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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 02.03.2004
Aktenzeichen: 1 Ws (L) 4/04
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 454 |
Beschluss
Strafsache
gegen P.S.
wegen Mordes (hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung).
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 17. Dezember 2003 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Krefeld vom 27. November 2003 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02. 03. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.
Gründe:
Der Verurteilte ist vom Landgericht Köln am 14. Mai 1980 wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Vergewaltigung und wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden. Wegen der Einzelheiten des Tatgeschehens wird auf die Urteilsfeststellungen Bezug genommen. Mit Beschluss vom 19. Dezember 1995 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Krefeld die Mindest- verbüßungsdauer wegen der besonderen Schwere der Schuld auf 20 Jahre festgesetzt, die inzwischen verbüßt sind.
Mit Schreiben vom 10. Juni 2002 hat der Verurteilte den Antrag gestellt, den Rest seiner lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Im Verfahren nach § 57 a StGB hat die Leiterin der Justizvollzugsanstalt Willich I Stellung genommen und ausgeführt, im Anschluss an die Voten des zuständigen Sozialarbeiters und des Psychologen könne dem Gefangenen eine positive Sozialprognose nicht gestellt werden. Die Stellungnahme nimmt Bezug auf ein auf Ersuchen des Leiters der Justizvollzugsanstalt Willich I in Auftrag gegebenes Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L. vom 2. Juli 1999, das sich insbesondere zu der Frage verhält, wie sich die Prognose bezüglich des Risikos weiterer einschlägiger Straftaten darstellt. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Verurteilten weiterhin von einer hohen Gefahr der Begehung einschlägiger Straftaten auszugehen ist. Darüber hinaus gebe es seines Erachtens auch kaum Möglichkeiten, die Prognose entscheidend zu verbessern, weil die zugrunde liegenden Störungen therapeutisch kaum hinreichend beeinflussbar seien, zumal der Beschwerdeführer selbst jedenfalls derzeit kaum Einsicht in die Notwendigkeit einer tatsächlichen inneren Wandlung habe. Die Strafvollstreckungskammer hat dieses Gutachten beigezogen.
Durch Beschluss vom 30. Dezember 2002 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Krefeld, nachdem sie den Verurteilten am 17. Dezember 2002 angehört hatte, die bedingte Aussetzung der Reststrafe aus dem Urteil des Landgerichts Köln vom 14. Mai 1980 abgelehnt. Sie hat dabei auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L. Bezug genommen, ohne dass dieser mündlich gehört worden war.
Auf die gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten hat der Senat mit Beschluss vom 27. Februar 2003 die Entscheidung des Landgerichts Krefeld aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, die Strafvollstreckungskammer habe es entgegen § 454 Abs. 2 S. 3 StPO unterlassen, den Sachverständigen Prof. Dr. L. mündlich anzuhören, obgleich sie das Gutachten bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt habe. Zwar handele es sich bei dem Gutachten des Sachverständigen nicht um ein vom Gericht gemäß § 454 Abs. 2 S. 1 StPO eingeholtes Gutachten. Angesichts der Tatsache, dass die Kammer aber nichts desto trotz das Gutachten zur Gefährlichkeitsprognose herangezogen habe, sei dieses Gutachten i.S.d. § 454 Abs. 2 StPO verwandt worden. In diesem Fall sei die Strafvollstreckungskammer dann aber auch verpflichtet gewesen, gemäß § 454 Abs. 2 S. 3 StPO den Sachverständigen mündlich anzuhören.
Die Strafvollstreckungskammer hat daraufhin zunächst den Sachverständigen Prof. Dr. L. mit der Erstattung eines Prognosegutachtens beauftragt. Nachdem der Verurteilte eine Begutachtung durch Prof. Dr. L. abgelehnt hatte, da er zu diesem kein Vertrauen habe, hat die Kammer sodann Prof. Dr. Dr. R. mit der Erstattung des Gutachtens beauftragt. Dieser ist in seinem am 25. August 2003 erstatteten Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Aufarbeitung der sexuellen sadistisch-aggressiven Tatkomponenten nur unzureichend erfolgt sei; diese Komponenten würden von dem Verurteilten selbst kaum wahrgenommen. Auch bei gegebener Motivation zur psychotherapeutischen Aufarbeitung einer solchen tiefgreifenden Persönlichkeitsunreife auf Borderline-Niveau in Verbindung mit einer sadistischen sexuellen Deviation wäre eine langjährige sehr intensive Einzelpsychotherapie erforderlich, um diese zu bearbeiten, die Prognose einer solchen Therapie wäre jedenfalls mit größter Vorsicht zu stellen. Unter den derzeitigen Gegebenheiten bei fehlender Motivation zur Aufarbeitung dieser Kernstörung sei mit einer hohen Rückfallgefahr hinsichtlich der Wiederholung einschlägiger Taten zu rechnen.
Die Leiterin der Justizvollzugsanstalt Willich I hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 19. November 2003 mitgeteilt, dass das Vollzugsverhalten des Verurteilten beanstandungsfrei sei. Allerdings lägen Hinweise, dass sich dieser anders als bisher intensiv und nachvollziehbar mit seiner Persönlichkeits- und Sexualproblematik auseinandersetze, nicht vor. Aus diesem Grunde könne eine positive Prognose nicht gestellt werden.
Die Strafvollstreckungskammer hat daraufhin nach mündlicher Anhörung des Verurteilten und des Sachverständigen am 26. November 2003 mit Beschluss vom 27. November 2003 eine Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Köln vom 14. Mai 1980 zur Bewährung abgelehnt. Zur Begründung hat sich die Kammer im Wesentlichen auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. R. gestützt. Darüber hinaus hat sie ausgeführt, der Verurteilte habe das letzte Tötungsdelikt verübt nach langjähriger Verbüßung von Jugendhaft in einer Situation, in der er auf beste Entlassungsvorbereitungen und einen unter den gegebenen Umständen bestmöglich organisierten sozialen Empfangsraum getroffen sei. Die stets wechselnden Einlassungen des Verurteilten zum Hergang der Taten belegten, dass er sich mit der seine Persönlichkeitsproblematik kennzeichnenden Verknüpfung von Sexualität und Gewalt nicht auseinandergesetzt habe. Aufgrund der Persönlichkeitsstruktur des Verurteilten, die sich in seinem Vorleben manifestiert habe, müsse befürchtet werden, dass er im Falle einer bedingten Entlassung sich erneut wegen Vergewaltigung und auch wegen eines vorsätzlichen Tötungsdeliktes strafbar machen werde. Diese Gefahr sei als außerordentlich erheblich zu bewerten.
Gegen diesen, seinem Verteidiger am 16. Dezember 2003 zugestellten Beschluss des Landgerichts, richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom selben Tag. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hat der Verteidiger des Verurteilten - wie zuvor schon gegenüber der Strafvollstreckungskammer - erneut die Qualifikation des Sachverständigen angezweifelt.
Die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Die Strafvollstreckungskammer hat es zu Recht und mit zutreffenden Gründen für nicht vertretbar gehalten, den Verurteilten zum jetzigen Zeitpunkt bedingt aus der Strafhaft zu entlassen. Ihre durchgreifenden Zweifel an der günstigen Sozialprognose hat die Strafvollstreckungskammer im Einzelnen mit eingehender Begründung dargelegt. Das Ergebnis deckt sich inhaltlich mit der psychiatrischen und psychologischen Begutachtung durch den Sachverständigen Prof. Dr. Dr. R. in Krefeld, der angesichts der fehlenden Motivation zur Aufarbeitung der Kernstörung von einer hohen Rückfallgefährdung bei dem Verurteilten ausgeht. Die Strafvollstreckungskammer teilt auch zu Recht die Bedenken des Verteidigers gegen die Sachkunde des Sachverständigen nicht.
Zu der in Anlehnung an die Entscheidung des Thüringischen Oberlandesgerichts in StV 2001, 26, 27 geäußerten Rechtsauffassung der Strafvollstreckungskammer zur Frage der mündlichen Anhörung von Sachverständigen gemäß § 454 Abs. 2 S. 3 StPO hat die Generalstaatsanwaltschaft wie folgt Stellung genommen:
"Über den gesetzlich geregelten Fall hinaus muß auch der Sachverständige, den die Strafvollstreckungskammer nicht gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 StPO beauftragt hat, jedenfalls dann mündlich angehört werden, wenn die Kammer ein von ihm bereits erstattetes Gutachten zur Gefährlichkeitsprognose heranziehen will. Die Vorschrift des § 454 Abs. 2 Satz 3 StPO dient - worauf der Senatsbeschluss vom 27.02.2003 - 1 Ws (L) 9/03 - hingewiesen hat, auch dem Anspruch des Verurteilten auf Gewährung des rechtlichen Gehörs. Ihm ist nämlich - neben anderen Prozessbeteiligten - im Anhörungstermin Gelegenheit zu geben, Fragen an den Sachverständigen zu stellen und Erklärun-gen abzugeben (§ 454 Abs. 2 Satz 6 StPO). Hierauf muß es ohne Einfluß bleiben, ob es sich um ein vom Gericht eingeholtes oder ein externes Gutachten handelt, dessen sich die Strafvollstreckungskammer für die Beurteilung der Sozialprognose bedient.
Im Übrigen geht die Auslegung des in Rede stehenden Senatsbeschlusses durch die Strafvollstreckungskammer fehl. Dieser besagt lediglich, dass derjenige Sachverständige mündlich anzuhören ist, der die Begutachtung des Verurteilten zur Frage der Gefährlichkeitsprognose vorgenommen hat. Damit ist nicht - wie die Strafvollstreckungskammer offensichtlich meint - festgelegt, dass die Kammer verpflichtet ist, den bereits - nicht für das Gericht - tätig gewordenen Sachverständigen mit der Erstattung des Gutachtens zu beauftragen. Der Senat hat in dem in Rede stehenden Beschluss der Strafvollstreckungskammer vielmehr anheim gestellt, den bereits tätig gewordenen Sachverständigen Prof. Dr. L. nach Erstattung eines ergänzenden Gutachtens mündlich anzuhören oder einen weiteren Sachverständigen hinzuzuziehen und sodann nach mündlicher Anhörung des - jeweiligen - Sachverständigen erneut über die Frage einer bedingten Entlassung zu entscheiden. Die Pflicht zur mündlichen Anhörung eines Sachverständigen ist gesetzlich bewußt anders geregelt als die bloße Anhörungspflicht von Staatsanwaltschaft und Justizvollzugsanstalt (§ 454 Abs. 1 S. 2 StGB), so daß sich bereits aus diesem Grund der von der erkennenden Kammer gezogene Vergleich verbietet."
Diesen Ausführungen schließt der Senat sich in vollem Umfang an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO."
Ende der Entscheidung
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