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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 14.02.2007
Aktenzeichen: 5 W 15/07
Rechtsgebiete: UWG, BGB, BGB-InfoVO


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 4 Nr. 11
UWG § 8
BGB § 312 c Abs. 1
BGB § 312 d Abs. 1
BGB § 307
BGB § 355
BGB § 356
BGB § 357 Abs. 2
BGB-InfoVO § 1 Abs. 1 Nr. 10
1. Der von einem Internetshop im Rahmen seines Internetnetauftrittes unter dem Abschnitt "Widerrufs- und Rückgaberecht" gegebene Hinweis, dass unfreie Ware bzw. Pakete nicht angenommen werden, versteht der interessierte Verbraucher dahin, dass das Widerrufs- und Rückgaberecht unter der Bedingung der Frankierung der Sendung und somit der Vorleistungspflicht des Verbrauchers steht. Dieses widerspricht der Regelung in § 357 Abs. 2 satz 2 BGB, nach der die Kosten der Rücksendung bei Widerruf und Rückgabe der Unternehmer zu tragen hat.

2. Der in dieser Regelung liegende Wettbewerbsverstoß ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen.

3. § 307 BGB stellt jedenfalls in Zusammenhang mit den in AGB geregelten Umständen des Vertragsschlusses eine das Marktverhalten regelnde Norm im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluss

Geschäftszeichen: 5 W 15/07

In dem Rechtsstreit

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, am 14. Februar 2007 durch die Richter: Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 17.1.2007 (312 O 929/06) unter II. und III. abgeändert.

II. 1. Im Wege der einstweiligen Verfügung wird der Antragsgegnerin unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,-; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) verboten im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Verkauf von Verpackungsmitteln auf der Internethandelsplattform "eBay" zu werben, wobei sie

a. den Verbraucher in Bezug auf das gesetzliche Widerrufsrecht darauf hinweist, dass unfrei zurückgesandte Ware nicht angenommen werde,

b. in Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelt, ein Kaufvertrag über ein bei "eBay" angebotenes Produkt komme erst zustande, wenn die Antragsgegnerin den Auftrag durch Lieferung der Ware bzw. durch Zusendung einer Auftragsbestätigung in Textform annimmt.

2. Die Kosten des Verfügungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

IV. Der Streitwert der Beschwerde wird auf € 13.333.33 festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 17.1.2007 ist begründet.

1. Die Antragsstellerin besitzt als unmittelbare Wettbewerberin gegen die Antragsgegnerin einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG in Verbindung mit §§ 312 c Abs. 1, 312 d Abs. 1, 355, 356, 357 Abs. 2 BGB, 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoVO, soweit diese in ihrem eBay-Internetauftritt unter dem Abschnitt "Rechtliches" (Anlage Ast 4) und in ihren mit dem Internetauftritt verlinkten AGB unter dem Abschnitt "Widerrufs- und Rückgaberecht" (Anlage Ast 5) darauf hinweist, dass unfreie Ware bzw. Pakete nicht angenommen werden.

a. Die Antragsgegnerin ist als Unternehmerin aufgrund der oben bezeichneten Vorschriften verpflichtet, den Verbraucher insbesondere auch über die gesetzliche Gestaltung des Widerrufs- und Rückgaberechts bei Fernabsatzverträgen (§ 312 b BGB) in zutreffender Weise zu informieren. Hiergegen verstößt die Antragsgegnerin mit der aus ihrem eBay-Auftritt ersichtlichen Regelung, dass von ihr im Rahmen des Widerrufs- und Rückgaberecht unfrei zurückgesandte Ware nicht angenommen wird. Denn der interessierte Verbraucher kann diese Regelung nur dahin verstehen, dass das Widerrufs- und Rückgaberecht unter der Bedingung der Frankierung der Sendung und somit der Vorleistungspflicht des Verbrauchers steht. Dieses widerspricht aber dem klaren Wortlaut der gesetzlichen Regelung in § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach die Kosten der Rücksendung bei Widerruf und Rückgabe der Unternehmer zu tragen hat. Da somit die Rücksendung der Ware im Falle des Widerrufs oder der Rückgabe zu den Vertragspflichten des Unternehmers zu zählen ist, beinhaltet die Belastung des Verbrauchers mit den Kosten der Rücksendung auch die Belastung mit einer Vorleistungspflicht, die dem gesetzlichen Leitbild der §§ 320 ff. BGB nicht entspricht. Dieses, obwohl hier keine Leistungspflicht des Verbrauchers, sondern eine solche des Unternehmers in Frage steht.

b. Aus dem Verstoß gegen die sich aus den Vorschriften der §§ 312 c ff. BGB ergebenden Informationspflichten ergibt sich, dass die Antragsgegnerin zugleich einen Wettbewerbsverstoß nach § 4 Nr. 11 UWG begangen hat. Denn es ist anerkannt, dass es sich bei den §§ 312 c ff. BGB um Vorschriften handelt, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

c. Das wettbewerbswidrige Verhalten der Antragsgegnerin ist entgegen der Ansicht des Landgerichts auch geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Dieses folgt zunächst aus der Gefahr, dass einzelne Wettbewerber der Parteien sich dem unlauteren Verhalten der Beklagten zum Nachteil sich an die gesetzlichen Widerrufs- und Rückgaberegelungen haltender Konkurrenten anschließen können. Auch der Verbraucher ist unmittelbar durch die von ihm abgeforderte Vorleistung nicht unerheblich finanziell belastet. Darüber hinaus entsteht bei ihm aufgrund der Regelung die Unsicherheit, ob er bei Nichtannahme der unfrankiert aufgegebenen Rücksendung überhaupt wirksam den Fernabsatzvertrag widerrufen bzw. von seinem Rückgaberecht Gebrauch gemacht hat bzw. Gebrauch machen kann.

Hieran ändert auch nichts, dass die Antragsgegnerin in zulässiger Weise weiter darauf hinweist, dass bei einem Warenwert unter € 40.- die Rücksendekosten von dem Käufer zu tragen sind (vgl. § 357 Abs. 2 Satz 3 BGB). Aus dieser Vorschrift ergibt sich lediglich, dass die Parteien in diesen Fällen in zulässiger Weise eine entsprechende Kostentragung vereinbaren können. Die Zulässigkeit einer Bestimmung, die Ausübung des Widerrufs- und Rückgaberechts von der vorherigen Frankierung der Sendung abhängig zu machen, erschließt sich hieraus nicht.

d. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist indiziert.

2. Die Antragsstellerin besitzt gegen die Antragsgegnerin auch einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 307 BGB, soweit diese in ihrem eBay-Internetauftritt und den hiermit verlinkten AGB (Anlage Ast 5) darauf hinweist, dass ein Vertrag erst bei Lieferung der Ware oder durch Auftragsbestätigung in Textform zustande kommt.

a. Mit Recht weist die Antragsstellerin darauf hin, dass diese Geschäftsbedingung nicht für den Verbraucher erkennbar allein bezogen ist auf Verkäufe der Antragsgegnerin über einen von dieser betriebenen Internet-Shop. Vielmehr hat die Antragsgegnerin ihre AGB mit ihrem eBay-Auftritt verlinkt, so dass diese aus der Sicht des Verbrauchers auch Geltung für die von der Antragsgegnerin betriebenen eBay-Verkäufe beanspruchen.

b. Auf dieser tatsächlichen Grundlage benachteiligt die Geschäftsbedingung über das Zustandekommen von Kaufverträgen den Verbraucher entgegen den Geboten von Treu und Glauben aber unangemessen und ist daher gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Eine unangemessene Benachteiligung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht. Hiervon sind auch Regelungen in den Geschäftsbedingungen betroffen, die sich mit der Art und Weise des Vertragsabschlusses befassen. Bei der Wirksamkeitsprüfung sind insbesondere Zweck und Eigenart der in Frage stehenden Verträge zu berücksichtigen. eBay-Verkäufe, auch in der Form der Sofort-Verkäufe, haben dabei durch die von ebay für die Nutzung deutschsprachiger eBay-Websites vorgegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine besondere rechtliche Ausgestaltung auch hinsichtlich des Vertragsabschlusses erfahren, denen sich die Nutzer von eBay und somit auch die Antragsgegnerin zu unterwerfen haben. Bei der Masse der über eBay abgeschlossenen Verkäufe hat sich ein bestimmtes Vertragsbild auch im Hinblick auf den Vertragsschluss herausgebildet, gegen welches die in Streit stehende Geschäftsbedingung der Antragsgegnerin zum Nachteil der Käufer verstößt. § 9 der eBay-AGB sieht auch für den Fall der sog. "Sofort-Kauf-Option" vor, dass der Vertrag bereits dann zustande kommt, wenn der Käufer die Option ausübt, d.h. seine Vertragserklärung abgibt. Hiernach wird dem Verkäufer nicht zugestanden, den Vertragsschluss von der Übersendung der Ware oder einer Bestätigung in Textform abhängig zu machen. Hiernach ist in der angegriffenen AGB-Bestimmung eine Benachteiligung des eBay-Käufers zu sehen, da aus seiner Sicht das Zustandekommen des Kaufvertrages nicht von seiner Willenserklärung, sondern einer nachfolgenden Willensbetätigung der Antragsgegnerin abhängt, die von dem Kaufinteressenten schon in zeitlicher Hinsicht nicht zu überschauen ist. Anzuerkennende Interessen des Verkäufers, den Vertragsschluss auch bei eBay-Verkäufen hinauszuzögern, sind demgegenüber nicht ersichtlich.

c. § 307 BGB stellt in Zusammenhang mit dem in AGB geregelten zum Vertragsschluss führenden Willenserklärungen der Parteien eine das Marktverhalten regelnde Norm im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar.

d. Auch die Voraussetzungen des § 3 UWG sind gegeben, da die AGB-Bestimmung der Antragsgegnerin geeignet ist, das Marktgeschehen nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Es ist nicht auszuschließen, dass sich relevante Teile der Kaufinteressierten von der Geltendmachung von Erfüllungsansprüchen, die bereits durch Abgabe der Vertragserklärung des Käufers entstehen, abschrecken lassen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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