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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 10.05.2005
Aktenzeichen: 1 Ss 105/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 329
StPO § 344
Die Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO ist mit einer ausreichend begründeten Verfahrensrüge geltend zu machen.
Beschluss

Strafsache

gegen A.M:

wegen Beihilfe zum Diebstahl

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 11. November 2004 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10. 05. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 1 StPO beschlossen:

Tenor:

Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Castrop-Rauxel verurteilte den Angeklagten mit Urteil vom 14. Mai 2004 (5 Ds 100 Js 354/02 AK 231/2003) wegen Beihilfe zum gemeinschaftlichen Diebstahl im besonders schweren Fall zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15,- €-. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte form- und fristgerecht Berufung ein.

In der Berufungshauptverhandlung vom 11. November 2004 war lediglich der Verteidiger des Angeklagten, nicht aber der Angeklagte selbst erschienen, worauf das Landgericht Dortmund mit Urteil vom selben Tage die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 14. Mai 2004 gemäß § 329 Abs. 1 StPO auf Kosten des Angeklagten verwarf. In den Gründen des landgerichtlichen Urteils heißt es:

"Der Angeklagte hat gegen das Urteil vom 14. Mai 2004 zwar rechtzeitig Berufung eingelegt, ist aber in dem heutigen Termin zur Hauptverhandlung, ungeachtet der durch die Urkunde vom 18.10.2004 nachgewiesenen Ladung, ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben und auch nicht in zulässiger Weise vertreten worden.

Das Vorliegen einer schwerwiegenden die Teilnahme an der heutigen Hauptverhandlung hindernden Erkrankung ist nicht ersichtlich geschweige denn glaubhaft gemacht.

Die eingelegte Berufung war daher nach § 329 der Strafprozessordnung zu verwerfen."

Dieses Urteil wurde dem Verteidiger des Angeklagten, dessen schriftliche Bevollmächtigung sich bei den Akten befindet, am 22. November 2004 zugestellt. Dieser hatte bereits mit Schriftsatz vom 17. November 2004, am selben Tage beim Landgericht Dortmund eingegangen, beantragt, dem Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung zu gewähren und für den Fall der Verwerfung des Wiedereinsetzungsantrags Revision gegen das Verwerfungsurteil des Landgerichts eingelegt. Zur Begründung ist in dem Schriftsatz Folgendes ausgeführt:

"Der Angeklagte ... war ohne Verschulden zum Termin der Hauptverhandlung nicht erschienen. Gemäß der anliegenden ärztlichen Bescheinigung des Dr. med. J. vom 11.11.2004 litt der Angeklagte an einem hochfieberhaften grippalen Infekt mit akuten Kreislaufstörungen und war daher verhandlungsunfähig."

Diesem Schriftsatz waren zwei jeweils am 11. November 2004 ausgestellte Atteste des Facharztes für Innere Medizin Dr. med. J. aus Bochum beigefügt, in denen die Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten ärztlicherseits bestätigt wurde.

Mit Beschluss vom 29. Dezember 2004 hat das Landgericht Dortmund den Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten als unbegründet verworfen, da der Angeklagte sein Ausbleiben in der Berufungshauptverhandlung nicht genügend entschuldigt, jedenfalls das Vorliegen von Entschuldigungsgründen nicht glaubhaft gemacht habe. Eine telefonische Befragung des Dr. med. J. durch den Vorsitzenden habe ergeben, dass dieser die ärztlichen Atteste vom 11. November 2004 lediglich aufgrund der Angaben des Angeklagten ausgestellt habe, ohne hinreichend nachgeprüft zu haben, ob der Angeklagte tatsächlich krank gewesen sei. Aus einem Bericht von zwei Polizeibeamten, die im Auftrag des Vorsitzenden die Wohnung des Angeklagten am Terminstag aufgesucht und dort dessen Vater angetroffen hätten, gehe hervor, dass der Vater die Frage der Beamten nach einer Erkrankung des Angeklagten eindeutig verneint habe. Den das Wiedereinsetzungsgesuch zurückweisenden Beschluss des Landgerichts hat der Angeklagte nicht angefochten.

In Bezug auf die mit Schriftsatz vom 17. November 2004 eingelegte Revision des Angeklagten hat die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, diese als unzulässig zu verwerfen.

II.

Die gemäß § 333 StPO statthafte, form- und fristgerecht gemäß §§ 341, 342 StPO eingelegte Revision des Angeklagten war als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO entsprechenden Form innerhalb der Revisionsbegründungsfrist von einem Monat (§ 345 Abs. 1 StPO) begründet worden ist. Zwar ist die unterbliebene Bezeichnung der Revisionsrüge als Sach- und/oder Verfahrensrüge unschädlich, da sich aus dem Vorbringen des Angeklagten in dem Schriftsatz seines Verteidigers vom 17. November 2004 hinreichend deutlich ergibt, dass der Angeklagte für den Fall der Verwerfung seines Wiedereinsetzungsantrages eine Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO rügt. Ein solcher Verstoß gegen § 329 StPO ist mit der Verfahrensrüge geltend zu machen, da es sich bei der Verwerfung durch Urteil gemäß § 329 Abs. 1 StPO um einen rein verfahrensrechtlichen Vorgang handelt (vgl. OLG Hamm, Senatsbeschluss vom 22. Januar 2004 - 1 Ss 1/04 -; OLG Köln NJW 2001, 1223; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 329 Rdnr. 44 ff.). Mit einer solchen Verfahrensrüge kann (nur) geltend gemacht werden, dass das Berufungsgericht die Rechtsbegriffe des Ausbleibens oder der genügenden Entschuldigung verkannt oder seine Aufklärungspflicht verletzt hat, wohingegen nachträgliches Entschuldigungsvorbringen - revisionsrechtlich - unbeachtlich ist (vgl. OLG Hamm und Meyer-Goßner, a.a.O.). Die Verfahrensrüge einer Verletzung des § 329 StPO ist vorliegend nicht in der gemäß § 344 Abs. 2 S. 2 StPO erforderlichen Form ausgeführt, da die den behaupteten Verfahrensmangel enthaltenden Tatsachen in dem Schriftsatz des Verteidigers vom 17. November 2004 nicht angegeben sind. Zwar sind an die Zulässigkeit einer solchen Verfahrensrüge keine strengen Anforderungen zu stellen; ergibt sich bereits aus dem Verwerfungsurteil, dass der Angeklagte Entschuldigungsgründe vorgebracht hat, reicht es aus, wenn ausgeführt wird, das Berufungsgericht habe das Ausbleiben des Angeklagten nicht als unentschuldigt ansehen dürfen (vgl. OLG Hamm NJW 1963, 65; OLG Köln StV 1989, 53). Vorliegend ergibt sich jedoch weder aus der Revisionsbegründungsschrift noch aus den Gründen des angefochtenen Urteils, welche Entschuldigungsgründe der Angeklagte bis zum Erlass des Verwerfungsurteils konkret vorgebracht hatte. Insbesondere ist unklar, ob dem Berufungsgericht die Art der behaupteten Erkrankung des Angeklagten und ggf. auch die ärztliche Stellungnahme des Dr. med. J. vom 11. November 2004 zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung bereits mitgeteilt worden waren. Die Revisionsbegründungsschrift lässt die Möglichkeit offen, dass die darin behauptete Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten aufgrund einer ärztlich bescheinigten Erkrankung in Gestalt eines "hochfieberhaften grippalen Infektes mit akuten Kreislaufstörungen" ein nachträglich vorgebrachter Entschuldigungsgrund ist, der - da dem Berufungsgericht bei seiner Verwerfungsentscheidung nicht bekannt - revisionsrechtlich unbeachtlich ist. Aus der in den Urteilsgründen gewählten Formulierung: "Das Vorliegen einer schwerwiegenden die Teilnahme an der heutigen Hauptverhandlung hindernden Erkrankung ist nicht ersichtlich geschweige denn glaubhaft gemacht" kann allenfalls gefolgert werden, dass dem Gericht pauschal eine - nicht näher erläuterte - Erkrankung des Angeklagten als Grund für sein Ausbleiben in der Berufungshauptverhandlung mitgeteilt worden war. Ohne jegliche Angaben zur Art der Erkrankung musste das Berufungsgericht weder von einer genügenden Entschuldigung i.S.d. § 329 Abs. 1 StPO ausgehen, noch sich im Rahmen der grundsätzlich bestehenden Aufklärungspflicht zu Ermittlungen im Freibeweis über eine etwaige Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten veranlasst sehen.

Die danach unzulässige Revision des Angeklagten war daher gemäß § 349 Abs. 1 StPO zu verwerfen, wobei die Kosten des Rechtsmittels dem Angeklagten aufzuerlegen waren (§ 473 Abs. 1 StPO).

Ende der Entscheidung

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