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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 03.02.2009
Aktenzeichen: 1 UF 206/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 621 e
BGB § 1671 Abs. 1
BGB § 1671 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bielefeld vom 05. September 2008 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3000,00 €.

Gründe:

I.

Die Parteien, die am 05.05.2005 geheiratet haben und seit dem 14.07.2007 getrennt leben, streiten um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihren am 31.01.2005 geborenen Sohn O.

Der am 14.08.1967 geborene Antragsgegner ist Verwaltungsfachangestellter im C in C2 mit Arbeitszeiten von 7.00 Uhr bis 15.30/16.30 Uhr. Er hat die Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten. Die am 09.10.1967 geborene Antragstellerin ist gelernte Bürokauffrau. Sie hat bis zur Geburt des Sohnes bei der E Bank als Marketingassistentin gearbeitet. Seitdem ist sie Hausfrau und Mutter.

Die Parteien haben gemeinsam in C2 gelebt. Am 14.07.2007 - während der Fahrt in den gemeinsamen Urlaub mit den Eltern des Antragsgegners - trennte sich die Antragstellerin von dem Antragsgegner und kehrte in ihre Heimatstadt C zurück. Sie hat dort eine Wohnung direkt neben der Wohnung ihrer Mutter angemietet. Nachdem sie den Antragsgegner überredet hatte, mit O zu ihr nach C zu kommen, wobei sie ihn jedenfalls in dem Glauben ließ, sie werde mit ihm gemeinsam nach C2 zurückzukehren, verweigerte sie ihm die Mitnahme des Kindes zurück nach C2.

Daraufhin haben beide Parteien wechselseitig Anträge zum Aufenthaltsbestimmungsrecht gestellt. Die Antragstellerin hat ihren Antrag darauf gestützt, dass sie diejenige gewesen sei, die sich seit der Geburt umfassend um O gekümmert habe, so dass es dem Wohl des Kindes entspreche, wenn es auch weiterhin von ihr versorgt werde. Demgegenüber hat der Antragsgegner geltend gemacht, dass die Antragstellerin ungeeignet sei, O zu versorgen, weil sie krankhaft depressiv sei. Es stimme auch nicht, dass sie sich nach der Geburt umfassend um O gekümmert habe. Sie habe das Kind zwar fünf Monate gestillt. Danach sei ihr aber alles zu viel gewesen. Nach der Arbeit habe deshalb er sich bis zum nächsten Morgen um das Kind gekümmert. Was er nicht erledigt habe, hätten seine Eltern erledigt. Diese seien jeden Montag, Mittwoch und Freitag um 13.00 Uhr gekommen, um das Kind und den Haushalt zu übernehmen. Sie hätten O auch mindestens jedes 2. Wochenende, auch oft Freitags über Nacht zu sich nach Hause genommen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 17.08.2007 haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass sich O vorläufig im Wechsel jeweils eine Woche bei dem einen und dann bei dem anderen Elternteil aufhalten soll.

Das Amtsgericht hat nach Einholung eines psychologischen Gutachtens des Sachverständigen L und nach persönlicher Anhörung der Parteien, des Jugendamtes und des Sachverständigen dem Antragsgegner das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen, weil bei gleicher Eignung der Kontinuitätsgrundsatz für den Vater spreche. Nach den Ausführungen des Sachverständigen seien beide Eltern nur gerade noch erziehungsgeeignet. Zwar sei die Chance einer Verbesserung beim Antragsgegner geringer einzuschätzen, weil er von seinem familiären Umfeld "unglückselig" unterstützt werde. Bei der Antragstellerin seien aber ein geringes Selbstbewusstsein und eine abhängige Persönlichkeitsstruktur festzustellen. Dies stelle eine mögliche Gefahr für das Kindeswohl dar. Die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Verschlechterung sei daher bei der Antragstellerin erheblich größer.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie abändernd die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich erstrebt. Die Übertragung auf den Antragsgegner entspreche nicht dem Wohl des Kindes, weil er dem unglückseligen, dominanten Einfluss seiner Eltern unterliege, die sie über die Maßen entwerteten, so dass aufgrund ihrer Dominanz ihre Ausgrenzung im Verhältnis zu ihrem Sohn nicht ausgeschlossen werden könne. Die abwertende Haltung der Großeltern und des Antragsgegners hätte bereits auf O abgefärbt. Demgegenüber könne der Umgebungskontinuität, auf die das Amtsgericht abgestellt habe, mit Rücksicht auf das seit einem Jahr praktizierte Wechselmodell kein wesentliches Gewicht zukommen. Keinesfalls stelle ihre Persönlichkeitsstruktur eine Gefahr für das Kindeswohl dar.

Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss. Er verweist darauf, dass sich O in seiner Obhut in den letzten 5 Monaten weiterhin außerordentlich gut entwickelt habe, so dass kein Grund bestehe, ihn dort herauszureißen. Der Bindung zwischen Mutter und Kind trage er durch ein großzügiges Umgangsrecht Rechnung.

II.

Die Beschwerde der Mutter ist gemäß § 621 e ZPO zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Da die Eltern sich nicht darüber verständigen können, bei welchem Elternteil O bei ansonsten fortbestehender gemeinsamer Sorge seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben soll, hat gemäß § 1671 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB das Gericht zu entscheiden. Zu treffen ist die Entscheidung, die dem Wohl des Kindes unter Berücksichtigung bestehender Bindungen am besten entspricht. Eine Änderung der amtsgerichtlichen Entscheidung wäre daher nur veranlasst, wenn es für das Wohl von O besser wäre, wenn er in der Obhut der Mutter aufwachsen würde. Dafür bieten sich indessen keine hinreichenden Anhaltspunkte.

Der Sachverständige L ist in seinem Gutachten vom 14.05.2008 zu dem Ergebnis gekommen, dass O eine gleich starke Bindung an beide Eltern habe. Beide Eltern unterschieden sich nicht in ihrer Erziehungseinstellung, beide stellten sich vollkommen auf O ein, schliefen mit ihm in einem Bett, spielten mit ihm dieselben Spiele und teilten mit ihm dieselben Rituale. Beide übernähmen Verantwortung für seine Entwicklung, allerdings nur für seine emotionale Entwicklung, für seinen Schutz und für seine sprachliche und kognitive Entwicklung, nicht aber für seine soziale Entwicklung. Bei beiden Eltern könne das Kind keine Verhaltenssicherheit erlernen, da sie ihm keine Grenzen setzten, keiner traue sich, ihn durch erzieherische Vorgaben zu frustrieren. In seiner sozialen Entwicklung sei O daher deutlich retardiert. Die Mutter wirke regelrecht hilflos im Umgang mit ihm. Um den Bedürfnissen eines heranwachsenden und nach Selbständigkeit strebenden Kindes gerecht zu werden, brauche sie erzieherische Hilfe; ähnlich sei es beim Vater. Dabei sei jedoch nicht erkennbar, welcher Elternteil eher in der Lage sei, sein bisheriges Verhalten zu ändern und sich grenzsetzender gegenüber O zu verhalten. Der Vater werde dabei nicht von seinen Eltern unterstützt. Möglicherweise sei die Mutter etwas weniger beratungsresistent als der Vater, der eher auf seine Eltern höre. Allerdings sei das Verhalten der Mutter von Angst geprägt, den Sohn zu verlieren. Sie werde daher vermutlich auch weiterhin alles tun, um es ihm recht zu machen. Da beide Eltern sich in erzieherischer Hinsicht gleich defizitär verhielten, könne er keine konkrete Empfehlung zum künftigen Aufenthalt des Kindes machen. Besser geeignet sei jedenfalls der Elternteil, der die soziale Integration des Kindes besser fördern könne. Soweit der Sachverständige in dieser Beziehung eine etwas größere Hoffnung bei der Mutter gesehen hat, hat er im Senatstermin klargestellt, dass es sich lediglich um eine Vermutung handele. Konkrete Anhaltspunkte für diese Einschätzung habe er nicht. Danach ergeben sich insoweit keine neuen Erkenntnisse, die die Beurteilung des Amtsgerichts in Frage stellen könnten. Unterschiede in der Eltern-Kind-Beziehung und in dem Erziehungsverhalten der Eltern sind nicht erkennbar. Beide Eltern sind gleich gut bzw. wegen der Überbehütung des Kindes gleich schlecht geeignet.

Auch der Gesichtspunkt der personalen Kontinuität legt keine Entscheidung zugunsten des einen oder anderen Elternteils nahe. Die Mutter hat im Senatstermin die vom Vater dargelegte Betreuungssituation während der Zeit ihres Zusammenlebens in C2 bestätigt. Dies habe sich so ergeben. Da dann aber sowohl der Vater als auch dessen Eltern erhebliche Anteile an der Betreuung des Kindes hatten, kann ein überwiegender Betreuungsanteil der Mutter nicht festgestellt werden.

Schließlich besteht gegenwärtig kein hinreichender Anlass, an der Bindungstoleranz des Vaters zu zweifeln. Zwar ist eine gewisse abwertende Haltung des Vaters gegenüber der Mutter nicht zu verkennen, mag diese auch auf dem Einfluss seiner Eltern beruhen. Trotz dieser Haltung besteht jedoch eine im Wesentlichen ohne Probleme funktionierende Umgangsregelung. Umgangskontakte finden regelmäßig alle vierzehn Tage über das Wochenende in C statt und werden vom Vater - wie dieser im Senatstermin betont hat - unterstützt und gefördert. Solange dies aber so ist, bringt allein die Befürchtung der Mutter, der Vater und die Großeltern könnten sie aufgrund ihrer Dominanz ausgrenzen und sie könnte den Kontakt und die Beziehung zu ihrem Kind verlieren, ihr bei der zu treffenden Abwägung keinen Vorteil.

In der sich danach ergebenden Pattsituation hat das Amtsgericht zutreffend der Kontinuität der Umgebung in C2 entscheidendes Gewicht beigemessen, in der O, wie bereits zuvor bis zur Trennung seiner Eltern, seit der amtsgerichtlichen Entscheidung und der Beendigung des Wechselmodells wieder lebt.

Die Kostenentscheidung beruht § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.

Ende der Entscheidung

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