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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 30.08.2005
Aktenzeichen: 1 UF 181/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1626 a
BGB § 1666
BGB § 1666 Abs. 1
BGB § 1666 a
BGB § 1696 Abs. 2
BGB § 1696 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die befristete Beschwerde des Vaters wird der am 14. August 2004 verkündete Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Halle (Westf.) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Personensorgerecht für J F, geboren am xx. xx.2001, bleibt der Mutter - unter Zurückweisung ihrer Beschwerde - entzogen.

Der Antrag des Landrats des Kreises H, dem Vater die elterliche Sorge zu entziehen, wird zurückgewiesen.

Es wird angeordnet, dass das Kind J mindestens bis zum 31. März 2007 in der Obhut seiner Pflegeeltern, der Eheleute K, verbleibt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 3.000,00 €.

Gründe: Mit Beschluss vom 14. August 2004 hat das Familiengericht den Beschwerdeführern, den leiblichen Eltern des betroffenen Kindes J, das Personensorgerecht entzogen und auf einen Pfleger übertragen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach der Anhörung der Eltern, dem Bericht des Jugendamts, der Stellungnahme der Verfahrenspflegerin und dem Gutachten der Sachverständigen sei davon auszugehen, dass das Wohl von J durch Versagen der Eltern derart gefährdet sei, dass beiden Eltern das Personensorgerecht zu entziehen sei. Die Kindesmutter sei offenkundig nicht in der Lage, sich verantwortlich um das Wohl von J zu kümmern. Eine Versorgung und ein Aufenthalt bei ihr komme nicht in Betracht. Die Sachverständige habe ausgeführt, dass die Mutter aufgrund ihrer vielfältigen Belastungen und ihrer psychischen Instabilität mit der Verantwortungsübernahme für ein Kind völlig überfordert gewesen und es somit zu gravierenden Defiziten in der Erziehung und in der Befriedigung der Bedürfnisse von J gekommen sei. Die in Js Verhalten festgestellten Entwicklungsdefizite und Auffälligkeiten - autoaggressives Verhalten, distanzloses Verhalten fremden Personen gegenüber, mangelndes Schmerzempfinden - wiesen auf eine unzureichende Wahrnehmung seiner primären Bedürfnisse nach Umsorgtwerden, Hilfe und Trost hin. Hinzu komme, dass die Mutter ihr Verhältnis zu den Großeltern, den Eltern des Vaters, offensichtlich idealisierend sehe und zu Js Großmutter in einer großen Abhängigkeit und Hörigkeit stehe, so dass sie keinen eigenen Standpunkt zur Versorgung ihres Sohnes einnehme, sondern lediglich den ihr von der Großmutter vorgegebenen Argumenten entspreche. Insgesamt könne die Mutter weder als geeignet zur Versorgung und Erziehung ihres Sohnes angesehen werden, noch als dazu im Stande, eine den Erfordernissen von J entsprechende Versorgungssituation durch andere herzustellen. Bei ihrer Anhörung habe sich kein Anhaltspunkt dafür ergeben, dass sie die Schwierigkeiten des Kindes erkenne, die mit einem Wechsel von der bisherigen Pflegefamilie zur Familie des Vaters einhergehen würden. Unter diesen Umständen könne ihr auch das Recht zur Bestimmung einer Pflegefamilie bzw. des Aufenthalts von J nicht belassen bleiben. Auch der Vater habe in der Vergangenheit wenig elterliches Verantwortungsbewusstsein gezeigt, die bei J festzustellenden Entwicklungsrückstände und Verhaltensauffälligkeiten nicht wahrgenommen und berücksichtigt. Er habe nicht dazu beitragen können, trotz der problematischen Erziehungs- und Versorgungssituation im Haushalt der Mutter für seinen Sohn günstige Entwicklungsbedingungen zu ermöglichen. Er habe während der frühkindlichen Entwicklung Js nicht als kontinuierliche verlässliche Bezugsperson zur Verfügung gestanden. J habe keine Trennungsreaktionen gezeigt, was auf eine Bindungsstörung hinweise und auf das Fehlen einer sicheren Bindung zum Vater. Bei J hätten sich mangels entsprechender Förderung durch seine leiblichen Eltern Rückstände in der Sprachentwicklung, der Koordinationsfähigkeit und der Fein- und Grobmotorik eingestellt, weshalb er ein Sicherheit bietendes und funktionales Beziehungssystem benötige, das ihm in einem Nachentwicklungsprozess den Aufbau befriedigender Bindungen und Korrektur seiner früheren Orientierungslosigkeit ermögliche. In der Obhut seiner Pflegeeltern habe er insoweit eine positive Entwicklung genommen, die Rückstände aber noch nicht aufgeholt. Auch um weitere Rückstände zu vermeiden, sei eine Rückführung Js nicht möglich. Die Erziehungsunfähigkeit des Vaters komme schließlich auch darin zum Ausdruck, dass er nicht erkenne, dass J wegen seiner positiven Entwicklung und seiner entstandenen Bindung in der Obhut der Pflegeeltern gut aufgehoben sei, sondern seine Rückführung erstrebe. Deshalb sei ihm das Sorgerecht zu entziehen. Wegen des vollständigen Wortlauts, des zugrundeliegenden Sachverhalts und der Einzelheiten der Gründe des Beschlusses wird auf Bl. 217 ff. d.A. verwiesen. Gegen diesen Beschluss wenden sich beide Kindeseltern mit ihren separaten, jeweils form- und fristgerecht eingelegten befristeten Beschwerden. Beide erstreben - der Antragsgegner und Kindesvater nur seine Person betreffend - abändernd die Zurückweisung des Antrags auf Entziehung des Sorgerechts. Die Mutter führt aus, sie sei zwar selbst mit der Erziehung des Kindes überfordert, aber mit dem Vater einig, dass J bei ihm aufwachsen solle, unterstützt durch die jetzt erst 43 und 45 Jahre alten Großeltern. Diese lebten mit den jüngeren Schwestern des Vaters (13 und 16 Jahre alt) in völlig geordneten Verhältnissen. Das Amtsgericht sei kritiklos den Stellungnahmen des Jugendamts und der Sachverständigen gefolgt. Sie zweifele die Entwicklungsrückstände, das distanzlose Verhalten, die Schmerzunempfindlichkeit und die Koordinationsstörungen in Grob- und Feinmotorik Js an. Sie meint, es spreche nicht als fehlende Bindungstoleranz gegen die Erziehungsfähigkeit des Vaters, wenn er sein Kind von den Pflegeeltern zurück wolle und verweist auf den Vorrang der Ursprungsfamilie. Der Ladung zum Senatstermin ist sie nicht gefolgt. Zu ihrer Verfahrensbevollmächtigten und zum Kindesvater hat sie seit Monaten keinen Kontakt. Der Senat konnte sie daher im Termin nicht persönlich anhören. Der Beschwerdeführer führt aus, in seiner Person lägen die Voraussetzungen einer Sorgerechtsentziehung nicht vor. Diese sei ohnehin nur ultima ratio, wenn mildere Mittel nicht griffen. Schriftsätzlich hat er ausführen lassen, er verfüge über Wohnung und Beschäftigung und sei um eine Arbeitsstelle bemüht. Bis dies soweit sei, stehe er ganztags zur Betreuung seines Sohnes zur Verfügung. Während der übrigen Zeiten sei immer seine Mutter, die Hausfrau sei, zugegen. Er führt aus, er habe eine innige Beziehung zu seinem Sohn, wenn er ihn auch nur alle vier Wochen für jeweils 1 Stunde sehen dürfe. Aber diese Beziehung habe ihre Wurzeln in der Zeit, als die Mutter noch mit J im CJD gewohnt und er sein Umgangsrecht großzügig wahrgenommen habe. Es treffe nicht zu, dass es ihm an erzieherischer Kompetenz und Einfühlungsvermögen fehle. Die Konfliktsituation, die aus dem Zusammenleben mit der Mutter resultiert habe, sei beendet. Dies wiederholte und vertiefte er, persönlich angehört, im Senatstermin. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Berichterstattervermerk über den Senatstermin vom 30.08.2005 verwiesen. Der Landrat verteidigt den angefochtenen Beschluss. In einer schriftlichen Stellungnahme vor dem Senatstermin hat er ausgeführt, die Antragsgegnerin habe einen neuen Freund, bei dem sie sich im Wesentlichen aufhalte. Sonst wohne sie bei ihrer Mutter. Mit dem Antragsgegner und dessen Familie habe sie sich überworfen. Sie wolle aktuell, dass J in der Pflegefamilie bleibe, aber nicht zur Familie des Antragsgegners komme, weil sie dann besorge, ihn nicht mehr zu Gesicht zu bekommen. Das Rechtsmittelverfahren betreibe sie auch nur, weil die Mutter des Antragsgegners sie dazu gedrängt habe. Der Antragsgegner bewohne aktuell eine kleine Wohnung im angemieteten Haus seiner Eltern und nehme an einer vom Arbeitsamt finanzierten Qualifizierungsmaßnahme teil, die voraussichtlich noch bis Oktober 2005 dauern werde. Er beabsichtige, J bei sich aufzunehmen und durch seine Mutter betreuen zu lassen. Die Umgangskontakte liefen harmonisch ab, und zwar alle drei Monate auch unter Beteiligung der Großeltern. Alle seien bemüht. Auch der Vater sei durch die Regelmäßigkeit der Kontakte zu einer vertrauten Person geworden. Es sei aber völlig falsch interpretiert, hier von einer tragfähigen, emotionalen Vater-Kind-Beziehung zu sprechen. Auch die Großeltern seien aufrichtig bemüht und kooperativ. Dennoch scheine J einen Konflikt zu spüren, der ihn verunsichere. Aktuell sei er ein Spielball der Interessenskonflikte. Beide Eltern negierten die bei J festgestellten Entwicklungsdefizite und Auffälligkeiten. Er sei in extremer Weise distanz- und orientierungslos gewesen, habe keinen Körperkontakt ausgehalten und habe über Monate hinweg mit schwersten Aggressionen und Autoaggressionen ohne Anzeichen eines Schmerzempfindens reagiert. Die Herausnahme Js sei richtig, allenfalls zu spät gewesen. Erst nach einem Jahr Familienpflege sei ein "Durchbruch" erzielt worden. Beide leiblichen Eltern seien erziehungsungeeignet und unzuverlässig. Die Großmutter väterlicherseits habe nie wirklich kooperiert und werde als "dominant, ignorant und grenzüberschreitend erlebt". J sei in der Pflegefamilie fest verwurzelt. Dies wiederholten und vertieften die beiden Vertreterinnen des Jugendamts im Senatstermin. Auch insoweit wird auf den Berichterstattervermerk über den Senatstermin vom 30.08.2005 verwiesen. Neben den genannten Beteiligten hat der Senat die Sachverständige persönlich angehört, sich von J einen unmittelbaren Eindruck verschafft und der Verfahrenspflegerin Js Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Auch sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Wegen des Ergebnisses der Anhörung der Sachverständigen, die die Folgerungen ihres schriftlichen Gutachtens im Wesentlichen wiederholt hat, wird ebenfalls auf den Berichterstattervermerk verwiesen. Die Beschwerde der Kindesmutter bleibt ohne Erfolg, soweit sie sich, ihre Person betreffend, gegen die Entziehung der Personensorge wendet. Insoweit wird auf die im Wesentlichen zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen, wenn aufgrund der Äußerungen der Sachverständigen im Senatstermin auch zweifelhaft geworden ist, ob zum Zeitpunkt der Herausnahme Js aus ihrem Haushalt bereits die dort angesprochenen Defizite in seiner körperlichen, seelischen und geistigen Entwicklung manifestiert waren oder erst drohten. Letzteres steht indessen fest und ihre Überforderung mit der Erziehung Js trotz massiver öffentlicher Hilfen und ihre fehlende Fähigkeit, dem Kind einen sicheren Halt zu geben, deckt sich mit ihrer eigenen Einschätzung. Dies findet durch den Fortgang der Ereignisse seine Bestätigung. Danach hat die noch junge Mutter ihr bisheriges unstetes Leben und impulshaftes Verhalten fortgesetzt. Sie scheint weder das Beschwerdeverfahren ernsthaft zu betreiben und an dessen Ausgang interessiert zu sein, noch an Umgangskontakten mit J. Anders kann es sich der Senat jedenfalls derzeit nicht erklären, dass sie den ersten der ihr vom Jugendamt angebotenen Umgangskontakte abgesagt, den zweiten unentschuldigt nicht wahrgenommen hat, den Kontakt zu ihrer Verfahrensbevollmächtigten und dem Jugendamt nicht gehalten hat und zum Senatstermin nicht erschienen ist. Das Rechtsmittel des Vaters und, soweit damit auch die Mutter dasselbe Ziel der Zurückweisung des den Vater betreffenden Sorgerechtsentziehungsantrags verfolgte, hat Erfolg. Die tatsächlichen Voraussetzungen der §§ 1666, 1666 a BGB für die Entziehung der Personensorge liegen in Person des Vaters des betroffenen Kindes J nicht vor. Gem. § 1666 Abs. 1 BGB sind Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Voraussetzung ist danach, dass festgestellt werden kann, dass auf Seiten des Elternteils, dem das Sorgerecht - ggf. in Teilen - entzogen werden soll, ein Versagen festgestellt werden kann. Das ist hier nicht der Fall, selbst wenn unterstellt wird, dass J zum Zeitpunkt der Herausnahme, womit die Trennung von seiner leiblichen Mutter am 13.11.2002 gemeint ist, erhebliche Entwicklungsdefizite und auffälligkeiten zeigte. Insoweit erachtet es der Senat deshalb für angezeigt, mit einer Unterstellung zu arbeiten, weil sich hierzu auch im Senatstermin keine gesicherten Erkenntnisse treffen ließen. Die Sachverständige, die J zum damaligen Zeitpunkt selbst nicht erlebt hatte, relativierte ihre gutachtlichen Feststellungen im Senatstermin insoweit, als sie ausführte, dass konkrete Entwicklungsrückstände in körperlicher, geistiger und seelischer Hinsicht bei J zwar damals nicht festgestellt worden seien, dass mit derartigen Entwicklungsverzögerungen angesichts der festgestellten Situation, des häufigen Wechsels der Bezugsperson und der unzuverlässigen Mutter zwingend eingetreten wären, wenn die Situation angedauert hätte. Nach dem Vorstehenden ist unerlässliche Voraussetzung für die Entziehung des Sorgerechts auch nur in Teilen, dass dem betroffenen Elternteil irgendein Versagen vorzuwerfen ist. Insoweit tragen die Gründe des angegriffenen Beschlusses nicht. Auch im Zeitpunkt des Senatstermins lässt sich ein derartiges Versagen nicht feststellen. Insoweit ist bereits der zeitliche Ablauf ungewöhnlich. J wurde am xx.xx.2001 als Sohn einer minderjährigen, damals selbst noch unter Vormundschaft stehenden Mutter geboren. Aufgrund dieser Betreuung leitete das Jugendamt bereits vor Js Geburt entsprechende Schritte ein, um ihm ein Aufwachsen zusammen mit seiner Mutter zu ermöglichen. Insoweit geht der Senat entsprechend den Äußerungen der Mitarbeiterinnen des Jugendamts davon aus, dass diese sich mit sehr viel Engagement und Zeitaufwand ihrer Aufgabe gewidmet haben und im Ergebnis erreicht haben, dass gewisse Maßnahmen eigens für die Kindesmutter geschaffen wurden. So wurde mit ihr im Januar des Jahres 2002 Einvernehmen erzielt, dass J bei ihr bleiben könne, wenn und solange die Kindesmutter in der Maßnahme betreuten Wohnens im Christlichen Jugenddorf (CJD) wohnen bliebe, ihrerseits den Schulbesuch fortsetzte und für das Kind nach Möglichkeit eine tabakrauchfreie Umgebung erhielte. Um ihr dies zu ermöglichen und um gleichzeitig für eine vernünftige Betreuung Js zu sorgen, installierte das Jugendamt eine Unterstützung durch eine Tagesmutter und die Betreuung Js durch eine Krankenschwester, um die Kindesmutter anzuleiten und um Js körperliches Wohl zu sichern. Solange sich der Vater an die Vorgaben hielt und keine Konflikte zwischen den Kindeseltern laut wurden, wurde seine Anwesenheit im CJD geduldet. Die Betreuungsmaßnahmen, die gut anliefen, wurden innerhalb eines halben Jahres zweimal zurückgenommen. Damit ging eine gewisse Reduzierung der Betreuungstätigkeit durch die Tagesmutter einher, zugunsten einer Betreuung durch die Großmutter an insgesamt zwei Tagen in der Woche. Im Verlaufe des Jahres 2002 entwickelten sich die Dinge indessen schlechter. Die Beziehung der Kindeseltern zueinander war von tätlichen Auseinandersetzungen und der Notwendigkeit eines Polizeieinsatzes geprägt, was ein Hausverbot für den Vater zur Folge hatte sowie, dass dessen Eltern ihre Kooperation mit der Mutter wieder aufkündigten. Die Meinung und Darstellung der Großeltern einerseits und der Mutter andererseits über die Kindesbetreuung gingen auseinander. Im Raum stand, dass die Mutter Kontakte zwischen J und ihrer volltrunkenen Mutter und ihren aktuellem, ebenfalls meist betrunkenen Lebensgefährten mit Gesundheitsgefährdung für das Kind zulasse. Auch J erkrankte an einer Magen-Darm-Grippe. Schulbesuche der Mutter fanden zunehmend nicht mehr statt und sie verfiel in alte Muster. Die Übergaben Js an die Tagesmutter klappten nicht, wobei diese teilweise seinen hygienischen Zustand bei Übergabe erinnerte, weil die Windeln nass und J nicht vollständig angezogen sei. In diesen Zeitraum fiel ein vom Vater ausgelöster erneuter Polizeieinsatz, weil er angab, mehrere betrunkene, teilweise mit Hausverboten belegte Personen hätten sich in der Wohnung von Js Mutter aufgehalten. Eine Überprüfung ergab indessen, dass J wohlauf und niemand betrunken gewesen sei. Das Jugendamt stellte in der Folgezeit einen neuen Hilfeplan auf, wonach die Mutter wieder die Schule zu besuchen habe, sicherstellen müsse, dass die Übergaben an die Tagesmutter klappten und nicht mehr in der Wohnung rauchen dürfe. Einige Tage später wiederholte der Vater seinen Verdacht. Eine Überprüfung ergab, dass die Großmutter mütterlicherseits und deren Bekannter sich einem Hausverbot zuwider nahezu täglich bei der Mutter aufhielten und dort tranken. Das war schließlich der Anlass für Justins Inobhutnahme am 13.11.2002, mit der Js Mutter zunächst auch einverstanden war. Sie äußerte damals, keinesfalls solle J zum Vater und dessen Eltern gegeben werden. Genau dies verlangte sie indessen wenige Tage später am 18.11.2002, nachdem bereits am 14.11.2002 der Beschwerdeführer und seine Mutter dies angeregt hatten. Nach Js Herausnahme hat der Beschwerdeführer drei verschiedene Verfahren eingeleitet, mit denen er die gemeinsame elterliche Sorge, die Herausgabe des Kindes sowie Umgangskontakte erreichen wollte. Das erste Verfahren, mit welchem er die gemeinsame elterliche Sorge erreichen wollte, endete am 29.03.2003 mit der Zurückweisung des PKH-Antrags, weil es für sein solches Begehren keine gesetzliche Grundlage gebe. Das zweite Verfahren scheiterte an demselben Grund: Wer nicht personensorgeberechtigt sei, könne nicht die Herausgabe des Kindes verlangen. Das dritte Verfahren ist schließlich mit dem vorliegenden Verfahren verbunden worden, aber nicht beschieden worden, weil eine Erklärung aller Beteiligter zu Protokoll genommen wurde, die Umgangskontakte sollten bis zur Rechtskraft einer Sorgerechtsentscheidung wie bisher stattfinden, also monatlich. In einem vierten Verfahren erstrebte seinerzeit die Kindesmutter die Zustimmung ihrer damaligen Vormünderin zur Abgabe einer Sorgeerklärung für den Vater. Dieses Verfahren erledigte sich durch Zeitablauf und das Erreichen der Volljährigkeit der Kindesmutter. Sie gab schließlich, volljährig geworden, am xx.xx.2003, drei Monate nach Einleitung des vorliegenden Verfahrens, zugunsten des Vaters eine Sorgeerklärung gem. § 1626 a BGB ab. Bereits dieser Verfahrensgang zeigt deutlich, dass dem Beschwerdeführer rechtlich und tatsächlich bis zur Herausnahme Js, also der Wegnahme von der Mutter, keine Gelegenheit eingeräumt wurde, sein Sorgerecht eigenverantwortlich auszuüben, er insoweit also auch nicht versagen konnte. Aus dem geschilderten Verfahrensablauf spricht eher ein Bemühen des rechtlich und tatsächlich ausgeschlossenen Vaters, Einfluss ausüben zu können. Diese Unterstützung ist ihm seitens des Jugendamts, das sich auf die Unterstützung der Kindesmutter konzentriert hat, nie zuteil geworden. Seine Anwesenheit und Mitwirkung - ebenso wie die seiner Eltern - wurde lediglich geduldet. Das Jugendamt hat der Pflege durch eine professionelle Tagesmutter gegenüber der Pflege in der Ursprungsfamilie, wozu der Senat auch die Großeltern zählt, den Vorzug gegeben und Wert darauf gelegt, dass Bindungen Js zu seiner väterlichen Ursprungsfamilie gar nicht erst entstehen konnten. Anders vermag der Senat die Äußerungen der Mitarbeiterin des Jugendamts jedenfalls nicht zu deuten, wonach es schon schwer gewesen sei, innerhalb von zwei Tagen eine Tagesmutter zu finden. Man habe diese dann durchgehend eingesetzt und dem Vater und seiner Familie lediglich zwei Tage in der Woche J anvertraut, damit für den Fall, dass es zu einem erneuten Zerwürfnis zwischen den Kindeseltern und damit auch zwischen der Mutter und den Großeltern väterlicherseits komme, die Tagesmutter ggf. wieder "voll einsteigen" könne. Dass es der Großmutter ohne Absprache mit dem Jugendamt gelungen sei, J für zwei weitere Übernachtungen bei sich zu behalten, empfand man seitens des Jugendamts als Anmaßung und Eigenmächtigkeit, wobei sich durch das gesamte Verfahren zieht, dass ein vertrauensvolles, auf ein gemeinsames Ziel gerichtetes Zusammenarbeiten zwischen dem Jugendamt und jedenfalls der Familie des Vaters, teilweise sogar die Ebene der sachlichen Auseinandersetzung verlassend, zu keinem Zeitpunkt bestanden hat. Soweit die Sachverständige ausgeführt hat und das Jugendamt dem gefolgt ist, die Erziehungsunfähigkeit des Vaters ergebe sich daraus, dass er nicht in der Lage gewesen sei, die Entwicklungsrückstände und Bedürfnisse des Kindes zu erkennen und soweit das Amtsgericht daraus den Schluss gezogen hat, das bestätige er durch sein Verhalten auch heute noch, indem er trotz der optimalen Förderung in der Pflegefamilie und der dort aufgebauten Bindungen die Rückführung des Kindes zu sich betreibe, folgt dem der Senat nicht. Ob zum Zeitpunkt der Herausnahme Entwicklungsrückstände in körperlicher, geistiger und/oder seelischer Hinsicht bestanden haben, ist nicht festzustellen. Das ergibt sich aus den Ausführungen der Sachverständigen im Senatstermin selbst, die aus eigenen Erkenntnissen dazu nichts beitragen konnte und als Ergebnis ihrer Exploration bestätigte, Js Ergebnisse hätten sich im Rahmen der Normwerte bewegt. Danach liegt eher die Annahme nahe, dass aus sachverständiger Sicht bei einem Aufrechterhalten der im November 2002 bestanden habenen Situation mit dem Auftreten von Entwicklungsverzögerungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu rechnen gewesen sei. Wenn dies aber so war, lagen zum damaligen Zeitpunkt keine Entwicklungsrückstände vor, die der Vater hätte erkennen können. Dass mit deren Auftreten aus sachverständiger Sicht zu rechnen war, bedurfte möglicherweise nicht zwingend der Erfahrungen eines Sachverständigen, sondern hätte sich auch jedem verständig denkenen Dritten aufdrängen müssen. Den Vorwurf, dass der Vater sich dieser Erkenntnis verschlossen hätte, vermag der Senat ihm aber gerade nicht zu machen, weil eher das Gegenteil aktenkundig ist, nämlich, dass er sich, wenn auch namentlich immer nach Konflikten mit der Kindesmutter, immer an die Behörden gewandt und seine Besorgnis zum Ausdruck gebracht hat. Dabei haben sich die Tatsachen, auf die er sich gestützt hat - Anwesenheit mehrerer erwachsener Betrunkener in der Wohnung der Mutter - nicht immer als unhaltbar erwiesen, sondern teilweise sogar bestätigt. Ob die Mitarbeiter des Jugendamts darauf mit dem Bemerken reagiert haben, er solle die Kindesmutter nicht anschwärzen, was im Senatstermin unwidersprochen geblieben ist, sei dahingestellt. Jedenfalls hat der Senat keine Veranlassung anzunehmen, diese Mitteilung sei nur Reaktion auf vorangegangene Auseinandersetzungen des Vaters mit der Mutter gewesen. Ebenso naheliegend ist die Annahme, dass eben diese geschilderten - dem Kindeswohl abträglichen Situationen Ursache für die Auseinandersetzungen waren und dass diese Mitteilungen Ausdruck elterlicher Sorge waren, an deren Ausübung der Beschwerdeführer in seiner damaligen rechtlich schwachen Situation als Erzeuger, aber eben noch nicht Sorgeberechtigter, gehindert war. Unter derartigen Umständen kann dem Vater auch nicht vorgeworfen werden, er habe sich der Erkenntnis verschlossen, dass die damalige Situation nicht ideal für J war. Ein unzulässiger Zirkelschluss ist es schließlich zur Überzeugung des Senats, soweit der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer - nach wie vor - um das Sorgerecht für seinen leiblichen Sohn bemüht, als gerade dagegen sprechende Tatsache verstanden wird. Nach alledem trägt der angefochtene Beschluss nicht, soweit dem Vater und Beschwerdeführer das Personensorgerecht als Ganzes entzogen worden ist. Zentrale Frage des vorliegenden Verfahrens ist indessen weniger das Sorgerecht als Ganzes, sondern vielmehr das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die damit im Zusammenhang stehende Frage, wo J künftig aufwachsen soll, namentlich, ob und ggf. wann eine Zurückführung zu seinem leiblichen Vater erfolgen kann. Auch insoweit hat das Rechtsmittel des Vaters, wenn auch aktuell noch nicht vollumfänglich, Erfolg. Die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts als eines wesentlichen Teils der elterlichen Sorge setzt ebenfalls gem. § 1666 Abs. 1 BGB voraus, dass das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet ist. Auch insoweit gilt der eingangs erwähnte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gem. § 1666 a BGB. Das Kindeswohl ist im Sinne von § 1666 Abs. 1 BGB gefährdet, wenn eine gegenwärtige oder zumindest nahe bevorstehende Gefahr für seine Entwicklung vorliegt, die so Ernst zu nehmen ist, dass sich eine erhebliche Schädigung seines körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt, wenngleich die zu erwartenden schädigenden Folgen nicht unmittelbar bevorstehen müssen (BayObLG FamRZ 1996, 1031, 1032; OLG Hamm, 8. FamS, FamRZ 2004, 1664). Bei der Auslegung des Begriffs des Kindeswohls kann nicht unbeachtet bleiben, dass sich aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ein Vorrang des Erziehungsrechts der Eltern ergibt, in das der Staat nur im Rahmen seines Wächteramts und - insbesondere wenn es um eine Trennung des Kindes von seinen leiblichen Eltern geht - nur bei strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingreifen darf, zumal die Beurteilung als erziehungsunfähig die Eltern auch in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG berührt (BVerfG, FamRZ 2002, 1021 ff.). Vor diesem Hintergrund muss das elterliche Fehlverhalten oder Versagen gegenüber dem Kindeswohl eine gewisse Evidenz aufweisen. Dabei gehört es nicht zum staatlichen Wächteramt, für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen; vielmehr gehören die Eltern und deren sozio-ökonomischen Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes. Im Rahmen der §§ 1666, 1666 a BGB ist also stets zu beachten, dass kein Kind "Anspruch auf Idealeltern" und optimale Förderung und Erziehung hat und sich das staatliche Wächteramt auf die Abwehr von Gefahren beschränkt. Keinesfalls kann es für eine Trennung des Kindes von den Eltern oder einem Elternteil ausreichen, dass es andere Personen oder Einrichtungen gibt, die zur Erziehung und Förderung evtl. besser geeignet wären (OLG Hamm, a.a.O.). Der natürliche Vorrang der Erziehung und Pflege durch die leiblichen Eltern und die darauf hinauslaufenden wechselseitigen Ansprüche von Kindern und Eltern gilt jedoch nur eingedenk des Ent- und Bestehens sicherer und tragfähiger Bindungen innerhalb der Pflegefamilie und der daraus resultierenden Folgerungen für das Kindeswohl. Bei einer Entscheidung nach §§ 1666, 1666 a BGB ist namentlich die Tragweite einer Trennung eines Kindes von seiner Pflegefamilie unter Berücksichtigung der Intensität entstandener Bindungen einzubeziehen und die Erziehungsfähigkeit der leiblichen Eltern auch im Hinblick auf ihre Eignung zu berücksichtigen, die negativen Folgen einer evtl. Traumatisierung des Kindes gering zu halten (BVerfG, FamRZ 2000, 1489). Bei alledem sind die staatlichen Gerichte auch gehalten, bei Auslegung der einfach-rechtlichen Vorschriften, namentlich der §§ 1666, 1666 a BGB neben den Grundrechten, namentlich aus Art. 2, 6 GG, auch die den einfachrechtlichen Bestimmungen gleichstehenden überstaatlichen Bestimmungen zu berücksichtigen, hier namentlich Art. 8 EMRK (BVerfG, FamRZ 2004, 1857 (1858)). Nach dieser Bestimmung sind die Vertragsstaaten verpflichtet, geeignete Maßnahmen zur Zusammenführung eines leiblichen Elternteils mit seinem Kind zu ergreifen. Die effektive Achtung des Familienlebens erfordert darüber hinaus, dass zukünftige Beziehungen zwischen einem Elternteil und seinem Kind nicht durch bloßen Zeitablauf bestimmt werden. Eine sofortige Trennung des Kindes von seiner Pflegefamilie kann negative Auswirkungen auf sein Wohl haben. Ist ein leiblicher Vater jedoch erziehungsgeeignet und -bereit, müssen die Gerichte prüfen, ob eine Zusammenführung unter Umständen möglich ist, die die Belastungen des Kindes vermindern. In die Abwägung sind auch die langfristigen Auswirkungen einer dauerhaften Trennung des Kindes von seinem leiblichen Elternteil einzubeziehen (EuGHMR, FamRZ 2004, 1456 (1459)). Die Beachtung der dargelegten Grundsätze ergibt im konkreten Fall, dass einerseits für die Entziehung auch nur des Aufenthaltsbestimmungsrechts unter Beachtung der Bestimmungen der §§ 1666, 1666 a BGB in der gebotenen verfassungsgemäßen Auslegung unter Beachtung auch überstaatlicher Vereinbarungen keine ausreichenden Gründe vorliegen, dass andererseits dem Vater zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts in der Weise, dass er von Js Pflegefamilie seine sofortige Herausgabe verlange, verwehrt ist. Insoweit hat der Vater bereits schriftsätzlich signalisiert, dass ihm eine derartige missbräuchliche Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts fern liege. Auch im Senatstermin hat er wiederholt, dass er einen behutsamen Bindungsaufbau zu seinem leiblichen Sohn beabsichtige und möglicherweise, wenn sich ihm eine Trennung Js von seinen Pflegeeltern als dem Kind unzumutbar darstelle, davon auch keinen Gebrauch machen werde. Vor dem Hintergrund dieser Erklärung war eine Festsetzung einer Mindestdauer an sich nicht geboten. Der Senat hielt es indessen für angezeigt, allen Beteiligten einschließlich des Jugendamts zur Herbeiführung einer gewissen Planungssicherheit einen Zeitraum an die Hand zu geben, den der Senat mindestens für erforderlich erachtet, um im Rahmen vernünftiger längerer und unbegleiteter Umgangskontakte, unterstützt durch weitere Maßnahmen und Hilfeleistungen des Jugendamts, tragfähige Bindungen Js auch zu seinem leiblichen Vater herbeiführen zu können. Insoweit macht sich der Senat die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (a.a.O.) ausdrücklich zu eigen, wonach die Vertragsstaaten, namentlich hier repräsentiert durch das beteiligte Jugendamt, verpflichtet sind, geeignete Maßnahmen zur Zusammenführung eines leiblichen Elternteils mit seinem Kind zu ergreifen. Dass eine Trennung Js von seinen Pflegeeltern endgültig nicht in Betracht komme, vermag der Senat im Moment indessen nicht festzustellen. Dabei hat er sich im Wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten lassen: Die Sachverständige hat sich - schriftsätzlich wie im Senatstermin mündlich - ausdrücklich für einen Verbleib Js bei seinen Pflegeeltern ausgesprochen. Aus Sicht der Sachverständigen, ausgehend von kindespsychologischen und bindungstheoretischen Erwägungen, mag dieses von ihr gefundene Ergebnis durchaus schlüssig sein. Es berücksichtigt indessen das natürliche Elternrecht, welches durch die zitierten Entscheidungen des höchsten deutschen Gerichts sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aufgewertet worden ist, nicht. Zunächst mag es durchaus so sein, dass die Pflegeeltern Js Entwicklung betreffend eine höhere Förderungskompetenz aufweisen. Der Senat hat, auch nach den Ausführungen der Sachverständigen und der Mitarbeiterinnen des Jugendamts, keinerlei Zweifel daran, dass J zwischenzeitlich über feste, tragfähige und sichere Bindungen zur Pflegefamilie verfügt. Der Senat folgt allen Beteiligten auch darin, dass es schädlich wäre, diese Bindungen zu gefährden. Allerdings kann im Lichte der jüngeren Rechtsprechung die am Kindeswohl zu orientierende gerichtliche Entscheidung davon allein nicht abhängen. Insoweit entspricht es schon seit jeher gesicherter innerstaatlicher Rechtsprechung, dass die höhere Förderungskompetenz von Pflegeeltern oder anderer Einrichtungen gegenüber der leiblichen Verwandtschaft bis zur Grenze der §§ 1666, 1666 a BGB zurückzutreten hat, deren tatsächliche Voraussetzungen indessen hier nicht feststellbar sind. Bedenken an der Rückführung Js in den Haushalt des Vaters können allein mit den gewachsenen Bindungen zu seinen Pflegeeltern nach mittlerweile fast 3-jährigem Aufenthalt in Pflegefamilien begründet werden. Insoweit sind alle Beteiligte dahin einig, dass ein sofortiger Bindungsabbruch schwere Schädigungen bei J hervorrufen und ein weiteres Trennungstrauma in ihm herbeiführen würde. Andererseits steht zur Überzeugung des Senats fest, dass J durchaus bindungsfähig ist. Es ist kein Grund ersichtlich, warum J nicht kumulativ zu seinen zwischenzeitlich gewachsenen Bindungen zu seinen Pflegeeltern weitere, auch feste, sichere und tragfähige Bindungen zu seinem leiblichen Vater aufbauen sollte, die allmählich gleichwertig nebeneinander treten und die Bindungen zu seinen Pflegeeltern auf Dauer gleichwertig ersetzen könnten. Auch aus den Ausführungen der Sachverständigen, die im Wesentlichen auf den Bruch der Bindungen zu den Pflegeeltern abstellte und darauf, dass aktuell zum leiblichen Vater keine tragfähigen Bindungen beständen, ergab sich nichts Gegenteiliges. Soweit sie die Besorgnis äußerte, ein erneuter Beziehungsabbruch würde bei J schwere, irreversible Schäden hervorrufen, kann dies zur Überzeugung des Senats allenfalls für einen zu schnellen Beziehungsabbruch gelten, nicht aber für ein allmähliches und behutsames Substituieren oder gar ein kumulatives Herbeiführen von Bindungen sowohl zu seinen Pflegeeltern als auch zu seinem leiblichen Vater. Bei alledem verkennt der Senat nicht, dass durch die andauernde Fremdpflege in Form von Bindungen des Kindes jetzt Tatsachen geschaffen worden sind, die möglicherweise dazu führen können, dass dauerhaft eine Rückführung ausgeschlossen sein wird. Dies ist aktuell aber noch nicht greifbar. Nach alledem hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil (a.a.O., S. 1459) auch ausgeführt, dass die effektive Achtung des Familienlebens erfordert, das zukünftige Beziehungen zwischen einem Elternteil und seinem Kind nicht durch bloßen Zeitablauf bestimmt werden, also auch nicht ausgeschlossen werden dürfen. Dieser Grundsatz kommt im Übrigen auch bereits im innerstaatlichen Recht zum Ausdruck, denn auch die vom Jugendamt hier bereits frühzeitig herbeigeführten und im Späteren konsequent aufrechterhaltenen Maßnahmen, die die Trennung Js von seinem leiblichen Vater zur Folge hatten, waren und wären in der Folgezeit ohnehin regelmäßig zu überprüfen und ggf. aufzuheben gewesen, § 1696 Abs. 2 und Abs. 3 BGB. So betrachtet, ist der Begriff der "Dauerpflege" von vornherein teilweise irreführend. Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a FGG.

Ende der Entscheidung

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