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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 22.03.2004
Aktenzeichen: 5 W 35/04
Rechtsgebiete: UrhG
Vorschriften:
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 4 |
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluss
Geschäftszeichen: 5 W 35/04
In dem Rechtsstreit
beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, durch die Richter Betz, Rieger, Dr. Löffler am 22. März 2004:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 05.03.04 wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 23.02.2004 abgeändert.
Im Wege der einstweiligen Verfügung - der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung - wird den Antragsgegnerinnen bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000.-, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)
verboten,
"ROTES WEINLAUB & ROSSKASTANIEN" Spray und/oder Fluid mit der aus der Anlage zu diesem Beschluss ersichtlichen Aufmachung zu versehen, anzubieten, zu bewerben, feilzuhalten, zu verkaufen oder sonst in den Verkehr zu bringen.
Die Antragsgegnerinnen tragen die Kosten des Verfahrens nach einem Streitwert von € 250.000.-.
Gründe:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Ihr Antrag vom 16.02.04 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und auch begründet. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch mit der im Verfügungsverfahren ausreichenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit jedenfalls aus § 97 Abs. 1 UrhG zu.
1. Marken- und wettbewerbsrechtliche Ansprüche aus § 14 Abs. 2 MarkenG bzw. § 1 UWG, auf die sie ihren Antrag in erster Linie gestützt hat, kann die Antragstellerin zur Begründung ihres Verbots allerdings nicht für sich in Anspruch nehmen. Der Senat teilt insoweit die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, auf welche er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt. Zumindest kann den Antragsgegnerinnen unbeschadet des markenrechtlichen Schutzes auf dieser Rechtsgrundlage die Abbildung des wesentlichen - und (mit)namengebenden - Inhaltsstoffs ihres Produkts in einer beschreibenden Verwendung nicht untersagt werden.
2. Der Darstellung des roten Weinlaubblatts in seiner konkreten Ausgestaltung - und damit der Verwendung der angegriffenen Produktausstattung - stehen jedoch urheberrechtliche Ansprüche gem. §§ 97 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG entgegen. Denn dem roten Weinlaubblatt - welches die Antragsgegnerinnen offenbar identisch, wenngleich seitenverkehrt übernommen haben - kann eine urheberrechtliche Schutzfähigkeit nicht abgesprochen werden.
a. Die Antragsstellerin ist für die Verfolgung urheberrechtlicher Ansprüche aktivlegitimiert. Sie hat vorgetragen, das rote Weinlaubblatt sei in ihrem Auftrag von einer Agentur für sie entwickelt worden, welche ihr die ausschließlichen Nutzungsrechte hieran übertragen habe. Aus den hiernach gem. § 31 Abs. 3 UrhG fließenden weit reichenden Verbietungsbefugnissen ergibt sich auch ihre Berechtigung zur Ahndung von Rechtsverletzungen.
b. Das rote Weinlaubblatt ist als Werk der bildenden Kunst i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 (1.Alt.) UrhG urheberrechtsschutzfähig.
aa. Als Werk der bildenden Kunst ist auch die kleine Münze geschützt, mithin einfache, gerade noch schutzfähige Schöpfungen. Allerdings weist das Landgericht zutreffend darauf hin, dass eine reine Nachbildung nach dem Vorbild der Natur urheberrechtlichen Schutz nicht für sich beanspruchen kann. Dieser Rechtsgrundsatz entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH GRUR 95, 581, 582 - Silberdiestel). Denn einer rein handwerklichen Abbildung der Natur fehlt es in der Regel an der erforderlichen eigenschöpferischen Leistung. Diese Entscheidung ist allerdings für einen Gegenstand der angewandten Kunst ergangen.
bb. Das Landgericht ist davon ausgegangen, das rote Weinlaubblatt erhalte seine Originalität nur durch den changierenden Hintergrund, den die Antragsgegnerinnen gerade nicht übernommen hätten. Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Das geschützte Werk geht in seiner Eigenart merklich über eine reine Wiedergabe der Natur hinaus. Zwar mag die Blattform, der Stengelansatz und die Blattaderung noch unmittelbar durch die Natur vorgegeben und deshalb ungeeignet sein, eine urheberrechtliche Schutzfähigkeit zu begründen. Anders verhält es sich jedoch mit dem "konkreten Spiel von Licht und Schatten", wie es die Antragstellerin ausdrückt. Insbesondere durch diese markante Schattenbildung ist dem Schöpfer bei der Umsetzung eines dreidimensionalen Gegenstandes in eine zweidimensionale Abbildung die Erhaltung eines räumlich-dynamischen Eindrucks des Blatts gelungen. Diese Art der Schattenbildung ist durch die Natur weder vorgegeben noch nahe gelegt, sondern prägt das verteidigte Weinblatt und gibt ihm einen unverwechselbaren Eindruck, der es von anderen - naturalistischen - Darstellungen unterscheidet. Die besondere Prägung der Schattierung wird durch die Darstellung des Weinblatts vor dem changierenden roten Hintergrund auf der Produktverpackung der Antragstellerin besonders deutlich. Das Blatt verleiht der Schauseite der Verpackung hierdurch eine besondere "Tiefe" und wirkt wegen seiner von der Natur abweichenden Eigenheit als Blickfang. Das Blatt wird ästhetisch in einer dynamisch wirkenden Darstellung wiedergeben, wobei der Schattenwurf etwa den Lichteinfall eines fallenden Blatts oder ein (teilweise) verwelkendes Blatt zu symbolisieren scheint. Diese Besonderheiten sind bei der gegebenen Sachlage für das Erreichen urheberrechtlicher Schutzfähigkeit ausreichend. Auch diese Grundsätze sind in obergerichtlicher Rechtsprechung anerkannt (KG GRUR-RR 01, 292, 293 - Bachforelle).
c. Die Antragsgegnerinnen haben das geschützte Werk ohne Einwilligung des Urhebers für ihre Produktaufmachung unmittelbar verwertet. Nach Sachlage handelt es sich um eine identische Übernahme. Die Veränderung der Perspektive und sonstige geringfügige Abweichungen stellen sich allenfalls als unfreie Bearbeitung des Werks gem. § 23 Abs. 1 UrhG dar, die ohne Einwilligung des Urhebers ebenfalls unzulässig sind. Dementsprechend ist die Nutzung der angegriffenen Produktaufmachung wegen der Verwendung des konkret übernommenen roten Weinlaubblatts selbst dann unzulässig, wenn grundsätzlich eine andere Darstellung als markenrechtlich beschreibende Angabe nicht zu beanstanden wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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