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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 07.06.2006
Aktenzeichen: 5 U 96/05
Rechtsgebiete: UWG, GGVO, PVÜ


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 4 Nr. 9 lit. a
GGVO Art. 5
GGVO Art. 7 Abs. 1
GGVO Art. 11 Abs. 1
GGVO Art. 11 Abs. 2
GGVO Art. 19 Abs. 2
GGVO Art. 110a Abs. 5
PVÜ Art. 1 Abs.1
1. Das Entstehen eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters setzt voraus, dass das Geschmacksmuster gem. Art. 7 Abs. 1 GGVO erstmalig innerhalb der Europäischen Gemeinschaft offenbart worden ist. Demgemäß kann sich eine Vorveröffentlichung im außereuropäischen Ausland als neuheitsschädlich darstellen, ohne das Musterrecht zu begründen.

2. Wird ein Erzeugnis von einem (inländischen) Vertriebsunternehmen unter dessen Unternehmensbezeichnung/Marke in den Handel gebracht, so können sich Herkunftsvorstellungen des Verkehrs i.S.v. § 4 Nr. 9 lit. a UWG in der Regel nicht auf den ungenannt gebliebenen ausländischen Hersteller des Produkts beziehen

3. Ein außerhalb Deutschlands erworbener wettbewerblicher Besitzstand eines ausländischen Unternehmens ist über Art. 1 Abs. 1 PVÜ bei der Gewährung (inländischen) wettbewerblichen Leistungsschutzes nur relevant, wenn dieser Besitzstand in dem Herkunftsland des Unternehmens erworben worden ist. Ein in sonstigen Drittstaaten erworbener Besitzstand findet selbst dann keine Berücksichtigung, wenn diese Länder ebenfalls Mitgliedsstaaten des PVÜ sind.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftszeichen: 5 U 96/05

Verkündet am: 7. Juni 2006

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter am Oberlandesgericht Betz, Rieger, Dr. Koch, nach der am 17. Mai 2006 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 8, vom 20.05.05 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen einschließlich der Kosten der Nebenintervention.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte/Nebenintervenientin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist ein in Hongkong ansässiges Unternehmen, das Haushaltsgeräte herstellt und diese an Vertriebsunternehmen in Europa liefert. Die Beklagte vertreibt neben Kaffee diverse andere Produkte, u.a. ebenfalls Haushaltsgeräte.

Die Klägerin macht Rechte als Entwerfer an einer elektrischen Gebäckpresse geltend, die als Anlage K1 vorgelegt ist. Diese Gebäckpresse - das Klagemuster - meldete die Klägerin beim chinesischen Patentamt in Peking am 24.07.01 als Geschmacksmuster und am 11.10.01 als Patent an. Das Geschmacksmuster wurde am 08.05.02 und das Patent am 31.07.02 in China veröffentlicht (Anlagen K21 und K22).

Die Beklagte trat Mitte 2003 an die Klägerin heran und bekundete ihr Interesse, von der Klägerin diese Gebäckpresse in größeren Stückzahlen zum Verkauf in ihren Filialen zu erwerben. Ein Vertrag kam zwischen den Parteien hierüber nicht zustande. Anfang November 2003 stellte die Klägerin fest, dass die Beklagte nunmehr in ihren Filialen eine Gebäckpresse - das Verletzungsmuster - (Anlage K3) anbot, das der klägerischen Gebäckpresse ähnlich ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Gestaltung des Klagemusters sowie des Verletzungsmusters wird auf die in den landgerichtlichen Urteilstenor und Tatbestand aufgenommenen Lichtbilder und Zeichnungen der elektrischen Gebäckpressen sowie die aus den Anlagen ersichtlichen Geräte Bezug genommen.

Dieses Verhalten der Beklagten beanstandet die Klägerin als Verstoß gegen ihre Rechte aus einem in der Europäischen Gemeinschaft bestehenden Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Die Klägerin ist der Auffassung, das Klagemuster sei durch Lieferungen an ein britisches Unternehmen in der Zeit von Juni bis Oktober 2002 erstmals in der Europäischen Gemeinschaft als nicht eingetragenes Geschmacksmuster bekannt gemacht worden und könne den daraus fließenden Schutz beanspruchen. Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster sei neu und eigenartig gewesen. Bei dem Verletzungsmuster handele es sich um einen rechtsverletzende Nachbildung ihres Geschmacksmusters. Darüber hinaus macht die Klägerin weiterhin Ansprüche aus ergänzendem wettbewerblichen Leistungsschutz geltend.

Die Beklagte hat ihrer Lieferantin, der G. GmbH, im September 2004 den Streit verkündet. Die G. GmbH ist mit Schriftsatz vom 06.12.04 dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000.-, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr elektrische Gebäckpressen anzubieten, zu vertreiben und/oder zu bewerben, die nach Maßgabe der im Urteilstenor der landgerichtlichen Entscheidung zu I. wiedergegebenen Abbildung gestaltet sind,

II. die Beklagte weiter zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe

1. der Verkaufsmenge, der Verkaufszeiten und der Verkaufspreise

2. der betriebenen Werbung und der Bezeichnung der einzelnen Werbemittel, deren Auflagenhöhe, deren Gestehungskosten und des Umfangs ihrer Verbreitung,

3. der - bezogen auf die unter Ziffer I. genannten Gebäckpressen - Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Kostenfaktoren,

III. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 20. Mai 2005 antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten. Die Beklagte verfolgt in zweiter Instanz - ebenso wie die Nebenintervenientin - ihr Klagabweisungsbegehren unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags weiter. Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil auf der Grundlage der bereits erstinstanzlich gestellten Anträge.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist auch begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder aus Art. 19 Abs. 2 GGVO wegen der Verletzung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters durch die streitgegenständliche Gebäckpresse noch gem. § 4 Nr. 9 lit. a. UWG unter dem Gesichtspunkt ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes zu. Dementsprechend ist die Beklagte auch nicht zur Auskunftserteilung und zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet.

Das Landgericht hat den Rechtsstreit mit einem sorgfältig begründeten Urteile entschieden und sich dabei sehr detailliert mit den rechtlichen und tatsächlichen Fragen auseinander gesetzt. Wesentliche Grundlage der erstinstanzlichen Entscheidung ist eine Auslegung der - in Rechtsprechung und Literatur noch weitgehend ungeklärten - Reichweite von Art. 7 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 1 und 2 GGVO, nach der das Klagemuster durch seine Veröffentlichung im Bereich der Europäischen Gemeinschaft im Jahr 2002 den Schutz als nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster erlangt hat. Diese Auslegung vermag der Senat nicht zu teilen. Denn sie wird dem Sinn und Zweck der rechtlichen Regelung nicht hinreichend gerecht und steht darüber hinaus im Widerspruch zu dem Verständnis des für die Administration von Gemeinschaftsgeschmacksmustern zuständigen Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt. Für das Eingreifen ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes hat die Klägerin keine ausreichenden Anhaltspunkte vorgetragen, die geeignet wären, ihre diesbezüglichen Behauptungen zu stützen, so dass auch diese Rechtsgrundlage ihren Ansprüchen nicht zum Erfolg verhelfen kann.

1. Ein Unterlassungsanspruch nach Art. 19 Abs. 2 GGVO besteht selbst auf der Grundlage der landgerichtlichen Entscheidung schon deshalb nicht (mehr), weil ein etwaiger Schutz nach der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung insoweit inzwischen ausgelaufen wäre. Denn auch nach dem von dem Landgericht festgesetzten Zeitpunkt der Erstveröffentlichung des Klagemusters innerhalb der Gemeinschaft (Herbst 2002) war der dreijährige Schutz aus Art. 11 Abs. 1 GGVO spätestens im Herbst 2005 abgelaufen, so dass zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat insoweit kein Schutz mehr besteht. Gleichwohl steht die gemeinschaftsgeschmacksmusterrechtliche Rechtslage weiterhin zur Beurteilung durch den Senat, weil die Klägerin daneben Ansprüche auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht geltend macht, die begründet sein könnten, wenn die Klägerin in der Vergangenheit einen Schutz nach der GGVO hätte beanspruchen können. Dies ist indes nicht der Fall.

2. Da sich die Ansprüche der Klägerin sowohl nach dem nationalen Recht (UWG) als auch nach dem Gemeinschaftsrecht (GGVO) - wie noch im Einzelnen darzulegen sein wird - als materiell unbegründet darstellen, weil das Klagemuster die Schutzvoraussetzungen entweder nicht erfüllt (Art. 19 Abs. 2 GGVO) oder die Klägerin die insoweit erforderlichen Voraussetzungen nicht hinreichend substantiiert dargelegt hat (§ 4 Nr. 9 lit. a. UWG) kann der Senat zunächst davon absehen, auf eine Vielzahl der weiteren, zwischen den Parteien ebenfalls streitigen Rechts- und Tatsachenfragen näher einzugehen, denn diese gewinnen nur für den - hier nicht vorliegenden Fall - Bedeutung, dass der Klägerin ein Anspruch dem Grunde nach zusteht.

a. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte zutreffend und hinreichend substantiiert die Existenz der Klägerin sowie die Vertretungsbefugnis der als Direktoren bezeichneten Personen hat in Frage stellen können. Entsprechendes gilt für die Einwendungen der Beklagten zu der Aktivlegitimation der Klägerin, die ihre Rechte von dem Entwerfer Oliver Breit ableitet. Auch soweit die Beklagte beantragt, der Streitverkündeten aufzuerlegen, die Vereinbarung mit der Firma Formart vorzulegen, bleibt dieser Antrag für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung.

b. In gleicher Weise ist es mangels konkreter Schutzfähigkeit des Klagemusters unerheblich, ob bzw. in welchem Umfang verletzungsrelevante Übereinstimmung zwischen dem Klagemuster und dem Verletzungsmuster bestehen. Gleiches gilt für die Frage, ob bestimmte Gestaltungsmerkmale wegen einer technischen Bedingtheit der Formgestaltung gem. Art. 8 Abs. 1 GGVO bei der geschmacksmusterrechtlichen Beurteilung unberücksichtigt bleiben müssen. Denn bereits die übrigen Schutzvoraussetzungen für die klägerische Gebäckpresse sind nicht erfüllt.

3. Ansprüche der Klägerin aus einem nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster gem. Art. 19 Abs. 2 GGVO scheiden aus, denn das Klagemuster ist vor seiner Erstveröffentlichung in der Europäischen Gemeinschaft bereits außerhalb dieses Bereichs in neuheitsschädlicher Weise in China vorveröffentlicht worden. Das Entstehen eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters setzt demgegenüber voraus, dass das Geschmacksmuster gem. Art. 7 Abs. 1 GGVO erstmalig innerhalb der Europäischen Gemeinschaft offenbart worden ist. Dies ist in Ansehung des Klagemusters nicht der Fall gewesen. Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts teilt der Senat nicht.

a. Soweit sich die Beklagte ohne Erfolg darauf beruft, die Gebäckpresse der Klägerin sei bereits im Jahr 2001 im Zuge der Vertragsverhandlungen mit der englischen Firma Stalton der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, hat allerdings bereits das Landgericht hierzu die erforderlichen Ausführungen gemacht. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten stützt sich auf unbelegte Spekulationen, denen nicht nachzugehen ist. Soweit die Beklagte meint, aus dem Umstand, dass die Klägerin ihre Korrespondenz nicht vorgelegt hat, das Fehlen einer entsprechenden Vertraulichkeitszusage ableiten zu können, liegt ihr Sachvortrag neben der Sache. Die Klägerin hatte keine Veranlassung, ihre interne Geschäftskorrespondenz mit einem Abnehmer ohne Not zu offenbaren, schon gar nicht gegenüber der Beklagten, die zuvor das Vertrauen der Klägerin zu deren Nachteil ausgenutzt hatte. Solange die Beklagte keinerlei Anhaltspunkte dafür vorzutragen vermag, dass eine Veröffentlichung vor dem von der Klägerin genannten Zeitraum erfolgt sein könnte, muss sich die Klägerin auch nicht veranlasst sehen, die von ihr behaupteten Vertraulichkeitszusagen näher zu konkretisieren bzw. zu beweisen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin ihr Produkt zuvor einer "Vielzahl von potenziellen Abnehmern" angeboten hat. Sofern die Beklagte hierfür konkrete Anhaltspunkte hatte, hätte es ihr oblegen, diese vorzutragen. Die Klägerin war nicht verpflichtet, sich vor dem Hintergrund unbelegter Mutmaßungen der Beklagten zu exkulpieren.

b. Das erstmalig am 08.05.2002 in China veröffentlichte Geschmacksmuster über die von der Klägerin verteidigte Gebäckspresse (Anlage K21) war neu und eigenartig. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten und der Streitverkündeten teilt der Senat nicht. Das Landgericht hat sich eingehend und erschöpfend mit den Einwendungen der Beklagten auseinander gesetzt. Auch insoweit stützt die Beklagte ihre Einwände auf in erster Linie ergebnisorientierte Mutmaßungen ins Blaue hinein. Diesen ist ebenfalls nicht nachzugehen. Selbst wenn es für die Beklagte schwer möglich ist, nähere konkrete Informationen zu Interna zu erhalten, obliegt es ihr jedenfalls, irgendwelche konkreten Anhaltspunkte vorzutragen, aus denen sich eine neuheitsschädliche Vorveröffentlichungen auch bereits im außereuropäischen Ausland ergibt. Die hierzu von der Beklagten angestellten Vermutungen geben auch dem Senat keine Veranlassung, insoweit in eine Beweisaufnahme einzutreten oder der Klägerin ergänzende Auflagen zu erteilen. Die Klägerin ist - wie ausgeführt - nicht verpflichtet, die Korrespondenz mit ihren Vertragspartnern vorzulegen bzw. Vertraulichkeitzusagen und deren Einhaltung zu beweisen, solange die Beklagte nur allgemeine, nicht auf den konkreten Fall bezogene Üblichkeiten vorträgt. Allgemeine Ausführungen dazu, was im Geschäftsleben möglicherweise zweckmäßig oder wünschenswert sein könnte, stellen keine taugliche Grundlage für Substanziierungserfordernisse des Gegners dar. Die Beklagte verkennt insoweit die ihr obliegende Darlegungslast.

c. Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits auf der Grundlage der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung hängt entscheidend davon ab, ob eine Veröffentlichung im außereuropäischen Ausland - hier in China - ausreicht, um den Geschmacksmusterschutz für ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster und darauf basierende Unterlassungsansprüche gem. Art. 19 Abs. 2 GGVO zu begründen. Davon ist das Landgericht ausgegangen. Dieser Standpunkt erweist sich im Ergebnis aber nicht als hinreichend tragfähig.

aa. Die hierauf bezogene Rechtsfrage ist in Rechtsprechung und Literatur noch weitgehend ungeklärt. Die im Zusammenhang damit anzustellenden Erwägungen und Unsicherheiten sind von den Autoren Gottschalk/Rahlf in ihrem Aufsatz "Neuland - Das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GRUR Int. 04, 821) zutreffend zusammengefasst, auf die der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wie folgt Bezug nehmen kann:

"2. Veröffentlichungen außerhalb der Gemeinschaft

Wie ist aber die Rechtslage, wenn das Muster zunächst außerhalb der Gemeinschaft ausgestellt oder benutzt und erst später in der Gemeinschaft vermarktet wird? Kann ein derartiges Muster Schutz erlangen? Gemäß Art. 11 Abs. 1 GGVO könnte ein erstmals außerhalb der EG offenbartes Muster, das erst später in der Gemeinschaft vermarktet wird, nicht in den Genuss eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters kommen, weil diese Benutzung außerhalb der EG (mangels Neuheitsschonfrist) neuheitsschädlich wäre. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift beginnt der dreijährige Schutz für das nicht eingetragene Geschmacksmuster, mit dem Tag, an dem es der Öffentlichkeit innerhalb der Gemeinschaft erstmals zugänglich gemacht wurde.

Die an sich klare Regel des Art. 11 Abs. 1 GGVO zum Schutzbeginn wird aber durch Art. 11 Abs. 2 S. 1 GGVO verwischt: Danach gilt ein Geschmacksmuster als der Öffentlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zugänglich gemacht, wenn es in solcher Weise bekannt gemacht, ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise offenbart wurde, dass es den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf bekannt sein konnte. Kann also doch ein außerhalb der EG veröffentlichtes Muster Schutz erlangen? Das hängt von der Auslegung des Art. 11 Abs. 2 S. 1 GGVO ab; die Fassung kann auf zwei Arten verstanden werden:

Zum einen könnte Art. 11 Abs. 2 S. 1 GGVO den Art. 11 Abs. 1 GGVO konkretisieren: Nach Abs. 1 sind dem Ort der maßgeblichen Veröffentlichung für die Entstehung des Schutzes geographische Grenzen gesetzt (innerhalb der Gemeinschaft); der relevante Personenkreis, der von der Veröffentlichung Kenntnis nehmen konnte, ist nicht begrenzt (Öffentlichkeit). Abs. 2 S. 1 könnte so zu verstehen sein, dass der maßgebliche Personenkreis konkretisiert und auf die entsprechenden Fachkreise begrenzt wird. Ein Veröffentlichen des Geschmacksmusters ohne Möglichkeit der Kenntnisnahme durch die maßgeblichen Fachkreise begründete dann keinen Schutz. Auch die Veröffentlichung außerhalb der Gemeinschaft - mit oder ohne Kenntnis der entsprechenden Fachkreise - begründet dann (nach Abs. 1) keinen Schutz an einem nicht eingetragenen Muster.

Zum anderen könnte Art. 11 Abs. 2 S. 1 GGVO einen nicht unter Abs. 1 fallenden Sachverhalt als unter Abs. 1 fallend fingieren. Neben dem Grundsatz des Art. 11 Abs. 1 GGVO kann Abs. 2 S. 1 als Fiktion verstanden werden, nach der das Tatbestandsmerkmal "ein Zugänglichmachen der Öffentlichkeit innerhalb der Gemeinschaft" (Abs. 1) fingiert wird als ein Veröffentlichen, das den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf bekannt sein konnte. Da das Merkmal "innerhalb der Gemeinschaft" Teil des fingierten Tatbestandsmerkmals ist, besteht keine geographische Begrenzung; der Ort der Veröffentlichung ist dann für die schutzbegründende Veröffentlichung unerheblich. Neben der geographischen Öffnung wird aber der relevante Personenkreis der allgemeinen Öffentlichkeit begrenzt auf die jeweiligen Fachkreise. Erfolgte also eine Ausstellung des Geschmacksmusters auf einer internationalen Messe außerhalb der Gemeinschaft, ist jedenfalls dann eine Veröffentlichung anzunehmen, wenn innerhalb der Gemeinschaft tätige Fachkreise die Messe besuchen (z.B. Präsentation bei der Automesse in Genf). Allein bei dieser letzten Interpretation würde also ein erstmaliges Ausstellen eines Geschmacksmusters außerhalb der Gemeinschaft - auch durch nicht in der Gemeinschaft ansässige Gestalter - bei Kenntnisnahme europäischer Fachkreise ein Recht innerhalb der Gemeinschaft begründen. Eine solche Sichtweise liegt wohl auf einer Linie mit dem Urheberrecht, das ebenfalls Schutz für nicht innerhalb des Geltungsbereichs des UrhG geschaffene Werke gewährt. Sie widerspricht aber dem Territorialitätsgedanken des Patent- und Markenrechts.

3. Beschränkung auf Veröffentlichungen innerhalb der Gemeinschaft

Daher spricht vieles dafür, für den Schutzbeginn des nicht eingetragenen Geschmacksmusters auf eine Veröffentlichung innerhalb der geographischen Grenzen der Gemeinschaft abzustellen: Zwar ergibt sich aus den Quellen zur Diskussion der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung nicht eindeutig, wie Art. 11 GGVO zu verstehen ist und ob eine Veröffentlichung eines Musters außerhalb der Gemeinschaft ein Schutzrecht mit Gültigkeit innerhalb der Gemeinschaft begründen kann. Für die Ansicht, die in Abs. 2 nur eine Konkretisierung auf die Fachkreise sieht und außerhalb der EG offenbarte Muster ausschließen will, spricht aber, dass Art. 11 Abs. 1 GGVO eindeutig auf das Zugänglichmachen in der Gemeinschaft abstellt - eine Voraussetzung, die bei den Begriffen der Neuheit und Offenbarung nicht zu finden ist. Eine andere Sichtweise wäre auch wirtschaftspolitisch schwer zu erklären: Muster, die allein außerhalb der EG offenbart werden, würden jüngeren Mustern, die erstmals innerhalb der Gemeinschaft entwickelt werden, nicht nur neuheitsschädlich entgegenstehen, sondern sogar für drei Jahre ein absolutes Verbotsrecht gewähren. Zu dieser Auslegung jedenfalls darf mit Spannung Rechtsprechung erwartet werden."

Auch Bulling/Langöhrig/Hellwig stellen in ihrem Kommentar zum "Gemeinschaftsgeschmacksmuster" bei Rdn. 59 ff fest:

"Obwohl der Wortlaut des Art. 11 zur klaren Formulierung von einigen Sachverhalten geändert wurde, kann die nunmehr vorliegende Fassung auf unterschiedliche Weise verstanden werden und ist auslegungsbedürftig". [...]

Anzumerken ist ferner, dass der Wortlaut des ersten Vorschlags der GGV vorsah, dass für den Schutzbeginn des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters die erste Veröffentlichung, unabhängig vom Ort der Veröffentlichung, maßgeblich sein soll. [..]

Die den Autoren vorliegenden Quellen zur Diskussion und Begründung der GGV geben keinen eindeutigen Aufschluss darüber, wie der Gesetzgeber den nunmehr geltenden Art. 11 verstanden wissen will, und ob eine Veröffentlichung eines Geschmacksmusters innerhalb der Gemeinschaft ein Schutzrecht mit Gültigkeit innerhalb der Gemeinschaft begründen kann."

bb. Zwar hat das Landgericht sehr beachtliche Gründe für seine Auslegung gefunden, die davon ausgeht, bereits die Veröffentlichung in China habe eine Schutzrechtsbegründung für ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster bewirkt. Dieser Standpunkt kann indes nicht vollständig überzeugen. Nach Auffassung des Senats kann für einen Schutz als nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster nach dem Sinn und Zweck der gemeinschaftsrechtlichen Regelung allein eine Veröffentlichung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft in Betracht kommen. Zu diesem Ergebnis kommt auch der Kommentar von Eichmann/von Falkenstein "Geschmacksmustergesetzes" in der aktuellen 3. Auflage 2005. Eichmann führt unter Allgemeines zur Rdn. 18 aus:

"Hierzu bestimmt Art. 110a Abs. 5 Satz 2 GGVO, dass ein nicht in der Gemeinschaft öffentlich zugänglich gemachtes Muster keinen Schutz als nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster genießt. Die Offenbarung des Musters muss demnach nicht nur für die in der Gemeinschaft tätigen Fachkreise wahrnehmbar gewesen sein, sondern auch auf dem Territorium der Gemeinschaft stattgefunden haben. Die Offenbarung in einem der Mitgliedstaaten genügt. Im Übrigen ist die Offenbarung wie in Art. 7 GGV definiert. Wenn vor der Offenbarung in der EU eine Offenbarung in einem Drittstaat i.S.d. § 5 erfolgt ist, kann das der Neuheit oder Eigenart entgegenstehen. Das gilt auch für Offenbarungshandlungen des Rechtsinhabers, weil eine Schonfrist, Art. 6 Abs.2 GGV, insoweit nicht in Anspruch genommen werden kann."

Diese Auffassung erscheint dem Senat vorzugswürdig.

aaa. Denn es würde in der Tat zu inkonsequenten und nicht nachvollziehbaren Ergebnissen führen, wenn ein ausdrücklich für die Europäische Gemeinschaft eingeführtes Schutzrecht dadurch begründet werden könnte, dass es in einer entfernten Ecke der Welt ohne jedweden Bezug zur Europäischen Gemeinschaft veröffentlicht wird. Allein die Tatsache, dass auch die innereuropäischen Fachkreise die technische und gestalterische Entwicklung in diesem Land regelmäßig zur Kenntnis nehmen (müssen), ist ungeeignet, einen rechtlich relevanten Bezug zu dem Institut des Gemeinschaftsgeschmacksmuster herzustellen. Deshalb wird trotz verbleibender gesetzestechnischer Unklarheiten nur eine solche Auslegung dem auf die Europäische Gemeinschaft bezogenen Institut des Gemeinschaftsgeschmacksmusters gerecht, die auf eine erstmalige Veröffentlichung in der Europäischen Gemeinschaft selbst abstellt.

bbb. Bereits wegen des Charakters des Schutzrechts als "Gemeinschaftsschutzrecht" liegt eine Veröffentlichungspflicht innerhalb der Europäischen Gemeinschaft besonders nahe. Der Hinweis von Bulling auf die Rechtslage nach dem Urheberrechtsgesetz, das auch ausländischem Werkschaffen Schutz gewährt, überzeugt im Ergebnis nicht. Denn es ist insoweit zwischen eingetragenen bzw. "großen" (auch nicht registrierten) Schutzrechten mit einer erheblichen Schutzdauer einerseits und der Neuerung des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters andererseits zu unterscheiden, das unter stark erleichterten Voraussetzungen und nur für einen sehr überschaubaren Zeitraum allein durch tatsächliches Handeln ohne weitere Registrierungs- bzw. Erklärungsnotwendigkeiten - durch einen Realakt - begründet werden kann. Die Möglichkeit einer weltweiten Erstveröffentlichung mit Schutzauswirkungen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft steht bereits diesem Sinn und Zweck eines als unkompliziert gedachten "Jedermann-Schutzrechts" entgegen. Die Auslegungen, die das Landgericht an Hand des Gesetzeswortlauts von Art. 7 GGVO einerseits und Art. 11 GGVO andererseits vornimmt, sind zwar möglich und in sich schlüssig, werden jedoch nach Auffassung des Senats der Intention einer spezifisch gemeinschaftsrechtlichen Regelung nicht ausreichend gerecht. Deshalb erweist sich eine Veröffentlichung des Klagemusters in China nicht als ausreichend, um Ansprüche aus einem nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster herzuleiten.

ccc. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird zudem durch eine nachträgliche Änderung der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung aus dem Jahr 2003 ausdrücklich bestätigt. Die Verordnung ist aus Anlass der Erweiterung der Gemeinschaft nachträglich um einen Art. 110a GGV ergänzt worden, dessen Absatz 5 folgenden Wortlaut hat.

"Die Absätze 1, 3 und 4 gelten auch für nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Gemäß Artikel 11 genießt ein Geschmacksmuster, das nicht in der Gemeinschaft öffentlich zugänglich gemacht worden ist, keinen Schutz als nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster."

Diese Vorschrift setzt nach ihrem Wortlaut voraus, dass das Geschmacksmuster in der Gemeinschaft veröffentlicht worden ist. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Regelung allein (in Bezug auf die Beitrittsländer) die Schutzfrist und nicht zugleich die Entstehung der Schutzvoraussetzungen betrifft. Zwar ist dieser Artikel erst zum 01.05.2004 in Kraft getreten und enthält in erster Linie Regelungen für die neuen Beitrittsländer. Gleichwohl lassen sich hieraus zumindest gewichtige Indizien dafür ableiten, wie die Regelung des Art. 11 GGVO von Anfang an durch den Gemeinschafsverordnungsgeber gemeint gewesen ist. Die Streitverkündete weist zutreffend darauf hin, dass die gesetzgeberische Intention zumindest des Absatzes 5 des Art. 110a GGVO letztlich nur in der Klarstellung des unklaren Wortlauts von Art. 11 GGVO gelegen haben kann. Ansonsten wäre die Regelung in diesem Zusammenhang sinnwidrig. Auch deshalb vermag der Senat der landgerichtlichen Auffassung nicht zu folgen.

ddd. Schließlich ergeben sich auch aus den Veröffentlichungen des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt wesentliche Anhaltspunkte für die Richtigkeit der von dem Senat vertretenen Auslegung. Die unter "OAMI-online" im Internet veröffentlichten Erklärungen des HABM entfalten zwar keine formalen Rechtswirkungen. Allerdings handelt es sich bei dem HABM um die zuständige Eintragungsstelle für das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (das "Amt", siehe Art. 2 i.V.m. Art. 48 GGV). Diese administrative Funktion bietet einen wesentlichen Anhaltspunkt für die Annahme, dass das HABM mit seiner Auslegung dem Willen des Verordnungsgebers am nächsten kommt.

(1) In den von der Beklagten als Anlage B5 eingereichten Erläuterungen heißt es insoweit zu der Frage "Offenbarung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters: wo muss sie erfolgen, auf EU- oder auf internationaler Ebene" als Antwort "Die Offenbarung muss in der Gemeinschaft stattfinden".

(2) Aus der Anlage B6 ergibt sich ebenfalls, dass für die Gültigkeit des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters eine Erstbekanntmachung außerhalb Europäischen Union nicht in Betracht kommt und insoweit eine Neuheitsschonfrist nicht gilt. Das HABM führt insoweit zur "Entstehung des Rechts" beim nicht eingetragenen Geschmacksmuster aus: "Offenbarung in der EU" und erläutert bei den "Nachteilen des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters": "keine Gültigkeit bei Erstbekanntmachung in Nicht-EU Land, da Neuheitsschonfrist ausgeschlossen."

(3) Diese Darstellung lässt Zweifel an dem Inhalt der Aussage nicht zu. Er ist auch inhaltlich schlüssig. Denn eine Neuheitsschonfrist ist bei einem nicht eingetragenen Recht schon aus der Natur der Sache auszuschließen. Die Schutzvoraussetzungen stellen allein auf die Veröffentlichung ab und knüpfen hieran die Rechtswirkungen. Wollte man auch bei diesen Gestaltungen eine Neuheitsschonfrist zubilligen, so entstünde eine erhebliche Rechtsunsicherheit, weil verschiedene Veröffentlichungszeitpunkte zueinander in Konkurrenz träten und nicht zweifelsfrei zu bestimmen wäre, welchen Veröffentlichungszeitpunkt der Entwerfer gegen sich gelten lassen will bzw. muss. Eine klare Regelung ist indes für den Beginn des dreijährigen Schutzes gerade bei einem nicht der Registrierung unterliegenden Recht unerlässlich. Die Kritiker der landgerichtlichen Auffassung weisen nicht ohne Recht darauf hin, dass andernfalls der Entwerfer den Beginn der Schutzfrist innerhalb der Europäischen Gemeinschaft beliebig herauszögern könnte, wenn auch eine außereuropäische Erstveröffentlichung zulässig wäre, die Schutzfrist aber erst mit der innereuropäischen Offenbarung beginnt. Die Streitverkündete spricht insoweit zutreffend von "U-Boot-Rechten", die in der Europäischen Gemeinschaft selbst zu einem Zeitpunkt noch aktiviert werden könnten, zu dem das Geschmacksmuster im Ausland bereits abgelaufen ist.

(4) Insbesondere in diesem Zusammenhang ist auch der Hinweis der Beklagten auf das Territorialitätsprinzip zutreffend. Grundsätzlich setzt die Entstehung des Schutzes stets voraus, dass (zumindest) die Veröffentlichung im (europäischen) Inland erfolgt ist, sofern nicht bilaterale oder multilaterale Verträge eine Erstreckung ausdrücklich regeln. Ein gegenteiliges Ergebnis wäre systemwidrig. Anderes gilt nur für die Frage der Neuheitsschädlichkeit bzw. Vorbekanntheit. Insoweit sind auch ausländische Sachverhalte relevant. Darum geht es hier indes nicht.

d. Ist für die Beurteilung der Rechte der Klägerin an einem nicht eingetragenen Geschmacksmuster die Erstveröffentlichung innerhalb der Gemeinschaft maßgeblich, kommt es weiter entscheidend darauf an, ob die von der Klägerin in Europa im Herbst 2002 offenbarte Gebäckpresse "neu" i. S. v. Art. 5 Abs. 1 GGVO gewesen ist. Dies wäre nicht der Fall, wenn zuvor eine neuheitschädliche Vorveröffentlichung im Ausland erfolgt ist. So verhält es sich in dem zur Entscheidung stehenden Fall.

aa. Die Streitverkündete hat unter Bezugnahme auf ihre Anlage 1 dargelegt, dass am 31.07.02 eine praktisch identische Gebäckpresse als Gebrauchsmuster - und bereits zuvor am 08.05.02 als Geschmacksmuster - in der Volksrepublik China veröffentlicht worden ist. Wenn diese Vorveröffentlichungen den innergemeinschaftlichen Schutz (noch) nicht begründen konnten und andererseits die Neuheitsschonfrist für ein nicht eingetragenes Geschmacksmuster gerade nicht zur Anwendung kommt (Art. 7 Abs. 1 GGVO), kommt es für die Beurteilung des Rechtsstreits entscheidend darauf an, ob eine solche frühere Offenbarung eines neuheitsschädlichen Musters in China i.S.v. Art. 7 Abs. 1 GGV "den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht bekannt sein konnte".

bb. Diese als Ausnahmetatbestand formulierte Bedingung ist nicht erfüllt, so dass sich die Vorveröffentlichung im Ergebnis als neuheitsschädlich gegenüber der Erstveröffentlichung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft auswirkt.

aaa. Der chinesische Markt hat - hierauf weist die Streitverkündete zutreffend hin - für die Kenntnis der inländischen bzw. innereuropäischen Verkehrskreise grundsätzlich eine erhebliche Relevanz. Denn gerade Haushaltswaren und Küchengeräte werden seit längerem maßgeblichen in China für den Export nach Europa entwickelt und hergestellt. In diesem Fall entspricht eine Obliegenheit der Marktbeobachtung höchstrichterlicher Rechtsprechung. Die Neuheit eines Musters ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Auch ein ausländischer Markt kann zu dem Kulturkreis gehören, von dem erwartet wird, dass inländische Fachkreise ihn bei Mustergestaltungen in ihre Beobachtung einbeziehen (BGH GRUR 04, 427, 428 - Computergehäuse). Allerdings stehen in den entlegensten Gebieten der Welt vorhandene, längst vergessene Gestaltungsformen der Neuheit eines übereinstimmenden späteren, aber eigenständig entwickelten Musters nicht entgegen. Vielmehr ist maßgebend, was billigerweise vom inländischen Verkehr an Kenntnissen zu erwarten ist (BGH GRUR 69, 90, 94 - Rüschenhaube). Erforderlich ist hierfür auch, dass die inländischen Verkehrskreise von der Entwicklung bei der Beachtung des ausländischen Marktes in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen konnten. (BGH GRUR 04, 427, 428 - Computergehäuse).

bbb. Eine derartige zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme ist hier gegeben. Die in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweiges konnte im normalen Geschäftsverlauf die Offenbarung in China i. S. v. Art. 7 Abs. 1 GGVO bekannt sein. Deshalb war eine erst später erfolgte (Erst)Veröffentlichung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft wegen der neuheitsschädlichen Vorveröffentlichung in China ungeeignet, den von der Klägerin begehrten Schutz zu begründen. Ihr Anspruch hätte nur durchdringen können, wenn sie die chinesischen Vorveröffentlichungen als schutzbegründend in Anspruch nehmen könnte. Dies ist indes aus den dargelegten Gründen nicht der Fall. Ein Anspruch aus Art. 19 Abs. 2 GGVO besteht deshalb nicht.

4. Ansprüche der Klägerin aus ergänzendem wettbewerblichen Leistungsschutz gem. § 4 Nr. 9 lit. a UWG bestehen ebenfalls nicht. Die Klägerin hat nichts dafür vorgetragen, dass ihre Gebäckpresse - selbst wenn man deren wettbewerbliche Eigenart unterstellt - in Deutschland auf sie bezogene Herkunfts- bzw. Gütevorstellungen aufzulösen geeignet ist. Derartige Ansprüche kommen allerdings grundsätzlich in Betracht, obwohl sich die Klägerin in erster Linie auf ihre Rechte aus einem nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster berufen hat. Denn der zeitlich befristete Schutz eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters berührt nicht den zeitlich von vornherein nicht befristeten Anspruch auf Grund ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutzes wegen vermeidbarer Herkunftstäuschung nach §§ 3, 4 Nr. 9.a. UWG (BGH WRP 06, 75, 77 - Jeans).

a. Die Klägerin selbst macht geltend, die Gebäckpresse sei in Deutschland nicht von ihr selbst, sondern durch eine Fa. P. in den Handel gebracht worden. Die angesprochenen Verkehrskreise werden demgemäß konkrete Herkunftsvorstellungen nahe liegend mit einem Unternehmen "P.", verbinden, das unter dieser Bezeichnung ebenfalls existent ist (z.B. "P. Household Appliances B.V.", vgl. Anlage K10), nicht aber mit der Klägerin - die soweit ersichtlich - im Außenverhältnis gegenüber den Endverbrauchern als überseeische Herstellerin nicht erkennbar in Erscheinung tritt. Auf welcher tatsächlichen Grundlage mit diesem Vertrieb Herkunftsvorstellungen verbunden sein sollen, die sich gerade auf die Klägerin als ausländische Herstellerin und nicht ausschließlich die Fa. P. als offenbar inländisches Vertriebsunternehmen richten, vermag der Senat auf der Grundlage der Ausführungen der Klägerin nicht nachzuvollziehen. Aus den im Rahmen des Rechtsstreits vorgelegten Lichtbildern ergibt sich zweifelsfrei, dass die von der Klägerin verteidigte Gebäckpresse den deutlich sichtbaren Aufdruck "P." auf der Schauseite des Griffs trägt. Die Klägerin hat weiter vorgetragen, dass die aus S. 298 des "A."-Katalogs ersichtliche Gebäckpresse ebenfalls von ihr stammt. Auch diese Gebäckpresse trägt an gleicher Stelle mit dem Schriftzug "R. H. " eine abweichende Herstellerbezeichnung. Vor diesem Hintergrund erschließt sich nicht, auf Grund welcher - sonstigen - Umstände der Verkehr Veranlassung haben sollte, etwaige Herkunftsvorstellungen gerade mit der Klägerin und nicht mit den auf den Geräten ausdrücklich namentlich genannten Unternehmen zu verbinden. Es ist zwar nicht erforderlich, dass die angesprochenen Verkehrskreise das nachgeahmte Produkt einem bestimmten Hersteller zuordnen können. Für den ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz nach §§ 3, 4 Nr. 9 lit. a UWG reicht die Gefahr einer vermeidbaren Herkunftstäuschung aus. Diese erfordert nicht die namentliche Kenntnis des hinter dem nachgeahmten Produkt stehenden Unternehmens (BGH WRP 06, 75, 79 - Jeans). Weist das Produkt indes aber ausdrücklich auf ein (oder sogar mehrere) anderes konkretes Unternehmen hin als dasjenige, das die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche geltend macht, kann ein ergänzender Leistungsschutz jedenfalls für das klagende Unternehmen nicht entstehen. So verhält es sich im vorliegenden Fall.

b. Auch der Hinweis der Klägerin auf die Entscheidung "Betonsteinelemente" des BGH (BGH GRUR 92, 523 - Betonsteinelemente) verhilft ihr nicht zum Erfolg. Zwar mag der Klägerin als ausländischem Unternehmen bei der Gewährung von ergänzendem wettbewerblichen Leistungsschutz ein wettbewerblicher Besitzstand über Art. 1 Abs. 1 PVÜ zu Gute kommen. Dieser Umstand kann sich vor dem Hintergrund der konkreten Umstände des Streitfalls angesichts der wenig substantiierten Darlegungen der Klägerin aber nicht zu ihren Gunsten auswirken.

aa. Es reicht zunächst nicht aus, dass überhaupt ein Besitzstand irgendwo im Ausland erworben ist. Entscheidend ist vielmehr weiterhin, dass das verletzte Unternehmen in einem Verbandsland der Pariser Übereinkunft ansässig ist.

aaa. Die Klägerin - die ihren Sitz in Hongkong hat - hat nicht ausdrücklich vorgetragen, dass Hongkong der Übereinkunft beigetreten ist. Dies ist indes der Fall, und zwar auf der Grundlage einer Schutzrechtserstreckung des Mitgliedslandes Volksrepublik China auf das Territorium von Hongkong mit Wirkung ab dem Jahr 1997. Rechtsgrundlage ist insoweit die "Bekanntmachung über den Geltungsbereich der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums" vom 20.08.02 (BGBl. 2002, Teil II, 2499, dort Ziff. IV). Obwohl Hongkong damit Vertragsstaat des PVÜ ist, kann dies nach Auffassung des Senats aber nicht dazu führen, dass ein Besitzstand, den ein Unternehmen aus Hongkong außerhalb seines Territoriums in einem anderen Drittland - hier in Großbritannien - erworben hat bzw. haben will, das nicht Gegenstand der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung ist, ebenfalls über Art. 1 Abs. 1 PVÜ zu berücksichtigen ist. Denn die Pariser Verbandsübereinkunft will nach seiner Zweckbestimmung in erster Linie dem ausländischen Mitgliedstaat Inländerstatus im Bezug auf die Schutzrechtslage gewähren. Dafür ist es erforderlich, dass das Unternehmen, welches Schutzrechte geltend macht, in seinem Herkunftsland nach dessen Rechtsordnung eine Rechtsposition erworben hat, die ihm auch in einem anderen Mitgliedstaat zu Gute kommen soll. Die Klägerin ist offenbar ein reines Handelsunternehmen mit Geschäftssitz in Hongkong. Die Gebäckpressen werden - dies hat die Klägerin selbst vorgetragen - von einem ihrer Tochterunternehmen in China gefertigt, und zwar in Sanshui City. Es ist schon nichts dafür vorgetragen, welche Rechtsposition der Klägerin bzw. ihren Schwesterunternehmen nach ihrem nationalen Recht zustünden, deren Übertragung bzw. Erstreckung nach der Pariser Verbandsübereinkunft in Betracht käme. Hierzu fehlt jeglicher konkreter Vortrag der Klägerin.

bbb. Eine Relevanz von Vertriebsaktivitäten in Großbritannien hätte in der Vergangenheit allerdings unter einem anderen Aspekt in Betracht kommen können. Wie sich aus der oben zitierten "Bekanntmachung..." vom 20.08.02 ergibt, hat Großbritannien bis zum 30.06.97 die auf Hongkong erstreckten Rechte der PVÜ wahrgenommen (Ziff. III). Nach der Übergabe an China hat dieses Land sodann die Rechte über die "Sonderverwaltungsregion Hongkong" übernommen. Deshalb erscheint es möglich, dass Vertriebsaktivitäten eines Unternehmens aus Hongkong in Großbritannien vor dem 01.07.97 wie inländische Aktivitäten zu behandeln waren. Zumindest nach diesem Zeitpunkt gilt dies allerdings ausdrücklich nicht mehr, weil nunmehr der Vertragsstaat China die entsprechenden Rechte wahrnimmt. Und nur darum geht es im vorliegenden Fall. Deshalb können die Vertriebsaktivitäten der Klägerin in Großbritannien für einen in Deutschland berücksichtigungsfähigen Besitzstand nicht relevant sein.

bb. Aber selbst dann, wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung die auf die Klägerin mittelbar zurückgehenden Vertriebsaktivitäten in Großbritannien berücksichtigen wollte, kann die Klägerin hieraus letztlich nichts für sich herleiten. Zumindest insoweit bleibt es unzureichend, wenn die Klägerin pauschal behauptet, die Auflage der A.-Kataloge (Anlage K2) habe 48 Millionen Exemplare betragen. Über die Bedeutung des Anbieters, den Vertriebswegs, die Relevanz von Gebäckpressen in Großbritannien, konkrete Absatzzahlen und -zeiträume usw. ist nichts vorgetragen, sodass sich diese Angaben der Klägerin jedenfalls im Hinblick auf die Entwicklung eines konkreten Besitzstandes weitgehend im spekulativen Bereich bewegen. Hinzukommen weitere Umstände. Das auf S. 298 des "A."-Kataloges (Herbst/Winter 2002) in Anlage K2 abgebildete Produkt "cookie maker" unterscheidet sich auch in seiner Optik mehr als nur völlig unerheblich von der als Klagemuster vorgelegten Gebäckpresse. Die Abweichungen - insbesondere in der Farbgebung des Ein-/Aus-Schalters, des Anschlusskabels usw. - mögen durch die Fotografie bedingt sein und den geschmacksmusterrechtlichen Schutz nicht berühren. Für Ansprüche aus ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gilt dies aber nicht gleichermaßen.

c. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Klägerin die Voraussetzungen eines sich zu ihren Gunsten konkret entfaltenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes trotz des nachhaltigen Bestreitens durch die Beklagte und die Streithelferin nicht einmal in Ansätzen ausreichend konkret dargelegt hat. Ein Anspruch aus § 4 Nr. 9 lit. a UWG scheidet deshalb gleichermaßen aus. Die von der Klägerin im Rahmen dieses Rechtsstreits verfolgten Ansprüche erweisen sich insgesamt als unbegründet.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision gegen diese Entscheidung zu. Der Rechtsstreit hat insbesondere im Hinblick auf die territorialen Fragen im Zusammenhang mit der Entstehung des Schutzes eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters grundsätzliche Bedeutung und bedarf einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Ende der Entscheidung

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