalt liegt hier jedoch nicht vor. Geprägt wurde der Titel der Antragsgegnerin auch schon nach der Titelschutzanzeige von dem ersten Teil "Und was ist das ?", der mit dem Titel der Antragstellerin übereinstimmt. Schon vom Sinngehalt erscheint der Zusatz "Erste Wörter" nur als Erläuterung dieses übereinstimmenden Teils, also unabhängig von der konkreten Aufmachung, insbesondere Buchstabengröße. Selbst wenn man beide Titel in ihrer Gesamtheit einander gegenüberstellt, sind die jeweiligen Untertitel "Meine ersten Wörter und Bilder" und "Erste Wörter" in ihrem Sinngehalt so ähnlich, dass die Verwechslungsgefahr schon nach der Titelschutzanzeige auf der Hand lag und eine neue Verletzungsqualität durch die tatsächliche Gestaltung des Buchs nicht ausgelöst worden ist, sondern allenfalls eine geringfügige quantitative Verstärkung, die jedoch keine neue Dringlichkeitsfrist in Lauf setzen konnte. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin bereits mit ihrem Schreiben vom 21.11.2002 (Anlage Ast.7) den Zusatz "Erste Wörter" in ihrem Titel als Erklärung bzw. Untertitel bezeichnet hat, so dass also auch hiernach die Antragstellerin nicht damit rechnen konnte, dass etwa der Titelbestandteil "Erste Wörter" in der konkreten Aufmachung groß herausgestellt werden würde und der übereinstimmende, für sie viel störendere Eingangssatz "Und was ist das ?" bei der konkreten Einbandgestaltung in den Hintergrund treten würde.

Der Senat hat den Streitwert gegenüber der Festsetzung der ersten Instanz etwas verringert, da die von der Antragstellerin genannten Jahresumsätze ihres Titels, die durch den Titel der Antragsgegnerin gefährdet sein könnten, eine Festsetzung auf € 80.000.- überhöht erscheinen lassen. Auf die Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wird ergänzend Bezug genommen.



Ende der Entscheidung

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