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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.09.2009
Aktenzeichen: (2) 4 Ausl. A 176/09
Rechtsgebiete: IRG


Vorschriften:

IRG § 15
Der Erlass eines förmlichen Auslieferungshaftbefehls kann nicht auf den Zweck der Strafverfolgung wegen einer Strafvollstreckungsvereitelung gestützt werden, die darauf beruht, dass die Verfolgte aus dem Hafturlaub in Spanien nicht zurückgekehrt, sondern in das Bundesgebiet geflüchtet ist.
Beschluss

Auslieferungssache

(förmlicher Auslieferungshaftbefehl)

betreffend die nigerianische Staatsangehörige,

wegen Auslieferung der Verfolgten aus Deutschland nach Spanien zum Zwecke der Strafvollstreckung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln u.a., (hier: förmlicher Auslieferungshaftbefehl).

Auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm vom 01. September 2009 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08. September 2009 durch beschlossen:

Tenor:

Gegen die Verfolgte wird die förmliche Auslieferungshaft angeordnet, soweit ihre Auslieferung auf das Urteil der Strafkammer (10. Abteilung) des Landgegerichts in Barcelona (Sala Penal Sección 10 de la Audiencia Provincial de Barcelona) vom 19. Juni 2008 - Aktenzeichen: Nr. 116/08 - in Verbindung mit dem Europäischen Haftbefehl der Strafkammer (10. Abteilung) des Landgerichts in Barcelona (Sala Penal Sección 10 de la Audiencia Provincial de Barcelona) vom 27. August 2009 - Aktenzeichen: Nr. 116/08 - gestützt wird.

Die Anordnung der förmlichen Auslieferungshaft wird abgelehnt, soweit die Auslieferung nach Maßgabe des Europäischen Haftbefehls der Strafkammer (10. Abteilung) des Landgerichts in Barcelona (Sala Penal Sección 10 de la Audiencia Provincial de Barcelona) vom 27. August 2009 - Aktenzeichen: Nr. 116/08 - zur Strafverfolgung wegen des Vorwurfs der Strafvollstreckungsvereitelung gem. Art. 468 des spanischen Strafgesetzbuches begehrt wird.

Gründe:

Die spanischen Behörden betreiben gegen die Verfolgte ein Auslieferungsverfahren zum Zwecke der Strafvollstreckung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und zum Zwecke der Strafverfolgung wegen des Vorwurfs der Strafvollstreckungsvereitelung.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat wie erkannt beantragt und diese Anträge wie folgt begründet:

"I.

Die spanischen Behörden betreiben gegen die Verfolgte, gestützt auf den Europäischen Haftbefehl der Strafkammer (10. Abteilung) des Landgerichts in Barcelona (Sala Penal Sección 10 de la Audiencia Provincial de Barcelona) vom 27. August 2009 - Aktenzeichen: Nr. 116/08 -, der in spanischer Fassung (Bl. 19 ff. d.A.; vgl. Übersetzung Bl. 7 - 9 d.A.) vorliegt und den Anforderungen des § 83a Abs. 1 Nr. 1 - 6 IRG genügt, die Auslieferung zum Zwecke der Strafvollstreckung und Strafverfolgung.

II.

Der Europäische Haftbefehl ist in erster Linie gestützt auf das Urteil der Strafkammer (10. Abteilung) des Landgerichts in Barcelona (Sala Penal Sección 10 de la Audiencia Provincial de Barcelona) vom 19. Juni 2008 - Aktenzeichen: Nr. 116/08 -, durch das die Verfolgte wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln (236 Gramm Kokain im Wert von 20 000 Euro) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt worden ist, von der nach Anrechnung von Untersuchungshaft in der Zeit vom 12. Juli 2007 bis zum 18. September 2009 eine Reststrafe von noch 906 Tage zu vollstrecken ist. Die beiderseitige Strafbarkeit der der Verfolgten zur Last gelegten - abgeurteilten - Straftat ist nicht zu prüfen, da es sich insoweit um eine Katalogtat im Sinne des Artikels 2 Abs. 2 fünfter Spiegelstrich des Rahmenbeschlusses des Europäischen Rates über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten vom 13. Juni 2002 handelt. Vollstreckungsverjährung ist ersichtlich nicht eingetreten. Die Auslieferungsfähigkeit ergibt sich aus Artikel 2 Nr. 1 Satz 1 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (EuAlÜbk.).

Die Verfolgte besitzt nach den bisherigen Erkenntnissen ausschließlich die nigerianische Staatsangehörigkeit (§ 2 IRG). Die Voraussetzungen für die Anordnung der förmlichen Auslieferungshaft liegen vor. Der Europäische Haftbefehl stützt sich auf eine rechtskräftige Verurteilung, hinsichtlich derer von der Verfolgten Einwendungen nicht geltend gemacht worden sind (vgl. Bl. 17 d.A.). Bei diesem Sachverhalt sind die Voraussetzungen für die Anordnung der förmlichen Auslieferungshaft gem. § 15 IRG gegeben, zumal das Maß der zu vollstreckenden Freiheitsstrafe mindestens vier Monate (§ 3 Abs. 3 IRG) beträgt. Die Anordnung der Auslieferungshaft ist geboten, weil die Verfolgte sich der Strafvollstreckung in Spanien entzogen hat, indem sie - was sie eingeräumt hat - aus einem Hafturlaub nicht zurückgekehrt ist, sondern in das Bundesgebiet geflüchtet ist. Angesichts der Höhe der noch zu verbüßenden Reststrafe besteht Fluchtgefahr. Es ist nicht zu erwarten, dass die Verfolgte sich ohne die Anordnung der förmlichen Auslieferungshaft der Vollstreckung des spanischen Erkenntnisses stellt.

Die Anordnung der Auslieferung steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der in Spanien zu vollstreckenden Strafe.

Hinsichtlich des in dem Europäischen Haftbefehl der Strafkammer (10. Abteilung) des Landgerichts in Barcelona (Sala Penal Sección 10 de la Audiencia Provincial de Barcelona) vom 27. August 2009 - Aktenzeichen: Nr. 116/08 - bezeichneten Vorwurfs der Straf(vollstreckungs)vereitelung (Quebramiento de condena) gem. Art. 468 des spanischen Strafgesetzbuches ist die Anordnung der förmlichen Auslieferungshaft abzulehnen, da es an dem Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit fehlt. Der in dem Europäischen Haftbefehl mitgeteilte Sachverhalt (Entziehung der Strafvollstreckung durch Nichtrückkehr aus einem Hafturlaub) ist nach deutschem Strafrecht, und zwar insbesondere im Hinblick auf das Selbstbegünstigungsprinzip (vgl. § 258 Abs. 5 StGB), nicht strafbewehrt, so dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 IRG insoweit nicht vorliegen."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Sachprüfung an.

Ende der Entscheidung

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