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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 30.03.2009
Aktenzeichen: 9 W 23/09
Rechtsgebiete: VVG, EGVVG
Vorschriften:
VVG § 215 n.F. | |
EGVVG Art. 1 Abs. 1 |
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluss
Geschäftszeichen: 9 W 23/09
In dem Rechtsstreit
beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 9. Zivilsenat, am 30. März 2009 durch die Richter ...
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 26. Februar 2009 gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 32, vom 16. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
1. Der Kläger nimmt die beklagte Versicherung, deren Niederlassung für Deutschland in München ansässig ist, aus einer zu seinen Gunsten seit dem 1. Dezember 1999 bestehenden Berufsunfähigkeitszusatzversicherung vor dem Landgericht Hamburg in Anspruch. Bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit soll nach seinem Vorbringen spätestens seit September 2007 eingetreten sein. Die vereinbarten Rentenleistungen werden seit dem 1. April 2008 begehrt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom 16. Dezember 2008 verwiesen.
Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg gerügt. Der Kläger ist der Auffassung, dass sich dessen Zuständigkeit aus § 215 VVG n.F. ergibt.
Das Landgericht hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Es hält die Klage für unzulässig, da die örtliche Zuständigkeit nicht gegeben sei. § 215 VVG n.F. sei hier nicht anwendbar. Vielmehr sei aufgrund der Übergangsbestimmung des Art. 1 Abs. 2 EGGVG das VVG in der bisherigen Fassung anzuwenden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses und des Nichtabhilfebeschlusses vom 9. März 2009 verwiesen. Ferner wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen der Parteien Bezug genommen.
2. Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Die Klage hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da sie vor dem Landgericht Hamburg unzulässig ist.
Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg könnte sich nur aus § 215 VVG n.F. ergeben. Die Frage, ob diese Vorschrift bei Versicherungsverhältnissen, die - wie das hier vorliegende - bis zum Inkrafttreten des neuen Versicherungsvertragsgesetzes am 1. Januar 2008 entstanden sind (sog. Altverträge), bereits von diesem Zeitpunkt an Anwendung findet oder gemäß Art. 1 Abs. 1 EGVVG erst ab 1. Januar 2009, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Nach einer Meinung (OLG Saarbrücken VersR 2008, 1337; Schneider VersR 2008, 859; Fricke VersR 2009, 15) soll sich die Übergangsvorschrift des Art. 1 Abs. 1 EGVVG lediglich auf materielles Versicherungsvertragsrecht beziehen, so dass für die als rein prozessual verstandene Gerichtsstandregelung des § 215 VVG die Regelung über das Inkrafttreten in Art. 12 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts maßgeblich sein soll. Demgegenüber wird nach anderer Ansicht (OLG Stuttgart VersR 2009, 246, RuS 2009, 102, RuS 2009, 103; Abel/ Winkens RuS 2009, 103 m.w.N.) auch die Gerichtsstandregelung des § 215 VVG von der Übergangsvorschrift des Art. 1 Abs. 1 EGVVG erfasst. Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung.
Nach Art. 12 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, eines Artikelgesetzes, ist dieses Gesetz am 1. Januar 2008 in Kraft getreten. Damit sind - vorbehaltlich von Überleitungsvorschriften - zu diesem Zeitpunkt auch die Vorschriften des in Artikel 1 kodifizierten Versicherungsvertragsgesetzes in Kraft getreten. Solche Überleitungsvorschriften enthält Art. 1 des Einführungsgesetzes zum Versicherungsvertragsgesetz. Nach dessen Absatz 1 ist auf Versicherungsverhältnisse, die bis zum Inkrafttreten des (neuen) Versicherungsvertragsgesetzes am 1. Januar 2008 entstanden sind (Altverträge), grundsätzlich das bis dahin geltende (alte) Versicherungsvertragsgesetz anzuwenden. Damit ist auf Altverträge (bis zum 31. Dezember 2008) auch § 48 VVG a.F. anzuwenden, der im neuen Versicherungsvertragsgesetz nicht mehr enthalten ist, sondern durch § 215 VVG ersetzt wird. Hieraus folgt, dass § 215 VVG bei Altverträgen (jedenfalls bis zum 31. Dezember 2008) nicht gelten kann. Andernfalls käme es zu einer vom Gesetzgeber ersichtlich nicht bezweckten gleichzeitigen Geltung von § 48 VVG a.F. und § 215 VVG n.F.
Dass § 48 VVG a.F. mit Ablauf des 1. Dezember 2007 entfallen ist, wie Schneider (VersR 2008, 859 unter II. 1. c) und im Anschluss an ihn das OLG Saarbrücken (VersR 2008, 1337) meinen, ist mit dem eindeutigen Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 EGVVG, wonach auf Altverträge das (alte) Versicherungsvertragsgesetz bis zum 31. Dezember 2008 anzuwenden ist, nicht zu vereinbaren. Die Verweisung der Altverträge auf das (alte) Versicherungsvertragsgesetz ist einschränkungslos erfolgt und bezieht sich damit auf seine sämtlichen Vorschriften. Die von Schneider vorgenommene Konstruktion von "vertragsfremden" Umständen, die nicht zu den "Versicherungsverhältnissen" i.S.d. Art. 1 Abs. 1 EGVVG gehörten, so dass diese Überleitungsvorschrift für sie nicht gelte, findet im Gesetz keine Stütze und entspricht auch nicht früherer Gesetzgebungspraxis (sonst wäre z.B. § 8 Abs. 2 Satz 2 des Haustürwiderrufsgesetzes überflüssig gewesen). Sowohl der Gerichtsstand des § 48 VVG a.F. als auch der des § 215 VVG n.F. beziehen sich auf Versicherungsverhältnisse (ähnlich Muschner in: Rüffer/ Halbach/ Schimikowski, VVG, Art. 1 EGVVG Rn. 4). Dass die Gesetzesbegründung zu Art. 1 Abs. 1 EGVVG (BT-Drucks. 16/3945 Seite 118) von der Geltung "vertragsrechtlicher Regelungen" spricht, ist entgegen Fricke (VersR 2009,15 bei Fn. 75) unerheblich, da eine Geltungsbeschränkung allein auf vertragsrechtliche Regelungen im Gesetz eben nicht vorgenommen worden ist. Deswegen ist auch das Abstellen auf den vom Gesetz angeblich allein bezweckten Bestandsschutz unbehelflich.
Auch wenn es für die Entscheidung nicht darauf ankommt, weist der Senat daraufhin, dass ihm die Begründung des Landgerichts insofern zweifelhaft erscheint, als sie auf Art. 1 Abs. 2 EGVVG abstellt. Nach dieser Vorschrift ist das (alte) Versicherungsvertragsgesetz unbefristet insoweit weiter anzuwenden, als bei Altverträgen ein Versicherungsfall bis zum 31. Dezember 2008 eingetreten ist. Aus Sicht des Senats sprechen der Wortlaut und der Zweck (vgl. die Gesetzesbegründung zu Art. 1 Abs. 2 EGVVG a.a.O) dieser Übergangsregelung dafür, dass sie sich allein auf die Abwicklung des Versicherungsfalls durch den Versicherer beziehen soll (insoweit auch OLG Saarbrücken a.a.O.; a.A. Abel/ Winkens RuS 2009, 103 m.w.N.) und ihr damit für die Frage der Geltung des § 215 VVG n.F. keine Bedeutung zukommt.
3. Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde zu, da er von der Entscheidung des OLG Saarbrücken (VersR 2008, 1337) abweicht.
Ende der Entscheidung
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