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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 11.04.2000
Aktenzeichen: 1 VAs 18/2000
Rechtsgebiete: GwG, EGGVG, StGB, KostO


Vorschriften:

GwG § 9
GwG § 9 Abs. 1
GwG § 10
GwG § 10 Abs. 2
EGGVG § 23 ff.
EGGVG § 30
StGB § 261
StGB § 261 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
KostO § 30
KostO § 130
Leitsatz:

Eine Heranziehung und Verwendung der nach § 9 Geldwäschegesetz erhobenen Daten durch Private ist mit: dem Grundgesetz nicht vereinbar, so dass aus diesem Grund auch keine Einsicht in solche Aufzeichnungen enthaltende Akten an Dritte gewährt werden darf, auch wenn diese ein berechtigtes Interesse haben.


OBERLANDESGERICHT HAMM

BESCHLUSS

1 VAs 18/2000 OLG Hamm 2 AR (VA) 13/2000 GStA Hamm 112 Js 38/2000 StA Paderborn

Justizverwaltungssache

wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden,

(hier: Ablehnung eines Akteneinsichtsgesuchs).

Auf den Antrag des Antragstellers vom 17. Februar 2000 auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft Paderborn vom 4. Februar 2000 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11. April 2000 durch

den Richter am Oberlandesgericht Leygraf,

die Richterin am Oberlandesgericht Stilke-Wassel und

den Richter am Oberlandesgericht Breidenbach

nach Anhörung des Generalstaatsanwalts in Hamm beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird auf Kosten des Antragstellers als unbegründet verworfen.

Der Gegenstandswert wird auf 5.000,- DM festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsteller ist mit Beschluss des Amtsgerichts Paderborn vom 7. Dezember 1999 im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Schwerpunkt des Insolvenzverfahrens ist die Überprüfung einer Vielzahl von Vermögensverfügungen des Schuldners zugunsten seiner Ehefrau, sowie seiner Kinder. Bei der Staatsanwaltschaft Paderborn ist unter dem Aktenzeichen 112 Js 38/2000 ein Ermittlungsverfahren gegen Frau anhängig. In den Akten des Ermittlungsverfahrens befinden sich im Wesentlichen die nach § 9 Abs. 1 Geldwäschegesetz (GwG) gefertigten Aufzeichnungen.

Der Antragsteller geht davon aus, dass sich aus den Ermittlungsunterlagen wichtige Aufschlüsse bezüglich des Bestehens weiterer Konten bzw. der Konkretisierung von Transaktionen ergeben. Aus diesem Grunde hält er die Einsichtnahme und Auswertung der Unterlagen für die ordnungsgemäße Bearbeitung des Insolvenzverfahrens für erforderlich.

Unter dem 24. Januar 2000 hat der Antragsteller bei der Staatsanwaltschaft Paderborn Einsicht in die Akten des Ermittlungsverfahrens gegen Frau beantragt. Mit Verfügung vom 4. Februar 2000 hat die Staatsanwaltschaft Paderborn das Akteneinsichtsgesuch abgelehnt. Zur Begründung ist ausgeführt, die Vorschrift des § 10 GwG stehe einer Akteneinsicht des Insolvenzverwalters in Aufzeichnungen aus Geldwäscheanzeigen und Ermittlungen entgegen. Gegen diesen Bescheid richtet sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 17. Februar 2000.

Der Antrag ist gemäß § 23 EGGVG statthaft, da für Entscheidungen der Staatsanwaltschaft über die Akteneinsicht Dritter der Rechtsweg nach § 23 EGGVG offensteht.

Auch im Übrigen ist der Antrag zulässig, in der Sache selbst ist ihm indes der Erfolg zu versagen, da die Staatsanwaltschaft das Gesuch des Antragstellers zu Recht abgelehnt hat.

Nach Nr. 185 III. RistBV wird einem bevollmächtigten Rechtsanwalt Akteneinsicht gewährt, wenn er ein berechtigtes Interesse darlegt und wenn sonst Bedenken nicht bestehen.

Vorliegend steht dem Akteneinsichtsgesuch § 10 GwG entgegen. Nach dieser Vorschrift dürfen die nach § 9 Abs. 1 GwG gefertigten Aufzeichnungen nur zur Verfolgung einer Straftat nach § 261 StGB und der in § 261 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 5 StGB genannten Straftaten für Zwecke eines Strafverfahrens herangezogen und verwendet werden. Hintergrund dieser Regelung ist, dass das Geldwäschegesetz in § 9 zur Erhebung von Informationen über Privatpersonen zu im Einzelfall unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken verpflichtet. Erst im Nachhinein wird sich im Einzelfall zeigen, ob die Daten zum Nachweis einer Geldwäsche dienen können. Diese Regelung tangiert das Bankgeheimnis und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983 (NJW 1984, 419) auf der Basis des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Grundsätze zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung herausgearbeitet. Eine Informationserhebung auf Vorrat zu im Einzelfall unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken stellt danach grundsätzlich einen Eingriff in dieses Grundrecht dar. Dieser ist nur dann gerechtfertigt, wenn er dem ebenfalls verfassungsrechtlich verankerten, im Allgemeininteresse liegenden Schutz des Rechtsguts der Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung dient. Dies gilt insbesondere, wenn es um die Bekämpfung der organisierten Kriminalität geht, der mit anderen, weniger einschneidenden Mitteln nicht beizukommen ist. Stellt aber nur das Strafverfolgungsinteresse nach einer Güterabwägung eine Rechtfertigung des durch § 9 GwG veranlassten Grundrechtseingriffs dar, so folgt daraus zugleich, dass die nach § 9 GwG erhobenen Daten nicht Privaten aus finanziellen Interessen zur Verfügung gestellt werden dürfen. Eine Nichtbeachtung der Verwertungsbeschränkung des § 10 GwG stellt danach eine Verletzung des Bankgeheimnisses dar (Fülbier/Aepfelbach, Geldwäschegesetz, § 10 Rdnr, 4 ff., Rdnr: 34).

Um eine Ausnahmeregelung handelt es sich bei § 10 Abs. 2 GwG. Danach dürfen die Aufzeichnungen nach § 9 auch für Besteuerungsverfahren und für Strafverfahren wegen Steuerstrafsachen verwendet werden. Hintergrund dieser Regelung ist, dass professionelle Geldwäscheorganisationen vielfach Techniken anwenden, die nicht nur der Geldwäsche; sondern auch der Steuerhinterziehung dienen.

Nach alledem dient die Informationserhebung nach dem Geldwäschegesetz ausschließlich staatlichen Zwecken. Daraus folgt, dass eine Heranziehung und Verwendung dieser Daten durch Private mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist, so dass aus diesem Grunde auch keine Einsicht in solche Aufzeichnungen enthaltende Akten gewährt werden darf.

Nach alledem musste der Antrag als unbegründet verworfen werden.

Die Nebenentscheidung folgt aus §§ 30 EGGVG, 30, 130 KostO.

Ende der Entscheidung

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