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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 14.08.2001
Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 178/01
Rechtsgebiete: StVollzG, MRVG


Vorschriften:

StVollzG § 109
MRVG § 7
Ist die Strafvollstreckungskammer gehindert, eine Sachentscheidung zu treffen, weil sie die Ermessensentscheidung der Vollzugsbehörde nicht auf Ermessensfehler überprüfen konnte, nachdem diese sich am gerichtlichen Verfahren nicht beteiligt hat, ist eine aufgrund eigener Erwägungen getroffene Entscheidung der unzulässig. Ggf. hat die Strafvollstreckungskammer den Weg der Dienstaufsicht zu beschreiten, um den Maßregelvollzug zur Vorlage der notwendigen Unterlagen zu veranlassen .
1 Vollz (Ws) 178/01 OLG Hamm Senat 1

Beschluss

Maßregelvollzugssache

betreffend den M.H.,

wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Vollzugsbehörde

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 29. Juni 2001 gegen den Beschluss der 1. kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kleve vom 23. Mai 2001 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14.08.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug NRW einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kleve zurückverwiesen.

Gründe:

Der Betroffene hat am 23. November 2000 bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kleve einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG gestellt. Gegenstand seines Begehrens war es, ihm die Nutzung eines batteriebetriebenen Walkmans mit integriertem Tunerteil über den Zeitraum von 21.45 Uhr eines jeden Tages hinaus zu gestatten. Der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer hat daraufhin mit Verfügung vom 29. November 2000 den Antrag auf gerichtliche Entscheidung den Rheinischen Kliniken in Bedburg-Hau mit der Bitte um Stellungnahme unter Beifügung der für die Entscheidung bedeutsamen Auszüge aus den "Krankenakten" zugeleitet. An die hier erbetene Stellungnahme hat der Vorsitzende mit Verfügung vom 9. Februar 2001 erinnert. Nachdem der Maßregelvollzugsleiter der Rheinischen Klinik Bedburg-Hau auch in der Folgezeit weder die angeforderten Auszüge überreicht noch Stellung zu dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung genommen hatte, hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag mit Beschluss vom 23. Mai 2001 zurückgewiesen und dazu u.a. ausgeführt:

"Der Antragsgegner hat keine Stellung genommen. Der Antrag hatte jedoch keinen Erfolg. Es ist nämlich nicht zu beanstanden, dass dem Antragsteller aus Gründen der Sicherheit und Hausordnung in der Nachtzeit kein Walkman mit Tunerteil überlassen bleibt. Bereits aus Sicherheitsgründen scheidet eine uneingeschränkte Überlassung eines Walkmans aus (vgl. OLG Koblenz ZfStrVo 88, 372). Im Übrigen ist es aber auch allgemeinkundig, dass auch Walkman mit Kopfhörer erhebliche störende Geräusche verursachen, die in der Nachtzeit nicht hinzunehmen sind."

Gegen diese Entscheidung richtet sich die in zulässiger Weise erhobene Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Das Rechtsmittel hat - einen zumindest vorläufigen - Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer.

Gemäß § 7 MRVG darf ein Untergebrachter Gegenstände für Fortbildung und Freizeit besitzen - und damit nutzen -, soweit dies mit dem Zweck der Unterbringung (Therapie), dem geordneten Zusammenleben und der Sicherheit in der Maßregelvollzugsanstalt zu vereinbaren ist. Über einen darauf gerichteten Antrag eines Gefangenen hat die Vollzugsbehörde im Rahmen des ihr zustehenden pflichtgemäßem Ermessen zu befinden. Versagt sie die beantragte Besitzgestattung oder schränkt sie diese - wie hier - ein, so beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung der Ermessensausübung auf die Ermittlung und Feststellung des Sachverhaltes, auf dem die Entscheidung der Vollzugsbehörde beruht und auf die Prüfung, ob diese von dem ihr eingeräumten Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Die Strafvollstreckungskammer darf demgegenüber keine zusätzlichen Tatsachen ermitteln, die die getroffene Entscheidung rechtfertigen könnten, und ist insbesondere auch nicht befugt, eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens zu setzen.

Diesen Anforderungen genügt die angefochtene Entscheidung nicht. Die Strafvollstreckungskammer war gehindert, eine Sachentscheidung zu treffen, weil sie die Ermessensentscheidung der Vollzugsbehörde nicht auf Ermessensfehler überprüfen konnte, nachdem diese sich am gerichtlichen Verfahren nicht beteiligt hatte und auch die Gründe der im Verwaltungsverfahren getroffenen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer nicht vorlagen. Die Versagung der Besitzgestattung aufgrund eigener Erwägungen der Strafvollstreckungskammer erweist sich damit als unzulässig. Das gilt auch dann, wenn - wie hier - der Leiter der Maßregelvollzugseinrichtung ohne Angaben von Gründen sich nach mehr als sechs Monaten offensichtlich nicht bereitgefunden hat, am gerichtlichen Verfahren in der erforderlichen und gesetzlich gebotenen Weise mitzuwirken.

In einem solchen Fall hat die Strafvollstreckungskammer notfalls den Weg der Dienstaufsicht zu beschreiten, um den Maßregelvollzug zur Vorlage der entsprechenden Unterlagen zu veranlassen (1 Vollz (Ws) 70/89 OLG Hamm).

Der angefochtene Beschluss war damit aufzuheben und zur erneuten Behandlung und Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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