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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 04.04.2002
Aktenzeichen: 1 Ws (L) 4/02
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 57a
Zu Frage, welche Umstände bei der Festsetzung der Mindestvollstreckungsdauer berücksichtigt werden können.
Beschluss Strafvollstreckungssache gegen E.K. wegen Mordes (hier: Sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer einer lebenslangen Freiheitsstrafe).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 31. Januar 2002 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Wuppertal vom 22. Januar 2002 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 04. 04. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird mit der Maßgabe verworfen, dass die aus Gründen der besonderen Schwere der Schuld gebotenen Vollstreckungsdauer auf 20 Jahre festgesetzt wird.

Der Verurteilte trägt die Kosten des Verfahrens. Jedoch wird die Beschwerdegebühr auf 2/3 ermäßigt. Die Staatskasse trägt auch 1/3 der dem Verurteilten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

Das Landgericht Bielefeld hat den Verurteilten am 11. September 1990 wegen Mordes und wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Verurteilte am 10. März 1988 gemeinsam mit 2 Mittätern in dem Geschäftsraum der Sparkassen-Zweigstelle Espelkamp den Filialleiter S. überfallen. Als dieser sich den Forderungen der Täter auf Aushändigung des vorhandenen Bargelds widersetzte, bedrohten und schlugen ihn die Täter mit den mitgebrachten Waffen. Unter dem Eindruck der ihm zugefügten Misshandlungen und Verletzungen öffnete der Filialleiter die Tresortür, worauf die Täter das in dem Tresor befindliche Bargeld in Höhe von 92.540,00 DM entwendeten. In dem Bestreben, unter Mitnahme der Beute unerkannt flüchten zu können, brachte der Verurteilte dem Filialleiter mit der Klinge eines mitgeführten Messers in Tötungsabsicht tiefe Schnittverletzungen im Halsbereich bei, die zum Tode des Opfers durch Verbluten führten. Unter Mitnahme der Beute entfernten sich die Täter schließlich vom Tatort. Wegen der weiteren Einzelheiten des Tatgeschehens wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Urteilsgründe Bezug genommen.

15 Jahre der gegen ihn verhängten lebenslänglichen Freiheitsstrafe wird der Verurteilte am 10. März 2003 verbüßt haben.

Mit Beschluss vom 22. Januar 2002 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Wuppertal die bedingte Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung abgelehnt und die aus Gründen der besonderen Schwere der Schuld gebotene Vollstreckungsdauer auf 23 Jahre festgesetzt.

Die Strafvollstreckungskammer hat dabei berücksichtigt, dass der Verurteilte vor der Mordtat bereits das Verbrechen beging, dass er mit dem Mord verdecken wollte. Auch bei dieser Tat seien der Verurteilte und sein Mittäter gewaltbereit mit großer Brutalität vorgegangen. Die Mordtat sei so als weitere, nicht zu überbietende Steigerung der Gewaltbereitschaft als besonders schulderschwerend zu werten. Als schuldsteigernd sei auch zu bedenken, dass der Verurteilte sein Opfer mit beispielsloser Brutalität getötet habe. Bei der Gesamtwürdigung aller Umstände wiege das konkrete Maß der Schuld des Verurteilten so schwer und übersteige die bei einer Verurteilung wegen Mordes ohnehin regelmäßig vorhandene Schuldschwere so deutlich, dass eine Strafverbüßung von nur 15 Jahren völlig unangemessen erscheine, um der individuellen Schuldschwere zu begegnen. Unter Berücksichtigung vollstreckungsrechtlicher Gesichtspunkte ist die Strafvollstreckungskammer der Auffassung, dass die weitere Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe bis zum Zeitpunkt von 23 Jahren erforderlich sei. Dabei hat die Kammer die Entwicklung des Verurteilten im Strafvollzug nicht außer Acht gelassen. Sein Verhalten sei stets beanstandungsfrei gewesen. Allerdings sei bei ihm bis vor kurzem keine Auseinandersetzung mit dem Tatgeschehen erkennbar gewesen. Erstmals aus Anlass der von der Kammer zu treffenden Entscheidung habe der Verurteilte gegenüber der Anstaltspsychologin zumindest eingeräumt, das Messer benutzt zu haben, was er bis dahin stets in Abrede gestellt habe. Wenn auch von einem Täter keine Reue verlangt werden könne, so lägen aber aufgrund der erkennbar noch behandlungsbedürftigen Persönlichkeitsproblematik jedenfalls keine besonderen Umstände vor, die den Verzicht auf eine der Schuldschwere entsprechende Vollstreckung angebracht erscheinen ließen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten. Er ist unter näheren Ausführungen der Auffassung, dass die besondere Schwere der Schuld eine Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe von 23 Jahren nicht rechtfertige.

Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg. Der angefochtene Beschluss war mit der Maßgabe aufzuheben, dass die aus Gründen der besonderen Schwere der Schuld gebotene Mindestvollstreckungsdauer auf 20 Jahre festgesetzt wird.

Der Senat hat sich dabei von folgenden Erwägungen leiten lassen:

In den sogenannten Altfällen sind die Vollstreckungsgerichte dazu berufen, die aus Gründen der Schuldschwere gebotene Mindestvollstreckungsdauer festzusetzen. Dabei dürfen sie nur das dem Urteil zugrundeliegende Tatgeschehen und die dazu festgestellten Umstände der Ausführung und der Auswirkung der Tat berücksichtigen. Demgegenüber sind Ausführungen zu den Beweggründen und den Zielen des Täters, zu der aus seiner Tat sprechenden Gesinnung und weiteren subjektiven, die Tatschuld prägenden Kriterien, soweit sie nicht der Annahme eines Mordmerkmals dienen, nicht notwendig in den Urteilsgründen enthalten, so dass das Vollstreckungsgericht bei der Schuldbewertung diese Umstände grundsätzlich nicht berücksichtigen darf (Bundesverfassungsgericht NStZ 1992, Seite 484, 486).

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte hat die Strafvollstreckungskammer zu Recht darauf abgestellt, dass der Verurteilte sein Opfer mit beispielloser Brutalität tötete. Wie sich aus den Feststellungen des Schwurgerichts ergibt, hat der Verurteilte mit 4 gegeneinander abgrenzbaren Schnitten den Hals des Opfers durchtrennt. Dabei wurden nicht nur die Weichteile des Halses, sondern auch die Halswirbel beschädigt. Er hat damit mehr getan, als zum bloßen Erfüllen des Tötungstatbestandes erforderlich gewesen ist. Die Berücksichtigung dieser objektiven Tatumstände ist zulässig (vgl. Bundesverfassungsgericht NJW 1993, 1124, 1125; Beschluss des Senats vom 12. Oktober 2000 - 1 Ws L 11/2000 -) und wird auch durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. September 1998 (NStZ 1999, 101) im Ergebnis nicht in Frage gestellt. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall die besondere Brutalität der Tatausführung nicht als berücksichtigungsfähig bezeichnet. Dies aber nur deshalb, weil sich nach seiner Auffassung gerade in dieser brutalen Vorgehensweise des Täters das vom Schwurgericht allein angenommene Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe verwirklicht hatte. Insoweit dürfte sich die Brutalität folgerichtig nicht nochmals schuldsteigernd auswirken.

Allerdings kann dem Umstand als solchem, dass der Verurteilte vor der Mordtat bereits das Verbrechen beging, dass er mit dem Mord verdecken wollte, kein Gewicht zukommen, weil der Verdeckungsmord begrifflich eine vorangegangene Straftat voraussetzt. Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld rechtfertigt sich aber hier durch die nach § 57 b StGB anzustellende Gesamtwürdigung mehrerer verwirklichter Straftatbestände. Diese Vorschrift schreibt eine zusammenfassende Würdigung der einzelnen Taten bei der Prüfung der Aussetzungsvoraussetzungen des § 57 a Abs. 1 Nr. 2 StGB vor. Anknüpfungspunkt für die besondere Schwere ist nach § 57 b StGB die Gesamtstrafe. Dabei hat bereits das Schwurgericht straferschwerend gewertet, dass der Verurteilte auch bei der Vortat gewaltbereit und mit großer Brutalität vorgegangen ist.

Trotz der vorgenannten schuldsteigernden Umstände hält der Senat auch unter Berücksichtigung des günstigen Vollzugsverlaufes die von der Strafvollstreckungskammer festgesetzte Mindestverbüßungsdauer von 23 Jahren für erheblich übersetzt. Dabei hat der Senat auch die Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer in anderen Landgerichtsbezirken berücksichtigt. Angesichts der Tatsache, dass der Senat für die Prüfung von Rechtsmitteln gegen Entscheidungen nach § 57 a StGB im ganzen Land Nordrhein-Westfalen zuständig ist, verfügt er über eine Vielzahl von Vergleichsfällen. Dabei ist der Senat auch gehalten, dafür Sorge zu tragen, dass erhebliche Abweichungen bei der Beurteilung der Schuldschwere von vergleichbaren Fällen nicht zu Tage treten und eine in etwa einheitliche Linie gewahrt bleibt. Dementsprechend führt die im vorliegenden Fall vorzunehmende Gesamtwürdigung zu einer vom Senat als angemessen erachteten Mindestverbüßungsdauer von 20 Jahren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO.

Ende der Entscheidung

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