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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 15.01.2007
Aktenzeichen: 1 UF 195/06
Rechtsgebiete: BGB, VAHRG, BarwertVO, StGB, ZPO, FGG


Vorschriften:

BGB § 1587 b Abs. 1
BGB § 1587 c
BGB § 1587 c Nr. 1
VAHRG § 1 Abs. 3
VAHRG § 10 a Abs. 2
VAHRG § 10 a Abs. 3
VAHRG § 10 a Abs. 7 S. 1
BarwertVO § 2 Abs. 2 S. 4
StGB § 263
ZPO § 517
ZPO § 520
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 e Abs. 3
FGG § 20 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die befristete Beschwerde der verfahrensbeteiligten Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Herford vom 08.08.2006 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Herford vom 18.12.1987 (Az.: 6 b F 318/86) wird in seinem Ausspruch zum Versorgungsausgleich abgeändert und mit Wirkung vom 01.03.2005 wie folgt neu gefasst:

Von dem Versicherungskonto Nr. #####1 des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund werden auf das Versicherungskonto Nr. #####2 der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 244,41 €, bezogen auf den 30.11.1986, übertragen. Der Monatsbetrag der übertragenen Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Pers.-Nr.: #####3) werden auf dem Versicherungskonto Nr. #####2 der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 393,47 €, bezogen auf den 30.11.1986, begründet. Der Monatsbetrag der begründeten Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin wird als unzulässig verworfen.

Die Gerichtskosten tragen die Parteien je zur Hälfte; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Beschwerdewert: 2.000,00 €.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die am 14. April 1960 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den am 11.12.1986 zugestellten Scheidungsantrag durch Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Herford vom 18.12.1987 geschieden. Den Versorgungsausgleich hat das Amtsgericht dahin geregelt, dass im Wege des Rentensplittings nach § 1587 b Abs. 1 BGB zu Lasten der Versorgung des Ehemannes bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Rentenanwartschaft von monatlich 520,55 DM, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 30.11.1986, auf das Rentenkonto der Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte übertragen wurde. Daneben wurde zu Lasten der Versorgung des Ehemannes bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) im Wege des analogen Quasisplittings auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Rentenanwartschaft von monatlich 46,95 DM, bezogen auf den 30.11.1986, begründet. Dabei ist das Amtsgericht von ehezeitlichen gesetzlichen Rentenanwartschaften der Ehefrau von monatlich 188,60 DM und solchen des Ehemannes von monatlich 1.229,70 DM sowie von einer von dem Ehemann bei der VBL erworbenen unverfallbaren Anwartschaft auf nicht dynamische Versicherungsrente von monatlich 476,83 DM, die nach entsprechender Dynamisierung einen Betrag von 93,90 DM ergab, ausgegangen.

Die Ehefrau bezieht seit dem 01.02.2005 aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Altersrente. Der Ehemann bezieht seit dem 01.02.2001 aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Vollrente wegen Alters und von der VBL eine Rente aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes.

Die Ehefrau hat mit Schriftsatz vom 11.02.2005, beim Amtsgericht eingegangen am 14.02.2005, Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich beantragt. Daraufhin hat das Amtsgericht das Verbundurteil vom 18.12.1987 in seinem Ausspruchs zum Versorgungsausgleich dahin abgeändert, dass es im Wege des Rentensplittings nach § 1587 b Abs. 1 BGB vom Versicherungskonto des Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (vormals BfA) auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen Rentenanwartschaften von monatlich 244,41 €, bezogen auf den 30.11.1986, übertragen hat. Darüber hinaus hat es im Wege des analogen Quasisplittings nach § 1 Abs. 3 VAHRG zu Lasten der Versorgung des Ehemannes bei der VBL auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 207,14 €, bezogen auf den 30.11.1986, begründet. Dabei ist das Amtsgericht nach den eingeholten neuen Auskünften der Versorgungsträger von ehezeitlichen (01.04.1960 - 30.11.1986) Anwartschaften der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen in Höhe von monatlich 244,24 DM = 124,88 € und des Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung Bund in Höhe von monatlich 1.200,28 DM = 613,69 €, jeweils bezogen auf das Ende der Ehezeit, ausgegangen. Die für den Ehemann bei der VBL bestehende, bereits laufende ehezeitliche Versorgung von 786,95 € hat das Amtsgericht als im Anwartschaftsstadium statisch und im Leistungsstadium dynamisch bewertet und nach entsprechender Dynamisierung gem. § 2 Abs. 2 S. 4 BarwertVO mit monatlich 810,26 DM = 414,28 € dem Versorgungsausgleich zugrunde gelegt.

Gegen diese Abänderungsentscheidung richtet sich die Beschwerde der VBL. Sie rügt, dass das Amtsgericht die bei ihr erworbene Versorgung des Ehemannes nach der BarwertVO umgerechnet habe. Die Dynamik im Leistungsstadium sei auch zu beachten, wenn zum Ende der Ehezeit noch keine Leistung bezogen worden sei.

Nach Ablauf der Beschwerdefrist hat die Ehefrau, die sich die Ausführungen der Beschwerde zu eigen macht, Anschlussbeschwerde eingelegt.

Der Ehemann verteidigt den angefochtenen Beschluss. Er macht im wesentlichen geltend, die begehrte Abänderung stelle sich als grob unbillig im Sinne des § 10 a Abs. 3 VAHRG dar. Die Antragstellerin habe sich ihm gegenüber eines schweren vorsätzlichen Vergehens, eines Betruges gem. § 263 StGB, schuldig gemacht, indem sie im Unterhaltsrechtsstreit vorsätzlich unwahre Angaben zu ihrer Einkommenssituation gemacht habe.

II.

1.

Die Beschwerde der verfahrensbeteiligten VBL ist gem. §§ 621 e Abs. 1 und 3, 621 Abs. 1 Nr. 6, 517, 520 ZPO zulässig.

Die VBL ist insbesondere beschwerdeberechtigt im Sinne des § 20 Abs. 1 FGG. Gegen Entscheidungen über den Wertausgleich von Versorgungsanwartschaften können die beteiligten Versorgungsträger Beschwerde einlegen, ohne dass es auf ihre finanzielle Mehrbelastung ankommt und ohne Rücksicht darauf, ob sich das Rechtsmittel zugunsten oder zu Lasten des bei ihr versicherten Ehegatten auswirkt. Nach gefestigter Rechtsprechung erfordert die Beschwerdeberechtigung eines am Verfahren beteiligten öffentlich-rechtlichen Versorgungsträgers lediglich einen im Gesetz nicht vorgesehenen, also unrichtigen, Eingriff in ihre Rechtsstellung (Zöller/Phillipi, ZPO, 25. Aufl., § 621 e ZPO Rdnr. 22 - 24 m. w. N.; Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., § 621 e ZPO Rdnr. 9 m. w. N.). Einen solchen Eingriff macht die VBL geltend, indem sie rügt, dass die Rentenanwartschaften falsch bewertet worden seien, die zu Lasten des bei ihr versicherten Ehemannes begründet worden sind.

2.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Die zum Ende der Ehezeit bestehenden Anrechte des Ehemannes aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bei der VBL sind nach der Neuregelung der Zusatzversorgung nach Maßgabe der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2004, 1474) lediglich im Anwartschaftsstadium statisch, im Leistungsstadium dagegen als volldynamisch zu beurteilen. Dementsprechend ist die bereits laufende Betriebsrente des Ehemannes als volldynamisch zu bewerten und deren Ehezeitanteil in Fortführung der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2005, 601, 602), der sich der Senat anschließt, ungekürzt - wie mit der Beschwerde erstrebt - in den Versorgungsausgleich einzubeziehen.

Damit ergibt sich folgende Berechnung:

Der in der Ehezeit erworbenen Versorgung der Ehefrau in Höhe von 124,88 € stehen Versorgungen des Ehemannes von insgesamt 613,69 € und 786,95 € = 1.400,64 € gegenüber, so dass sich eine Ausgleichspflicht des Ehemannes in Höhe von (1.400,64 € - 124,88 € = 1.275,76 € : 2 =) 637,88 € errechnet.

Nach § 1587 b Abs. 1 BGB hat der Versorgungsausgleich durch Rentensplitting in Höhe von (613,69 € - 124,88 € = 488,81 € : 2 =) 244,41 € und nach § 1 Abs. 3 VAHRG durch analoges Quasisplitting in Höhe von (786,95 € : 2 =) 393,47 € zu erfolgen.

Die Wesentlichkeitsgrenze des § 10 a Abs. 2 VAHRG ist erreicht. Der Ausgleichsbetrag von 637,88 € weicht um mehr als 10 % von dem im Ausgangsverfahren ermittelten Ausgleichsbetrag von 567,50 DM = 290,16 € ab.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners liegen die Voraussetzungen für ein Absehen von der Abänderung nach § 10 a Abs. 3 VAHRG nicht vor. Nach § 10 a Abs. 3 VAHRG findet eine Abänderung nur dann nicht statt, wenn sie unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere des Versorgungserwerbs nach der Ehe, grob unbillig wäre. In Anlehnung an § 1587 c Nr. 1 BGB, wonach ein Versorgungsausgleich ausscheidet, soweit er - bei einer Gesamtbetrachtung der versorgungs- und vermögensrechtlichen Situation der Ehegatten - zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht führen würde, soll § 10 a Abs. 3 VAHRG eine Abänderung verhindern, wenn der wirtschaftlich gut gestellte Antragsteller ihrer nicht bedarf und der Antragsgegner auf den streitigen Versorgungsanteil zur Sicherung seines Lebensunterhalts dringend angewiesen ist. Dem Antragsgegner ist zwar darin zuzustimmen, dass für die Auslegung des § 10 a Abs. 3 VAHRG auf die Maßstäbe des § 1587 c BGB zurückgegriffen werden kann. Im Gegensatz zu § 1587 c Nr. 1 BGB, der generell auf die beiderseitigen Verhältnisse der Ehegatten abstellt, beschränkt Abs. 3 die Prüfung jedoch ausdrücklich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten, insbesondere die nacheheliche Versorgungsentwicklung. Andere Gründe, z. B. ein subjektives Fehlverhalten oder die selbst verschuldete Entfernung aus dem Dienst, sind daher nicht einzubeziehen, es sei denn, sie hätten einen unmittelbaren wirtschaftlichen bzw. versorgungsrechtlichen Zug, wie etwa eine bewusste Versorgungsvereitelung zum Schaden des anderen (Johannsen/Henrich/Hahne, a.a.O., § 10 a VAHRG Rdnr. 42, 43). Danach vermag der Vorwurf subjektiven Fehlverhaltens im Streitfall eine grobe Unbilligkeit im Sinne des § 10 a Abs. 3 VAHRG nicht zu begründen. Geht man dagegen davon aus, dass grundsätzlich auch ein subjektives Fehlverhalten Anlass zu einer Billigkeitsabwägung nach § 10 a Abs. 3 VAHRG geben kann, führt dies vorliegend zu keiner anderen Beurteilung, da der - von der Antragstellerin bestrittene - Vortrag des Antragsgegners dazu jedenfalls nicht hinreichend substantiiert und unter Beweis gestellt ist. Im Übrigen wäre das Fehlverhalten der Antragstellerin - dieses als wahr unterstellt - nicht derart schwerwiegend, als das sich die Abänderung des Versorgungsausgleichs für den Antragsgegner als unerträglich darstellen würde. Dies gilt umso mehr, als für das der Antragstellerin vorgeworfene Fehlverhalten im Rahmen der unterhaltsrechtlichen Streitigkeiten der Parteien das Unterhaltsrecht eigene und ausreichende Sanktionen vorsieht.

Gem. § 10 a Abs. 7 S. 1 VAHRG wirkt die Abänderung auf den Zeitpunkt des der Antragstellung folgenden Monatsersten zurück. Das ist - der Antrag wurde mit Eingang bei Gericht am 14.02.2005 gestellt - der 01.03.2005.

3.

Die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin ist unzulässig.

Ein Anschlussrechtsmittel eines Ehegatten ist nicht zulässig, wenn - wie hier - der Träger einer Versorgung ein Hauptrechtsmittel eingelegt hat. Im Übrigen kann sich die Anschließung nur gegen den Beschwerdeführer richten. Verfolgt ein Ehegatte - wie hier die Antragstellerin - mit der Anschließung das selbe Ziel wie die beschwerdeführende VBL, so ist ihm dies unbenommen, eine zulässige Anschließung liegt hierin jedoch nicht (vgl. Zöller/Phillipi, a.a.O., § 621 e Rdnr. 55, 56 m. w. N.).

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG und entspricht billigem Ermessen.

Die Wertfestsetzung folgt aus § 49 Nr. 3 GKG.

Die Rechtsbeschwerde ist im Hinblick auf abweichende oberlandesgerichtliche Entscheidungen (OLG Celle FamRZ 2006, 1041 f.) zur Bewertung nach dem Ende der Ehezeit bezogener teildynamischer Versorgungen im Versorgungsausgleich zugelassen worden (§§ 621 e Abs. 2 S. 1, 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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