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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.04.2008
Aktenzeichen: 1 VAs 10/08
Rechtsgebiete: StPO, EGGVG
Vorschriften:
StPO § 456a | |
EGGVG § 23 |
Beschluss
Justizverwaltungssache
betreffend M.B.
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden (hier: Entscheidung nach § 456 a StPO).
Auf den Antrag des Betroffenen vom 17. Januar 2008 auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft Krefeld vom 30. Oktober 2007 in der Form des Beschwerdebescheides des Generalstaatsanwalts in Düsseldorf vom 12. Dezember 2007 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08. 04. 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Generalstaatsanwalts in Hamm beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.
Der Geschäftswert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Betroffene ist rumänischer Staatsangehöriger. Das Landgericht Krefeld verurteilte ihn am 06. Dezember 2005 in dem Verfahren 22 StK 2 Js 853/04 - 25/05 unter Einbeziehung einer weiteren Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Krefeld vom 19. August 2005 (22 StK 5 Js 212/01 - 12/05) wegen schweren Bandendiebstahls in 23 Fällen, in 2 Fällen davon in der Form des Versuchs, sowie wegen Diebstahls in 42 weiteren Fällen, davon in einem Fall in der Form des Versuchs, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren und 6 Monaten. Der Betroffene und seine Mittäter hatten in der Zeit von April 2001 bis Januar 2005 eine Vielzahl von Kraftfahrzeugen aufgebrochen und waren außerdem in zahlreiche Geschäftsräume eingedrungen, um sich in den Besitz von Bargeld oder Wertgegenständen zu setzen.
Der Betroffene verbüßt diese Strafe gegenwärtig in der Justizvollzugsanstalt Dortmund. Die Hälfte der Strafe wird am 25. Oktober 2009 und 2/3 werden am 25. Mai 2011 verbüßt sein. Das Strafende datiert auf den 25. September 2014. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 24. Januar 2007 hat der Oberbürgermeister der Stadt Aachen die Ausweisung und Abschiebung des Betroffenen angeordnet.
Bereits mit Schreiben vom 05. Mai 2006 beantragte der Betroffene, ihn "wenn es möglich ist, schnell nach Rumänien abzuschieben", weil seine Familie dort lebe und er sich insbesondere für seine jüngeren Geschwister verantwortlich fühle. Die Staatsanwaltschaft Krefeld wies den Antrag mit Entscheidung vom 21. Mai 2006 zurück, weil aufgrund der hohen Schuld, die der Betroffene auf sich geladen habe, auch unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Betroffenen, eine Abschiebung jedenfalls vor Verbüßung der Hälfte der Strafe nicht in Betracht komme. Der Betroffene hat diese Entscheidung nicht angefochten.
Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 25. September 2007 beantragte der Betroffene erneut von der weiteren Strafvollstreckung abzusehen und verwies darauf, dass sein Vater 2001 verstorben sei und er sich nach dem Tod seines Vaters im Jahr 2001 nunmehr als Familienoberhaupt für seine Mutter und seine 7 jüngeren Geschwister verantwortlich fühle. Er sei zwei Mal als Erntehelfer nach Deutschland eingereist, habe aber zuletzt keine Arbeit mehr gefunden, sondern "falsche Freunde" getroffen, die ihm versprochen hätten, "in kürzerer Zeit viel Geld zu verdienen". Er habe auch in anderen Strafverfahren, in denen er nicht Beschuldigter gewesen sei, Aussagen gemacht, die erheblich zur Aufklärung schwerer Straftaten beigetragen hätten. Auch der damalige Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft habe geäußert, dass "wegen der Aufklärungstätigkeit (des Betroffenen) mit einer Entscheidung nach § 456 a StPO ab dem 1/3-Zeitpunkt gerechnet" werden könne. Die gegenwärtige Vollstreckung der Strafhaft treffe ihn besonders schwer, weil er sich erstmals in Haft befinde und weil er aufgrund von Sprachbarrieren und seiner Abstammung aus einem anderen Kulturkreis in seinen Kontaktmöglichkeiten eingeschränkt sei. Besuche von Familienangehörigen seien "nahezu ausgeschlossen". Seine schwerkranke Mutter, die von seiner Inhaftierung nichts wisse, erwarte täglich seine Rückkehr und er befürchte, dass er sie im Falle weiterer Strafvollstreckung nicht mehr lebend wiedersehen werde.
Die Staatsanwaltschaft Krefeld hat den Antrag mit Bescheid vom 30. Oktober 2007 zurückgewiesen und dazu ausgeführt, dass schwerwiegende Gründe gegen ein Absehen von der weiteren Strafvollstreckung sprechen würden, weil die bei den Taten zu Tage getretene kriminelle Energie beachtlich sei. Der Betroffene habe aus reinem Gewinnstreben gehandelt und große Schuld auf sich geladen. Auch sei zu berücksichtigen, dass angesichts der von dem Verurteilten begangenen Straftaten eine abschreckende Wirkung auf mögliche künftige Täter nur bewirkt werden könne, wenn empfindliche Freiheitsstrafen nicht nur ausgesprochen, sondern auch weitgehend vollstreckt würden. Demgegenüber müssten die von dem Betroffenen vorgetragenen persönlichen, familiären und sozialen Belange zurückstehen. Der Briefkontakt mit seiner Mutter sei gewährleistet. Deren schlechter Gesundheits-zustand rechtfertige ein Absehen von der Strafvollstreckung gegenwärtig nicht.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde des Betroffenen blieb erfolglos. Der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf hat das Rechtsmittel mit Entschließung vom 12. Dezember 2007 zurückgewiesen und dazu bemerkt, dass sich der Betroffene, obwohl sein Vater bereits verstorben war, auch in der Zeit von April 2001 bis Januar 2005 überwiegend nicht in Rumänien bei seiner Familie aufgehalten habe. Nach den vorgelegten Geburtsurkunden sei davon auszugehen, dass die Geschwister zum Teil schon in einem Alter seien, in dem sie eine persönliche Führung nicht mehr benötigen würden und bei den übrigen die erforderliche Aufsicht durch die älteren Geschwister wahrgenommen werden könnte. Im Übrigen sei der Umstand, dass der Betroffene bei der Aufklärung weiterer Straftaten behilflich gewesen sei, bei der Strafzumessung bereits berücksichtigt worden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG. Er ist der Auffassung, dass er durch die angegriffenen Bescheide "in seinem Recht auf Resozialisierung wie auch in seinen Freiheitsrechten" massiv beeinträchtigt werde. Auf die von ihm vorgebrachten Argumente sei die Vollstreckungsbehörde "nicht ansatzweise" eingegangen. So sei nicht berücksichtigt worden, dass er nach Deutschland gekommen sei, um als Erntehelfer für seine Familie Geld zu verdienen. Nicht ausreichend sei in der Entscheidung der Vollstreckungsbehörde außerdem gewürdigt worden, dass er in anderen Verfahren "Aufklärungshilfe" geleistet habe und ihm auch der Sitzungsvertreter der damalige Staatsanwaltschaft eine "frühzeitige Zurückstellung" der Strafvollstreckung "in Aussicht" gestellt habe.
Der Generalstaatsanwalt in Hamm hat beantragt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zu verwerfen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gem. §§ 23 ff. EGGVG zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtene Entschließung der Vollstreckungsbehörde unterliegt nicht unbeschränkt der gerichtlichen Nachprüfung, denn die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde, bei einem aus dem Inland ausgewiesenen Verurteilten von der weiteren Vollstreckung abzusehen, liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Der Senat hat deshalb gem. § 28 Abs. 3 EGGVG nur zu prüfen, ob bei der Ermessensentscheidung fehlerfrei verfahren wurde, ob also die Vollstreckungsbehörde von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie die Grenzen des Ermessens eingehalten und von ihm in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Um die gerichtliche Nachprüfung der Ermessensausübung zu ermöglichen, müssen die Gründe einer ablehnenden Entscheidung der Vollstreckungsbehörde die dafür wesentlichen Gesichtspunkte mitteilen und eine Abwägung der für und gegen ein Absehen von der weiteren Vollstreckung sprechenden Umstände erkennen lassen (OLG Hamm NStZ 1983, S. 524; KG StV 1989, S. 27; OLG Karlsruhe ZfStrVO 2000, S. 251). Diese eingeschränkte Überprüfung ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Antragstellers, denn ein Absehen von der Vollstreckung mehr als 20 Monate vor Verbüßung der Halbstrafe kann ersichtlich nicht in Betracht kommen.
Zutreffend hat die Strafvollstreckungsbehörde auf den hohen Unrechtsgehalt der abgeurteilten Straftaten abgestellt, der auch in der Höhe der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren und 6 Monaten zum Ausdruck kommt. Die Vielzahl der aus reinem Gewinnstreben verübten Einzeltaten, die über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg begangen wurden und zu einem erheblichen materiellen Schaden geführt waren, dokumentieren eine hohe kriminelle Energie. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass die Vollstreckungsbehörde dem Unrechtsgehalt der Taten eine besondere Bedeutung beigemessen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Juli 1997 - 1 VAs 55/97).
Auch darin, dass die Staatsanwaltschaft Krefeld und der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf bei Vornahme einer Abwägung das mit den Umständen der Taten und der Schwere der Schuld begründete öffentliche Interesse an einer weiteren Strafverbüßung über das des Antragstellers an einem Leben außerhalb Deutschlands unter Berücksichtigung seiner persönlichen und familiären Situation gestellt haben, ist ein fehlerhafter Ermessensgebrauch nicht zu erkennen. Soweit der Betroffene sich darauf beruft, er fühle sich als "Familienoberhaupt" verpflichtet, seinen Geschwistern und seiner Mutter in Rumänien beizustehen, hat die Staatsanwaltschaft zu Recht darauf abstellt, dass der Betroffene sich nach dem Tod seines Vaters im Jahr 2001 über mehrere Jahre hinweg kaum in Rumänien aufgehalten hat, in Deutschland jedoch eine Vielzahl schwerer Straftaten begangen hat und seiner Familie in dieser Zeit auch keine Hilfe gewesen ist.
Zutreffend hat die Vollstreckungsbehörde berücksichtigt, dass der Betroffene zur Aufklärung weiterer Straftaten beigetragen hat und dieser Umstand auch schon im Rahmen der Strafzumessung des Urteils vom 06. Dezember 2005 Erwähnung gefunden hat. Soweit der Betroffene jedoch behauptet, er habe auch in dem Verfahren gegen den Rumänen Traiam Mechno in der Hauptverhandlung vom 10. Oktober 2007 vor dem Amtsgericht Geldern noch weiter erheblich zur Aufklärung von Straftaten beigetragen, ist allerdings zu bemerken, dass Mechno auch aufgrund von DNA-Spuren überführt war, eine Verurteilung dieses Angeklagten wegen banden-mäßiger Begehung von Diebstahlstaten aber aufgrund von "Erinnerungslücken" des Betroffenen nicht bestätigt werden konnte.
Der Betroffene kann sich schließlich auch nicht auf eine Zusage des Oberstaatsanwalts Gehring, des damaligen Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, berufen, dass bereits nach Verbüßung von 1/3 der erkannten Freiheitsstrafe von der weiteren Vollstreckung abgesehen werde. Oberstaatsanwalt Gehring hat dazu in seiner dienstlichen Stellungnahme vom 18. Februar 2008 ausdrücklich bemerkt, er habe in seinem "gesamten Berufsleben" in keinem Fall ein Absehen von der Vollstreckung bereits nach Verbüßung von 1/3 der zu verbüßenden Freiheitsstrafe zugesagt, da er dies "für unvertretbar halte". Der Senat hält deswegen die Version von einem derartig frühzeitigen Absehen von der weiteren Strafvollstreckung für eine freie Erfindung des Betroffenen.
Die Staatsanwaltschaft hat schließlich mit ihrer ablehnenden Entschließung auch nicht gegen sie bindende Verwaltungsvorschriften verstoßen, denn der Betroffene wird erst im Oktober 2009 die Hälfte der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe verbüßt haben.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war somit als unbegründet zu verwerfen.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 30 EGGVG, 130, 30 KostO.
Ende der Entscheidung
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