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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 25.06.2007
Aktenzeichen: 5 W 74/07
Rechtsgebiete: GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 48 Abs. 1
ZPO § 3
Der Streitwert einer Klage, die darauf gerichtet ist, die Beendigung eines Verlagsvertrages zwischen einem Komponisten und einem Musikverlag durch Ausübung des Wahlrechts nach § 103 InsO feststellen zu lassen, muss nach den §§ 48 Abs.1 GKG, 3 ZPO geschätzt werden. Wenn der Verlagsvertrag für die gesamte Dauer der urheberrechtlichen Schutzfrist abgeschlossen ist, ist jedenfalls ein mehrjähriger Betrag der in der Vergangenheit erzielten Erträge aus der Verwertung der Kompositionen zugrunde zu legen. In Anlehnung an die gesetzlichen Bestimmungen über die Wertfestsetzung bei langjährigen Rechtsbeziehungen ist auch zu berücksichtigen, dass die Wertfestsetzung in einem sozial verträglichen Rahmen bleibt. Bei Verlagsverträgen über die Verwertung von Liedern, die mehr als zwanzig Jahre nach ihrer Entstehung noch regelmäßig hohe Erträge abwerfen, kann als Streitwert das Fünffache der in den letzten Jahren vor Klageinreichung erzielten durchschnittlichen Jahreserträge festgesetzt werden.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluss

Geschäftszeichen: 5 W 73/07 5 W 74/07

In dem Rechtsstreit

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, am 25. Juni 2007 durch die Richter Betz, Rieger, Dr. Koch:

Tenor:

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen die Wertfestsetzung des Landgerichts Hamburg in dem Beschluss vom 27.10.2006 wird zurückgewiesen, soweit sie auf die Festsetzung eines höheren Streitwerts als insgesamt € 2.350.000,- gemäß der Abhilfeentscheidung des Landgerichts Hamburg vom 5.12.2006 gerichtet ist.

Auf die Beschwerde des Klägers werden die Beschlüsse des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 8 - vom 27.10. und 5.12.2006 und des Senats vom 20.12.2006 abgeändert:

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf insgesamt € 1.634.000,- festgesetzt, und zwar auf € 817.000,- im Verhältnis zu der Beklagten zu 1, auf € 383.990,- im Verhältnis zu der Beklagten zu 2 und auf € 433.010,- im Verhältnis zu der Beklagten zu 3. Die weitergehende Beschwerde des Klägers wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerden des Klägers und der Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen die Wertfestsetzung durch das Landgericht sind gemäß den §§ 68, 63 Abs.3 GKG bzw. §§ 32 Abs.2 RVG i.V.m. §§ 68, 63 Abs.3 GKG zulässig. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist unbegründet, soweit sie eine höhere Festsetzung des Streitwerts erreichen wollen, als er vom Landgericht in der Abhilfeentscheidung vom 5.12.2006 festgesetzt worden ist. Die Beschwerde des Klägers gegen die Erhöhung des Streitwerts in der Abhilfeentscheidung des Landgerichts hat im erkannten Umfang Erfolg. Im Einzelnen:

1. Wie das Landgericht in seinem Beschluss vom 5.12.2006 zutreffend ausgeführt hat, ist der Streitwert nach den §§ 48 Abs.1 GKG, 3 ZPO zu schätzen. Die Sondervorschriften der §§ 41, 42 GKG für Miet-, Pacht- und ähnliche Nutzungsverhältnisse bzw. bestimmte wiederkehrende Leistungen sind vorliegend nicht einschlägig. Auch § 9 ZPO findet keine Anwendung, da der Gemeinschuldner die Nutzungsrechte an seinen in der Auflistung gemäß Anlage K 1 aufgeführten Werken nach dem als Anlage K 10 eingereichten Vertrag dauerhaft für die gesamte gesetzliche Schutzfrist übertragen hat. Für eine solche dauerhafte Rechtsübertragung gilt § 9 ZPO nicht ( Zöller-Herget, ZPO, 24.Aufl., § 9 Rn.3 ).

Bei der Bewertung einer Klage, die auf die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung eines Verlagsvertrages und dessen Fortbestand gerichtet ist, sind nach einer Entscheidung des Kammergerichts die in der Vergangenheit erzielten Erträge und der Umstand zu berücksichtigen, dass Verlagsverträge in der Regel auf unbestimmte Zeit, praktisch auf die Lebensdauer des Urhebers und sogar noch für deren Erben geschlossen worden sind. Dementsprechend ist jedenfalls ein mehrjähriger Betrag der Erträgnisse der Wertschätzung zugrunde zu legen (KG Ufita Bd.76,352; Schneider-Herget, Streitwertkommentar, 12.Aufl., Rn.5553).

Vorliegend will der Kläger zwar nicht die Unwirksamkeit einer Kündigung der Verlagsverträge des Gemeinschuldners feststellen lassen, sondern im Gegenteil deren Beendigung durch Ausübung des Wahlrechts nach § 103 InsO. Auch in diesem Falle muss aber der Wert des Fortbestandes der Verträge, von denen sich der Insolvenzverwalter lösen will, aus den bisher erzielten Erträgen und der Dauer der aufgrund der Verträge noch möglichen Auswertung der urheberrechtlichen Werke gebildet werden. Hiervon ist auch das Landgericht zu Recht ausgegangen.

2. Der Wert der in der Vergangenheit erzielten Erträge wird bestimmt durch die bisherigen Auskehrungen der Verlagsanteile, wie das Landgericht gleichfalls zutreffend ausgeführt hat. Denn mit der Klage wollte der Insolvenzverwalter wirtschaftlich erreichen, dass diese in Zukunft der Insolvenzmasse zuflössen. Allerdings kann es insoweit nur um diejenigen Verlagsanteile gehen, die auf dem Urheberrecht des Gemeinschuldners beruhen, nicht auf dem Urheberrecht von anderen Autoren, insbesondere der Textdichter zu den Kompositionen des Gemeinschuldners. Deren Urheberrechte sind nicht Gegenstand der Verlagsverträge, deren Beendigung der Kläger festgestellt haben will.

Ein höheres Interesse ergibt sich auch nicht aus dem Hilfsantrag zu 3 . Zwar weisen die Beklagten zu Recht auf dessen weite Fassung hin, welche nicht auf die dem Gemeinschuldner zustehenden Werkanteile der bei der GEMA registrierten Werke beschränkt ist. Der Senat hält indessen an der vorläufigen Einschätzung der Berichterstatterin in ihrer Verfügung vom 23.5.2007 fest, dass dieser Antrag nicht isoliert gesehen werden kann, sondern für die Wertfestsetzung das klägerische Begehren nach seiner wirtschaftlichen Zielsetzung auszulegen ist. Dieses geht - wie ausgeführt - dahin, dass der Kläger die Verlagsverträge und die hierauf beruhende Verwertungsbefugnis der Beklagten beenden will. Die Verlagserträge beziehen sich aber nur das Werkschaffen des Gemeinschuldners.

Soweit die Beklagten in ihrem letzten Schriftsatz vom 13.6.2007 noch meinen, aus dem Hilfsantrag zu 5 ergebe sich ebenfalls , dass die gesamten Verlagserträge aus den in der Liste Anlage K 1 genannten Lieder der Wertfestsetzung zugrunde zu legen seien, vermag der Senat ihnen nicht zu folgen. Auch dieser Antrag ist bei verständiger Auslegung nur auf die Feststellung der fehlenden Berechtigung der Beklagten zur Durchsetzung ihrer Rechte aus den mit dem Gemeinschuldner abgeschlossenen Verlagsverträgen bezogen.

3. Allerdings ist dem Landgericht nicht zu folgen, soweit es für die auf das Schaffen des Gemeinschuldners entfallenden Verlagsanteile der letzten fünf Jahre einen Gesamtbetrag von € 2,1 Mio angesetzt hat. Denn wie die Beklagten auf die Verfügung der Berichterstatterin vom 23.5.2007 klargestellt hat, bildet diese Summe die gesamten Erträge der Beklagten zu 2 und 3 aus den Werken der Liste gemäß Anlage K 1. Auf den Gemeinschuldner entfallen hiervon gemäß der Anlage 1 zu dem Schriftsatz der Beklagten vom 13.6.2007 lediglich 41, 69 %, d.h. rund € 905.000.-.

Hiervon sind mit dem Landgericht die sog. Refundierungsleistungen gemäß dem Vertrag zwischen den Beklagten zu 2 und 3 und der N. Band abzuziehen, welcher von der Kündigung des Klägers nicht betroffen ist (Anlage BH 3), allerdings - anders als das Landgericht - konsequenterweise nur der auf den Gemeinschuldner entfallende Anteil von rund € 88.000.-. Damit verbleiben € 817.000.-, d.h. ein durchschnittlicher Jahresertrag aus den auf den Gemeinschuldner entfallenden Verlagsanteilen der letzten fünf Jahre von € 163.400.-.

4. Da die Auswertung der in der Anlage K 1 genannten Lieder in den vom Kläger gekündigten Verlagsverträgen unstreitig für die gesamte Dauer des gesetzlichen Urheberrechts, d.h. bis zum Ablauf von 70 Jahren nach dem Tod des im Jahre 1960 geborenen Gemeinschuldners übertragen worden ist, ist von einer Auswertungszeit von mindestens weiteren 100 Jahren auszugehen. Allerdings ergibt sich aus den gesetzlichen Regelungen zur Wertbemessung bei lang andauernden Rechtsverhältnissen - insbesondere den eingangs genannten Bestimmungen des GKG und der ZPO -, dass im Interesse sozial verträglicher Streitwerte Jahreswerte oder bestimmte Vielfache von Jahresbeträgen festgelegt werden. Auch für Urheber, die häufig ihren Lebensunterhalt mit ihrem Werkschaffen bestreiten, müssen Rechtsstreitigkeiten um den Bestand von Verlagsverträgen mit wirtschaftlich noch tragbaren Kosten geführt werden können.

Schließlich sind bei der Verwertung von Urheberrechten die Unsicherheiten der zukünftigen Entwicklung zu berücksichtigen, worauf auch das Landgericht zu Recht hingewiesen hat. Ob und wie lange ein Werk in der Zukunft nachfragt sein wird und seine Verwertung Erträge abwirft, lässt sich nicht leicht prognostizieren.

Unter Berücksichtigung aller vorgenannten Umstände hält es der Senat für angemessen, im vorliegenden Fall für den Streitwert das Fünffache der in der Vergangenheit erzielten Jahreserträge zugrunde zu legen, d.h. € 817.000.-. Dabei hat der Senat in Rechnung gestellt , dass jedenfalls einige der Lieder der Anlage K 1 trotz ihrer Entstehungszeit vor zum Teil über zwanzig Jahren noch hohe Erträge abwerfen, was dafür spricht, dass sie auch noch für einen längeren Zeitraum in der Zukunft einen erheblichen Wert verkörpern. Welches Vielfache von Jahreserträgen anzunehmen ist, wenn es um nur kurzlebige "Hits" geht, hat der Senat hier nicht zu entscheiden.

Ein weiterer Abschlag durch Bildung eines "Mittelwerts" und eine Abzinsung nach § 13 BewG, wie sie das Landgericht vorgenommen hat - allerdings ausgehend von einer Verwertungszeit von zehn Jahren -, ist nach Auffassung des Senats jedoch nicht mehr gerechtfertigt, da es sich ohnehin nur um eine Schätzung handelt, in die die Unsicherheiten der zukünftigen Entwicklung eingeflossen ist. Die Bildung von Mittelwerten oder eine Abzinsung sehen auch die eingangs genannten gesetzlichen Bestimmungen des GKG und der ZPO nicht vor, die für den Streitwert Jahresbeträge oder deren Vielfaches vorschreiben.

5. Wie das Landgericht weiter zutreffend angenommen hat, ist für jedes Prozessrechtsverhältnis zu den drei Beklagten ein gesonderter Streitwert zu bestimmen und diese Streitwerte sind sodann zusammenzurechnen (§ 5 ZPO). Im Verhältnis zu der Beklagten zu 1 ist der volle Streitwert von € 817.000.- festzusetzen, denn diese ist zunächst wegen der Feststellung der Beendigung der Verlagsverträge über sämtliche Lieder der Anlage K 1 verklagt worden. Der Wert der Prozessrechtsverhältnisse zu den Beklagten zu 2 und 3, die im Wege der Klagerweiterung jeweils wegen eines Teils der Lieder in Anspruch genommen worden sind (Beklagte zu 2 : Nr.2 - 21, Beklagte zu 3 : Nr.1, 22 -104), ist zusammen gleichfalls mit € 817.000.- anzunehmen. Die Aufteilung hat der Senat mangels anderer Angaben unter Zugrundelegung des unbestrittenen Vortrags der Beklagten vorgenommen, dass in den letzten fünf Jahren an die Beklagte zu 2 rund € 800.000.- und an die Beklagte zu 3 rund € 900.000.,- aus den gesamten Verlagserträgen geflossen sind, d.h. im Verhältnis 47 % zu 53 %.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Ende der Entscheidung

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