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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 14.08.2008
Aktenzeichen: (2) 4 Ausl. A 98/06 (227/08)
Rechtsgebiete: IRG


Vorschriften:

IRG § 73
Eine Auslieferung ist dann unzulässig, wenn begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dem Verfolgten im ersuchenden Staat die Gefahr droht, dort gefoltert oder in anderer Weise menschenrechtswidrig behandelt zu werden.
(2) 4 Ausl. A 98/06 (227/08) (2) 4 Ausl. A 98/06 (228/08)

Beschluss

Auslieferungssache (Zulässigkeit der Auslieferung)

betreffend den türkischen Staatsangehörigen N.E.

wegen Auslieferung des Verfolgten aus Deutschland in die Türkei zur Strafverfolgung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, (hier: Zulässigkeit der Auslieferung).

Auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm vom 31. Juli 2008 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14. 08. 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht beschlossen:

Tenor:

Die Auslieferung des Verfolgten in die Türkei zur Strafverfolgung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung wird für unzulässig erklärt.

Der vorläufige Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 26. Oktober 2006 wird aufgehoben.

Gründe:

I.

Interpol Ankara hatte mit Fernschreiben vom 9. März 2006 um die Festnahme des Verfolgten zum Zwecke der Auslieferung zur Strafverfolgung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ersucht.

Das Ersuchen ist gestützt auf den Haftbefehl der 11. Kammer des Schwurgerichts in Ankara vom 22. Juli 2005 (Aktenzeichen: 205/2172 D.IS). Darin wird dem Verfolgten zur Last gelegt, an der Gründung und der Führungsspitze der illegalen Terrororganisation DHKP/C in Europa beteiligt gewesen zu sein und die Aktivitäten dieser Gruppierung in der Türkei, insbesondere die Begehung von Straftaten, aus dem Ausland angewiesen und gesteuert zu haben. Insoweit soll er seit seiner Tätigkeit 1993 verantwortlich für sämtliche seitdem begangene Straftaten sein.

Aufgrund dieses Ersuchens hat der Senat mit Beschluss vom 26. Oktober 2006 die vorläufige Auslieferungshaft angeordnet und den Vollzug des vorläufigen Auslieferungshaftbefehls unter Auflagen außer Vollzug gesetzt.

Mit Verbalnote vom 17. Oktober 2006 hat das Justizministerium der Republik Türkei um die Auslieferung des Verfolgten ersucht und die Auslieferungsunterlagen übersandt. Nachdem dem Verfolgten die Anerkennung als Asylberechtigter widerrufen worden war und er hiergegen Klage erhoben hatte, hat das Verwaltungsgericht Arnsberg durch Urteil vom 28. April 2008 u.a. entschieden, dass das Bundesamt für Migration verpflichtet ist festzustellen, dass die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG in der Person des Verfolgten bezüglich der Türkei vorliegen.

Nach den Gründen des Urteils des Verwaltungsgerichts Arnsberg steht der Abschiebung des Verfolgten entgegen, dass im Falle seiner Rückkehr in die Türkei die konkrete Gefahr bestehe, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden.

Die Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg hat hierzu u.a. ausgeführt:

"In der in das Verfahren eingeführten Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass es in der Türkei trotz der Reformbemühungen der zurückliegenden Jahre vor allem im Vorfeld offizieller strafrechtlicher Ermittlungen gegenwärtig noch zu Übergriffen kommt, die dem türkischen Staat zurechenbar sind und jedenfalls von asylerheblicher Art und Intensität sein können. Vorverfolgt ausgereiste Asylbewerber sind deshalb auch gegenwärtig vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher; solche Personen, die durch Nachfluchtaktivitäten als exponierte und ernstzunehmende Gegner des türkischen Staates in Erscheinung getreten sind und sich dabei nach türkischem Strafrecht strafbar gemacht haben, müssen im Falle ihrer Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit asylrelevanten Übergriffen rechnen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. April 2005 - 8 A 273/04.A -, S. 21 ff., 82 ff. des Urteilsabdrucks, jeweils m.w.N. zur obergerichtlichen Rechtsprechung; aus jüngerer Zeit vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom

1. Dezember 2006 - 10 A 10887/06.OVG -, juris, Rn. 37 (beachtliche Wahrscheinlichkeit schwerwiegender Übergriffe gegen Personen, die sich exponiert exilpolitisch betätigt haben); ebenso OVG Rh.-Pf., Urteil vom 10. März 2006 - 10 A 10665/05.OVG -; OVG Nds., Urteil vom 18. Juli 2006 - 11 LB 75/06 -; OVG Berlin, Urteil vom 30. Mai 2006 - 10 B 5.05 -; OVG Bremen, Urteil vom 22. März 2006 - 2 A 303/04.A -; Thür. OVG, Urteil vom 18. März 2005 - 3 KO 611/99 -, Asylmagazin 7-8/2005, S. 34.

Folter als Mittel zur Herbeiführung eines Geständnisses oder einer belastenden Aussage gegen Dritte wird allerdings seltener als früher und vorwiegend mit anderen, weniger leicht nachweisbaren Methoden praktiziert. Zur Anwendung kommen nunmehr überwiegend Methoden, die möglichst nicht körperlich nachweisbar sind, wie etwa Schlafentzug, Hinderung am Toilettengang, Verweigerung von Essen und Trinken sowie Demütigungen bis hin zu Todesdrohungen und Scheinhinrichtungen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. April 2005 - 8 A 273/04.A -, S. 53, m.w.N.

Die aktuellen Entwicklungen in der Türkei geben keinen Anlass, von dieser Bewertung abzurücken.

Vgl. zuletzt OVG NRW, Urteile vom 27. März 2007 - 8 A 4728/05.A, 8 A 5118/05.A und 8 A 2632/06.A -.

Türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen auch nach aktueller Auskunftslage Gefahr, dass sich die türkischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Ziel strafrechtlicher Verfolgung sind insbesondere solche Personen, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten oder als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden.

Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11. Januar 2007, S. 34.

Die Gefahr, im Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungen Opfer von Folter zu werden, ist aufgrund der zahlreichen Gesetzesänderungen im Zuge der "Null-Toleranz-Politik" gegen Folter, insbesondere durch die Abschaffung der sog. lncommunicado-Haft und die gesetzlich vorgeschriebenen ärztlichen Untersuchungen inhaftierter Personen auf etwaige Folterspuren, zwar deutlich gesunken. Die Zahl der den Menschenrechtsorganisationen IHD und TIHV gemeldeten Fälle von Folter und sonstiger menschenrechtswidriger Misshandlung ist in der Folge der Null-Toleranz-Politik merklich auf jeweils deutlich unter Tausend pro Jahr zurückgegangen. Gleichwohl stellen Übergriffe dieser Art nach Auffassung aller Beobachter weiterhin ein von der Türkei nicht in befriedigender Weise bewältigtes Problem dar.

Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11. Januar 2007, S. 37 f.

Bei der Bewertung der diesbezüglichen Statistiken ist einerseits von einer gewissen Dunkelziffer nicht angezeigter Übergriffe auszugehen, andererseits aber anzunehmen, dass zum Teil Übergriffe erfasst wurden, die - wie etwa Beleidigungen - nicht in allen Fällen das Maß des für die Annahme eines Abschiebungsverbots gemäß Art. 3 EMRK erforderlichen erreicht haben. Ungeachtet dieser Unwägbarkeiten ist jedenfalls davon auszugehen, dass es der türkischen Regierung bislang noch nicht gelungen ist, Folter und Misshandlung vollständig zu unterbinden.

Allerdings wird die Gefahr, im Justizvollzug Opfer von Misshandlungen durch Sicherheitskräfte zu werden, als unwahrscheinlich eingeschätzt.

Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11. Januar 2007, S. 40.

Misshandlungen außerhalb regulärer Haft finden aber nach wie vor statt. Seit dem erneuten Wiederaufflammen der bewaffneten Auseinandersetzungen in Südostanatolien und den der PKK zugerechneten Attentaten in Touristenzentren im Jahr 2006 ist sogar wieder ein Anstieg der Menschenrechtsverletzungen zu verzeichnen.

Vgl. Schweizerisches Bundesamt für Migration, Bericht vom 25. April 2006; Aydin, Gutachten vom 16. Juni 2006 für das VG Wiesbaden, S. 15 f.; Fortschrittsbericht der EG-Kommission vom 8. November 2006, S. 69 ff.

Änderungen des Anti-Terror-Gesetzes, die als Reaktion auf die aktuelle Entwicklung im Südosten der Türkei zu werten sind, geben in diesem Zusammenhang nach Auffassung der EG-Kommission Anlass zur Besorgnis, weil sie geeignet sind, die Bemühungen um die Bekämpfung von Folter und Misshandlung zu untergraben.

Vgl. Fortschrittsbericht der EG-Kommission vom 8. November 2006, S. 15, 70.

Das gilt insbesondere für die Verlängerung der Dauer einer vorläufigen Festnahme von 24 Stunden auf 48 Stunden bei Straftaten nach Art. 250 t StGB, d.h. bei Verdacht einer terroristischen Straftat. Zudem darf der Zugang zu einem Anwalt über einen Zeitraum von 24 Stunden hinweg verweigert werden; unter Umständen dürfen Sicherheitsbeamte während der Gespräche zwischen dem Beschuldigten und seinem Anwalt anwesend sein.

Vgl. Oberdiek, Gutachten vom 18. August 2006 an das VG Darmstadt; Fortschrittsbericht der EG-Kommission vom 8. November 2006, S. 6, 12 f., 69 f.; Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11. Januar 2007, S. 29.

Eine Hauptursache für das Fortbestehen von Folter und Misshandlung wird darin gesehen, dass die Strafverfolgung von Foltertätern immer noch unbefriedigend ist. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass der erforderliche Mentalitätswandel die meist kemalistisch-etatistisch orientierten Staatsanwaltschaften und Gerichte nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes bisher noch nicht vollständig erfasst hat. Bemängelt wird ferner die unzureichende Unabhängigkeit der Justiz.

Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11. Januar 2007, S. 5, 12, 37; Fortschrittsbericht der EG-Kommission vom 8. November 2006, S. 10, 66.

So kann es auch gegenwärtig, wenngleich sicherlich seltener als in den 90-er Jahren, noch vorkommen, dass Strafurteile auf Geständnisse gestützt werden, die unter Folter zustande gekommen sind.

Vgl. Oberdiek, Gutachten "Rechtsstaatlichkeit politischer Verfahren in der Türkei" vom 17. Januar 2006; Fortschrittsbericht der EG-Kommission vom 8. November 2006, S. 70; Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11. Januar 2007, S. 27, einschränkend allerdings S. 39.

Die Gefahr, nach einer Rückkehr in die Türkei Opfer von Folter oder sonst menschenrechtswidriger Behandlung zu werden, besteht nach alldem insbesondere für Personen, die unter dem Verdacht terroristischer Straftaten stehen, etwa weil sie sich in kurdisch-separatistischen oder linksextremistischen Organisationen exponiert betätigt haben.

Das stellt auch das Auswärtige Amt in seinem aktuellen Lagebericht vom 11. Januar 2007, S. 37 (ebenso schon der vom Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid zitierte Lagebericht vom 3. Mai 2005, S. 28), nicht in Frage, wenn es dort ausführt, "Fälle schwerer Folter" seien nur noch vereinzelt zu verzeichnen. § 60 Abs. 2 AufenthG und § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK schützen indessen nicht nur vor - wie auch immer zu definierender - "schwerer" Folter, sondern vor jeder Form von Folter, die die oben genannten Voraussetzungen erfüllt. Art. 3 EMRK schützt darüber hinaus auch vor unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Juli 2005 - 8 A 780/04.A -, juris (insoweit in lnfAuslR 2005, 489 nicht abgedruckt).

Die der Senatsrechtsprechung zugrunde liegende Einschätzung der Gefährdungssituation wird durch den im vorliegenden Verfahren vom Bundesamt eingeholten Botschaftsbericht vom 4. Juli 2005 nicht in Frage gestellt. Darin heißt es lediglich, dass die Ausführungen im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 3. Mai 2005 zu Folter und Misshandlung und zur Behandlung Abgeschobener nach ihrer Rückkehr in die Türkei nicht auf bestimmte Fallkonstellationen beschränkt sei. Hinsichtlich der Behandlung Abgeschobener wird in dem Lagebericht vom 3. Mai 2005 (S. 34) - ebenso wie in dem aktuellen Lagebericht vom 11. Januar 2007 (S. 47) - ausgeführt, dass dem Auswärtigen Amt seit vier Jahren kein Fall bekannt geworden sei, in dem ein aus der Bundesrepublik in die Türkei zurückgekehrter abgelehnter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt worden sei. Das Auswärtige Amt gehe daher davon aus, "dass bei abgeschobenen Personen die Gefahr einer Misshandlung bei Rückkehr in die Türkei nur aufgrund vor Ausreise nach Deutschland zurückliegender wirklicher oder vermeintlicher Straftaten auch angesichts der durchgeführten Reformen und der Erfahrungen der letzten Jahre in diesem Bereich äußerst unwahrscheinlich" sei: "Misshandlung oder Folter allein aufgrund der Tatsache, dass ein Asylantrag gestellt wurde", schließe das Auswärtige Amt aus.

Für die Einschätzung der möglichen Gefährdung von Rückkehrern, die sich im Ausland exponiert politisch betätigt, dadurch nach türkischem Strafrecht Anlass zu Ermittlungen gegeben haben und denen nach der aufgezeigten Erkenntnislage mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit asyl-erhebliche Übergriffe drohen, sind diese Ausführungen des Auswärtigen Amtes indessen unergiebig. Denn ihnen ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass unter den Zurückgekehrten oder Abgeschobenen Personen gewesen wären, bei denen nach der bisherigen Erkenntnislage mit Übergriffen zu rechnen gewesen wäre. Serafettin Kaya hat in seinem für das VG Sigmaringen erstatteten Gutachten vom 8. August 2005, auf das sich die Beklagte in einem anderen Verfahren selbst berufen hat, ausgeführt, dass unter den abgeschobenen oder zurückgekehrten Personen kein Mitglied oder Kader der PKK oder einer anderen illegalen, bewaffneten Organisation und auch keine Person gewesen sei, die der Zugehörigkeit einer solchen Organisation verdächtigt worden sei. Aus dem vom Bundesamt im erstinstanzlichen Verfahren angeführten, ebenfalls für das VG Sigmaringen erstatteten Gutachten von Kamil Taylan vom 21. Juli 2005 ergibt sich nichts Anderes. Darauf hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 1. Dezember 2005 - 8 A 4037/05.A - hingewiesen. Die Beklagte ist dem in Kenntnis der ständigen Rechtsprechung des Senats im vorliegenden Verfahren nicht entgegen getreten."

Mit Beschluss vom 1. Juli 2008 hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen den Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 28. April 2008 abgelehnt.

Der Verfolgte hat mit Schriftsätzen seines Verteidigers vom 1. Februar 2007 und 31. Juli 2008 Einwendungen gegen die Auslieferung erhoben und beantragt, den Auslieferungshaftbefehl aufzuheben.

II.

Entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft war die Auslieferung des Verfolgten für unzulässig zu erklären und der vorläufige Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 26. Oktober 2006 aufzuheben.

Die Auslieferung des Verfolgten ist nicht zulässig, da dieser ein Auslieferungshindernis entgegensteht (§ 73 IRG).

Ob dem Verfolgten allein wegen seiner Tätigkeit als führender Funktionär der DHKP/C und der in Ausübung dieser Funktion begangenen Straftaten eine relevante Schlechterbehandlung i.S.d. § 6 Abs. 2 IRG i.V.m. Art. 3 Abs. 2 EuAlÜbk drohen würde, brauchte der Senat nicht abschließend zu entscheiden.

Es liegt nämlich ein Auslieferungshindernis nach § 73 IRG i.V.m. Art. 3 EMRK und Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG vor.

Eine Auslieferung ist dann unzulässig, wenn begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dem Verfolgten im ersuchenden Staat die Gefahr droht, dort gefoltert oder in anderer Weise menschenrechtswidrig behandelt zu werden (vgl. BVerfG NStZ 2001, 100 ff.; OLG Karlsruhe, StV 2004, 445; OLG Koblenz StV 2002, 87; KG StV 1996, 103 ff.). Dabei reicht es allerdings nicht aus, dass eine menschenrechtswidrige Behandlung aufgrund früher bekannt gewordener Vorfälle nicht ausgeschlossen werden kann, vielmehr muss unter Berücksichtigung des wachsenden Interesses der Nationen, flüchtige Tatverdächtige der Heimatjustiz zu übergeben, ein echtes Risiko unmenschlicher und erniedrigender Behandlung und Bestrafung bestehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1996, 2 BvR 66/96).

So liegt der Fall hier. Der Senat macht sich insoweit die Erkenntnislage des Verwaltungsgerichts Arnsberg, welche sich u.a. auf Lageberichte des Auswärtigen Amtes stützte, zu eigen. Bei dieser Sachlage muss davon ausgegangen werden, dass dem Verfolgten im Falle seiner derzeitigen Auslieferung ein echtes Risiko unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Bestrafung drohen würde.

Wegen des einzuhaltenden Verbots der Folter und einer menschenrechtswidrigen Behandlung muss die Auslieferung des Verfolgten an die Türkei trotz des Verdachts schwerster Straftaten damit als unzulässig angesehen werden.

Da eine Auslieferung aus den genannten Gründen nicht erfolgen kann, war der zur Sicherung des Auslieferungsverfahrens erlassene vorläufige Auslieferungshaftbefehl aufzuheben.

III.

Mit dieser Entscheidung ist das Auslieferungsverfahren erledigt.



Ende der Entscheidung

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