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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 22.12.2005
Aktenzeichen: 1 UF 140/05 (1)
Rechtsgebiete: FGG, BGB, ZPO


Vorschriften:

FGG § 13 a Abs. 1 S. 1
FGG § 50
FGG § 50 b
BGB § 1671
ZPO § 543 Abs. 2 Ziff. 1
ZPO § 621 e Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerden beider Parteien werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Gegenstandswert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

1.

Durch den eingangs genannten Beschluss hat das Amtsgericht nach Vorlage des Gutachtens des Sachverständigen Y vom 05.10.2004, das der Sachverständige im Termin vom 16.12.2004 erläutert hat, und nach persönlicher Anhörung der Eltern, des Kindes und des Jugendamtes die elterliche Sorge für das Kind N2 dem Antragsgegner allein übertragen. Auf die Gründe des Beschlusses wird verwiesen.

Die dagegen in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie weiterhin die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich allein begehrt, ist unbegründet.

Der Senat schließt sich der angefochtenen Regelung der elterlichen Sorge aus den tragfähigen und überzeugenden Gründen der familiengerichtlichen Entscheidung an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die weiterhin geltenden Gründe des Prozesskostenhilfe versagenden Beschlusses des Senats vom 20.09.2005 Bezug. Die weiteren Ausführungen der Antragstellerin bieten keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Die von ihr geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor.

Entgegen der Darstellung der Antragstellerin - und der dieser Darstellung folgenden Annahme des Senats in seinem Beschluss vom 20.09.2005 - ist das Amtsgericht seiner grundsätzlich bestehenden Verpflichtung zur Anhörung des Kindes nach § 50 b FGG nachgekommen. Ausweislich des Terminsprotokolls vom 16.12.2004 hat das Amtsgericht N2 persönlich angehört. Dass dies im angefochtenen Beschluss keine ausdrückliche Berücksichtigung gefunden hat, ist ohne Bedeutung. Denn die Anhörung von N2 hat kein von den Feststellungen des Sachverständigen abweichendes Ergebnis gezeigt. Auch danach will sich N2 nicht für den einen oder anderen Elternteil entscheiden.

Eine Verletzung des § 50 FGG vermag der Senat auch auf der Grundlage der weiteren Rechtsausführungen der Antragstellerin nicht festzustellen. Das Gesetz bejaht die Erforderlichkeit der Pflegerbestellung, wenn das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht (§ 50 b Abs. 2 Nr. 1 FGG). Bereits der klare Wortlaut des Gesetzes spricht dafür, nicht schon bei jedem Interessengegensatz eine Pflegerbestellung als erforderlich anzusehen. Aus der Formulierung der Regelung ist vielmehr zu folgern, dass für die Pflegerbestellung in Sorgerechtsverfahren nach § 1671 BGB nicht maßgeblich auf den regelmäßig vorliegenden Interessengegensatz der Eltern abzustellen ist, sondern darauf, dass die gegenüber den Interessen der Eltern eigenständigen Interessen der Kinder ungenügend wahrgenommen werden. Eine Pflegerbestellung wird daher erst dann für erforderlich gehalten werden müssen, wenn der Streit der Eltern die Belange des Kindes derart überlagert oder sogar verdrängt, dass die Interessen des Kindes gegen die Interessen der Eltern verteidigt werden müssen (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 1999, 1293; OLG Düsseldorf, FamRZ 2000, 1298). Eine solche Fallgestaltung ist - anders als in der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Oktober 1998 (FamRZ 1999, 85 bis 89) - nicht gegeben. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betraf den Sonderfall gegenläufiger Kindesentführung, in dem beide Eltern durch die rechtswidrige Entführung ihrer Kinder jeweils zu erkennen gegeben haben, dass sie vornehmlich ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen. Ein derartiges Verhalten hat vorliegend nur die Antragstellerin selbst gezeigt.

Der Umzug des Kindesvaters mit N2 von E nach N in ein Eigenheim ist vor dem Hintergrund der von der Mutter erhobenen Vorwürfe gegen die aus ihrer Sicht nicht kindgerechte Wohnumgebung in E (Betonsiedlung, Lärm, Schadstoffe) nur konsequent und entspricht unter dem von der Mutter angesprochenen Aspekt der Wohnqualität dem Kindeswohl.

Der Senat hat von einer erneuten Anhörung der Eltern und des Kindes abgesehen und im schriftlichen Verfahren entschieden, da die entscheidungsrelevanten Tatsachen hinreichend festgestellt sind und sich auch aus dem Akteninhalt kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass eine erneute Anhörung zu neuen bedeutsamen Erkenntnissen führen könnte.

Der Senat sieht schließlich keine Veranlassung, die Rechtsbeschwerde nach § 621 e Abs. 2 ZPO zuzulassen. Denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO, noch erfordert die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Gegenstand und Grundlage der Entscheidungsfindung im vorliegenden Fall ist die Bewertung des tatsächlichen Verhaltens der Eltern und der tatsächlichen Umstände am Maßstab des Kindeswohls im Rahmen tatrichterlicher Würdigung und damit die Entscheidung eines konkreten Einzelfalls ohne den Anspruch oder Ausspruch einer Generalisierung.

2.

Die Beschwerde des Antragsgegners, mit der er sich allein gegen die Kostenentscheidung des Amtsgerichts insoweit wendet, als ihm dadurch die Hälfte der Auslagen (für das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten) auferlegt worden ist, ist, da die Hauptsacheentscheidung im Rahmen des zulässigen Rechtsmittels der Antragstellerin ohnehin zu überprüfen ist, ausnahmsweise zulässig, jedoch ebenfalls unbegründet.

In Sorgerechtsverfahren entspricht es grundsätzlich der Billigkeit, die Kosten für ein vom Gericht eingeholtes Sachverständigengutachten beiden Eltern zu gleichen Teilen aufzuerlegen. Gründe, hiervon ausnahmsweise abzusehen, vermag der Senat nicht zu erkennen. Das Argument des Antragsgegners, das Sachverständigengutachten sei nur deshalb erforderlich geworden, weil die Antragstellerin das Kind nach Polen entführt habe, überzeugt nicht. Bereits auf den verfahrenseinleitenden Antrag der Antragstellerin vom 18.07.2003, mit dem sie u.a. die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich allein und die Erlaubnis begehrt hat, mit dem gemeinsamen Kind nach Polen umzuziehen, hat der Antragsgegner selbst in seiner Antragserwiderung vom 02.09.2003 die Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens beantragt.

Die Kostenentscheidung beruht, da beide Beschwerden erfolglos geblieben sind, auf § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG.

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