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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 05.09.2005
Aktenzeichen: 5 W 90/05
Rechtsgebiete: ZPO, UWG
Vorschriften:
ZPO § 935 | |
ZPO § 940 | |
UWG § 12 Abs. 2 |
2. Beantragt der Verletzte erst nach Abschluss der staatsanwaltlichen Ermittlungen, die ca. 1 1/2 Jahre angedauert haben, eine einstweilige Verfügung gegen den (ihm) zunächst namentlich nicht bekannten Verletzer, so rechtfertigt dieser Umstand in der Regel die Annahme, dem Verletzten sei die Verfolgung seiner Rechte nicht dringlich i.S.v. §§ 935, 940 ZPO. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der Verletzte auf gelegentliche Sachstandsanfragen beschränkt und sich nicht intensiv mit Nachdruck - unter Hinweis auf ihm gegebenenfalls drohende Rechtsnachteile - darum bemüht hat, bei den Strafverfolgungsbehörden die Identität des Verletzers so bald wie möglich in Erfahrung zu bringen, um (auch) zivilrechtlich gegen ihn vorgehen zu können.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluss
Geschäftszeichen: 5 W 90/05
In dem Rechtsstreit
beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, am 05. September 2005 durch die Richter Betz, Rieger, Dr. Koch:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zu 1. vom 08.08.05 gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 8, vom 29.07.05 wird auf ihre Kosten nach einem Beschwerdewert von € 20.000.- zurückgewiesen.
Gründe:
Die gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin zu 1. (im Folgenden: Antragstellerin) ist unbegründet. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zu Recht zurückgewiesen. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffende ausführliche Begründung der angefochtenen Entscheidung sowie die Ausführungen in dem Nichtabhilfebeschluss vom 08.08.05 Bezug. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Es gibt dem Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Anmerkungen:
1. Die Antragstellerin geht im Rahmen ihrer Rechtsmittelbegründung schon im Ansatzpunkt unzutreffend davon aus, die Dringlichkeit entfalle nach herrschender Rechtsprechung dann, wenn der Verletzte nach Kenntnis von der Verletzungshandlung über einen längeren Zeitraum untätig bleibe.
a. Die Rechtsprechung, auf die die Antragstellerin damit offenbar Bezug nimmt, ist im Zusammenhang mit § 12 Abs. 2 UWG n.F. (§ 25 UWG a.F.) ergangen. Diese Vorschriften enthalten eine (widerlegbare) Dringlichkeitsvermutung zu Gunsten des Verletzten, die nur dann entfällt, wenn dieser sich dringlichkeitsschädlich verhält. Darum geht es im vorliegenden Fall indes nicht. Denn die Antragstellerin macht urheberrechtliche Ansprüche geltend. Das Urheberrechtsgesetz sieht eine entsprechende Regelung nicht vor. Nach herrschender Meinung und ständiger Rechtsprechung der Senate für Gewerblichen Rechtsschutz des Hanseatischen Oberlandesgerichts gelten die genannten wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen für die Verfolgung urheberrechtlicher Ansprüche auch nicht analog (OLG Hamburg GRUR 1999, 717; Möhring/Nicolini/Lütje, UrhG, § 101a Rdn. 14; siehe auch: Henning/Harte/Retzer, UWG, § 12 Rdn 339 und Fn. 670; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 8. Aufl., § 54 Rdn. 20b).
b. Die Einschränkung "können einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden" aus § 12 Abs. 2 UWG findet dementsprechend auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Eine Dringlichkeitsvermutung streitet nicht für die Antragstellerin. Es hätte deshalb ihr oblegen, die besonderen Dringlichkeitsvoraussetzungen einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO ausdrücklich darzulegen und glaubhaft zu machen. Hierauf ist die Antragstellerin bereits am 21.07.05 nach Eingang des Verfügungsantrags durch das Landgericht hingewiesen worden. Eine entsprechende Notwendigkeit ergibt sich ohne Weiteres auch aus der angefochtenen Entscheidung.
2. Eine ausreichende bzw. erfolgreiche Darlegung ist auch in zweiter Instanz nicht erfolgt.
a. Die Antragstellerin geht zu Unrecht davon aus, es hätte nicht ihr oblegen, sich von sich aus nachhaltig um die Offenlegung der Identität des Verletzers zu bemühen. Es mag sein, dass dem Verletzten im Rahmen von § 12 Abs. 2 UWG insoweit nur dringlichkeitsschädliche Handlungen entgegen zu halten sind. Im Rahmen von §§ 935, 940 ZPO bedarf es hingegen eigener aktiver Handlungen, um glaubhaft zu machen, dass dem Verletzten an einer konsequenten und nachhaltigen Verfolgung seiner Interessen gelegen ist. Er kann zwar - wie dies offenbar bei der Antragstellerin geschehen ist - aus ermittlungstaktischen Gründen bzw. Zweckmäßigkeitserwägungen den Abschluss des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens abwarten. Der Verletzte muss in diesem Fall allerdings zugleich in Kauf nehmen, dass ihm die Möglichkeit der Anspruchsdurchsetzung im Rahmen eines zivilrechtlichen Eilverfahrens dann verschlossen ist, wenn er sich nicht zugleich nachhaltig und mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln um die Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere die Identität des Verletzers bemüht.
b. Die Antragstellerin hat auch in der Beschwerde nichts dafür vorgetragen, dass sie die hierfür erforderlichen intensiven Aktivitäten unternommen hat. Ihre gelegentlichen Sachstandsanfragen bei den zuständigen Staatsanwaltschaften (Anlagen 5 und 6) sind hierfür unzureichend. Dies gilt erst recht für weiteren Schriftwechsel, bei dem es um die Übersendung von Informationsmaterial ging (Anlagen 2 bis 4).
aa. Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren hat sich über einen Zeitraum von immerhin ca. 1 1/2 Jahren erstreckt. Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin spätestens bei der Abgabe des Verfahrens von der StA Münster an die StA Köln davon ausgehen musste, dass die Identität des Verletzers nunmehr bekannt war. Die Antragstellerin hat nichts Substantiiertes dafür dargelegt, dass sie in der Folgezeit nicht nur allgemeine Sachstandsanfragen an die zuständige StA gerichtet, sondern konkret und gezielt den Namen des Verletzers zu ermitteln versucht und die Ermittlungsbehörde in diesem Zusammenhang unmissverständlich darauf hingewiesen hat, dass ihr bei einer fehlenden Bekanntgabe möglicherweise Rechtsnachteile bei der Durchsetzung ihrer zivilrechtlichen Ansprüche drohen. Zwar behauptet die Antragstellerin in der Beschwerde nunmehr, sie habe ein Auskunftsverlangen an die StA Köln gerichtet. Sie legt indessen nicht dar, mit welchen Gründen und bis zu welchem Zeitpunkt dies zurückgewiesen worden ist. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin hinreichend deutlich gemacht hat, dass sie die Personendaten des Verletzers - über die allgemeine Kenntnis des strafrechtlich relevanten Verhaltens hinaus - dringend zur Durchsetzung ihrer zivilrechtlichen Ansprüche in einem Eilverfahren bedürfe. Der - möglicherweise zu Recht verwehrten - Gewährung von Akteneinsicht bedurfte es nicht, um diese Informationen zu erlangen. Insoweit hätte ein Begehren nach § 406e Abs. 5 StPO ausgereicht. Es ist auch nichts dafür dargelegt, dass eine Offenbarung des Namens des Antragsgegners bis zu Einstellungsentscheidung gem. § 170 Abs. 2 StPO aus ermittlungstaktischen Gründen ausgeschlossen war. Allgemeine Erkenntnisse, wie Staatsanwaltschaften in derartigen Fällen üblicherweise verfahren, können der Antragstellerin jedenfalls vor dem Hintergrund ihrer Darlegungsobliegenheiten aus §§ 935, 940 ZPO nicht zum Erfolg verhelfen. Vor diesem Hintergrund muss der Senat nicht dazu Stellung nehmen, ob es der Antragstellerin zumutbar gewesen wäre, gegebenenfalls auch andere Erkenntnisquellen auszuschöpfen bzw. zu versuchen, Dritte zivilrechtlich zur Bekanntgabe von Name und Anschrift des Verletzers zu bewegen. Die von der Antragstellerin in Bezug genommene Rechtsprechung, u.a. des Senats, nach der ein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch gegen den Internet-Provider aus § 101a Abs. 3 UrhG im Verfügungsverfahren nicht in Betracht kommt, war zum Zeitpunkt der Einleitung des Ermittlungsverfahrens zumindest noch nicht durch obergerichtliche Entscheidungen bestätigt.
bb. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin auch für die Zeit zwischen ihren Sachstandsanfragen vom 27.09.04 (Anlage 5) und vom 04.03.05 (Anlage 6) keinerlei konkrete Aktivitäten dargelegt hat. Der verstrichene Zeitraum von 5 1/2 Monaten wäre im Rahmen der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG selbst nach der Hamburger Rechtsprechung für sich genommen ohne nachvollziehbare Erläuterung möglicherweise schon dringlichkeitsschädlich gewesen, ohne dass es weiterer Umstände bedurft hätte. Diese Frage muss der Senat jedoch aus Anlass des vorliegenden Rechtsstreits nicht beantworten. Denn jedenfalls in der zusammenfassenden Betrachtung mit den übrigen unzureichenden Bemühungen der Antragstellerin über einen sehr erheblichen Zeitraum von ca. 1 1/2 Jahren erweist sich ihr Antrag als unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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