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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 09.03.2006
Aktenzeichen: 1 Ss 58/06
Rechtsgebiete: StGB, SGB V


Vorschriften:

StGB § 263
StGB § 263 a
StGB § 263 a Abs. 1
SGB V § 72 Abs. 1
SGB V § 73 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Dortmund hat den Angeklagten durch Urteil vom 20. Oktober 2005 wegen Computerbetruges in 36 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 30,00 Euro verurteilt.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat der Angeklagte unter dem 26. Februar 1997 bei der B eine freiwillige Krankenversicherung zum 1. Januar 1997 beantragt. Die B habe ihm antragsgemäß Versicherungsschutz gewährt und ihm eine Krankenversicherungskarte ausgehändigt. Nachdem der Angeklagte die Beiträge nicht gezahlt habe, habe die B nach entsprechender Ankündigung mit Schreiben vom 05. Mai 1997 die Mitgliedschaft gekündigt und ihn aufgefordert, die Krankenversicherungskarte zurückzugeben. Dem sei der Angeklagte jedoch nicht nachgekommen, sondern habe in vielen Fällen Versicherungsleistungen in Anspruch genommen, obwohl er gewusst habe, dass er dazu nicht berechtigt sei. Er habe dabei jeweils die Krankenversicherungskarte der B vorgelegt. Diese habe daraufhin Zahlungen in Höhe von insgesamt 4.336,95 Euro (netto) geleistet. Erst am 02. November 2002 habe der Angeklagte die Versicherungskarte an die B zurückgesandt.

Das Amtsgericht hat durch dieses Verhalten den Tatbestand des Computerbetruges (§ 263 a StGB) als erfüllt angesehen. Der Angeklagte sei nach der Kündigung nicht mehr berechtigt gewesen, die Karte zu verwenden. Auf eine Irrtumserregung komme es bei diesem Straftatbestand nicht an.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er unter näherer Darlegung die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Dortmund zurückzuverweisen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision hat einen - zumindest vorläufigen - Erfolg. Das Urteil leidet an einem Rechtsfehler, der zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückweisung der Sache führt.

Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Computerbetruges gem. § 263 a StGB nicht.

Gem. § 263 a Abs. 1 StGB macht sich u.a. derjenige strafbar, der in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs durch Verwendung unrichtiger Daten beeinflusst. Strafbarkeitsvoraussetzung ist aber, dass die Manipulation des Vorgangs unmittelbar eine vermögensrelevante Disposition des Computers verursacht hat, d.h. die Vermögensminderung unmittelbar ohne weitere Zwischenhandlungen durch den Datenverarbeitungsvorgang selbst eingetreten ist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 263 a Rdnr. 20 m.w.N.).

Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.

Selbst wenn die Daten der Krankenversicherungskarte bei einem Arztbesuch in den Computer des Arztes eingelesen werden, führt dies noch nicht zu einer vermögensrelevanten Disposition des Computers. Es bedarf über diesen Datenverarbeitungsvorgang hinaus vielmehr noch einer Vermögensverfügung durch den Arzt, indem er eine Sachleistung selbst erbringt oder Leistungen verordnet. Dies ergibt sich vorliegend auch aus der Auflistung der empfangenen Leistungen. Es fehlt damit an der Unmittelbarkeit der Vermögensminderung durch den Datenverarbeitungsvorgang. Demgemäß kommt eine Verurteilung wegen Computerbetruges im hier zu beurteilenden Fall nicht in Betracht.

Bereits dieser Fehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Sache an das Amtsgericht Dortmund.

Das Amtsgericht wird im Rahmen der neuen Hauptverhandlung zu prüfen haben, ob sich der Angeklagte nicht, was nahe liegt, wegen Betruges gem. § 263 StGB strafbar gemacht hat.

Es ist davon auszugehen, dass der Angeklagte bei den ihn behandelnden Ärzten einen Irrtum i.S.d. § 263 StGB über seine Mitgliedschaft bei der AOK durch Vorlage der Krankenversicherungskarte erregt hat. Nach den Vorschriften des SGB V über das Sachleistungsprinzip ist es Sache der Krankenkassen zu regeln, in welcher Form sich der Versicherte als Bezugsberechtigter ausweist. Das Gesetz sieht dazu allein die Krankenversicherungskarte vor (§§ 15 Abs. 2, 291 SGB V). Durch die Vorlage der Krankenversicherungskarte bei einem Arzt wird für diesen der Anschein erweckt, Leistungen erbringen und zu Lasten der Krankenkasse abrechnen zu können.

Der Vertragsarzt trifft auch durch die Behandlung eines Patienten und durch die Verordnung von Heilmitteln eine Vermögensverfügung zu Lasten der Krankenkassen. Denn der Kassenarzt handelt bei der von ihm erbrachten Leistung als Vertreter der Krankenkasse. Durch die ihm gem. §§ 72 Abs. 1, 73 Abs. 2 SGB V verliehene Kompetenz verpflichtet er mit rechtlicher Bindungswirkung die Krankenkassen zur Vergütung der erbrachten Leistung, so dass die Vermögensverfügung des Arztes unmittelbar den Schaden der Krankenkassen bewirkt (BSG NZS 1997, 76).

Dies gilt auch dann, wenn der Patient keinen Versicherungsschutz mehr genießt. Endet die Anspruchsberechtigung eines Versicherten bei seiner Krankenkasse, ohne dass dies dem Kassenarzt bei der Behandlung bekannt wird, so hat die Krankenkasse die Vergütung für die bis zum Zeitpunkt der Unterrichtung des Kassenarztes erbrachten Leistungen zu entrichten (§ 19 Abs. 8 BMV-Ä).

Der Senat konnte nicht in der Sache selbst entscheiden, da es zumindest zum Schadensumfang weiterer Feststellungen bedarf. Aufzuklären sein wird die Zahl der möglichen Betrugsfälle, d.h. wie häufig der Angeklagte im fraglichen Zeitraum einen Kassenarzt mit der (falschen) Angabe, bei der B versichert zu sein, aufgesucht hat. Die festgestellte tabellarische Auflistung ist insofern unvollständig, als sich daraus jedenfalls nicht ergibt, auf welche ärztliche Verordnung sich die herausgegebenen Arzneimittel beziehen.

Da das Urteil bereits im Schuldspruch der Aufhebung unterliegt, kommt es auf die Frage, ob der Rechtsfolgenausspruch der rechtlichen Überprüfung stand hält, nicht mehr an.

Nach alledem war das Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Dortmund, die auch über die Kosten der Revision zu entscheiden hat, zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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