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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.08.2004
Aktenzeichen: (2) 4 Ausl. A 64/04 (227/04)
Rechtsgebiete: IRG, GG


Vorschriften:

IRG § 83 a
GG Art. 16
Zur Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen aufgrund eines Europäischen Haftbefehls
Beschluss

Auslieferungssache

(Auslieferungshaftbefehl)

betreffend den deutschen Staatsangehörigen C.P.,

wegen Auslieferung des Verfolgten aus Deutschland nach Spanien zur Strafverfolgung wegen Mordes,

(hier: Anordnung der Auslieferungshaft).

Auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm vom 24. August 2004 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 25. 08. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht beschlossen :

Tenor:

Gegen den Verfolgten wird die Auslieferungshaft angeordnet.

Gründe:

Sirene Spanien hat durch Vermittlung des Bundeskriminalamtes im Wege der Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) um Auslieferung des deutschen Staatsangehörigen C.P. zum Zwecke der Auslieferung zur Strafverfolgung wegen Mordes ersucht.

Das Ersuchen wird gestützt auf den Europäischen Haftbefehl vom 09. Juni 2004 des 12. Untersuchungsgerichts von Valencia Nr. 2139/2003. Dem Verfolgten wird zur Last gelegt, in der Nacht eines nicht näher feststellbaren Tages vor dem 26. März 2003 gemeinsam mit einem M.T. in einem leer stehenden Lagerhaus in der Straße Calle Gas Lebon in Valencia/Spanien den kolumbianischen Staatsangehörigen J.U. zunächst geschlagen und alsdann mit den Händen erwürgt zu haben, so dass dessen Tod durch Ersticken eingetreten ist. Im Anschluss an die Tat sollen die Täter die Leiche in einen Wasserbehälter gelegt haben, wo sie später von Kindern gefunden worden ist.

Der Verfolgte verbüßt zur Zeit in der Justizvollzugsanstalt Münster eine Rest-Jugendstrafe; nach Auskunft der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm soll er jedoch bereits am Donnerstag, dem 26. August 2004, entlassen werden.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der Auslieferungshaft liegen vor.

Gemäß § 83 a Abs. 2 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) gilt die Ausschreibung zur Festnahme zwecks Auslieferung nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen, die die unter § 83 a Abs. 1 Nr. 1 bis 6 IRG bezeichneten Angaben enthält, als Europäischer Haftbefehl.

Die Ausschreibung von Sirene Spanien erfüllt die Voraussetzungen des § 83 a Abs. 1 Nr. 1 bis 6 IRG in Verbindung mit dem Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten.

Die SIS-Ausschreibung enthält die erforderlichen Angaben zur Identität des Verfolgten und dessen Staatsangehörigkeit (§ 83 a Abs. 1 Nr.1 IRG). Der Ausschreibung ist ferner zu entnehmen, dass der Europäische Haftbefehl von dem 12. Untersuchungsgericht in Valencia, Avenida del Saler Nr. 14, - 3 Planta - 46071 Valencia, ausgestellt worden ist ( § 83 a Abs. 1 Nr.2 IRG). Aus der Ausschreibung ergibt sich auch, dass der Europäische Haftbefehl auf einem in dem Verfahren Nr. 2139/2003 ergangenen Haftbefehl vom 11. Februar 2004 beruht (§ 83 a Abs. 1 Nr. 3 IRG). Die Strafbarkeit der dem Verfolgten vorgeworfenen Tat des Mordes richtet sich nach Art. 138 des spanischen Strafgesetzbuches, das eine Höchststrafe von 20 Jahren Freiheitsstrafe vorsieht (§ 83 a Abs. 1 Nr. 4, 6 IRG). Schließlich enthält die Ausschreibung die in § 83 a Abs. 1 Nr. 4 IRG geforderte Beschreibung der Umstände, unter denen die Straftat begangen worden sein soll, einschließlich der Tatzeit, des Tatortes und der Tatbeteiligung der gesuchten Person.

Die Auslieferung des Verfolgten nach Spanien erscheint auch nicht gemäß § 83 IRG von vornherein unzulässig.

Gemäß Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG darf grundsätzlich kein Deutscher an das Ausland ausgeliefert werden; nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 und dem am 23. August 2004 in Kraft getretenen Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Europäisches Haftbefehlsgesetz - EuHbG) ist die Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen an Mitgliedsländer der Europäischen Union jedoch zulässig, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

Dies ist vorliegend der Fall. Anhaltspunkte dafür, dass ein spanisches Ermittlungs- oder Strafverfahren rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht genügt, sind nicht ersichtlich.

Die spanischen Behörden sind zudem über das Bundeskriminalamt in Wiesbaden gebeten worden zuzusichern, dass sie den Verfolgten für den Fall der Verhängung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe oder sonstigen Sanktion auf seinen Wunsch zur Vollstreckung nach Deutschland zurücküberstellen werden.

Die Tat ist nach spanischem Recht mit einer Freiheitsstrafe von mehr als 12 Monaten bedroht.

Da dem Verfolgten ein vorsätzliches Tötungsdelikt zur Last gelegt wird, ist gemäß § 81 Nr. 4 IRG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl eine beiderseitige Strafbarkeit nicht zu prüfen.

Der Erlass eines deutschen Untersuchungshaftbefehls gegen den Verfolgten wegen der dem spanischen Auslieferungsersuchen zugrunde liegenden Straftat steht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht an. Zwar führt der Leitende Oberstaatsanwalt in Paderborn diesbezüglich gegen den Verfolgten das Ermittlungsverfahren 310 Js 163/04, jedoch ist seitens der Staatsanwaltschaft Paderborn aufgrund der derzeitigen Beweislage, wie sie sich aufgrund der durch die spanischen Behörden übersandten Unterlagen darstellt, die Beantragung eines Untersuchungshaftbefehls - jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt - nicht beabsichtigt. Maßgebend hierfür sind nach Mitteilung der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 24. August 2004 folgende Umstände: das Opfer sei in einem leer stehenden Fabrikgebäude gefunden worden. Zwar stehe aufgrund polizeilicher Überprüfungen des betreffenden Fabrikgebäudes durch die spanische Polizei fest, dass sich der Verfolgte und sein mutmaßlicher Mittäter M.T. einige Tage vor der ihnen vorgeworfenen Straftat dort aufgehalten hätten. Der Tatverdacht werde aber ausschließlich auf die Aussagen mehrerer Personen aus dem Obdachlosenmilieu gestützt, die das Opfer gemeinsam mit dem Verfolgten und M.T. zuletzt gesehen hätten. Diese Personen hätten auch angegeben, sie hätten in der fraglichen Nacht Lärm gehört. Am nachfolgenden Morgen seien der Verfolgte und der Mitbeschuldigte T. verschwunden, wobei sie ihre persönlichen Gegenstände mitgenommen hätten.

Der Aufenthalt des Mitbeschuldigten T. sei nicht bekannt.

Zwar gehe aus den Vorgängen hervor, dass am Tatort DNA-Material entnommen worden sei; dieses Material liege jedoch nicht vor, so dass ein Vergleich mit DNA-Material des Verfolgten nicht erfolgen könne. Der Verfolgte habe den Tatvorwurf bestritten und sich dahin eingelassen, er habe gemeinsam mit einem Bekannten namens Miroslaw bereits im Februar 2003 Spanien verlassen. Während eines Aufenthaltes in Barcelona sei ihm sein Personalausweis entwendet worden.

Zwar sieht § 83 b Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 IRG vor, dass die Bewilligung der Auslieferung abgelehnt werden kann, wenn gegen den Verfolgten wegen derselben Tat, die dem Auslieferungsverfahren zugrunde liegt, im Geltungsbereich dieses Gesetzesein strafrechtliches Verfahren geführt wird (Abs. 1 Nr. 1) bzw. ein bereits eingeleitetes Verfahren eingestellt wurde (Abs. 1 Nr. 2). Bei dieser Bestimmung handelt es sich aber um eine Ermessensvorschrift. Es ist nicht ausgeschlossen, dass - worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 24. August 2004 zutreffend hinweist - das deutsche Ermittlungsverfahren derzeit allein deshalb nicht durchgeführt werden kann, weil die spanischen Behörden bislang noch nicht sämtliche Beweismittel, beispielsweise das sichergestellte DNA-Material, zur Verfügung gestellt haben. Deshalb sind gegenwärtig keine Anhaltspunkte ersichtlich, die einer Bewilligung durch die Generalstaatsanwaltschaft (vgl. Gemeinsamen Runderlass des Justizministeriums und des Innenministeriums vom 01. Juli 2004 über die Ausübung der Befugnisse im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten - Justizministerialblatt NRW 2004, 171) und damit dem Erlass des Auslieferungshaftbefehls durch den Senat entgegen stehen.

Die Anordnung der Auslieferungshaft ist geboten, weil der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung mit der Verhängung einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen hat. Dieser Umstand stellt erfahrungsgemäß einen hohen Fluchtanreiz dar. Es steht daher zu erwarten, dass der Verfolgte sich ohne die Anordnung und den Vollzug der Auslieferungshaft dem weiteren Verfahren durch Flucht entziehen wird.

Der Verfolgte wird am 26. August die gegen ihn verhängte Jugendstrafe verbüßt haben. Der in den Akten befindlichen Strafzeitberechnung ist zu entnehmen, dass der Verfolgte am 26. April 2002 aus dem Strafvollzug entwichen war uns sich erst am 19. Januar 2004 wieder der Polizei gestellt hat. Während seiner Flucht hat er sich ohne festen Wohnsitz in Spanien und Italien aufgehalten.

Die Auslieferungshaft steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der in Spanien zu erwartenden Strafe, so dass der Auslieferungshaftbefehl entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft zu erlassen war.

Ende der Entscheidung

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