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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.07.2005
Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 115/05
Rechtsgebiete: StVOllzG


Vorschriften:

StVOllzG § 116
Die Strafvollstreckungskammer muss das Begehren des Gefangenen, den für erwiesen erachteten Sachverhalt und die von der Vollzugsbehörde zugrunde gelegten entscheidungserheblichen Tatsachen in den Gründen des Beschlusses wenigstens in gedrängter Form darlegen, damit eine rechtliche Überprüfung anhand der tatrichterlichen Feststellungen der Strafvollstreckungskammer ermöglicht wird. Diese Anforderungen sind auch durch das siebte Gesetz zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes vom 23. März 2005 nicht grundlegend geändert worden.
1 Vollz (Ws) 114/05 OLG Hamm 1 Vollz (Ws) 115/05 OLG Hamm

Beschluss

Maßregelvollzugssache

betreffend den Untergebrachten H.M.

wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Vollzugsbehörden,

(hier: Beschränkung des Umgangs mit Bargeld).

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 23. Juni 2005 gegen den Beschluss der 19. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 2. Mai 2005 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21. 07. 2005 durch die Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug Nordrhein-Westfalen beschlossen:

Tenor:

1. Die Rechtsbeschwerde wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

2. Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes aufgehoben.

3. In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Münster verwiesen.

Gründe:

I.

Der Betroffene befindet sich zurzeit im Maßregelvollzug in der Westfälischen Maßregelvollzugsklinik Rheine. Mit Verfügung vom 10. Januar 2005 ordnete die ärztliche Leiterin der Klinik an, dass den Patienten der Vollzugseinrichtung zukünftig für die Bezahlung von geldwerten Gütern und Leistungen nur noch die Benutzung einer Geldkarte gestattet werde, die Bezahlung mittels Bargeld deshalb nicht mehr erlaubt sei. Dementsprechend wurde auch das Taschengeld nicht mehr in bar ausgezahlt. Aus "rein organisatorischen Gründen" wurde diese Anordnung später mit Wirkung vom 1. März 2005 dahingehend abgeändert, dass die Patienten der Klinik monatlich über 30,- € Bargeld verfügen durften, für den darüber hinausgehenden Zahlungsverkehr aber die Verwendung einer Geldkarte vorgeschrieben war.

Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung wendet sich der Betroffene sowohl gegen den zunächst mit Wirkung vom 10. Januar 2005 verfügten vollständigen Ausschluss der Benutzung von Bargeld, wie auch gegen die mit Wirkung vom 1. März 2005 angeordnete Beschränkung der Verfügung über Bargeld auf 30,- € monatlich.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet verworfen und dazu u.a. Folgendes ausgeführt:

"Soweit der Antrag des Betroffenen sich auf die Vergangenheit bezieht, ist schon zweifelhaft, ob noch ein Feststellungsinteresse besteht, da die Regelung nur kurze Zeit in Kraft war und ab dem 01.03.2005 geändert worden ist.

Die von der Anstalt getroffene Regelung, nur einen Teil von 30,00 EUR des monatlichen Taschengeldes in Bar auszuzahlen ist nicht zu bestanden. Hintergrund dieser Regelung ist unter anderem, zu vermeiden, dass infolge von Bargeldverkehr innerhalb der Anstalt zwischen den anderen Patienten Abhängigkeitsverhältnisse entstehen. Eine solche Regelung, die in gewissen Bereichen auch den Regelungen des Strafvollzugsgesetzes für Strafgefangene entspricht, soll vermeiden, dass z. B. Geschäfte innerhalb der Anstalt getätigt werden und dadurch Abhängigkeiten oder Druck ausgeübt werden kann. Dieses dient letztlich auch wiederum therapeutischen Zwecken, insbesondere wird dadurch die Durchführung der Therapie gefördert.

Die Patienten werden hierdurch auch nicht übermäßig belastet, da in Einzelfällen auf begründeten Antrag von dieser Regelung abgewichen werden kann bzw. für besondere Arten von Versorgungsleistungen Sonderregelungen in der Anstalt getroffen worden sind.

Die Kammer sieht jedoch keinen Anlass dafür, die zuvor durchgeführte Regelung als rechtswidrig festzustellen. Aus dem Sinn und Zweck des Maßregelvollzugsgesetzes ergibt sich nicht zwingend, dass zur Regelung der täglichen Geldgeschäfte Bargeld erforderlich ist. Es ist in diesem Zusammenhang z. B. aus pädagogischen Gründen genau so vertretbar, die Klinikpatienten an den Gebrauch von bargeldlosen Zahlungsverkehr zu gewöhnen, der inzwischen auch im täglichen Leben immer mehr um sich greift.

Soweit der Betroffene geltend macht, die Überlassung von lediglich 30,00 EUR sei ermessens- und rechtsfehlerhaft, ist auch dieser Antrag unbegründet.

Hinsichtlich der zunächst erfolgten Regelung ist schon zweifelhaft, ob noch ein Feststellungsinteresse des Betroffenen besteht, da ihm materiell kein Schaden entstanden ist und allenfalls die erschwerte Verfügbarkeit seines Geldes ihn belastet hat."

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Darin trägt er u.a. vor, die Strafvollstreckungskammer habe nicht geprüft, ob die Vollzugsbehörde von einem vollständig und zutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen sei, sie habe vielmehr die Versagung bzw. Einschränkung des Besitzes von Bargeld mit einer Begründung verweigert, die -nach seiner Kenntnis - von der Vollzugsbehörde gar nicht vorgetragen worden sei. Die Strafvollstreckungskammer sei aber nicht befugt , eigene -neue - Erwägungen anzustellen, die sie selbst für sachdienlich halte.

II.

Der Senat hat die in zulässiger Weise erhobene Rechtsbeschwerde des Betroffenen zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen (§ 116 Abs. 1 StVollzG).

Das Rechtsmittel hat auch - einen zumindest vorläufigen - Erfolg, weil der Beschluss an einem durchgreifenden Mangel leidet. Die Gründe des angefochtenen Beschlusses lassen nicht in der gebotenen Weise erkennen, welchen Sachverhalt das Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung unter Hinweis auf die Besonderheiten des revisionsrechtlich ausgestalteten Rechtsbeschwerdeverfahrens in Strafvollzugssachen ausgeführt, dass die Strafvollstreckungskammer das Begehren des Gefangenen, den für erwiesen erachteten Sachverhalt und die von der Vollzugsbehörde zugrunde gelegten entscheidungserheblichen Tatsachen in den Gründen des Beschlusses wenigstens in gedrängter Form darzulegen hat, damit eine rechtliche Überprüfung anhand der tatrichterlichen Feststellungen der Strafvollstreckungskammer ermöglicht wird (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 15. März 2005 - 1 Vollz (Ws) 21/05 -; Senatsbeschluss vom 28. Juli 1998 - 1 Vollz (Ws) 173/98 - mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Diese Anforderungen sind auch durch das siebte Gesetz zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes vom 23. März 2005 nicht grundlegend geändert worden. Zwar darf die Strafvollstreckungskammer nunmehr wegen der Einzelheiten auf die bei den Gerichtsakten befindlichen Schriftstücke verweisen. Diese sind jedoch genau zu bezeichnen. Im übrigen ist es nach wie vor erforderlich, den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen.

Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Beschluss nicht. Ihm ist schon nicht zu entnehmen, aufgrund welcher tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen die Vollzugsbehörde den Zahlungsverkehr innerhalb der Vollzugseinrichtung zunächst vollständig auf die Benutzung von Geldkarten beschränkt hat und warum sie später mit Wirkung vom 1. März 2005 die Benutzung von Bargeld bis zu einem monatlichen Gesamtbetrag von 30,- € wieder gestattete. Eine Auseinandersetzung mit der Rechtslage, wie sie sich aus § 14 Abs. 4 MRVG, NW § 10 Abs. 3 DVO-MRVG ergibt, lässt der angefochtene Beschluss jedenfalls vollständig vermissen (vgl. dazu u.a. Kammeier, Maßregelvollzugsrecht, 2. Aufl. S. 163, 164 und auch Prütting, MRVG und PsychKG NRW, B. § 14 Rn. 21). Der Senat kann daher nicht überprüfen, welche Gründe die Vollzugsbehörde veranlasst haben, den Besitz von Bargeld innerhalb der Vollzugseinrichtung zu verbieten bzw. einzuschränken.

Soweit die Strafvollstreckungskammer zur Begründung ihrer Entscheidung ausführt, die hier von dem Betroffenen angefochtene Regelung sei erforderlich, um Abhängigkeitsverhältnisse zu vermeiden und die Patienten an den heute im täglichen Leben weitgehend üblichen bargeldlosen Zahlungsverkehr zu gewöhnen, ist dem Beschluss schon nicht zu entnehmen, ob sich hierbei um eigene - in diesem Fall unzulässige - Erwägungen der Strafvollstreckungskammer handelt oder um solche der Maßregelvollzugsbehörde. Im letzteren Fall ergibt sich aus dem Beschluss allerdings nicht, auf welche Art und Weise die Strafvollstreckungskammer diese Erkenntnisse erlangt hat. Jedenfalls hätte die Kammer es dann versäumt, dem Betroffenen dazu rechtliches Gehör zu gewähren.

Der angefochtene Beschluss war deshalb aufzuheben.

III.

Der Senat hat bereits in dem Verfahren 1 Vollz (Ws) 99/05 darauf hingewiesen, dass die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld zur Entscheidung in Vollzugsverfahren, die den Maßregelvollzug in der Westfälischen Klinik in Rheine betreffen, örtlich nicht zuständig ist, weil die Westfälische Landesklinik Rheine, in der sich der Betroffene seit Januar 2005 befindet, über eine eigenständige ärztliche therapeutische Leitung verfügt und damit als Vollzugsbehörde i.S.d. § 110 StVollzG anzusehen ist. Für Anträge auf gerichtliche Entscheidung ist aber stets diejenige Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die therapeutische Leitung ihren Sitz hat. Das ist in diesem Fall die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Münster Zur erneuten Behandlung und Entscheidung war das Verfahren deshalb an das Landgericht Münster zu verweisen.

Ende der Entscheidung

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