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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 23.11.2006
Aktenzeichen: 5 W 167/06
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 12 Abs. 2
ZPO § 935
ZPO § 940
1. Für die im Rahmen von § 12 Abs. 2 UWG zu beantwortende Frage, ob der Verletzte seine Ansprüche mit dem erforderlichen Nachdruck verfolgt hat, bedarf es einer zusammenfassenden Würdigung aller maßgeblichen Umstände. Dabei kann eine Rechtsdurchsetzung auch dann zögerlich - und damit dringlichkeitsschädlich - sein, wenn zwar weder die einzelnen Maßnahmen noch die jeweils hierfür gesetzten Fristen isoliert betrachtet zu beanstanden sind, diese im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aber erkennen lassen, dass dem Verletzten die Durchsetzung seiner Rechte nicht wirklich eilig ist.

2. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verletzte selbst z.B. durch ein nicht auf das Tagesende, sondern nach Stunden auf die Tagesmitte gelegtes Fristende ("12.00 Uhr") dem Verletzer den Eindruck vermittelt, selbst bei einer geringfügige Fristüberschreitung könnten die angedrohten gerichtlichen Maßnahmen unter Umständen noch am selben Tag eingeleitet werden.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT

Beschluss

Geschäftszeichen: 5 W 167/06

In dem Rechtsstreit

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, am 23. November 2006 durch die Richter Betz, Rieger, Dr. Koch:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 23.10.06 wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 8, vom 11.10.06 abgeändert.

Die Kosten des Verfügungsverfahrens trägt die Antragstellerin

Sie hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert entspricht den in erster Instanz entstandenen Kosten.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache auch begründet. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts nicht, das dem Antragsgegner die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt hatte. Denn dem Verfügungsantrag vom 21.07.06 mangelt es an dem erforderlichen Verfügungsgrund. Die Voraussetzungen für eine einstweilige Regelung in einem Eilverfahren gem. §§ 940, 935 ZPO lagen nicht vor. Die einstweilige Verfügung vom 24.07.06 hätte auf der Grundlage des Vorbringens der Antragstellerin nicht zu Lasten des Antragsgegners ergehen dürfen. Der Verfügungsantrag wäre ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung abzuweisen gewesen. Dementsprechend entspricht eine Kostenbelastung des Antragsgegners im Rahmen von § 91a ZPO weder dem voraussichtlichen Verlauf des Rechtsstreits noch der Billigkeit. Vielmehr hat die Antragstellerin die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

1. Der für die Anspruchsdurchsetzung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erforderliche Verfügungsgrund liegt nicht vor.

a. Für die Frage, ob ein Verfügungsgrund besteht, kommt es nach der Rechtsprechung des Senats nicht entscheidend darauf an, ob das beanstandete Verhalten noch innerhalb bestimmter Dringlichkeitsfristen liegt. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Partei das Verfahren mit dem nötigen Nachdruck verfolgt und damit im Rahmen der §§ 935, 940 ZPO ihr Interesse an einer dringlichen Rechtsdurchsetzung in einem Eilverfahren dokumentiert, ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung ihres vorprozessualen und prozessualen Verhaltens geboten. Eine isolierte Betrachtung einzelner Verfahrensabschnitte ohne Rücksicht auf vorangegangenes und nachfolgendes - zeitverzögerndes - Verhalten verfehlt die diesen Vorschriften zu Grunde liegende gesetzliche Intention. Eine sachgerechte, am Gesetzeszweck ausgerichtete Anwendung dieser Vorschriften erfordert deshalb eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Gesamtwürdigung, bei der bestimmte Zeiträume allenfalls eine absolute Obergrenze für dringliches Verhalten bilden, aber nicht dazu führen, dass sich ein Handeln im Rahmen dieser Fristen stets oder im Regelfall als nicht dringlichkeitsschädlich darstellt. Diese Grundsätze gelten im übrigen nicht nur im Rahmen von §§ 935, 940 ZPO, sondern entsprechen auch bei der Frage einer etwaigen Selbstwiderlegung der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ständiger Rechtsprechung des Senats (Senat OLGRep 06, 683 - Tarif-Stress). Hieran sind auch die an das Verhalten der Antragstellerin zu stellenden Anforderungen zu messen.

b. Die Antragstellerin hatte nach eigener Darstellung (erst) am 30.05.06 vollständige Kenntnis derjenigen Tatsachen, die ihr eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ermöglicht hätte. Die Antragstellerin hat daraufhin den Antragsgegner am 09.06.06 - und damit erst 10 Tag nach Kenntnisnahme - anwaltlich unter einer Fristsetzung von ca. 2 1/2 Wochen bis zum 26.06.06 abmahnen lassen (Anlage ASt5). Eine Frist von dieser Länge bewegt sich bereits im obersten Bereich derjenigen Zeitläufe, die das Interesse an einer dringlichen Rechtsdurchsetzung zu dokumentieren geeignet sind. Die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin hatten dem Antragsgegner mit der Fristsetzung zum 26.01.06 ausdrücklich angekündigt, nach fruchtlosem Verstreichen dieser Frist ihrer Mandantin die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe zu empfehlen. Der besonderen Eilbedürftigkeit ihres Verlangens hatte die Antragstellerin u.a. auch dadurch Ausdruck verliehen, dass sie den Ablauf der gesetzten Frist nicht etwa - wie dies der gesetzliche Regelfall des § 188 Abs. 1 BGB ist - auf den Ablauf des letzten Tages der Frist, sondern vorverlegt und als Fristende ausdrücklich den Zeitpunkt "12.00 Uhr" angegeben hatte. Eine derartige, am letzten Tag nach Stunden bemessene Frist kann ein Antragsgegner im Regelfall nur so verstehen, dass es dem Antragsteller besonders eilig ist und der Antragsgegner damit rechnen muss, dass selbst bei einer geringfügigen Überschreitung der Frist noch am selben Tage bis Büroschluss die angedrohten gerichtlichen Maßnahmen eingeleitet werden sollen und der Gläubiger den Fristablauf aus diesem Grund auf die Tagesmitte gelegt hat.

c. Die danach zu erwartende kurzfristige Reaktion der Antragstellerin ist jedoch nicht erfolgt. Vielmehr hat die Antragstellerin nach Fristablauf zunächst nochmals ca. weitere 2 1/2 Wochen auf eine Reaktion des Antragsgegners gewartet, ohne die gerichtliche Durchsetzung ihres Anspruchs einzuleiten. Schon hierfür bestand nach Sachlage im Interesse einer zügigen Durchsetzung eines dringlichen Anspruchs keinerlei Veranlassung. Denn der Antragsgegner hatte auf die vorangegangene Abmahnung mit unmissverständlicher (und insbesondere gegenüber einer Einzelperson geräumiger) Fristsetzung nicht reagiert. Sonstige Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner nach Fristablauf noch reagieren würde (z.B. telefonische Nachfragen bei den Antragsteller-Vertretern), waren objektiv nicht ersichtlich und sind auch von der Antragstellerin nicht vorgetragen worden. Für die Antragstellerin bestand auch keine erkennbare Notwendigkeit z.B. zu weiteren Ermittlungen zur Sachverhaltsaufklärung, die nicht bereits vor der ersten Abmahnung hätten erfolgen müssen. Zumindest ist dies von ihr nicht dargelegt worden. Deshalb war ein weiteres Zuwarten jetzt nicht mehr veranlasst. Es war lediglich geeignet, das von der Antragstellerin nachvollziehbar darzulegende Interesse an einer zügigen Rechtsdurchsetzung im Rahmen von §§ 935, 940 ZPO weiter in Zweifel zu ziehen.

d. Sodann hat die Antragstellerin den Antragsgegner mit Schreiben vom 12.07.06 (Anlage ASt7) erneut unter einer Fristsetzung bis zum 20.07.06 - also ca. 1 Woche - an die Erledigung der Unterwerfung erinnert. Hierfür bestand im Hinblick auf die vorangegangene Untätigkeit des Antragsgegners ebenfalls keinerlei Veranlassung mehr. Der Gläubiger mag unter bestimmten Umständen Veranlassung sehen, bei dem Schuldner vor Einleitung gerichtlicher Schritte wegen der verlangten Unterlassungserklärung noch einmal nachzufassen. Hatte der Schuldner allerdings bislang nicht reagiert und sind auch keine konkreten Umstände ersichtlich, dass er gleichwohl zu einer außergerichtlichen Unterwerfung bereit sein könnte, stellt sich eine erneute Abmahnung mit Fristsetzung jedenfalls bei einem anschließend beabsichtigten Vorgehen nach §§ 940, 935 ZPO als dringlichkeitsschädliches Verhalten dar, das das Rechtsschutzbedürfnis für diese Verfahrensart entfallen lässt.

e. Bei zusammenfassender Würdigung aller maßgeblichen Umstände stellt sich das eigene Verhalten der Antragstellerin deshalb im Rahmen von §§ 940, 935 ZPO als zu zögerlich dar. Es ist nicht geeignet, den von ihr vorzutragenden Umstand zu belegen, dass ihr vorrangig an einer zügigen Durchsetzung dringlicher Rechtsansprüche gelegen ist. Darauf, dass die Antragstellerin, nachdem der Antragsgegner auch diese Frist hatte verstreichen lassen, sodann 4 Tage später am 24.07.06 ihren Verfügungsantrag bei Gericht eingereicht hat, kommt es bei dieser Sachlage für die Dringlichkeitsbeurteilung nicht mehr an.

2. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen bestehen zudem Zweifel, ob die weiteren Voraussetzungen des § 935 ZPO gegeben sind, wonach eine einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand nur dann zulässig ist, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechtes einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dabei obliegt es dem Antragsteller, der diese Verfahrensart wählt, die hierfür erforderlichen (Prozess)Voraussetzungen nachvollziehbar darzulegen. Der Antragsgegner hatte durch eidesstattliche Versicherung des Magnus Willeke vom 22.08.06 glaubhaft gemacht, dass die streitgegenständlichen Kartographien zwar zunächst verwendet, aber bereits im November 2005 wieder gelöscht worden sind. Die Antragstellerin hat sich für die von ihr behauptete Rechtsverletzung demgegenüber auf den Ausdruck einer Internetseite vom 30.05.06 berufen. Der Antragsgegner hatte nachhaltig in Abrede genommen, dass der Kartenausschnitt nach November 2005 (und damit auch im Mai 2006) im Internet überhaupt noch abrufbar gewesen ist. Die Antragstellerin hat ihrerseits keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass dies noch der Fall gewesen ist. Sie hat insbesondere nicht dargelegt, in welcher konkreten Weise der als Anlage ASt1 vorgelegte Ausdruck zu Stande gekommen ist. Sie hat in ihrer Antragsschrift in der Sachverhaltsdarstellung zudem die Vergangenheitsform gewählt ("Auf dieser Homepage nutzte er den aus dem Antrag ersichtlichen Kartenausschnitt der Antragstellerin....", Unterstreichung durch den Senat). Sie ist auch schriftsätzlich der Darstellung des Antragsgegners nicht entgegen getreten, so dass der Umstand der Löschung im November 2005 letztlich unstreitig ist. Für den Senat ist nicht ersichtlich, auf welche Weise sich die Antragstellerin die Informationen über die urheberrechtsverletzende Nutzung erschlossen hat. Dafür, dass noch bei Antragstellung eine gegenwärtige wesentliche Beeinträchtigung ihrer Rechte an dem streitgegenständlichen Kartenausschnitt vorlag, die eine Anspruchsdurchsetzung im Wege des Eilverfahrens rechtfertigen konnte, ist indes nichts ersichtlich. Angesichts der Tatsache, dass der Verfügungsantrag bereits aus den unter Ziffer 1 genannten Gründen unzulässig war, bedürfen diese Fragen aber aus Anlass dieses Rechtsstreits keiner abschließenden Entscheidung durch den Senat.



Ende der Entscheidung

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