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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.07.2006
Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 481/06
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 29 Abs. 1
StVollzG § 29 Abs. 2
StVollzG § 29 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der angefochtene Beschluß wird mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes aufgehoben, soweit darin die Kontrolle der von dem Betroffenen ausgehenden Post an Behörden aufgehoben worden ist.

Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gegen die Entscheidung des Leiters der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I, die Kontrolle von Behördenpost durchzuführen, wird insgesamt als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Betroffenen auferlegt.

Gründe:

I.

Der Betroffene verbüßt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I; anschließend ist die Vollziehung der Sicherungsverwahrung notiert.

In der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I wird generell der Briefverkehr sämtlicher Gefangener überwacht, unabhängig davon, ob der einzelne Gefangene ein Sicherheitsrisiko darstellt.

Mit seiner Eingabe vom 16.01.2006 wendete sich der Betroffene gegen die Überwachung seines Briefwechsels. Der Präsident des Landesjustizvollzugsamtes wies mit Bescheid vom 01.02.2006 den Widerspruch des Betroffenen mit der Begründung zurück, bei der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I, bei der es sich um eine Anstalt der höchsten Sicherheitsstufe handele, sei die generelle Überwachung des Briefverkehrs aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt unabdingbar; zudem sei die Überwachung zur Gewinnung behandlungsnotwendiger Erkenntnisse erforderlich.

Mit Schreiben vom 15.02.2006 hat der Betroffene auf gerichtliche Entscheidung angetragen, wobei er jedoch nur noch die Aufhebung der Briefkontrolle hinsichtlich des Schriftverkehrs mit Behörden gerichtlich verfolgt.

Mit Beschluß vom 07.06.2006 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hinsichtlich der Kontrolle ausgehender Behördenpost für begründet gehalten und unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags die Kontrolle der von dem Betroffenen ausgehenden Post an Behörden aufgehoben.

Zur Begründung hat die Strafvollstreckungskammer insoweit ausgeführt, bei ausgehender Behördenpost bestehe eine Gefahr, dass nicht überwachte Gefangene sicherheitsgefährdende Kontakte zur Außenwelt herstellen, nicht, wenn die Behördenpost als solche sicher zu identifizieren sei, also jedenfalls für Schreiben, die an eine Behörde gerichtet sind. Die Möglichkeit, dass die Justizvollzugsanstalt durch ausgehende Behördenpost möglicherweise Kenntnis von behandlungsrelevanten Umständen erlange, möge zwar im Einzelfall für den Vollzugsalltag praktisch sein, rechtfertige jedoch nicht den Eingriff in ein Grundrecht.

Hiergegen richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde des Leiters der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I vom 21.06.2006, mit der mit näherer Begründung die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird. Er verweist insbesondere darauf, dass es sich entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer bei der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I um eine der fünf Anstalten des Landes NRW handele, die die höchste Sicherheitsstufe besäßen; daher sei aus Gründen der Sicherheit und Ordnung eine umfassende Postkontrolle erforderlich.

Der Präsident des Landesjustizvollzugsamtes Nordrhein-Westfalen hat sich der Rechtsbeschwerde angeschlossen.

Der Betroffene ist mit Schreiben vom 08.07.2006 der Rechtsbeschwerde mit weiteren Ausführungen entgegengetreten.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde, die der Senat zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen und einschränkend dahin ausgelegt hat, dass der Leiter der Justizvollzugsanstalt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nur hinsichtlich der ihm nachteiligen Entscheidung begehrt, führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung der Strafvollstreckungskammer in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang und zur Verwerfung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung des Betroffenen auch insoweit, als die Kontrolle ausgehender Behördenpost begehrt wurde.

Die in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I bestehende allgemeine Briefkontrolle ist gem. § 29 Abs. 3 StVollzG rechtmäßig.

Nach der genannten Vorschrift darf der Schriftverkehr der Gefangenen - mit Ausnahme der in § 29 Abs. 1 und Abs. 2 StVollzG genannten Schreiben - aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überwacht werden. Hierdurch wird in zulässigerweise das Grundrecht des Brief- und Postgeheimnisses gem. Art. 10 Abs. 1 GG des Gefangenen eingeschränkt.

Die allgemeine Briefkontrolle ist bereits als notwendiges und geeignetes Instrument zur Aufrechterhaltung der Sicherheit in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I erforderlich. Bei der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I handelt es sich entgegen der Beurteilung der Strafvollstreckungskammer gerichtsbekannt - worauf zudem schon der Präsident des Landesjustizvollzugsamtes in seinem Widerspruchsbescheid vom 01.02.2006 sowie zuletzt der Leiter der Justizvollzugsanstalt in seiner Rechtsbeschwerde vom 21.06.2006 unter näherer Darlegung der Anstaltssituation hingewiesen haben -, um eine Justizvollzugsanstalt der höchsten Sicherheitsstufe, die zu einem großen Teil mit Langzeitgefangenen und Straftätern, die wegen Gewaltdelikten verurteilt worden sind, belegt ist.

Bei dieser Sachlage ist es zunächst nicht zu beanstanden, dass in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I Maßnahmen zur Postkontrolle getroffen worden sind, die sich unabhängig von individuell begründeten Missbrauchsbefürchtungen auf alle Gefangene erstrecken. Zum einen ist es schon nicht möglich, den Kreis der potentiell gefährlichen Gefangenen exakt zu bestimmen. Zum anderen besteht bei den vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten in der Justizvollzugsanstalt die Gefahr, dass in Anstalten, in denen viele besonders gefährliche Gefangene untergebracht sind, im Falle einer nur für einzelne Gefangene angeordneten Überwachung des Schriftwechsels gefährliche Gefangene nicht überwachte Mitgefangene unter Druck setzen könnten, um mit Hilfe von deren ein- und ausgehender Post sicherheitsgefährdende Kontakte nach außen herzustellen (BVerfG NStZ 2004, 226; OLG Hamm NStZ 1981, 368; OLG Frankfurt NJW 1979, 2525).

Ebenso ist nicht zu beanstanden, dass sich die Anordnung der allgemeinen Briefkontrolle auch auf - ausgehende - Behördenpost erstreckt. Gerade auch vermeintliche Schreiben an Behörden eignen sich dazu, einen Missbrauch des Schriftverkehrs zu tarnen, wie nicht zuletzt das von Haß angeführte Beispiel in der Besprechung der Entscheidung des OLG Frankfurt vom 24.01.1978 zeigt (NJW 1979, 2527; vergl. auch BVerfG aaO). Daneben sind weitere Missbrauchsmöglichkeiten denkbar, von deren Wiedergabe der Senat aus Sicherheitsgründen absieht. Eine bloße Sichtkontrolle von außen der als Behördenpost gekennzeichneten Briefe ist daher nicht ausreichend, um die Sicherheitsbelange der Justizvollzugsanstalt zu wahren.

Der Beschluß der Strafvollstreckungskammer war daher insoweit aufzuheben, als er die Kontrolle der ausgehenden Behördenpost durch die Justizvollzugsanstalt für unzulässig erklärt hat; der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung war daher auch diesbezüglich als unbegründet zu verwerfen.

Einer Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld bedurfte es nicht, da Spruchreife eingetreten ist, so dass der Senat in der Sache selbst entscheiden konnte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 StVollzG.

Ende der Entscheidung

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