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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 16.08.2000
Aktenzeichen: (2) 4. Ausl. 205/00
Rechtsgebiete: EuAlÜbK


Vorschriften:

EuAlÜbK Art. 12 Abs. 2 a
Leitsatz: Ablichtungen reichen für die Entscheidung über die Anordnung der förmlichen Auslieferungshaft aus.
Beschluss Auslieferungssache (förmlicher Auslieferungshaftbefehl) betreffend den türkischen Staatsangehörigen S.K.

wegen Auslieferung des Verfolgten aus Deutschland in die Türkei zur Strafverfolgung wegen Beihilfe zu einem Tötungsdelikt, (hier: Anordnung der förmlichen Auslieferungshaft).

Auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm vom 10. August 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 16.08.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht beschlossen:

Tenor:

Gegen den Verfolgten wird die förmliche Auslieferungshaft angeordnet.

Gründe :

Der Verfolgte ist auf Ersuchen der türkischen Behörden am 1. August 2000 in Arnsberg festgenommen und am folgenden Tag dem Haftrichter des Amtsgerichts Meschede vorgeführt worden; dieser hat gemäß § 22 Abs. 3 S. 2 IRG die Festhalteanordnung getroffen.

Mit Verbalnote vom 19. Mai 2000 (Az.: 512-K/1283-280) an das Auswärtige Amt in Berlin hat die türkische Botschaft in Berlin förmlich um die Auslieferung des Verfolgten zur Strafverfolgung ersucht.

Das Ersuchen ist auf den Haftbefehl Nr. 1995/52 des Schwurgerichts in Bayburt vom 18. Dezember 1995 gestützt, mit dem dem Verfolgten "die Unterstützung zum vorsätzlichen Totschlag" zur Last gelegt wird.

Weitere Angaben über Tatzeit, Tatort und die begangenen Handlungen enthält das ebenfalls übermittelte Auslieferungsersuchen des Schwurgerichts Bayburt vom 1. Juli 1999 (Az.: 1997/19) sowie die Anklageschrift der Oberstaatsanwaltschaft der Türkischen Republik vom 21. November 1995 (Az.: 1995/24). Danach soll sich der Mitangeklagte A.K. wegen eines 36 Jahre zurückliegenden Mordes an seinem Großvater und dessen Bruder entschlossen haben, Blutrache an dem C.E. zu nehmen. Er soll deshalb nach Istanbul gereist sein und dort einen Revolver mit Munition erworben haben. Der Verfolgte soll am Tattag, dem 23. Oktober 1995, den B.D. angesprochen und ihn unter einem Vorwand gebeten haben, ihn sowie A. und At.K. nach Bayburt zu fahren, wo sie C.E. vermutet haben sollen. Nachdem sie in Bayburt angekommen waren, sollen sie gemeinsam an einer Bushaltestelle auf E. gewartet haben, den A.K. nach seinem Erscheinen in Anwesenheit des Verfolgten mit neun Schüssen getötet haben soll.

Entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ist gegen den Verfolgten die förmliche Auslieferungshaft anzuordnen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 IRG).

Die Auslieferungsfähigkeit folgt aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbk. Die dem Verfolgten vorgeworfene Handlung ist sowohl nach türkischem als auch nach deutschem Recht (zumindest Beihilfe zum Totschlag gemäß §§ 212, 27 StGB) strafbar und mit Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens einem Jahr bedroht.

Der Anordnung der Auslieferungshaft steht nicht entgegen, dass die dem Senat vorgelegten Unterlagen zum Teil nur in fotokopierter Form vorliegen und damit nicht der Formvorschrift des Art. 12 Abs. 2 a EuAlÜbk entsprechen. Ablichtungen reichen aber für die Entscheidung über die Anordnung der förmlichen Auslieferungshaft aus. Denn der Senat ist berechtigt und verpflichtet, die Echtheit des Auslieferungsersuchens auch insoweit selbständig zu prüfen. Diese Prüfung erfolgt durch das Oberlandesgericht in freier Beweiswürdigung (vgl. BGHSt 24, 158). Insbesondere ist nicht vorgeschrieben, dass die Echtheit eines Auslieferungsersuchens nur und ausschließlich durch die Vorlage der Urschrift oder einer beglaubigten Abschrift nachgewiesen werden kann (vgl. Senatsbeschlüsse vom 31. Mai 1996 - (2) 4 Ausl. 243/96 - und vom 15. Januar 1996 - (2) 4 Ausl. 416/95 -; BGHSt 24, 158 f; OLG Düsseldorf, StV 1989, 27 mit Anm.; Uhlig, Schomburg/Lagodny, Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 3. Aufl., Artikel 12 EuAlÜbk, Rdnr. 4). Der Senat hat vorliegend keinen Zweifel, dass die übermittelten Unterlagen mit den Originalen übereinstimmen, da sie auf ministeriellem Geschäftswege übersandt und in Form und Gestaltung offensichtlich von Originalen stammen.

Der Senat weist jedoch in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es für das weitere Verfahren erforderlich sein wird, die entsprechenden Unterlagen auch im Original bzw. beglaubigter Abschrift vorzulegen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die entsprechenden Ausführungen im Senatsbeschluss vom 18. August 1998 - (2) 4 Ausl. 398/98 - verwiesen.

Gründe, die die Auslieferung nach den Bestimmungen des EuAlÜbk oder des IRG von vornherein als unzulässig erscheinen lassen könnten (§ 15 Abs. 2 IRG), sind nicht ersichtlich.

Der Verfolgte ist nach eigener Angabe türkischer Staatsangehöriger. Anhaltspunkte für eine deutsche Staatsbürgerschaft haben sich nicht ergeben.

Dem Verfolgten wird in der Anklage die Beteiligung an einer vorsätzlichen Tötung zur Last gelegt, die nach dem türkischen Strafgesetzbuch gemäß Art. 450/4 i.V.m. Art. 65 Abs. 3 nicht mit der Todesstrafe bedroht ist (Art. 11 EuAlÜbk).

Soweit der Verfolgte sich vor dem Haftrichter des Amtsgerichts Meschede dahingehend eingelassen hat, er habe sich zum Tatzeitpunkt 18 km vom Tatort entfernt aufgehalten, sei am Mord unbeteiligt gewesen und habe darüber hinaus von diesem auch erst später erfahren, kann er im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Eine Nachprüfung des Schuldverdachts durch den ersuchten Staat erfolgt nur ausnahmsweise, sofern besondere Umstände hierzu Anlass geben (§§ 10 Abs. 2 IRG). Dies ist hier nicht der Fall.

Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 IRG. Der Verfolgte hat im Falle seiner Auslieferung in der Türkei mit der Verhängung einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Diese Erwartung stellt erfahrungsgemäß einen erheblichen Fluchtanreiz dar. Zwar verfügt er über gewisse persönliche Bindungen in Meschede, wo er gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinem Kind lebt. Diese Bindungen erscheinen jedoch angesichts der Strafandrohung nicht ausreichend, um auszuschließen, dass sich der Verfolgte nach Bekanntwerden des Auslieferungsersuchens dem weiteren Verfahren nicht durch Flucht entziehen wird.

Bei der gegebenen Sachlage bieten weniger einschneidende Maßnahmen nicht die nach § 25 Abs. 1 IRG erforderliche Gewähr, dass der Zweck der Auslieferungshaft durch sie erreicht werden kann. Die Auslieferungshaft steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zu der Höhe der von dem Verfolgten in der Türkei zu erwartenden Strafe.

Ende der Entscheidung

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