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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 20.03.2008
Aktenzeichen: 7 W 19/08
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 91a Abs. 2 | |
ZPO § 567 |
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluss
Geschäftszeichen: 7 W 19/08
In dem Rechtsstreit
beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 7. Zivilsenat, am: 20.03.2008 durch den Senat
Dr. Raben, Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Lemcke, Richterin am Oberlandesgericht Meyer, Richter am Oberlandesgericht
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin werden der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Geschäftsnummer 324 O 307/06, vom 3.1.2008 sowie die Kostenentscheidung der einstweiligen Verfügung vom 7.6.2006 abgeändert.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens.
Die Antragstellerin trägt die Kosten der Beschwerde nach einem Beschwerdewert von 2.200 €.
Gründe:
1. Mit ihrer Beschwerde richtet sich die Antragsgegnerin, eine öffentlichrechtliche Rundfunkanstalt, gegen eine Kostenentscheidung des Landgerichts Hamburg, die nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien im Laufe des Widerspruchsverfahrens gegen eine einstweilige Verfügung erlassen wurde.
Mit dieser einstweiligen Verfügung war der Antragsgegnerin verboten worden, den Dokumentarfilm mit dem Titel "Mord in der Karibik", dessen Ausstrahlung im dritten Fernsehprogramm für den 5.5.2006 angekündigt war, zu verbreiten, sofern dieser Film im einzelnen bestimmte Einblendungen enthielt, die die Identifizierung der Antragstellerin ermöglichten.
Es handelte sich bei diesem Film um einen Dokumentarfilm, der sich mit der Tötung von zwei Menschen im Jahre 1981 befasste. Wegen dieser Vorgänge war 1982 die Antragstellerin wegen Beihilfe zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilt worden, wovon sie ein Jahr verbüßt hatte. Ihr Lebensgefährte war wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden, wovon er 17 Jahre verbüßt hatte.
Der genannte Film wurde im Rahmen der Reihe "Die großen Kriminalfälle" unter dem Titel "Die Todesfahrt der Apollonia" bereits im ersten Programm der ARD am 8. 3. 2004 ausgestrahlt, wogegen die Antragstellerin keine rechtlichen Schritte unternahm.
Im Laufe des Widerspruchverfahrens hat die Antragsgegnerin eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben, worauf das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt wurde.
Das Landgericht hat die Kosten des Verfahrens, soweit sich diese nicht auf vor Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgenommene Anträge bezogen, der Antragsgegnerin auferlegt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.
2. Die gem. §§ 91a Abs.2, 567 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.
Es entspricht nämlich billigem Ermessen, der Antragstellerin die Kosten aufzuerlegen, da ihrem Antrag ein Verfügungsgrund fehlte. Insbesondere fehlte es ihrem Eilantrag an der erforderlichen Dringlichkeit, nachdem die Antragstellerin in Kenntnis des bereits einmal ausgestrahlten Films es 2 Jahre lang unterlassen hat, den Unterlassungsanspruch geltend zu machen.
Zwar ist davon auszugehen, dass eine effektive Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs im Rahmen der neuerlichen Ausstrahlung nur unverzüglich erfolgen konnte. Die bereits zum Zeitpunkt der ersten Ausstrahlung bestehende Vermutung der Dringlichkeit der Rechtsverfolgung ist indessen dadurch entfallen, dass die Antragstellerin die erste Ausstrahlung nicht zum Anlass nahm, gegen eine Wiederholung gerichtlich vorzugehen (vgl. dazu Münchener Kommentar/Drescher, ZPO, 3. Aufl., § 935, Rn. 19 m.w.N.). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass eine Dringlichkeit der Rechtsverfolgung nach Ablauf mehrerer Wochen nach Kenntnisnahme von der Rechtsverletzung nicht mehr gegeben ist, da der Betroffene durch seine Untätigkeit manifestiert, dass er die Angelegenheit nicht für eilbedürftig hält.
Die Antragstellerin behauptet hierzu, sie habe seinerzeit nicht damit gerechnet, dass es zu einer erneuten Ausstrahlung des Beitrags kommen könne, und deshalb rechtliche Schritte dagegen unterlassen, von deren Möglichkeit sie im Übrigen nichts gewusst habe.
Diese Erklärung zeigt jedoch, dass die Antragstellerin seinerzeit der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen keine besondere Dringlichkeit beigemessen hat. Dabei mag es sein, dass sie zumindest in naher Zukunft eine erneute Veröffentlichung für nicht wahrscheinlich hielt. Es ist jedoch lebensfremd, anzunehmen, dass die Antragstellerin sicher war, dass keine erneute Ausstrahlung des Films erfolgen würde. Für jeden Fernsehzuschauer ist nämlich offensichtlich, dass Filmbeiträge wiederholt werden. Dies gilt gerade für solche Beiträge, die, wie im vorliegenden Fall, als Teil einer Veröffentlichungsreihe Kriminalfälle aufzeigen, die wegen ihrer Einzigartigkeit oder besonderen Schwere von zeitlosem öffentlichen Interesse sind. Es lag daher schon damals nahe, dass der Film, der ein Geschehen zeigte, das mehr als 20 Jahre zurücklag, und bei dem sich die Antragsgegnerin offensichtlich - wenn auch im Ergebnis nicht vollständig - um Anonymisierung der Beteiligten bemüht hatte, weiterhin gezeigt werden würde. Die Tatsache, dass die Antragstellerin in der Zwischenzeit keinerlei Schritte unternahm, die Antragsgegnerin zur Unterlassung der hier beanstandeten Passagen der Veröffentlichung aufzufordern und ihre Ansprüche notfalls gerichtlich durchzusetzen, zeigt, dass ihr selbst die Geltendmachung ihrer Ansprüche nicht dringlich war.
Eine Dringlichkeit konnte auch nicht dadurch wieder "aufleben", dass die erneute Ausstrahlung unmittelbar bevorstand (vgl. dazu Hefermehl/Köhler, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, UWG, 26. Aufl., Rn. 3.19; Teplitzki, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Rn.37 m.w.N.; Münchener Kommentar/Drescher, a.a.O.). Durch diese Veröffentlichung realisierte sich nämlich die seit der Erstausstrahlung bestehende Gefahr der Wiederholung, deren Beseitigung die Antragstellerin während des Ablaufs von mehr als 2 Jahren nicht für dringlich erachtet hatte.
Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn sich in der Zwischenzeit wesentliche Umstände geändert hätten oder wenn sich der geplante Beitrag von dem ursprünglich ausgestrahlten Beitrag zu Lasten der Antragstellerin wesentlich unterschiede. Der neue Titel des Beitrags belastet jedoch die Antragstellerin nicht schwerer, beide Titel enthalten insbesondere keine Hinweise auf ihre Person. Auch die Tatsache, dass die Antragstellerin seit der Erstausstrahlung weitere 2 Jahre erfolgreicher Resozialisierung erlebt hat, stellt keine wesentliche Veränderung der Umstände dar, weil es in Bezug auf die Zulässigkeit einer Berichterstattung über eine Straftat keinen Unterschied macht, ob sich der Betroffene, über dessen Tat berichtet wird, seit 21 Jahren oder 23 Jahren wieder auf freiem Fuß befindet.
Da somit die einstweilige Verfügung im Falle eines Urteils hätte aufgehoben werden müssen, entspricht es billigem Ermessen, der Antragstellerin die Kosten des Verfügungsverfahrens aufzuerlegen.
Die Kostenentscheidung bezüglich der Beschwerde beruht auf § 91 ZPO.
Ende der Entscheidung
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