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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.06.2006
Aktenzeichen: 1 WF 157/06
Rechtsgebiete: ZPO, RVG


Vorschriften:

ZPO § 121
ZPO § 127 II
ZPO § 127 II 3
ZPO § 329 II
ZPO § 569
ZPO § 572 I
RVG § 33
RVG § 56 II
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bocholt abgeändert. Die dortige Einschränkung "insofern,...als der Staatskasse keine weiteren Kosten dadurch entstehen" entfällt.

Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:

Nach der Mitteilung eines Anwaltswechsels durch gleichlautende Schreiben der früheren Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners Rechtsanwältin L und des neu gewählten Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners Rechtsanwalt I beschloß das Familiengericht am 19.8.2005, dem "Antragsgegner im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe anstelle von Rechtsanwältin L Rechtsanwalt I insofern" beizuordnen, "als der Staatskasse keine weiteren Kosten dadurch entstehen". Ein entsprechende Einverständniserklärung eines der beteiligten Rechtsanwälte hatte es zuvor nicht eingeholt. Der entsprechende Beschluss wurde den beteiligten Anwälten am 25.8.2005 formlos übersandt. Der Tag des Zugangs ist nicht bekannt. Eine Reaktion auf den Beschluss erfolgte nicht.

Tatsächlich hat Rechtsanwalt I das Mandat ungeachtet einer zwischenzeitlichen Mitteilung einer Mandatsniederlegung auch weitergeführt, Anträge gestellt und den Termin in der Ehesache wahrgenommen. Dort erging nach Abtrennung der Folgesache Versorgungsausgleich ein Scheidungsurteil, das rechtskräftig ist; die Folgesache Versorgungsausgleich ist noch anhängig.

Mit Antrag vom 6.1.2006 beantragte Rechtsanwalt I die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen. Die Rechtspflegerin äußerte mit Schreiben vom 11.1.2006 Bedenken u.a. dahin, daß Gebühren beansprucht würden, die bereits auf entsprechenden Antrag an die frühere Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners Rechtsanwältin L ausgekehrt worden seien. Die erneute Geltendmachung sei durch den zugrundeliegenden Beschluss des Familiengerichts vom 19.8.2005 ausgeschlossen.

Mit Schreiben der Rechtsanwälte W vom 18.1.2006, unterzeichnet von RA I, wurde daraufhin die Änderung des Beschlusses vom 19.8.2005 dahin beantragt, daß die Einschränkung im Hinblick auf den Ausschluß von Mehrkosten entfalle. Dazu sah sich das Familiengericht außerstande, zumal die Rechtsmittelfrist abgelaufen sei. Es beabsichtige eine Vorlage an den Senat, wenn der Antrag vom 18.1.2006 als sofortige Beschwerde verstanden werden solle. Das bejahte RA I mit Schreiben vom 19.5.2006. Das Amtsgericht hat die Sache daraufhin mit einem knappen, lediglich im Hinblick auf seine bereits in dem vorangegangenen Schreiben geäußerte Rechtsansicht dem § 572 I ZPO genügenden Beschluss dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

Gegen eine nicht antragsgemäße Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gem. § 127 II ZPO für die betroffene Partei das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statthaft. In besonderen Fallkonstellationen wird darüber hinaus ein Beschwerderecht auch des Verfahrensbevollmächtigten analog §§ 56 II, 33 RVG angenommen (Zöller/Philippi, Rn 19 zu § 127 ZPO m.w.N.). In wessen Namen hier das Rechtsmittel eingelegt wurde, geht aus der gewählten Formulierung ("wird beantragt" im Kostenerstattungsantrag vom 6.1.; "wir ... beantragen" im SS vom 18.1.2006; soll "unser Antrag ... als sofortige Beschwerde verstanden werden" im SS vom 19.5.2006) nicht eindeutig hervor. Der Umstand, daß die Anträge allesamt im Kostenfestsetzungsverfahren gestellt worden sind, spricht zwar in gewisser Weise dafür, daß sie im eigenen Interesse und Namen des Anwalts verfolgt wurden; der Senat wertet das Rechtsmittel gleichwohl als ein solches der Partei, weil der Antragsgegner diejenige ist, der durch die nicht antragsgemäß erfolgte Bewilligung von Prozesskostenhilfe materiell beschwert wäre. Letztlich kann dies aber dahinstehen. Auch eine Beschwerde des Anwalts aus eigener Betroffenheit würde denselben prozessualen und materiellen Kriterien unterliegen, insbesondere auch der Beschwerdefrist von einem Monat gem. § 127 II 3 ZPO. Bedeutsam wäre die Person des Beschwerdeführers letztlich nur für die sich hier nicht stellende Frage, wem die Kosten eines erfolglosen Beschwerdeverfahrens zu berechnen sind.

Die danach gem. § 127 II ZPO statthafte Beschwerde ist zulässsig, insbesondere nicht verspätet. Denn der Beginn der Beschwerdefrist von hier einem Monat ist nicht feststellbar. Das Amtsgericht hat den Beteiligten seinen Beschluss vom 19.8.2005 entgegen § 329 II ZPO lediglich formlos mitgeteilt und nicht förmlich zugestellt. In derartigen Fällen ist (Zöller/Gummer, Rn 4 zu § 569 ZPO m.w.N.) der Tag der tatsächlichen Bekanntgabe der Verkündung gleichzusetzen mit der Folge, daß die Notfrist von 1 Monat erst fünf Monate nach der formlosen Bekanntgabe beginnt. Selbst wenn bei Annahme kurzer Postlaufzeiten hier unterstellt würde, dass der am 25.8.2005 "abverfügte" Beschluss schon am 26.8 2005 zuging, also als "verkündet, aber nicht zugestellt" i.S.v. § 569 ZPO anzusehen war, wäre die Notfrist von einem Monat erst am 26.1.2006 angelaufen. Der Antrag vom 18.1.2006 hätte die Beschwerdefrist also jedenfalls gewahrt. Dieser ist auch ohne weiteres, weil unbedingt auf Abänderung der nicht insgesamt antragsgemäßen Entscheidung vom 19.8.2005 gerichtet, als sofortige Beschwerde auszulegen.

Das Rechtsmittel ist auch begründet.

Zwar bestimmt § 121 ZPO, dass eine Partei, die auf Kosten der Allgemeinheit prozessiert, grundsätzlich nur Anspruch auf Übernahme der Kosten für einen Anwalt aus dem Kreis der beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwälte hat. Ein Anwaltswechsel, hinsichtlich dessen eine Umbestellung beansprucht wird, ist regelmäßig nachvollziehbar zu begründen (Zöller/Philippi, Rn 33 ff zu § 121 ZPO m.w.N.). Das bringt die Möglichkeit mit sich, daß der Partei die begehrte Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts, die zumeist mit weiteren Kosten einhergeht, als mutwillig verweigert werden kann. Es entspricht aber der ganz h.M. in Rechtsprechung und Literatur (aus jüngerer Zeit etwa OLG Köln, FamRZ 2004, 123 f, ferner Zöller/Philippi, Rn 35 zu § 121 ZPO, je m.w.N.), daß nach einem Anwaltswechsel der neu gewählte Anwalt nicht ohne weiteres nur beschränkt auf die vom zunächst gewählten Rechtsanwalt noch nicht verdienten Kosten beigeordnet werden kann, wenn dies auch im Hinblick auf die von § 121 ZPO auch geschützten Interessen der Gemeinschaft wünschenswert und in der Praxis infolge eines zuvor erklärten Einverständnisses der Beteiligten auch die Regel ist. Denn der Vergütungsanspruch des neu beigeordneten Anwalts ergibt sich aus seiner eigenen Tätigkeit im Rechtsstreit und den dadurch erfüllten Gebührentatbeständen. Daraus folgt, daß das Gericht die Zustimmung des neuen Anwaltes dazu einholen muß, daß er auf die Vergütung verzichtet, soweit diese schon vom zuerst beigeordneten Anwalt verdient worden ist. Die bloße Einschränkung im Beiordnungsbeschluss, daß keine zusätzlichen Kosten entstehen dürfen bzw. daß bisher entstandene Gebühren angerechnet werden, reicht nicht aus. Auch der Senat folgt dieser h.M..

Hier hat das Amtsgericht die Gründe für den Anwaltswechsel nicht erfragt. Ob sie beachtlich waren, ist nicht ersichtlich und möglicherweise heute auch nicht mehr feststellbar. Es hat insbesondere ein solches Einverständnis nicht eingeholt. Die beteiligten Anwälte sind dazu nach dem Inhalt ihrer verschiedenen, im Festsetzungsverfahren gewechselten Schriftsätze auch ganz offensichtlich nicht bereit. Vor diesem Hintergrund kam für den Senat nur die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dergestalt in Betracht, daß die Einschränkung entfalle. Denn eine Aufhebung des Umbestellungsbeschlusses im ganzen wäre als Verstoß gegen das Verbot einer reformatio in peius keine Alternative. Die Einschränkung im angefochtenen Beschluss wiederum kann mangels des erforderlichen Einverständnisses keinen Bestand haben.

Ende der Entscheidung

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