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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.10.2004
Aktenzeichen: 1 Ws (L) 10/04
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 57a
Zur bedingten Entlassung nach Verbüßung einer 18-järhigen Freiheitsstrafe.
Beschluss

Strafvollstreckungssache

gegen A.B.

wegen versuchten Mordes,

(hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Versagung der bedingten Entlassung gemäß § 57 a StGB)

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 09. bzw. 10. September 2004 gegen den Beschluss der großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Detmold vom 30. August 2004 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26. 10. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.

Gründe:

Der Betroffene ist durch Urteil des Landgerichts Duisburg vom 7. Februar 1990 wegen versuchten Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Verurteilte gemeinsam mit zwei Mittätern eine junge Frau über drei Monate gefangen gehalten, ihr die Nahrung entzogen und sie in vielfältiger Form gedemütigt und misshandelt. Wegen der Einzelheiten der der Verurteilung zugrunde liegenden Tat wird auf die Feststellungen im Urteil des Landgerichts Duisburg vom 7. Februar 1990 verwiesen. 15 Jahre der Strafe waren am 13. Mai 2001 verbüßt.

Mit Beschluss vom 20. Juni 2001, rechtskräftig seit dem 10. Juli 2001 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Detmold die Aussetzung der verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung nach Verbüßung von 15 Jahren abgelehnt und in den Gründen ausgeführt, dass nach der von der Kammer vorgenommenen vollstreckungsrechtlichen Gesamtwürdigung die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Verbüßung der gegen ihn verhängten Strafe bis zu einer Gesamtdauer von 20 Jahren gebiete. Nach den vom Landgericht Duisburg im Urteil vom 7. Februar 1990 getroffenen Feststellungen sei die Tat des Verurteilten besonders verwerflich. Es lägen daher Umstände von besonderem Gewicht vor, die bei der zusammenfassenden Würdigung der Tat und der Persönlichkeit des Verurteilten, nur den Schluss auf die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten zuließen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass sich der Verurteilte im Zeitraum von September 1998 bis März 2000 einer insgesamt 70-stündigen Verhaltenstherapie bei dem Diplom-Psychologen R. unterzogen habe. Angesichts dieser von dem Verurteilten absolvierten Therapie, den dabei erzielten Erfolgen und der jetzt noch zu verbüßenden überschaubaren Haftzeit, sollte dem Verurteilten aber baldmöglichst die Chance gegeben werden, sich unter vollzuglichen Lockerungen zu bewähren.

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 23. Februar 2004 hat der Verurteilte beantragt, die durch Urteil des Landgerichts Duisburg vom 7. Februar 1990 verhängte lebenslange Freiheitsstrafe nach Verbüßung von nunmehr fast 18 Jahren zur Bewährung auszusetzen. Zur Begründung ist ausgeführt, von dem Verurteilten gehe keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit i.S.d. § 57 Nr. 2 StGB aus. Obgleich die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss vom 20. Juni 2001 dem Vollzug aufgegeben habe, den Verurteilten baldmöglichst zu lockern, sei dem nicht nachgekommen worden. Die Bewilligung von Lockerungen werde mit der Begründung abgelehnt, der Verurteilte weigere sich, an gruppentherapeutischen Sitzungen unter Leitung des Diplom-Psychologen H. in der Justizvollzugsanstalt Detmold teilzunehmen. Im Rahmen eines Verfahrens nach §§ 109 ff. StVollzG habe die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Detmold ein psychologisches Gutachten des Herrn Dr. Sanner eingeholt. Der Gutachter komme zu dem Ergebnis, dass zwischen dem Betroffenen und dem Anstaltspsychologen kein Vertrauensverhältnis bestehe. Im übrigen bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die durch die Anlasstat zutage getretene Gefährlichkeit so groß sei, dass deswegen keine Lockerungsschritte eingeleitet werden könnten. Sollten Lockerungen ohne weitere Therapie aus Sicht des Strafvollzuges nicht möglich sein, so sollte der Verurteilte umgehend einer Therapie zugeführt werden, der er selbst zustimme, damit im Rahmen dieser therapeutischen Maßnahmen bestätigt werden könne, dass die Feststellungen des Sachverständigen zuträfen.

Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Detmold hat unter dem 25. Juni 2004 zur Frage einer bedingten Entlassung Stellung genommen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass derzeit nicht von einer günstigen Sozialprognose ausgegangen werden kann. Der Verurteilte schildere in den Gesprächen keine zusammenhängenden Einsichten über seine Vorgeschichte, Motive und Abläufe seiner Straftat oder über Ergebnisse seiner Einzeltherapie, sondern bliebe stets vage bzw. schablonenhaft und konkretisiere eher das Nebensächliche. In keiner einzigen Gesprächssituation habe sich der Verurteilte betroffen oder emotional berührt gezeigt. Empathie gegenüber seinem Opfer könne er sprachlich benennen, ohne jedoch seinem Mitgefühl Ausdruck zu verleihen. Chancen auf eine günstige Behandlungsprognose zeigten sich nicht. Sein Wahrnehmungs-, Reflektions- und Interaktionsstil sei rigide, egozentrisch und auf Abwehr divergenter Sichtweisen ausgerichtet. Es bestehe wenig Hoffnung, dass für den Betroffenen ein tragfähiges, veränderungswirksames Arbeitsbündnis hergestellt und aufrechterhalten werden könne. Eine Veränderungsmotivation sei auch ansatzweise nicht zu erkennen. Ihm fehle das erforderliche Mindestmaß an Offenheit und Vertrauensbereitschaft. In der Justizvollzugsanstalt Detmold seien sodann Planungen eingeleitet worden, den Betroffenen in die Justizvollzugsanstalt Werl zu verlegen, um dort neue vorurteilsfreie Anknüpfungspunkte für eine vollzugliche Planung durchzuführen. Noch vor der eigentlichen vollzuglichen Entscheidung beschwerte sich jedoch der Betroffene gegen diese weitere Vollzugsplanung und machte deutlich, dass er wohl an tatsächlichen Veränderungen nicht interessiert sei. Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat daraufhin einer bedingten Entlassung widersprochen. In der mündlichen Anhörung des Verurteilten am 30. August 2004 führte der Verteidiger aus, dass es dem Verurteilten im Wesentlichen darum gehe, Lockerungen zu erreichen, die ihm von der Justizvollzugsanstalt Detmold nicht gewährt würden. Nach seiner Auffassung müsse die Strafvollstreckungskammer die Justizvollzugsanstalt anweisen, Lockerungen zu gewähren. Zu einer Verlegung in eine andere Justizvollzugsanstalt äußerte sich der Verurteilte eher kritisch, da er nicht wisse, ob er dort Lockerungen erhalten werde. Außerdem sei es dann seiner Freundin nicht mehr möglich, ihn zu besuchen.

Mit Beschluss vom 30. August 2004 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Detmold die Aussetzung der Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt. Zur Begründung ist ausgeführt, die Kammer habe mit Beschluss vom 20. Juni 2001 festgestellt, dass die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Verbüßung bis zu einer Gesamtdauer von 20 Jahren gebiete. Diese zeitliche Festlegung könne - vorbehaltlich einer Änderung der für die Beurteilung maßgebenden Verhältnisse des Gefangenen - im Hinblick auf den Gesichtspunkt des § 57 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB später nicht mehr geändert werden. Eine Änderung der für die Beurteilung maßgeblichen Verhältnisse des Gefangenen habe sich vorliegend nicht ergeben, so dass es bei der Mindestverbüßungsdauer von 20 Jahren verbleibe. Soweit der Antragsteller mit seinem Antrag die Gewährung von vollzuglichen Lockerungen verfolge, sei darüber in diesem Verfahren nicht zu entscheiden. Die Entscheidung über Lockerungen sei Aufgabe der Justizvollzugsanstalt, die die Gewährung von Lockerungen aufgrund der größeren Sachnähe auch besser beurteilen könne. Eine gerichtliche Anordnung hinsichtlich Vollzugslockerungen sei ausschließlich im Strafvollzugsverfahren und dort auch nur im Fall einer Ermessensreduzierung auf Null möglich. Die Einholung eines erneuten Sachverständigengutachtens sei zum derzeitigen Zeitpunkt nicht erforderlich. Insbesondere seien dem Verurteilten bislang keine Lockerungen gewährt worden. Diese wären als Beurteilungsgrundlage für eine Entscheidung eines Sachverständigen aber zwingend erforderlich. Vor dem Hintergrund, dass der Verurteilte nunmehr bereits mehr als 18 Jahre Haft verbüßt habe, sollte ihm aber baldmöglichst die Chance gegeben werden, sich in vollzuglichen Lockerungen zu bewähren.

Gegen diesen ihm am 6. September 2004 zugestellten Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten mit Verteidigerschriftsatz vom 10. September 2004, die am selben Tage beim Landgericht Detmold eingegangen ist. Zur Begründung ist ausgeführt, dass trotz zahlreicher Aufforderungen der Strafvollstreckungskammer im Verfahren auf Vollzugslockerungen als auch im Verfahren der Strafaussetzung zur Bewährung und trotz des eindeutigen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. S. bis heute keine Vollzugslockerungen gewährt worden seien. Unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (StV 98, 429) führt der Verteidiger aus, es sei verfassungswidrig, wenn sich die Strafvollstreckungskammer darauf zurückziehe, sie könne die Vollstreckungsbehörde im Verfahren über die Strafaussetzung zur Bewährung nicht anweisen, Vollzugslockerungen zu gewähren. Genau in diesem Verfahren sei die Justizvollzugsanstalt Detmold anzuweisen, den Verurteilten zu lockern. Anders könne das gesetzliche und verfassungsrechtliche Gebot, auch Lebenslänglichen eine Perspektive auf Wiedererlangung der Freiheit zu bieten, nicht gewahrt werden. Zuvor hatte bereits der Verurteilte selbst mit Schreiben vom 9. September 2004 sofortige Beschwerde eingelegt.

Die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zwar zulässig, hat in der Sache indes keinen Erfolg.

Die Strafvollstreckungskammer hat zu Recht die bedingte Entlassung des Verurteilten nach Verbüßung von mehr als 18 Jahren der verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe abgelehnt.

Nach § 57 a Abs. 1 StGB setzt das Gericht die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach Verbüßung von mindestens 15 Jahren zur Bewährung aus, wenn nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und die Aussetzung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Die Strafvollstreckungskammer hat in ihrem früheren Beschluss vom 20. Juni 2001 festgestellt, dass nach einer vollstreckungsrechtlichen Gesamtwürdigung die besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe bis zu einer Gesamtdauer von 20 Jahren gebiete. Dieser Beschluss ist rechtskräftig und damit, unabhängig davon, ob er den Begründungsanforderungen genügt, zunächst einmal bindend. Eine Abänderung der festgesetzten Mindestverbüßungszeit kommt nur dann in Betracht, wenn sich nachträglich eine Änderung der für die Beurteilung maßgebenden Verhältnisse des Verurteilten ergibt. In diesem Fall ist dann erneut eine vollstreckungsrechtliche Gesamtwürdigung vorzunehmen, ob gleichwohl die Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung gebietet (BVerfGE 86, 288, 331).

Vorliegend ist die Strafvollstreckungskammer in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Änderung der für die Beurteilung maßgeblichen Verhältnisse sich nicht ergeben hat, so dass es bei der Mindestverbüßungsdauer von 20 Jahren verbleibe. Auch der Senat vermag einen Wegfall des Gebotenseins nicht zu erkennen. Wie sich aus dem Bericht der Justizvollzugsanstalt Detmold ergibt, ist eine Verhaltensänderung des Verurteilten nicht eingetreten. Ihm fehlt weiterhin das erforderliche Mindestmaß an Offenheit und Vertrauensbereitschaft. Darüber hinaus tendiert er nach wie vor dazu, die der Verurteilung zugrunde liegende Tat zu bagatellisieren. Sein gesamtes Bestreben ist darauf gerichtet, Vollzugslockerungen zu erhalten und die Möglichkeit zu bekommen, eine externe Psychotherapie zu absolvieren. Soweit ihm diese Möglichkeit nicht eröffnet wird, verweigert er eine psychotherapeutische Behandlung in der Justizvollzugsanstalt. Dies kann auch nicht allein mit einem fehlenden Vertrauensverhältnis zu dem Anstaltspsychologen der Justizvollzugsanstalt Detmold erklärt werden, da der Verurteilte ebenfalls eine Verlegung in eine andere Justizvollzugsanstalt blockiert, weil er befürchtet, dort keine Lockerungen zu erhalten. Dies weckt Zweifel an seiner Therapiebereitschaft. Ohne eine weitere Therapie, die auch der Diplom-Psychologe R., bei dem er bereits 70 Therapiestunden absolviert hat, für erforderlich gehalten hat, gebietet aber die besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung der Strafe.

Der Umstand, dass der Verurteilte - wohl auch im Hinblick auf die Forderung des Bundesverfassungsgerichts, die Strafvollstreckungsgerichte dürften sich im Verfahren gemäß §§ 454, 462 StPO nicht damit abfinden, dass die Vollzugsbehörde ohne hinreichenden Grund die Gewährung von Vollstreckungslockerungen verweigere; die Strafvollstreckungsgerichte hätten vielmehr zu prüfen, ob die Vollzugsbehörde bei der Versagung von Lockerungen die unbestimmten Rechtsbegriffe der Befürchtung von Flucht oder Missbrauch richtig ausgelegt und angewandt und alle relevanten Tatsachen vollständig ermittelt habe (BVerfG, 2. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 22. März 1998, NStZ 1998, 373 = NJW 1998, 2202) - rügt, ihm seien Vollzugslockerungen verweigert worden, führt zu keiner anderen Beurteilung. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang zwar weiter ausgeführt, dass die Vollzugsbehörden bei einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten, dessen Entlassung nur noch von einer günstigen Kriminalprognose abhänge, zu beachten hätten, dass sie dem Gefangenen - soweit vertretbar - eine Bewährung zu ermöglichen hätten, damit dessen grundrechtlich garantierter Freiheitsanspruch durch Richterentscheid zeitgerecht realisiert werden könne. Werde die Behörde diesen Anforderungen nicht gerecht, so müsse ihr im Aussetzungsverfahren von den Strafvollstreckungsgerichten deutlich gemacht werden, dass Vollzugslockerungen geboten seien. Der diesbezügliche Hinweis des Bundesverfassungsgerichts auf die im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG ergangene Entscheidung 2 BvR 1404/96 zeigt nach Auffassung des Senats allerdings, dass das Bundesverfassungsgericht die Vollstreckungsgerichte im Verfahren nach §§ 454, 462 StPO - allein um ein solches handelt es sich im vorliegenden Fall - nicht verpflichten wollte, ohne weiteres Entscheidungen an sich zu ziehen, die allein dem Verfahren nach §§ 109, 116 StVollzG mit vorgeschaltetem Widerspruchsverfahren zum Präsidenten des Landesjustizvollzugsamtes als Zulässigkeitsvoraussetzung vor den dafür sachlich und örtlich zuständigen Gerichten, die mit den nach §§ 454, 462 StPO entscheidenden nicht unbedingt identisch sein müssen, vorbehalten sind. Im übrigen hat das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung klargestellt, dass die dort gemachten Ausführungen nur dann Gültigkeit hätten, wenn, was vorliegend gerade nicht der Fall ist, die besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung nicht mehr gebiete. Gegen die Möglichkeit, im Verfahren nach §§ 454 StPO, 57, 57 a StGB Verbindliches über Lockerungen zu entscheiden, sind auch zu Recht Bedenken aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) vorgebracht worden. Der Vollzug und seine Lockerungen seien exekutives Handeln. Ihre Grundlage seien das Strafvollzugsgesetz und die Maßregelvollzugsgesetze der Länder. Die Vollstreckungsgerichte als dritte Gewalt seien nur gehalten, das behördliche Handeln, insbesondere die Versagung von Lockerungen zu überprüfen, wenn sie von dem hiervon betroffenen Gefangenen auf dem dafür vorgesehenen Weg angerufen würden. Lasse dieser eine für ihn nachteilige Entscheidung der Vollzugsbehörde bestandskräftig werden, hätten sich die Vollstreckungsgerichte jedenfalls im hierfür nicht vorgesehenen Aussetzungsverfahren einer Überprüfung dieser Entscheidung und erst recht deren Korrektur zu enthalten (Anm. Wolf, NStZ 1998, 591; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2001, 312, 314).

Laut Mitteilung des Verteidigers hat der Verurteilte ein Verfahren nach den §§ 109 ff. StVollzG angestrengt. Im übrigen liegen derzeit für den Senat keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Vollzugsbehörde den ihr zustehenden prognostischen Beurteilungsspielraum bei der Bewilligung von Vollzugslockerungen verlassen haben könnte.

Soweit das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang schließlich darauf verweist, dass die Gerichte bei ihrer Einwirkung auf die Vollzugsbehörden ihre prozessualen Möglichkeiten auszuschöpfen hätten und dabei auch auf § 454 a Abs. 1 StPO Bezug nimmt, kann auch dies zu keinem anderen Ergebnis führen. § 454 a Abs. 1 StPO setzt - wie dessen Absatz 2 zeigt - voraus, dass schon zur Zeit der Entscheidung die Bedingungen für eine Reststrafenaussetzungsgewährung nach §§ 57, 57 a StGB gegeben sind. Diese Bestimmung kann daher nicht - schon gar nicht bei einer Entscheidung nach § 57 a StGB - den Zweck haben, dass die Voraussetzungen für eine entsprechend sichere günstige Prognose erst zwischen Entscheidungszeitpunkt und Entlassungszeitpunkt geschaffen werden (vgl. Senatsbeschluss vom 12. November 1999 1 Ws (L) 15, 16/97). Die Entlassung schon zum Entscheidungszeitpunkt darf vielmehr nur daran scheitern, dass entweder formelle Aussetzungsvoraussetzungen noch nicht vorliegen (etwa die Mindestverbüßungsdauer noch nicht erreicht ist, im Anschluss notierte weitere Strafen noch nicht ausreichend teilverbüßt sind, die Einwilligung des Verurteilten zuerst für einen späteren Zeitpunkt erteilt worden ist usw.), oder aber unabdingbare Entlassungsvorbereitungen noch durchzuführen sind. Diese Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 454 a StPO ergibt sich schon daraus, dass in den §§ 454 ff. StPO nur verfahrensrechtliche Regelungen der Reststrafen- und Maßregelaussetzung getroffen sind, während sich die materiell-rechtlichen Aussetzungsvoraussetzungen ausschließlich in den §§ 57, 57 a StGB finden. Von daher verbieten sowohl Sinn und Zweck der Regelung des § 454 a Abs. 1 StPO als auch seine Stellung in der gesetzlichen Systematik eine Auslegung dahin, dass er eine Aussetzung auch ohne ausreichend günstige Sozialprognose ermögliche. Verstärkt wird dieses Verständnis der Bestimmung durch die in § 454 a Abs. 2 StPO getroffene Regelung. Die Aufhebung der vorzeitig getroffenen Aussetzung der weiteren Vollstreckung setzt nach dieser Bestimmung voraus, dass aufgrund neu eingetretener oder bekannt gewordener Tatsachen nunmehr keine günstige Prognose mehr gestellt werden kann. Also muss eine Veränderung der Tatsachenbasis für die Prognoseentscheidung eingetreten sein, hingegen reicht eine nunmehr lediglich abweichende richterliche Beurteilung der bei der Entlassungsentscheidung bekannten Tatsachen für eine Aufhebung nicht aus. Diese gesetzliche Konstruktion setzt aber denknotwendig voraus, dass zum Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung die damals bekannten prognoserelevanten Tatsachen an der künftigen Sozialbewährung des Verurteilten keine durchgreifen Zweifel zuließen (OLG Frankfurt, NStZ-RR 2001, 312, 313). Aus diesem Grund kann der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts nur dahin verstanden werden, dass eine frühzeitige Entscheidung über die Reststrafenaussetzung gemäß § 454 a StPO allenfalls dann in Betracht zu ziehen ist, wenn sich konkret abzeichnet, dass die prognostischen Entlassungsvoraussetzungen in fest umrissener Zeit bei Durchführung entsprechender vollzuglicher Maßnahmen sicher gegeben sein werden (vgl. Senatsbeschluss vom 12. November 1999, - 1 Ws (L) 15, 16/97). Dies ist vorliegend indes nicht der Fall. Die Prognose ist derzeit unsicher. Die erst durch Vollzugslockerungen zu gewinnenden Beurteilungsgrundlagen liegen noch nicht vor. Es ist auch für den Senat nicht abzusehen, welche Zeit für Erprobungen durch Urlaub und Aufenthalt im offenen Vollzug erforderlich sein wird, um die unerlässliche Beurteilungsgrundlage zu schaffen, zumal dies wesentlich auch vom Verhalten des Verurteilten bei diesen Lockerungen abhängig sein wird. In jedem Fall darf die noch anstehende Erprobungsphase nicht zu kurz bemessen sein.

Erst danach wird die dann zuständige Strafvollstreckungskammer - unter Inanspruchnahme sachverständiger Beratung - erneut über die Frage der bedingten Entlassung zu befinden haben, wobei der Verurteilte eine entsprechende Entscheidung jederzeit durch einen neuen Antrag herbeiführen kann.

Nach alledem war die sofortige Beschwerde des Verurteilten mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge als unbegründet zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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